Hermes bürgt weiter
Die Meldung steht bisher von deutscher Seite undementiert im Raum: Der chilenische Staatspräsident Ricardo Lagos und Bundeskanzler Schröder hätten sich auf die Lieferung von vier Fregatten an das südamerikanische Land geeinigt. Der Rüstungsauftrag über 1,4 Milliarden Mark werde durch eine Hermes-Bürgschaft abgesichert. Auch wenn Lagos den Vollzug des Rüstungsgeschäftes bei seinem Deutschland-Besuch noch dementiert hat, Hermes bleibt trotz aller im rot-grünen Koalitionsvertrag angekündigten Reformbestrebungen, was es war: eine exportfördernde Maßnahme mit einem Kriterium: Gut ist, was für die deutschen Exporteure gut ist. Dabei war im Koalitionsvertrag vollmundig angekündigt worden, dass Umweltstandards und Transparenz künftig verhindern sollten, dass mit staatlicher Absicherung dubiose Rüstungsgeschäfte, Atomkraftwerke, Staudämme etc. gefördert werden. Zweieinhalb Jahre brauchte die Regierung, um statt einer Reform wenigstens neue Leitlinien zu verabschieden. Ein Armutszeugnis. Abgesehen davon, dass Nukleartechnologien ausdrücklich nicht mehr gefördert werden sollen, sind die restlichen Verlautbarungen in Sachen Umwelt-, Sozialstandards und Transparenz an Unverbindlichkeit kaum zu überbieten.
Überhaupt zeichnet sich die rot-grüne Regierung durch eine extreme Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit aus. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) befleißigt sich durchaus einer progressiven Rhetorik. Im Anfang Juni vorgestellten 11. entwicklungspolitischen Bericht wird als erste Kernbotschaft vertreten, dass die meisten Probleme der Entwicklungsländer ihre Ursachen in globalen Problemen hätten. Ein Erkenntnisfortschritt zur Vorgängerregierung, die die unzweifelhaft vorhandenen internen Entwicklungshemmnisse in der Dritten Welt zum zentralen Problem hochstilisiert hatte. Doch schon das Argument, mit dem im Entwicklungsbericht für eine neue Entwicklungspolitik geworben wird, lässt aufhorchen: Die Lösung der Probleme der Dritten Welt sei ein Beitrag zur eigenen Zukunftssicherung. Sicher sitzen der Norden und der Süden in einem Boot, was die globalen Probleme angeht, aber mit einer klaren, traditionellen Arbeitsteilung: Der Norden ist der Kapitän und der Süden hat sich zu fügen.
Zukunftssicherung bedeutet auch bei Rot-Grün im Kern, die Zukunft von Angebots- und Absatzmärkten für die eigene Wirtschaft zu sichern: Greencard und Freihandel. Während der schändliche Asylkompromiss von Rot-Grün unangetas-tet bleibt, wurde mit der Greencard flugs auf personelle Engpässe im Informationstechnologiesektor reagiert. Während selbst das Innenminis-terium verlautbart, dass die Fluchtursachen in den Ländern vor Ort bekämpft werden müssten, werden gleichzeitig die Mittel für die Grenzsicherung aufgestockt und für die Vorort-Projekte zusammengestrichen.
Sicher hat Deutschland als erstes Land ein Aktionsprogramm zur Armutsbekämpfung beschlossen und sicher war es maßgeblich am Schuldenerlass für die ärmsten Länder beteiligt – ein Schritt in die richtige Richtung, dem freilich noch weit umfassendere folgen müssten. Doch das ändert nichts an der Grundtendenz. Die als entwicklungspolitische Fortschritte verkauften Initiativen, wie die Marktöffnung der Europäischen Union für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) und das neue Abkommen mit den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten, setzen offen auf die Segnungen des Freihandels. Dass Freihandel in der Dritten Welt die Ernährungssicherheit untergräbt, weil die heimischen Bauern gegenüber den Agrarmultis chancenlos sind, wird nicht thematisiert.
Entwicklungspolitisch wird gemacht, was sich symbolisch gut verkaufen lässt und faktisch kaum was kostet, sei es der begrenzte Schuldenerlass oder die begrenzte Marktöffnung. Dass die Bundesregierung den Etat des BMZ im nächs-ten Jahr um 4,3 Prozent auf 7,108 Milliarden senken will, passt da perfekt ins Bild. Mit dem dann tiefsten Stand der Entwicklungshilfe der letzten zehn Jahre müssten all die zusätzlichen Verpflichtungen angegangen werden, denen sich Rot-Grün verschrieben hat, ob Armuts- oder Aidsbekämpfung. Wie das gehen soll, bleibt ein offenes Geheimnis.