Kolumbien | Nummer 318 - Dezember 2000

Zwischen den vielen Fronten

Staatliche Politik, Paramilitärs und Guerilleros bedrohen die Lebensgrundlagen der Indígenas

Wenn vom Bürgerkrieg in Kolumbien die Rede ist, bleiben die Indígenas meist außen vor. Doch sie gehören zu den Hauptbetroffenen, liegen ihre Siedlungsgebiete doch häufig in ressourcenreichen Gegenden.

Gerhard Dilger

Am vergangenen Freitag war es soweit: Der US-Ölkonzern Oxy nahm die Probebohrungen in Nordostkolumbien auf – direkt neben dem Territorium der Uæwa-Indígenas, die seit Jahren vehement Widerstand gegen die „Vergewaltigung der Mutter Erde“ leisten. Doch die kolumbianische Regierung, die jedem ausländischen Investor hofiert, setzte sich über die Proteste der Ureinwoh-nerInnen hinweg. Damit nimmt sie den langsamen Untergang der Uæwa-Kultur in Kauf.

80 indigene Völker

Doch nicht nur Großprojekte dieser Art machen den über 80 indigenen Völkern zu schaffen, die rund zwei Prozent der 40 Millionen KolumbianerInnen ausmachen. Immer mehr von ihnen leiden unter dem seit Jahrzehnten andauernden Mehrfrontenkrieg. Über 300 tote Indígenas forderte der Konflikt in den letzten 10 Jahren, Tausende wurden vertrieben. So etwa in der Pazifikprovinz Chocó, wo sich rechtsextreme Paramilitärs und mehrere „linke“ Guerillagruppen einen Kampf um die Vorherrschaft in dieser strategisch wichtigen Region liefern.
Zwischen den Fronten steht auch hier die Landbevölkerung, vorwiegend Bauern und Fischer, darunter zehntausende Emberá-Indígenas.
Der Chocó lag lange abseits der politischen Gewalt. Doch staatliche Pläne sehen die Ausbeutung der Bodenschätze vor, den Bau von Straßen und einer weiteren Verbindung zwischen Pazifik und Atlantik. Wie in anderen wirtschaftlich begehrten Gebieten des Landes gehen die „Paras“ auch hier brutal vor: Unter dem Vorwand, das soziale Umfeld der Guerillagruppen zerstören zu wollen, richten sie seit vier Jahren Massaker unter der Zivilbevölkerung an. Auftraggeber sind Großgrundbesitzer und Drogenbosse, unterstützt werden die Killer jedoch auch von Armee und Polizei und von anderen Teilen der lokalen Oberschicht.

Flucht in die Stadt

In den letzten Wochen wurden in der Nähe der Provinzhauptstadt Quibdó mehrere Emberás umgebracht, worauf 200 von ihnen in der Stadt Zuflucht suchten. Andere nahm die Polizei fest und beschimpfte sie als HelferInnen der Guerilla. „Alle indigenen Gemeinschaften vertreten Forderungen nach Autonomie“, sagt Balta-sar Mecha von der lokalen IndianerInnenorganisation OREWA. „Leider wird diese von allen Seiten verletzt: Guerilleros und Paramilitärs dringen ständig in unser Land ein und führen Zwangsrekrutierungen durch“. Unterstützung gebe es nicht von den staatlichen Stellen, sondern nur von der Kirche und einigen ausländischen Organisationen wie dem katholischen Hilfswerk Misereor.
Auch zweihundert Kilometer weiter nördlich sind Hunderte von Emberás auf der Flucht, ebenso wie viele schwarze Bauern und Fischer. Die Hauptverkehrsader der Region, der Atrato-Fluss, wird seit Monaten von bewaffneten Gruppen kontrolliert. Einmal im Monat organisieren Kirchenleute aus Quibdó einen Lebensmitteltransport für die Menschen, die weit abgelegen an den Nebenflüssen des Atrato wohnen.

Mehr Krieg – mehr Vertreibungen

Der von Washington diktierte „Plan Colombia“ bedeutet für die Pazifikregion ebenfalls nichts Gutes. „Das heißt mehr Krieg, mehr Vertreibungen,“ sagen die OREWA-MitarbeiterInnen übereinstimmend, „vielleicht kommen die Kokabauern, die aus dem Amazonasgebiet gedrängt werden, dann zu uns.“
Der Chocó war schon immer das Armenhaus Kolumbiens, dessen EinwohnerInnen mit wenig Interesse von Seiten der Mächtigen in Bogotá oder Medellín rechnen konnten. Doch selten wurde die Entvölkerung ganzer Landstriche so unverfroren betrieben wie jetzt. Neoliberale Ausplünderung und Krieg gehen Hand in Hand. Davon profitieren viele – auch die FARC-Guerilla, die jetzt die „Besteuerung“ der Erdölfirma Oxy angekündigt hat. Im vergangenen Jahr hatten FARC-Guerilleros drei US-amerikanische Unterstützer der Uæwas entführt und kaltblütig ermordet.
„Der Plan Colombia wird nur den ausländischen Öl- und Bergbaukonzernen sowie den Großgrundbesitzern nützen, die Viehzucht betreiben oder Ölpalmen und Bananen anbauen“, warnten Sprecher der Nationalen Indígenaorganisation ONIC bereits vor einem halben Jahr. „Die Zerstörung des Urwalds und die Invasion in die Indianergebiete werden zunehmen.“ Sie haben Recht behalten.

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