Medien | Nummer 465 - März 2013

„Wir bleiben auf Sendung!“

Interview mit dem Radioaktivisten Juan Vásquez vom Sender La Voz Lenca

Während des Putsches 2009 sendeten die traditionellen honduranischen Medien Tierfilme oder empfahlen Wochenendausflüge an den Strand. Allein einige kommunitäre Radios besaßen den Mut, den Putsch als solchen zu bezeichnen – denn dies war verboten. Deshalb besitzen heute die alternativen Radios – wie La Voz Lenca des Zivilen Rates der Basis- und Indigenenorganisationen von Honduras (COPINH) – eine hohe Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung. Seitens des Staates sehen sich die Radiomacher_innen mit Drohungen und Repression konfrontiert.

Interview: Johannes Schwäbl

Seit dem zivil-militärischen Putsch 2009 wurde auch die Repression gegen die kommunalen Radios in Honduras stärker. Welchen Repressalien sehen sich die Radiomacher_innen von COPINH ausgesetzt?
Wir, die Leute, die beim Radio arbeiten, haben ernstzunehmende Todesdrohungen erhalten, so zum Beispiel während des Putsches. Das war eine schreckliche Verfolgung. Unsere Sender wurden von Militärs besetzt, fremde Autos und Motorräder drehten Runden und haben die Aktivitäten der Radios beobachtet. Vor allem an dem Ort, wo wir den Sender für den Mittelwelle-Betrieb haben. Sie haben ausgekundschaftet, ob und wie wir unsere Radios bewachen. Eine compañera, die beim Radio arbeitet, wurde auf dem Nachhauseweg von einem Auto ohne Nummernschilder verfolgt. Es gibt Leute, die speziell dafür angestellt sind, die Radioprogramme anzuhören, um unsere Arbeit und unsere aktuellen Bewegungen zu überwachen. Sie versuchen auch, unsere Sender durch elektronische Entladungen anzugreifen und so den Sendebetrieb zu unterbrechen. Es gab auch vor kurzem mehrere Anzeigen der Nationalen Kommission für Telekommunikation, der CONATEL, die uns zwingen sollten, den Sendebetrieb einzustellen.

Worum ging es bei dieser Anzeige?
Das war im November des vergangenen Jahres. Sie erklärten, wir müssten unseren Radiobetrieb innerhalb von zehn Tagen einstellen und eine Strafe in Millionenhöhe zahlen, weil wir andere Frequenzen stören würden. Und falls wir weiterhin senden, würden sie unsere Apparate konfiszieren. Ihre Argumente waren unlogisch, weil sie uns beschuldigten, ein Radio in Comayagua zu stören. Dieses Radio sendet auch mit geringer Sendeleistung auf UKW und es ist aufgrund der Entfernung unmöglich, ein solches Radio in Comayagua von unserem Radio in Intibucá aus zu stören. Außerdem bezog sich das Ganze auf Vorfälle, die 2007 passiert sein sollen und schon damals widerlegt wurden.

Was warf CONATEL den Radios 2007 vor?
Ich war damals Direktor der Radios und aufgrund der Vorwürfe sprachen wir zusammen mit einem Anwalt mit CONATEL. Damals gab es mehrere Anschuldigungen, die wir alle widerlegen konnten. Wir waren zu der Zeit gerade dabei, einen UKW-Sender in San Francisco Lempira zu installieren. CONATEL sagte uns, das Radiospektrum dort sei schon verkauft und wir könnten dort kein Radio betreiben. Das war eine Lüge, denn dort existierte kein Radio. Wir waren dabei, das erste kommunale Radio in der Gegend aufzubauen und ein kommerzielles Radio gab es nicht. Zum anderen wurden wir beschuldigt, einen Sender in Comayagua zu stören, wie ich schon erwähnt hatte. Letztendlich konnten wir die Anschuldigungen von CONATEL entkräften und es gelang uns, das Radio in San Francisco Lempira aufzubauen.

