Editorial Ausgabe 367 – Januar 2005
Es weht ein frischer Wind durch Spaniens Außenpolitik. Bereits mit seiner ersten Amtshandlung im Frühjahr 2004 stieß Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero die US-Administration vor den Kopf. Der frischgebackene Ministerpräsident holte die 1300 vom Bush-Compañero José Maria Aznar zuvor im Irak stationierten spanischen SoldatInnen wieder nach Hause. Auch in den Beziehungen zu Lateinamerika will Zapatero mit seiner Mitte-Links-Regierung neue Maßstäbe setzen. Unterstützte der konservative Aznar noch den Putschversuch gegen Hugo Chávez im Jahre 2002, wird der venezolanische Präsident nun in Madrid hofiert.
Besonderes Augenmerk verdient derzeit die Annäherung Spaniens an Kuba. Der spanische Botschafter in Havanna wurde als erster Diplomat eines EU-Landes seit eineinhalb Jahren im kubanischen Außenministerium empfangen. Nach der Wiederherstellung der offiziellen Kontakte ließ Fidel Castro innerhalb einer Woche sieben der 75 im Frühjahr 2003 eingesperrten Dissidenten, offiziell aus gesundheitlichen Gründen, wieder frei. Die diplomatischen Kontakte zwischen der Europäischen Union und Kuba waren nach deren Inhaftierung und der Hinrichtung von drei Bootsentführern größtenteils eingefroren worden. Seitdem herrscht ein eisiges Klima zwischen der Karibikinsel und den europäischen Hauptstädten. Fidel Castro, erbost über die Kritik der EU an den “eklatanten Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten”, verbat sich damals jede zukünftige Hilfe aus Brüssel. Als Sündenbock hatte er neben Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi den Spanier Aznar ausgemacht, den er unter anderem als “Führercito”, Führerlein, bezeichnete. Deftige Töne ließen sich aber auch aus Europa vernehmen. Als sich der kubanische Staatschef kürzlich bei einem Sturz verletzte, wünschte ihm die damalige (spanische) EU-Kommissarin Loyola de Palacio ganz undiplomatisch einen baldigen Tod, in der Hoffnung “es noch erleben zu können”.
Ob das spanisch-kubanische Tauwetter die verhärteten Fronten zwischen der EU und Kuba aufweichen kann, scheint allerdings fraglich. Was der “richtige” Umgang mit der Insel ist, gilt unter den Mitgliedsstaaten als äußerst umstritten. Die Union ist gespalten in der Frage, ob Isolation oder Kooperation, Sanktionen oder Anreize ihren Interessen dienlich sind.
Sie fordert von Castro Schritte zur Demokratisierung, die Respektierung der Menschenrechte, die Freilassung aller aus Gewissensgründen Eingesperrten sowie das freie Ausreiserecht für Dissidenten. Das fordert Zapatero auch. Dass der kubanische Staatschef nun eine Hand voll Dissidenten vorzeitig aus der Haft entlassen hat, kann man als Beleg dafür deuten, dass eine Annäherung mehr bringt als eine sture Abwehrhaltung. EU-PolitikerInnen, die Castro jetzt aber vorwerfen, lediglich politisch geschickt einen Keil in die Union treiben zu wollen, ist wohl kaum an einer Verbesserung der Beziehungen gelegen. Wichtiger als ein Castro, der die politisch-bürgerlichen Menschenrechte respektiert, ist ihnen ein marktwirtschaftliches Kuba beziehungsweise ein Kuba ohne Castro. Dass die EU als Ganzes in anderen Fällen den Menschenrechten weniger Bedeutung beimisst, zeigt das Beispiel China: Dort lässt sich eben prima Geld verdienen. Das ist ganz einfach realpolitisches Messen mit zweierlei Maß.
Die außenpolitische Wendung Spaniens ist mutig und überfällig zugleich. Mutig, weil die Regierung Zapatero sich gegen die offizielle EU-Position stellt und das Risiko einer weiteren Verschlechterung des Verhältnisses zu Washington eingeht. Überfällig, weil eine rein konfrontative Haltung gegenüber Kuba den Menschen auf der Insel weder wirtschaftlich noch bezüglich der Menschenrechtssituation helfen kann. Der Türspalt, den Spanien geöffnet hat, sollte also nicht leichtfertig wieder verschlossen werden.