Wir steuern auf einen Wahnsinn zu, der höchst rational ist

Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama prägte nach dem Ende des Realsozialismus die These vom „Ende der Geschichte“. Sie haben damals gekontert, die Krise des Sozialismus habe die Dritte Welt und damit zugleich die Überlebenschancen der gesamten Menschheit extrem geschwächt. Welche Bedeutung hat der 11. September für den Süden?

Es sind ja zwei 11. September – der 11. September 1973 in Chile mit dem Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende und der 11. September 2001 mit den Anschlägen in New York und Washington. Ich nehme an, das ist Zufall, aber auch der Zufall sagt manchmal etwas. Ich glaube, der zweite 11. September ist das indirekte – nicht beabsichtigte – Resultat des ersten. Der erste hat, wenn man ein bisschen zuspitzt, ein System hervorgebracht, das dann den zweiten bewirkte.

Inwiefern?

Der 11. September 2001 muss in Zusammenhang mit dem System gesetzt werden, das nach dem 11. September 1973 in den 70er Jahren weltweit propagiert wurde und das mit einer Kultur der Hoffnungslosigkeit einherging. Die Kultur der Hoffnungslosigkeit ist die Kehrseite der Machtstrategie, die mit dem 11. September 1973 verbunden ist und die von Internationalem Währungsfonds (IWF), Weltbank, G7 und Welthandelsorganisation (WTO) der Menschheit aufgezwungen wird. Sie sagen, es sei Globalisierung. Dabei ist es eine globale, systematische Plünderung von Menschen und Naturressourcen. Will man sie durchsetzen, braucht man die These vom Ende der Geschichte.

Warum?

Um die Alternativlosigkeit in den Köpfen festzuklopfen. Es gibt keine Alternative – weder ökonomisch noch sozial, noch in Bezug auf den Typ von Demokratie, den wir haben. Es gibt keine Alternative zu dieser immer reduzierteren Demokratie. Es gibt überhaupt keine Alternative. Das System ist ein Weltsystem. Nicht nur dass es weltweit ist, sondern es umfasst auch alle Dimensionen der Welt. Ein derart totales System muss eben auch eine bestimmte Kultur hervorrufen. Ich glaube, das ist die Kultur der Hoffnungslosigkeit. Die verwandelt sich mitunter in die Kultur der Verzweiflung und bringt dann die unglaublichsten Reaktionen hervor.

Selbstmordattentate als Ausdruck der Kultur der Hoffnungslosigkeit?

Sozusagen als die andere Seite des Systems. Die Selbstmordattentate haben ihren Ursprung in den USA. Dort tauchte schon in den siebziger Jahren das Phänomen von Attentätern auf, die in die Schulen gehen, um Menschen zu erschießen und dann sich selber. In Palästina gab es Selbstmordattentate erst Mitte der 80er Jahre. Nun scheint das Phänomen global zu werden – Erfurt ist überall. In den USA, Japan, China, Europa, in Lateinamerika etwas weniger. Und das verursacht jetzt eine neue Systemreaktion – eine aggressiv militaristische aber gleichzeitig auch ideologische Aggression.

Das System ist in sich selbst gefangen?

Ja. US-Präsident Ronald Reagan prägte einst das Wort vom Reich des Bösen. Jetzt haben wir die Achse des Bösen und wieder eine große Weltverschwörung – eine der Terroristen. Und im Namen dieser Weltverschwörung haben wir die ideologische Legitimierung einer weltweiten Aggression. Das ist wieder eine Reaktion auf die Reaktion. Wir haben das erste System, das vom 11. September 1973 symbolisiert wird. Dann haben wir darauf eine Reaktion, die durch den 11. September 2001 symbolisiert wird. Und wir haben jetzt eine Reaktion auf diese Reaktion: den Krieg in Afghanistan und gegen den Terror. Jeder Kopf, der sich erhebt, wird abgehauen.

Ein Krieg, der lange dauern dürfte?