Wie habt ihr es 2012 erreicht, auf Sendung zu bleiben?
Wir haben mit CONATEL gesprochen und nachgefragt, was das Problem sei. Wir erklärten, dass die angebliche Störung schon 2007 geklärt worden sei. Darauf antworteten sie uns, dass dies nicht dokumentiert sei und fragten uns, mit wem wir damals gesprochen hätten. Wir mussten eine Demonstration in Tegucigalpa durchführen, um unsere Radios zu verteidigen. Mit den anderen von COPINH protestierten wir vor CONATEL. Als sie die Demonstration sahen, bekamen sie einen Schreck und erklärten, dass sie niemals die Apparate konfiszieren oder unseren Betrieb einstellen wollten. Sie sagten sogar, dass sie uns mit einem UKW-Sender mit höherer Sendeleistung unterstützen würden. Sie versprachen, sie würden uns einen Techniker schicken, um die Transmitter zu überprüfen. Aber bis heute haben sie das nicht gemacht und das zeigt, dass die Anzeigen als reine Repression zu bewerten sind.

Was denkt ihr, wer hinter dieser Aktion steckt?
Das Verhalten von CONATEL sehen wir als Repression der Regierung, um unsere Radios zum Schweigen zu bringen. Wir wissen, dass für all das die gleichen Machtgruppen verantwortlich sind, die unsere Radios destabilisieren und unseren Betrieb einstellen wollen. Kommunikation von unten ist konfrontativ: Wir stellen uns gegen transnationale Unternehmen, gegen Regierungen, die ihre Autorität missbrauchen, und auch gegen die mächtige Holzindustrie. Das ist nicht einfach. Sie wollen ihre Arbeit auf illegale Art und Weise weiterführen und dabei schaffen sie alles aus dem Weg, das sie stört. Aber bisher haben sie das dank der Gemeinden, die bei der Verteidigung unserer Radios immer präsent waren, nicht geschafft. Wir arbeiten weiter und halten unsere Radios auf Sendung. Wir haben mit anderen befreundeten sozialen Organisationen einen Weg gefunden, unsere Radios wieder auf Sendung zu bringen, zum Beispiel wenn wir Schäden an den Geräten haben. Wir werden nicht schweigen angesichts der Zerstörung der Natur, der Verletzung der indigenen Rechte, angesichts der Respektlosigkeit vor dem ILO-Abkommen 169. Und so sind wir immer präsent und kämpfen gegen das alles.

Aktuell diskutiert die Regierung zusammen mit mehreren Gruppen und Organisationen einen Entwurf über ein neues Telekommunikationsgesetz, welches die Demokratisierung der Medien fördern soll. Was bedeutet diese Initiative für die kommunalen Radios?
Es gibt viele Kontroversen zu dem Gesetzesvorschlag. Eine ist, dass die Lizenzen für kommunale Radios an Einzelpersonen vergeben werden können. Das ist unmöglich – ein kommunales Radio kann sich nicht in Einzelbesitz befinden. Es gehört verschiedenen Dörfern und vielen Leuten. Ein anderer Streitpunkt ist, dass CONATEL Arbeitsrichtlinien der Radios vorgeben soll. Es gibt eine Klausel, die besagt, dass den politischen Parteien eine Priorität einzuräumen ist. Sie sagen, das sei aufgrund der Gleichberechtigung notwendig. Wir sind jedoch keine politische Partei, wir sind eine Organisation, eine Organisation des Protestes. Werbung für politische Parteien oder große Unternehmen zu machen, steht unserer Arbeit entgegen, unserem Auftrag und unserer Vorstellung von einem kommunalen Radio. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die indigene Bevölkerung und ihr Recht auf eigene Medien nicht klar in der Initiative genannt werden. Wir von COPINH haben unsere Position klargestellt und in die Debatte eingebracht, wir werden sehen, ob sie auch wirklich berücksichtigt wird. Wir werden das weiterverfolgen, denn wir können nicht zulassen, dass sie ein Gesetz verabschieden, welches unsere Sender und das Recht auf eigene Radiofrequenzen für indigene Völker nicht berücksichtigt.

Blog COPINH und Radiostream:
http://copinhonduras.blogspot.com/

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