Nummer 451 - Januar 2012 | Peru

„WIR WOLLEN WASSER, KEIN GOLD!“

Seit Wochen streikt eine ganze Region gegen das Bergbaugroßprojekt Minas Conga

Seit dem 24. November befindet sich das Departamento Cajamarca im Norden Perus in Aufruhr. Die Proteste richten sich gegen das Bergbauprojekt Minas Conga, das die Lebensbedingungen unzähliger Menschen verschlechtern und zu schwerwiegender Umweltverschmutzung führen würde. Doch am 4. Dezember rief Präsident Humala den Ausnahmezustand aus. Jetzt herrscht gespannte Stille.

Anne Grit Bernhardt

Seit dem 24. November demonstrierten tausende Menschen in der Provinz- und Departamentohauptstadt Cajamarca im Norden Perus gegen das Bergbauprojekt Minas Conga. Es wurde ein Generalstreik ausgerufen, der die gesamte Stadt für mehr als eine Woche lahm legte. Die Straßen waren für den Verkehr gesperrt, die Geschäfte und öffentlichen Institutionen geschlossen. Überlandstraßen und der Flughafen waren von Demonstrant_innen blockiert. Keiner kam mehr in die Stadt oder heraus. Trotz der Provokationen durch Regierung und Presse, die die Demonstrierenden als „Radikale“ und „Terroristen“ beschimpfen, blieben diese in der Stadt allesamt friedlich. Lediglich in der nahegelegenen Stadt Celendín gab es Ausschreitungen, als die Demonstrierenden die Büros des Bergbaukonzerns Minera Yanacocha stürmten und die Einrichtung verbrannten, sowie an einigen Blockadestandorten, als die Polizei die Straßen gewaltsam räumte. Carlos Rodríguez, Student aus Cajamarca, berichtet von den Ereignissen in Aylambo, nur wenige Kilometer von der Stadt entfernt, die von der Presse verschwiegen wurden: „Am Dienstag, den 29. November, befanden sich rund 50 Studierende der Universität in Aylambo, wo wir die Straße Richtung Küste blockiert hatten. Um ein Uhr nachts wurden wir Opfer eines brutalen Angriffs, in dem uns 90 Polizist_innen aus dem Hinterhalt mit Tränengasgranaten beschossen. Als sie unseren Stützpunkt des Widerstandes erreichten, begannen sie auf die Studierenden einzuschlagen, die beim Versuch, vor dem Tränengas zu fliehen, gestürzt waren. Ich entkam durch die Büsche und versteckte mich bis ungefähr sechs Uhr morgens. Dann kehrte ich zum Stützpunkt zurück, wo ich etliche meiner Compañeros verletzt vorfand. Außerdem fehlten Matratzen und Kleidung, die uns die Einwohner für den Widerstand gespendet hatten.” Dennoch blieb die Straße bis zum 2. Dezember gesperrt. Als schließlich schwer bewaffnete Soldaten anrückten, gaben die Studierenden auf. Während es für ein paar Tage an Gas und Benzin mangelte, weshalb auch Yanacocha seine Arbeit eine Zeitlang einstellen musste, herrschte an Nahrungsmitteln keine Knappheit, denn Cajamarca ist stark landwirtschaftlich geprägt. Während des gesamten Protests spürte man eine tiefe Solidarität und Verbundenheit. Es wurden Volksküchen und provisorische Unterkünfte für die tausenden von Bauern und Bäuerinnen organisiert, die aus allen umliegenden Dörfern in die Stadt kamen. Zu den „Radikalen“, die die Protestierenden unterstützten, gehörten auch die Nonnen und Mönche verschiedener Orden. Jeden Abend fuhr ein Lastwagen voller gespendeter Lebensmittel und Decken ins Hochland zu den bedrohten Bergseen, wo weitere hunderte Protestierende ausharrten, damit der Konzern die Seen nicht antasten kann. Das Bergbauprojekt soll auf eine Größe von 36.000 Hektar anwachsen. Den Planungen für Minas Conga zufolge sollen die Seen Laguna Azul und Laguna Chica als Halden genutzt werden. Der erste soll mit Abraum, der zweite mit zyanidhaltigen Abfällen gefüllt werden. Die Laguna Perol und die Laguna Mala sollen in einen offenen Tagebau verwandelt werden. Auch etliche kleinere Seen und Tümpel sind vom Bergbau bedroht.
„Yanacocha behauptet, diese Seen könnte man einfach von einem Ort zu einem anderen umsiedeln. Wie soll das gehen? Spielen die jetzt etwa Gott? Diese Seen sind unterirdisch miteinander verbunden, speisen etliche Feuchtgebiete und Flüsse, die Dutzende Bauerngemeinden und einige Städte mit Wasser versorgen. Es sind wichtige Ökosysteme, die dringend geschützt werden müssen. Sie müssen unantastbar sein“, sagt Jorge Abanto, Vorsitzender des Umweltschutzvereins Pulla Purishun aus Cajamarca. Dann fügt er hinzu: „Der Bergbau hat in Cajamarca Böden, Flüsse, Seen und ganze Berge zerstört. Denn das Gold wird mit hochtoxischem Zyanid im offenen Tagebau abgebaut. Die Einnahmen gehen ins Ausland, die Gifte und zerstörten Ökosysteme bleiben hier.“