Er ist auf alle Fälle langfristig angelegt. Wenn es einen näherungsweisen Vergleich zu diesem 11. September 2001 gibt, dann ist es der Reichstagsbrand mit seiner Wirkung in Deutschland. In dem Sinne, dass die Weltverschwörung jeweils an einem Ort konkretisiert wurde, um dann alle Aggression loszulassen. So etwas wie den Reichstagsbrand haben wir, denke ich, derzeit weltweit und mit weltweiter Reaktion. Man versucht, ein analoges Weltsystem durchzusetzen, auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass das möglich sein wird. Aber es ist ein Sprung auf die Macht in der Welt, der Ersten, Zweiten und Dritten Welt. Die Welt wird noch sehr viele 11. September 2001 erleben, wenn wir so weiter machen. Und deshalb glaube ich nicht, dass dieser Überfall auf die Macht in der Welt eine wirkliche Chance hat. Zwar haben die USA nahezu alle Macht, aber was sie machen, ist unvernünftig.

Aus Sicht der imperialen Machtsicherung erscheint das Vorgehen der USA doch durchaus rational.

Das ist höchst rational. Aber überlegen wir mal. Was die Attentäter mit den vier Flugzeugen in New York und Washington machten, war auch höchst rational. Das war erstklassig geplant. Sie haben sich Ziele gesetzt und die haben sie auch erreicht. Was heißt das, „das ist rational“? Die Zweck-Mittel-Rationalität, von der da gesprochen wird, ist selbst irrational. Es gibt einen Spruch von Goya, der sagt: „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.“ Wir steuern auf einen Wahnsinn zu, der höchst rational ist. Das empfinde ich auch bei diesen Selbstmordattentätern. Obwohl das Wahnsinn ist, hat es doch Methode. Das ist die Methode als Wahnsinn. Wir sind in den Händen einer solchen zum Wahnsinn gewordenen Rationalität.

Welchen Ausweg kann es aus diesem Teufelskreis geben?

Das menschliche Handeln muss sich gegen dieses Rationalitätskriterium auflehnen. Formale Kriterien dafür gibt es nicht. Es erfordert vielmehr die ständige Bereitschaft, gegen das zu verstoßen, was durch diese Rationalität angeraten wird. Das muss einfach zu einem normalen Verhältnis zu dieser Rationalität werden. Diese Rationalität und ihre Argumente sind verdächtig. Im Moment haben wir exakt das Umgekehrte. Alle sind verdächtig, die sich nicht dieser Rationalität ausliefern. Wenn wir heute etwas anderes wollen, müssen wir erreichen, dass die Argumente dieser formalen Rationalität a priori verdächtig sind. Das Machtverhältnis muss umgedreht werden: Sie müssen sich rechtfertigen. Eine Methode dafür kann es nicht geben. Man bricht aus, indem man ausbricht.

Heißt das in der Praxis tägliche Rebellion gegen die Sachzwänge?

Genau. Die Herausforderung besteht in der täglichen Rebellion und auf allen Ebenen. Das Sachzwangargument, obwohl es nicht wirklich zwingt, ist ein falsches Argument. Ich tue etwas Falsches, indem ich einer Sache nachgehe, weil ich in einem bestimmten Moment gar nicht anders kann. Dieser Überlebenstraum durch Unterwerfung unter die Sachzwänge unterminiert das Überleben von uns allen. Von dieser Erkenntnis aus sehe ich viele Sachen, die man tun kann. Denn Leute, die Bewusstsein über die Situation haben, tun ja etwas. Es ist nicht so, dass sie nur von Sachzwängen erfasst werden.

Sehen Sie im Erstarken der globalisierungskritischen Bewegung ein Hoffnungszeichen in diesem Sinne?

Das ist ein klares Zeichen. Diese Bewegung hat eine Legitimität von einer immensen Breite. Diese Bewegung umfasst nicht nur die 60.000 Menschen, die beim letzten Weltsozialforum in Porto Alegre waren. Das ist nur die Spitze des Eisberges. In der öffentlichen Diskussion greift immer mehr die Überzeugung um sich: Sie haben Recht. Das geht sehr weit. Bis hin in die Mittelklassen und selbst in die Bourgeoisie. Das Unbehagen in unserer Kultur ist so groß, dass solche Bewegungen eine enorme Legitimität haben. Bush würde es doch freuen, die Globalisierungskritiker in die Terroristenschiene einzureihen. Das wäre ein logischer nächster Schritt. Es passiert auch teilweise, aber ganz traut er sich offensichtlich nicht. Ich glaube auch nicht, dass das in der öffentlichen Meinung ankommen würde. Dort herrscht eher die Überzeugung vor, es stimmt etwas nicht und bei den Globalisierungskritikern bewegt sich etwas in die richtige Richtung.

