Editorial | Nummer 427 - Januar 2010

// Die Freiheit, die sie meinen

Es war ein wahrer „Sieg der Demokratie“. Begeisterte Menschenmassen haben durch ihre massive Teilnahme an den „freien und fairen“ Wahlen die honduranische Volksherrschaft gerettet. So sieht es jedenfalls die Friedrich Naumann Stiftung (FNS) in Tegucigalpa, ihres Zeichens tapfere Kämpferin „für die Freiheit“. Der von ihr unterstützte Kandidat Elvin Santos verlor die Wahl zwar haushoch, aber das tut der Freude keinen Abbruch. Der konservative Wahlsieger Pepe Lobo ist schließlich auch akzeptabel, weil er für die Kontinuität des honduranischen Eliteklüngels steht, den die FNS entgegen ihrer angeblich liberalen Grundsätze verteidigt.

In der Scheinwelt der FNS wurden Putschopfer Manuel Zelaya und die Widerstandsbewegung für ihren Boykott-Aufruf durch eine außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung gnadenlos abgestraft. „Seit den frühen Morgenstunden konnte man lange Schlangen von Wählern beobachten, die sich aus den Wahllokalen bis hinaus auf die Straßen erstreckten“, heißt es auf der Internetseite der Stiftung. Sie muss es wissen. Schließlich hatte sie – im Gegensatz zur EU oder der Organisation Amerikanischer Staaten – eine eigene Delegation absolut unabhängiger WahlbeobachterInnen vor Ort. Wolfgang Gerhard, Präsident der FNS, rief die EU mit Hinweis auf die „hohe Wahlbeteiligung von über sechzig Prozent“ denn auch folgerichtig dazu auf, die Wahlfarce anzuerkennen. Dabei ist es mehr als wahrscheinlich, dass diese Zahl völlig frei erfunden ist. Der honduranische Widerstand beziffert die Beteiligung auf lediglich 25 bis 30 Prozent. Selbst das Oberste Wahlgericht ließ später verlauten, die Beteiligung habe wohl doch nur bei unter 50 Prozent gelegen.

Zurecht kann mensch sich nun darüber wundern, warum der reaktionären Außenseiter-Position der FNS schon wieder wertvolle publizistische Aufmerksamkeit zuteil wird. Der Grund ist simpel: Die liberalen Oli‑
garchie-SatirikerInnen von gestern, die zusammen mit einer Reihe radikal-konservativer Organisationen den Putsch als „Rettung des Rechtsstaates“ verkaufen wollten, haben in der Zwischenzeit gehörigen Einfluss auf die Regierung eines westlichen Industrielandes gewonnen. Denn ihr parlamentarischer Arm namens FDP führt neuerdings das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland. Wenngleich die Regierung sich mit den anderen Mitgliedsstaaten der EU auf eine einheitliche Linie einigen muss, drängt die FDP allem Anschein nach auf die Anerkennung der Wahlen. Mit ernsthaften Argumenten kann die ehemalige Spaßpartei dabei nicht auftrumpfen.

Die Vorkommnisse des 28. Juni könne man zwar „selbstverständlich auch als Putsch bezeichnen“, wie Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, während einer Bundestagsdebatte am 25. November auf Nachfrage erstmals zugab. Doch man dürfe nicht vergessen, dass Zelaya zuvor gegen die Verfassung verstoßen habe, indem er seine Wiederwahl durchsetzen wollte, zitierte Stinner kenntnisreich aus den Papieren der Naumann-Stiftung. Auf dieser kleinen, aber entscheidenden Lüge fußt letztlich fast die gesamte Argumentation der FNS. Denn eine mögliche Abstimmung über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung hätte zeitgleich zum jetzigen Wahltermin stattfinden sollen. Und bei diesem hätte Zelaya ohnehin nicht nochmal antreten dürfen.

Am 2. Dezember dann gab Werner Hoyer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, auf eine dringliche Anfrage der Linken-Abgeordneten Heike Hänsel, ein wahrlich überzeugendes Statement ab. Wenn bei allen Wahlen weltweit die Kriterien „die wir in Deutschland im Hinblick auf Fairness und Korrektheit anwenden“ der Maßstab seien, „dann würden wir ziemlich wenige Staatspräsidenten auf dieser Welt anerkennen können“, gab der patriotische FDP-Politiker zu bedenken. Zensur, offene Repression gegen Andersdenkende, die Militarisierung der Straßen oder die offensichtliche Schönung der Wahlbeteiligung verletzen die Kriterien der FDP anscheinend nicht. Mit der Freiheit, die sie meinen, ist das allemal vereinbar.

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