Editorial | Nummer 441 - März 2011

ETAPPENSIEG FÜR DIE UMWELT

„Die Compañeros aus Amazonien machen Geschichte“, sprach Ecuadors Präsident Correa. Sie seien dabei, „einen riesigen Ölmulti zu besiegen“. Umgerechnet 14 Milliarden Euro soll Chevron an jene Gemeinschaften im nordecuadorianischen Amazonasgebiet zahlen, deren Lebensraum sein Vorgänger Texaco in den siebziger und achtziger Jahren verwüstet hat. So hat es ein ecuadorianischer Richter Mitte Februar entschieden. Die ursprüngliche Summe von sieben Milliarden Euro verdoppelt sich, weil es der US-Konzern erwartungsgemäß ablehnte, sich öffentlich bei den Opfern zu entschuldigen.

UmweltfreundInnen können sich zu Recht freuen: Das Urteil markiert einen wichtigen Etappensieg in einem 17-jährigen Rechtsstreit, den eine eingeschworene Allianz von AktivistInnen und JuristInnen aus Ecuador und den USA führt. In den 90ern steckte der Staat mit Texaco unter einer Decke und ließ sich mit Pseudoreparationen abspeisen, die den Multi lumpige 40 Millionen US-Dollar kosteten. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Denn Chevron tut das Urteil als „Betrug“ ab, der Rechtsstreit dürfte sich noch jahrelang hinziehen. Und selbst bei einem Sieg in letzter Instanz wird es schwierig, das Geld einzutreiben: Da der Multi in Ecuador nicht mehr präsent ist, entfällt die Möglichkeit, seine Sachwerte zu pfänden. Bis dato handelt es sich „nur“ um einen symbolischen Triumph. Exemplarisch wird durch den Chevron-Prozess ein Schlaglicht auf die Umweltverbrechen transnationaler Konzerne geworfen. Das gleiche Ziel verfolgten prominente UmweltschützerInnen, darunter Vandana Shiva (Indien), Nnimmo Bassey (Nigeria) und Alberto Acosta (Ecuador), als sie im November 2010 BP wegen des Lecks im Golf von Mexiko in Quito vor dem Verfassungsgericht verklagten. In Ecuadors Magna Carta nämlich sind die Rechte der Natur festgeschrieben.

Dennoch: Der Fortschritt im Umweltrecht ist sehr langsam. Lösungen, die in solchen Fällen wirklich greifen, können nur auf internationaler Ebene erzielt werden. Freiwillige Initiativen wie der Global Compact der UNO sind dabei zahnlose Tiger, die primär der Imagepflege der Multis dienen. Biss hingegen hätte eine Maßnahme, die letztes Jahr auf dem Alternativen Klimagipfel in Cochabamba gefordert wurde: die Einrichtung eines Internationalen Umweltgerichtshofs.

Bis es dazu kommt, dürfte noch viel Wasser den Amazonas hinabfließen. Und statt den „Compañeros aus Amazonien“ könnte bis dahin Correa selbst Geschichte schreiben – mit weit weniger Charme. Er scheint die Yasuní-ITT-Initiative, derzufolge die Ölreserven im östlichen Teil des Yasuní-Nationalparks nicht gefördert werden sollen, nur noch pro forma zu verfolgen. „Ecuador wird für niemanden der nützliche Idiot sein“, sagte er auf dem Klimagipfel von Cancún: „Wenn die globale Mitverantwortung nicht funktioniert, werden wir diese Reserven ausbeuten müssen.“ Bis Ende 2011 will Correa die Entwicklung abwarten, bevor der eine Entscheidung trifft. 350 Millionen US-Dollar pro Jahr strebt die Regierung an, die Hälfte der erwarteten Mindesteinnahmen bei einer etwaigen Ölförderung. Bislang enthält der im August 2010 eingerichtete Treuhandfonds aber nur kümmerliche 1,9 Millionen US-Dollar. Ein finanzieller Rückschlag ist vor allem das Verhalten der Bundesregierung. Zwar unterstützt der Bundestag die Yasuní-Initiative fraktionsübergreifend, und noch im Juni 2009 soll das damals noch SPD-geführte Entwicklungsministerium 50 Millionen Euro jährlich in Aussicht gestellt haben. Doch im September 2010 erteilte der neue Entwicklungsminister Niebel (FDP) dem Projekt eine Absage.

Ob Yasuní-Initiative oder Internationaler Umweltgerichtshof: Ohne massiven Druck der „Zivilgesellschaften“ des Nordens und Südens werden sich die Regierenden nicht bequemen, eine Politik einzuleiten, die die Verheerungen durch die Ölförderung begrenzt und den überfälligen Übergang in ein nachfossiles Zeitalter einleitet.


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