Reaktionen auf die Terroranschläge gegen die USA

Mexiko: Aufgabe der Neutralitätspolitik gegenüber den USA?

“Armes Mexiko, so nah an den USA und so weit weg von Gott“, wird beim südlichen Nachbarn der USA oft geseufzt. Dieser Seufzer hat durch die Terroranschläge gegen die USA eine neue Bedeutung erhalten.
Denn der mexikanische Außenminister Jorge Castañeda erklärte sich bereits am 12. September zu einer bedingungslosen Unterstützung der USA bereit – ein Bruch mit der bisherigen mexikanischen Neutralitätspolitik gegenüber den USA. Diese wurde in den dreißiger Jahren durch die so genannte Estrada-Doktrin begründet, weil Mexiko die Interventionspolitik der USA in Lateinamerika nicht unterstützen wollte. Die Infragestellung dieser Doktrin stößt nicht nur bei mexikanischen Intellektuellen auf Widerstand; laut Umfragen ist auch eine große Bevölkerungsmehrheit gegen einen bedingungslosen Schulterschluss mit den USA. Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass die Attentate auch Konsequenz einer arroganten und aggressiven US-Außenpolitik sind. Im Senat, der bei wichtigen außenpolitischen Entscheidungen mitzubestimmen hat, stößt diese Politik ebenfalls auf Widerstand – sogar bei den Abgeordneten der Regierungspartei PAN.
Unabhängig von diesen Diskussionen um die Estrada-Doktrin verschärfte die mexikanische Regierung ihre Einwanderungskriterien und ließ 81 illegale EinwandererInnen arabischer Herkunft festnehmen. Der Beauftragte der Nationalen Migrationsbehörde (INM), Felipe de Jesis Preciado, stritt allerdings ab, dass Angehörige gewisser Nationalitäten verstärkt verfolgt würden. Er wies vielmehr darauf hin, dass die sogenannten „Papierlosen“ nach den Terroranschlägen bei der Bevölkerung stark an Sympathie eingebüßt hätten und deshalb vermehrt angezeigt würden.
(POONAL)

Taliban in Nicaragua

Bin Laden ist überall. Vor allem dort, wo aus der Angst vor dem bärtigen Moslem-Fanatiker politisches Kapital geschlagen werden kann. So plakatierten WahlkämpferInnen der regierenden Liberalen den Opositionskandidaten Daniel Ortega mit dem Turban der Taliban. Das gefiel auch El Salvadors Präsident Francisco Flores, der auf dem jüngsten Gipfel der zentralamerikanischen Staatschefs dem SandinistInnen-Chef Beziehungen zu terroristischen Organisationen vorwarf. Ortega war bei dem Treffen in San Salvador gar nicht anwesend, könnte aber, falls er die Wahlen am 4. November gewinnt und den korrupten Präsidenten Arnoldo Alemán ablöst, schon beim nächsten Gipfel mit am Tisch sitzen und die traute Einigkeit der ebenso neoliberalen wie US-hörigen Staatsoberhäupter stören.
Die Korruption der Regierung bekam zuletzt auch eine außenpolitische Dimension, durch die die Liberalen aus der Sicht Washingtons von drolligen Verbündeten in einer Bananenrepublik zur gefährlichen Schwachstelle in der Terrorvorbeugung wurden. Denn der Chef der Einreisebehörde hat nicht weniger als 600 Reisepässe an undokumentierte Araber verkauft: So zentralistisch, wie die Dinge in Nicaragua organisiert sind, ist es undenkbar, dass Präsident Alemán davon nicht gewusst hat.
Ralf Leonhard

Kuba: UNO-Aktionen statt US-amerikanischer Racheakte

Die kubanische Regierung befürchtet, dass die USA die Terroranschläge zum Anlass nehmen, um unter dem Deckmantel von Vergeltungs- und Terrorbekämpfungsmaßnahmen „alte Methoden und Doktrinen neu zu beleben, die selbst eine Wurzel des Terrorismus und schwerer Spannungen sind“.
Sie fordert, dass die UNO die für die Bekämpfung des Terrorismus zuständige Instanz sein müsse und weist darauf hin, dass eine militärische Aktion der USA zu weiterem unnötigen Blutvergießen führen werde.
(POONAL)