Am 30. November erreichten die Proteste ihren vorläufigen Höhepunkt. Der Streik weitete sich auf weitere Städte im Norden Perus aus, darunter Jaén und San Ignacio. Zehntausende Bäuerinnen und Bauern kamen nach Cajamarca, um sich auf dem Hauptplatz der Stadt zu versammeln. Mehr als 50.000 Menschen bevölkerten die historische Plaza de Armas. Stundenlang ertönten in der gesamten Stadt die Rufe „Wasser Ja – Gold Nein!“ und „Conga läuft nicht!“.
Doch Salomón Lerner, Präsident des Ministerrates, will, dass Minas Conga in jedem Fall umgesetzt wird. Es gehe um die Entwicklung des Landes. „Von welcher Entwicklung ist da die Rede?“, fragen sich die Betroffenen. Nach 18 Jahren Bergbau in der Region ist diese lediglich ärmer geworden, die Menschen kranker. „Wir wollen, dass der Präsident selbst sagt: Conga läuft nicht!“, so Wilfredo Saavedra, Vorsitzender der Front zur Verteidigung der Umwelt von Cajamarca (FDAC).
Am achten Tag der Proteste beruhigte sich die Lage etwas. Der innere Verkehr wurde wieder zugelassen, um den Transport von Nahrungsmitteln vom Land in die Stadt zu ermöglichen. Am 2. Dezember jedoch rückten die Elitesoldaten der Regierung an. Sie räumten alle Straßen.
Am 4. Dezember verhängte der Präsident in einer Ansprache an die Nation dann den Ausnahmezustand für die Provinzen Cajamarca, Hualgayoc, Celendín und Contumazá. Damit wurden die Bürgerrechte außer Kraft gesetzt, die betroffenen Provinzen wurden militarisiert. Der offene Protest ist nun verboten. Es folgten Einschüchterungsversuche durch die Regierung. Der FDAC-Vorsitzende Saavedra wurde am 6. Dezember in Lima inhaftiert, nachdem er im Kongress vor Repräsentant_innen der Kommission der Indigenen Völker die Gründe für die Ablehnung der betroffenen Bevölkerung gegenüber Minas Conga darstellte. Als Saavedra den Kongress verließ, wurden er und fünf weitere Bergbaugegner_innen verhaftet, angeblich zur Identitätsfeststellung. Doch die Verhafteten wurden zur Terrorismusbekämpfungseinheit DIRCOTE gebracht und dort für zehn Stunden festgehalten. Zeitgleich wurde in Cajamarca die Wohnung Saavedras, in der sich seine Frau und seine Kinder aufhielten, von Polizeieinheiten umstellt. Der frühere Priester Marco Arana verurteilte die aktuellen Geschehnisse: „Man kann nicht die als Terroristen bezeichnen, die einen legitimen Kampf für den Schutz des Wassers und der Umwelt führen. Ich verlange die sofortige Freilassung der Bergbaugegner und die Aufhebung des Ausnahmezustandes.” Auch Gregorio Santos, Regierungsoberhaupt des Departamentos Cajamarca, bezeichnete die Verhaftung als „verfassungswidrig”. Zwar war Saavedra als ehemaliges Mitglied der linken Guerillabewegung Túpac Amaru vor Jahren verurteilt worden und musste eine zehnjährige Haftstrafe absitzen, aber es bestehen heute keinerlei Haftbefehle gegen ihn oder andere Mitglieder der Widerstandsbewegung gegen Minas Conga.
Der stellvertretende Chef der Departamentoregierung von Cajamarca, César Aliaga Díaz, stellte klar, dass die Verhafteten auf Einladung der Regierung nach Lima gereist seien, um den Dialog neu zu beginnen und eine Lösung für den Konflikt zu finden. Daher stelle ihre Verhaftung ein Zeichen von Respektlosigkeit und Intoleranz dar. Da die Menschen in Cajamarca momentan wegen des Ausnahmezustandes nicht demonstrieren dürften, sammle sich all ihre Wut nun an, um an einem anderen Moment zu explodieren. Auch der linke Kongressabgeordnete Javier Díez Canseco, bezeichnete die Geschehnisse als Provokation in einem Moment, in dem Frieden und Dialog gesucht würden.
In Cajamarca herrscht derzeit eine erzwungene Stille. Als Zeichen des Protestes hisst die Bevölkerung Nationalflaggen vor ihren Häusern, an Fenstern und Balkons. Denn dagegen kann auch die Polizei nichts sagen.
Am selben Tag versammelten sich die Regierungs­chefs von 19 der 24 Departements in Lima mit dem Ministerratspräsidenten Lerner, um die Aufhebung des Ausnahmezustandes zu verlangen. Die anwesenden Departamentochefs erklärten ihre Solidarität mit Cajamarca und Santos, der wegen Krankheit nicht an dem Treffen teilnahm. Sie erörterten mit Lerner, dass der Ausnahmezustand den Konflikt nicht lösen werde, dass eine neue Lösung zusammen mit der betroffenen Bevölkerung gesucht werden müsse. Eine Möglichkeit dazu sei ein neues Umweltfolgengutachten für Minas Conga unter internationaler Aufsicht. Zudem fanden in verschiedenen Städten Perus Mahnwachen in Solidarität mit Cajamarca statt, darunter Lima, Piura und Trujillo.

Peru: Aufstand gegen das Gold
Helfen Sie der Bevölkerung Cajamarcas mit Ihrer Unterschrift bei der Verteidigung ihrer Grundrechte und der Wasserquellen.
Online Aktion von „Rettet den Regenwald“
www.regenwald.org/aktion/806/peru-aufstand-gegen-das-gold
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