Editorial | Nummer 421/422 - Juli/August 2009

// Verpfuschter Putsch

Zurück in die 1980er. Die rechte Oligarchie in Honduras entledigt sich dem ihrer politischen Linie entwichenen Präsidenten Manuel Zelaya auf antiquierte Art und Weise: Durch einen Putsch mit Hilfe des Militärs. Parallelen zum Staatsstreich in Venezuela gegen Hugo Chávez 2002 sind offensichtlich. In beiden Fällen waren die Träger des Umsturzes die traditionelle Oligarchie aus Politik und Wirtschaft, die sich gegen sozialen und politischen Wandel zugunsten der ärmeren Bevölkerungsschichten zur Wehr setzen wollte. In beiden Fällen wurde ein Rücktrittsschreiben des entführten Präsidenten gefälscht, spielten die privaten Medien eine unrühmliche Rolle und begann unmittelbar nach dem Putsch die gewaltsame Verfolgung von politischen GegnerInnen.

Doch es gibt auch bedeutende Unterschiede: In Venezuela gab es bereits eine neue, fortschrittliche Verfassung. Chávez genoss in staatlichen Institutionen zumindest partiell Unterstützung. Die AnhängerInnen des Präsidenten konnten den Putsch mit Hilfe Chávez-treuer Militärs schließlich rückgängig machen. In Honduras liegen die Dinge anders. Alle staatlichen Institutionen werden von der traditionellen Elite kontrolliert und stehen hinter dem Putsch. Den neuen Machthabern würde es unter diesen Bedingungen wohl leicht fallen, die Proteste über kurz oder lang gewaltsam in den Griff zu bekommen und ideologische Risse im Militär zu verhindern.

Im Falle Honduras liegt das entscheidende Moment jenseits der Landesgrenzen. In Venezuela wurde die Putschregierung unter „Carmona dem Kurzweiligen“ postwendend von den USA unter Bush Junior und der EU unter der Ratspräsidentschaft des spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar anerkannt. Heute verurteilen Staaten weltweit den Umsturz in Honduras in selten erlebter Einigkeit. Sie üben diplomatischen sowie teilweise auch wirtschaftlichen Druck aus und bestärken somit die GegnerInnen des Putsches. Sogar die USA verweigern der De-Facto-Regierung die Legitimation. Sollte sich daran nichts ändern, ist es schwer vorstellbar, dass diese sich lange wird halten können. Es gilt zu verhindern, dass in Honduras ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen wird, der über kurz oder lang die demokratischen Transformationsprozesse in der Region gefährden könnte.

Gerade die zentralamerikanischen Nachbarstaaten haben ein Interesse daran, dass die traurige Tradition gewaltsamer Machtwechsel nicht wieder salonfähig wird. So deutet derzeit vieles darauf hin, dass sich die Putschisten gehörig verzockt haben. Ob sie dabei Signale aus mächtigen politischen Kreisen in den USA falsch gedeutet oder schlicht die politischen Veränderungen nicht mitbekommen haben, bleibt zunächst offen. Ihre Macht hätte die Elite – glaubt man deren eigenen Aussagen – jedenfalls einfacher und ohne internationalen Aufschrei zurückerobern können.

Bei den Wahlen im kommenden November hätte Zelaya ohnehin nicht noch einmal antreten können und wenn die Putschisten wie behauptet die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich haben, bräuchten sie Befragungen und Referenden wohl kaum zu fürchten. Sie tun es aber. Ein positives Votum in der unverbindlichen Befragung hätte Zelayas Kurs gegenüber den politischen Institutionen mehr Legitimität verliehen und die Ansprüche auf eine Demokratisierung des elitären politischen Systems in Honduras gesteigert. Die Elite wollte diese Büchse der Pandora lieber geschlossen lassen. Gut möglich, dass sie jetzt erst Recht aufbricht.

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