Das Theater vom Guten und vom Bösen

Im Kampf des Guten gegen das Böse ist es immer die einfache Bevölkerung, die die Toten stellt. Die Terroristen haben in New York und in Washington Arbeiter aus 50 Ländern umgebracht, im Namen des Guten gegen das Böse. Und im Namen des Guten gegen das Böse, schwört Präsident Bush Rache: „Wir werden das Böse aus dieser Welt auslöschen“, kündigt er an.
Das Böse auslöschen? Was wäre das Gute ohne das Böse? Nicht nur die religiösen Fanatiker benötigen Feinde, um ihren Wahnsinn zu rechtfertigen. Um ihre Existenz zu rechtfertigen, benötigen auch die Rüstungsindustrie und der gigantische Militärapparat der USA Feinde. Gute und Böse, Böse und Gute: die Akteure vertauschen die Masken, die Helden werden zu Monstern und die Monster zu Helden, ganz wie es diejenigen fordern, die das Drama schreiben.
Das hat nichts Neues an sich. Der deutsche Wissenschaftler Werner von Braun war böse, als er die V-2-Raketen erfand, die Hitler über London ablud, doch er wandelte sich zum Guten an dem Tag, an dem er sein Talent in die Dienste der Vereinigten Staaten stellte. Stalin war gut während des Zweiten Weltkrieges und böse danach, als er das Reich des Bösen dirigierte. In den Jahren des Kalten Krieges schrieb John Steinbeck: „Vielleicht braucht die ganze Welt Russen. Ich wette, auch in Russland brauchen sie Russen. Vielleicht nennen sie sie dort Amerikaner.“ Später wurden die Russen besser. Jetzt sagt auch Putin: „Das Böse muss bestraft werden.“ Saddam Hussein war gut, und gut waren die Chemiewaffen, die er gegen die Iraner und die Kurden einsetzte. Später wurde er böser. Da hieß er bereits Satan Hussein, als die Vereinigten Staaten, die gerade in Panama eingedrungen waren, auch in den Irak einmarschierten, weil der Irak Kuwait überfallen hatte. Bush Senior trug für diesen Krieg gegen das Böse die Verantwortung. Mit dem humanitären und mitleidenden Geist, der seine Familie charakterisiert, brachte er mehr als hunderttausend Iraker um, in ihrer großen Mehrheit Zivilisten.
Satan Hussein ist immer noch dort, wo er war, aber dieser Feind Nummer Eins der Menschheit ist in die Kategorie des Feindes Nummer Zwei zurück gefallen. Die Geißel der Welt heißt nun Osama Bin Laden. Die CIA hatte ihm alles beigebracht, was er in Sachen Terrorismus wusste: Bin Laden, geliebt und bewaffnet von der Regierung der USA, war einer der wichtigsten „Freiheitskämpfer“ gegen den Kommunismus in Afghanistan. Bush Senior war Vizepräsident, als Präsident Reagan sagte, diese Helden seien „das moralische Äquivalent der Gründerväter Amerikas“. Hollywood war einverstanden mit dem Weißen Haus. Damals wurde Rambo 3 gedreht: die afghanischen muslimischen Fundamentalisten waren die Guten. Jetzt, dreizehn Jahre später, in Zeiten von Sohn Bush Junior, sind sie die bösesten Bösen. Henry Kissinger war einer der ersten, die auf die jüngste Tragödie reagierten. „Genauso schuldig wie die Terroristen sind diejenigen, die sie unterstützen, finanzieren und inspirieren“, urteilte er mit Worten, die Präsident Bush wenige Stunden danach wiederholte. Wenn das so ist, müsste man damit anfangen, Kissinger zu bombardieren. Er würde sich vieler Verbrechen mehr als schuldig erweisen als der, die von Bin Laden und von allen in dieser Welt existierenden Terroristen begangen wurden. Und in viel mehr Ländern: Im Dienste mehrerer US-Regierungen stehend, leistete er „Unterstützung, Finanzierung und Inspiration“ – für den Staatsterror in Indonesien, Kambodscha, Zypern, Südafrika, Iran, Bangladesh und in den südamerikanischen Ländern, die den schmutzigen Krieg des Plan Condor durchmachten. Am 11. September 1973, genau 28 Jahre vor den jetzigen Feuerbällen, hatte der Präsidentenpalast in Chile in Flammen gestanden. Kissinger war es, der die Grabschrift für Salvador Allende und die chilenische Demokratie vorweg genommen hatte, als er das Ergebnis der Wahlen kommentierte: „Wir müssen nicht akzeptieren, dass ein Land wegen der Unverantwortlichkeit seiner Bevölkerung marxistisch wird.