Editorial | Nummer 248 - Februar 1995

Editorial Ausgabe 248 – Februar 1995

‘El pueblo unido, jamás será vencido!” In Zentralamerika war die Idee vom “Vereinten Volk, das niemals besiegt wird” seit den achtziger Jahren untrennbar mit der Einheit der revolutionären Bewegungen verbunden. Ob in Nicaragua, wo die FSW 1979 durch einen Volksaufstand an die Macht gekommen war, in E1 Salvador, wo die FMLN in einem langen Krieg das mörderische Regime aus Christdemokratischer Partei und US-gesponsorten Militärs bekämpfte, oder in Guatemala, wo die URNG einen zähen Kampf gegen die Militärstrategie der verbrannten Erde führte -stets war die Einheit der Befreiungsbewegungen eine unabdingbare Voraussetzung für ihre Stärke.
Das revolutionäre Zeitalter in Zentralamerika ist -zumindest mittelfristig -zu Ende. In Nicaragua wurde die sandinistische Regierung, die sich jahrelang erfolgreich der unter dem Deckmäntelchen der Contra versteckten US-Aggression erwehrt hatte, vom eigenen Volk abgewählt. In EI Salvador hat die Guerilla ihre Waffen abgeliefert und kämpft nun unter großen Mühen für die Einhaltung der ohnehin begrenzten Reformen, die im Friedensvertrag von Chapultepec vereinbart wurden. Und in Guatemala spricht niemand mehr von der Revolution. Die Verhandlungen zwischen URNG und Regierung kommen nur zäh voran und dürften -sollten sie eines Tages zum Abschluß gebracht werden -weit hinter den Ergebnissen in E1 Salvador zurückbleiben.
Der Spaltpilz, der sich seit einiger Zeit in den (ehemals) revolutionären Bewegungen breitgemacht hat, ist ein weiteres Zeichen für das Ende der revolutionären Hoffnungen in Zentralamerika. Guatemalas Guerilla Ist wohl eher aus der Notwendigkeit des Krieges heraus noch vereint. Über die Spaltung der FMLN war bereits in den Lateinamerika Nachrichten des Vormonats zu lesen. Diesmal gilt es, über die Spaltung der FSLN zu berichten: Sergio Ramírez und andere prominente Sandinistlnnen haben die FSLN verlassen. Die Gründung einer neuen Partei steht unmittelbar bevor.
Das Schlimme am Zerwürfnis innerhalb der FSW ist jedoch weniger die Spaltung -die Einheit der Frente Sandinista war seit langem nur noch ein Mythos. Wirklich erschreckend ist die Art und Weise, wie mit parteiinternen GegnerIn- nen umgegangen wird. Statt einer politischen Debatte wird eine miese Schlammschlacht voller persönlicher Beleidigungen und infamer Unterstellungen ausgetragen. Der Hombre Nuevo, der einst durch die Revolution entstehen sollte, entpuppt sich als Macho Viejo. Wem die Argumente ausgehen, der behilft sich mit Intrigen oder mit dummen und sexistischen Sprüchen.
Die Solidaritätsbewegung muß sich ebenfalls vom gewohnten Freund-Feind-Denken verabschieden. Wenn Sergio Ramirez und andere die FSLN verlassen, ist es eben nicht unbedingt, weil sie “rechts” sind und ihren Frieden mit der Bourgeoisie gemacht haben. Sowohl der Mehrheitsfrügel um Parteichef Daniel Ortega als auch die Minderheit, die jetzt Ramirez folgen und die Partei verlassen wird, huben bei unzähligen Gelegenheiten mal mit und mal gegen die Regierung gestimmt. Und ob Daniel Ortega eine größere Nähe zur Basis hat als etwa die “Reformerln” Dora Maria Téllez, darf bezweifelt wer-den. Das lnfobüro Nicaragua in Wuppertal bemüht sich erfreulicherweise um eine Debatte über die Zustände in -und mittlerweile außerhalb -der FSLN. Die Konstruktion eines Links-Rechts-Gegensatzes beim Streit der Sandinistlnnen, wie sie von einem Teil der Solibewegung vorgenommen wird, ist dagegen blanker Unsinn. Die Dinge sind weit komplizierter, den eindeutigen Bündnispartner gibt es in Nicaragua nicht mehr.

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