Argentinien | Berlinale

Wo ist der Mate?

After this Death strotzt vor absurden Mysterien, liefert aber keine Erklärungen dafür

Von Dominik Zimmer

© Likeliness Increases, LLC

2024 ging eine Tiktok-Abstimmung mit dem Titel „Man vs. Bear“ viral. Darin wurden Frauen gefragt, wem sie lieber allein im Wald begegnen würden: Einem Mann oder einem Bären? Der Bär gewann mit überwältigendem Vorsprung. Als Gründe wurden genannt, Bären seien vorhersehbarer, würden Frauen als Menschen behandeln und zudem sei das Schlimmste, was sie begehen könnten, ein Mord. Was den Schluss zulässt: Männer, die allein durch den Wald streifen, sollte man tunlichst meiden.

Hätte Isabel (Mia Maestro), die Protagonistin des mehr als seltsamen Berlinale Special-Beitrags After this Death diesen Ratschlag nur beherzigt, sie hätte sich und vor allem dem Publikum ihres Films Einiges erspart. Unglücklicherweise sucht sie aber nicht sofort das Weite, als ihr beim Waldspaziergang der nervige mansplainer Elliott (Lee Pace) in einer Höhle auflauert, wo sie unschuldig an ihrem Matebecher nippt (an irgendetwas muss man schließlich erkennen, dass sie Argentinierin ist!). Zunächst geht sie auf seine alles andere als subtilen Avancen noch nicht ein. Doch abends nimmt Isabels Freundin Alice (wie immer ein Lichtblick: Gwendolin Christie) sie mit ins Wunderland eines Indierock-Clubs. Und Sachen gibt’s, am Mikro der offenbar sagenhaft angesagten Band steht tatsächlich Elliott! Auf der Bühne verdreht dieser zur Freude seines sektenartigen Publikums zu kryptischen Lyrics und dünnen Elektrobeats meist seltsam die Finger, warum auch immer. Obwohl es ihm an Groupies nicht mangelt, sucht er sich dann die verheiratete und hochschwangere Isabel als Objekt der Begierde aus. Die ist auch schon bald bereit zur Paarung – wer kann schon einem echten Rockstar widerstehen? An der folgenden Affäre ist dann Isabels plötzlicher Fetisch für seine verschwitzten Füße bei Weitem nicht das Einzige, was Fragen aufwirft. Warum wohnt Elliott, der große Star, allein mit seinem Bruder in einem Bretterverschlag mitten im Nirgendwo? Wieso nennt er einen gigantischen Katzenbaum sein Eigen, obwohl weit und breit keine Katze zu sehen ist? Und warum trinkt Isabel plötzlich keinen Mate mehr?

Die Antworten kennt wohl allein der argentinische Regisseur Lucio Castro (End of the Century). Oder auch nicht, wie er bei der Fragerunde nach der Premiere des Films auf der Berlinale überdeutlich durchscheinen ließ. Er schreibe Drehbücher nach der „Eichhörnchen-Methode“, mal vor, mal zurück, mal zur Seite – deshalb sei es auch gar nicht so wichtig, welche Szene des Films an welcher Stelle komme. Aha. After this Death macht gegen Ende noch eine Reihe weiterer absurder Geheimnisse auf, die aber allesamt nicht aufgelöst werden und deswegen auch nicht groß etwas zur Sache tun. Wer in dem Film wann stirbt oder auch nicht, soll sich sein Publikum offensichtlich selbst zusammenreimen – beliebiger kann man ein Drehbuch nicht schreiben. Für diejenigen, die sich Stress und Eintrittsgeld sparen möchten, hier deshalb eine plausible (wenn auch nicht ganz ernst gemeinte) Erklärung: Isabel hat die Höhle nie verlassen, denn in ihrer Kalebasse befand sich kein Mate sondern Ayahuasca oder ein ähnlich halluzinogenes Getränk. So wäre der Rest des chaotisch-mysteriösen Plots nichts weiter als ein schiefgegangener Drogentrip. Fazit: Von diesem Film sollte man sich besser so weit fern halten wie von einsamen Männern im Wald.

After this Death, USA/Argentinien 2025, Berlinale Special, 96 Minuten, Englisch/Spanisch mit Untertiteln, Regie: Lucio Castro 

LN-Bewertung: 1/5 Lamas

Vorführtermin auf der Berlinale:

  • Sonntag, 23. Februar, 15:15 Uhr, Haus der Berliner Festspiele

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