Editorial Ausgabe 379 – Januar 2006
CAFTA kommt. Der zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik ausgehandelte Freihandelsvertrag soll zum 1. Januar in Kraft treten. In fast allen Vertragsstaaten wurde CAFTA bereits auf teils fragwürdige Art und Weise durch die Parlamente geboxt. Lediglich die fristgemäße Umsetzung erforderlicher Gesetzesänderungen bereitet hier und da einige Probleme.
Costa Rica hat den Vertrag als einziges Land noch nicht ratifiziert. Zwar stehen vor den Präsidentschaftswahlen im Februar 2006 sowohl der konservative Amtsinhaber Abel Pacheco als auch sein sozialdemokratischer Herausforderer Oscar Arias hinter CAFTA. Auch spricht sich laut Umfragen mittlerweile die Mehrheit der CostaricanerInnen für den Vertrag aus. Allerdings ist die Repräsentativität solcher Umfragen höchst fragwürdig, da die großen Medienkonzerne, die diese Umfragen veranstalten, gelten als klare Befürworter von CAFTA.
Statt dessen sprechen die Ereignisse der letzten Zeit für einen ernst zu nehmenden Widerstand der Bevölkerung in dem Land, das für seinen relativ hohen Lebenssstandard und seine politischen Stabilität bekannt ist. Als Höhepunkt einer ganzen Reihe von Protestaktionen demonstrierten Mitte November in San José einige Zehntausend Menschen gegen die Ratifizierung. Hingegen kamen auf die Demonstration der CAFTA-BefürworterInnen deutlich weniger Personen. Bei diesen handelte es sich mehrheitlich um Angestellte von Betrieben, denen die Teilnahme an der Demonstration mit der Auszahlung eines Tageslohns versüßt wurde. Angesichts der Proteste wird inzwischen nicht mehr mit einer Ratifizierung vor den Wahlen gerechnet.
Doch wie lang wird der Atem der Protestierenden sein? Und werden sie die Ratifizierung vielleicht sogar ganz verhindern können? Zunächst einmal sieht sich Costa Rica den gleichen Herausforderungen wie seine zentralamerikanischen Nachbarn gegenüber. Zu nennen wäre etwa der voraussichtliche Bankrott des Agrarsektors. Es gibt aber eine grundlegende Befürchtung, die den Unterschied zu anderen Ländern der Region ausmacht und die Proteste anfacht: Die durch CAFTA vorangetriebene Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie Telekommunikation, Elektrizität oder der sozialen Sicherungssysteme. Anders als in den übrigen zentralamerikanischen Ländern verfügt der Staat in Costa Rica über effiziente Monopole in diesen Bereichen. Diese bieten einen besseren Service, als dies von privaten Anbietern zu erwarten wäre, sowie eine fast flächendeckende Versorgung zu niedrigeren Preisen. Von InvestorInnen dagegen wird ein Wegfallen der Staatsmonopole herbei gesehnt – sie erhoffen sich eine wahre Goldgrube. In diesem Falle werden deutliche Preissteigerungen erwartet.
Privatisierungsvorhaben führten schon einmal zu einer erfolgreichen Mobilisierung auf den Straßen Costa Ricas. Im Jahr 2000 verschwand ein Gesetz, welches das Telekommunikations- und Elektrizitätsunternehmen ICE dem Markt geopfert hätte daraufhin wieder in der Schublade. Mit diesem Erfolg im Rücken wird der Protest nicht so schnell abebben.
Der Freihandel mit den USA wird wohl dennoch bald Realität sein. Die Mehrheit des Parlaments ist von dessen genereller Notwendigkeit überzeugt. Das Inkrafttreten von CAFTA schafft auch in der Tat handfeste Sachzwänge. Die Gefahr, dass Unternehmen im Falle einer Nicht-Ratifizierung abwandern oder dringend benötigte Investitionen von vornherein woanders in Zentralamerika tätigen, ist durchaus real. Dem wäre nur mit einem alternativen wirtschaftspolitischen Konzept und einer allmählichen Abkehr von den USA als dominantem Handelspartner beizukommen. Nichts davon ist derzeit auch nur annähernd in Sichtweite.
Eines ist allerdings noch denkbar. Dass Costa Rica tatsächlich ausschert und wie Panama einen eigenen Freihandelsvertrag mit den USA aushandelt. Aber selbst dies würde die Privatisierung der staatseigenen Betriebe wohl kaum aufhalten. Schon in den CAFTA-Verhandlungen bezeichnete die USA diesen Punkt als Grundvoraussetzung.