“ Die Verachtung des Volkswillens ist eine der zahlreichen Übereinstimmungen zwischen dem Staatsterrorismus und dem Privatterrorismus. Um ein Beispiel zu nennen: die ETA, die Menschen im Namen der Unabhängigkeit des Baskenlandes umbringt, sagt durch einen ihrer Sprecher: „Die Rechte haben nichts mit Mehrheiten und Minderheiten zu tun.“ Der handwerkliche und der hochtechnisierte Terrorismus, jener der religiösen Fundamentalisten und jener der Marktfundamentalisten, jener der Verzweifelten und jener der Mächtigen, jener der losgelassenen Irren und jener der Profis in Uniform ähneln sich in Vielem. Alle teilen dieselbe Verachtung für das menschliche Leben: Die Mörder der 6.000 zermalmten Bürger unter den Trümmern der Zwillingstürme, die wie Sandburgen einstürzten und die Mörder der 200.000 Guatemalteken, in ihrer Mehrheit Indígenas, die ausgelöscht wurden, ohne dass ihnen jemals das Fernsehen oder die Zeitungen der Welt geringste Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Sie, die Guatemalteken, wurden nicht von irgendeinem fanatischen Muslim geopfert, sondern von terroristischen Militärs, die „Unterstützung, Finanzierung und Inspiration“ von den aufeinander folgenden US-Regierungen erhielten.
Alle in den Tod Verliebten stimmen ebenfalls in ihrer Besessenheit überein, die sozialen, kulturellen und nationalen Widersprüche auf militärische Begriffe zu reduzieren. Im Namen des Guten gegen das Böse, im Namen der einzigen Wahrheit, lösen sie alle alles, indem sie zuerst umbringen und anschließend fragen. Und auf diesem Weg enden sie damit, den Feind zu nähren, den sie bekämpfen. Es waren die Gräueltaten des Sendero Luminoso, die in großem Maße den Präsidenten Fujimori ausbrüteten, der mit beträchtlicher Unterstützung aus der Bevölkerung ein Terrorregime einrichtete und Peru zum Preis einer Banane verkaufte. Es waren die Gräueltaten der USA im Mittleren Osten, die in großem Maße den heiligen Krieg ausbrüteten.
Auch wenn jetzt der Führer der Zivilisation zu einem neuem Kreuzzug aufruft, Allah ist für die Verbrechen, die in seinem Namen begangen werden, nicht schuldig. Schließlich hat Gott nicht den Holocaust der Nazis gegen die Anhänger Jehovas befohlen, und es war nicht Jehova, der das Massaker von Sabra und Chatila anordnete oder vorschrieb, die Palästinenser von ihrem Land zu vertreiben. Sind nicht Jehova, Allah und Gott nüchtern betrachtet drei Namen einer selben Divinität? Eine Tragödie von Irrtümern: Man weiß nicht mehr, wer wer ist. Der Rauch der Explosionen formt Teil eines viel riesigeren Rauchvorhanges, der uns am Sehen hindert. Die Terrorismen zwingen uns, von einer Rache zur anderen zu stolpern. Ich sehe ein kürzlich veröffentlichtes Foto vor mir: auf einer Wand in New York hatte eine Hand geschrieben: „Auge um Auge macht die Welt blind.“
Die Gewaltspirale bringt Gewalt und auch Konfusion hervor: Schmerz, Angst, Intoleranz, Hass, Wahnsinn. In Porto Alegre warnte zu Beginn dieses Jahres der Algerier Ahmed ben Bella: „Dieses System, das bereits die Kühe zum Wahnsinn trieb, ist dabei, auch die Leute wahnsinnig zu machen.“ Und die Wahnsinnigen, wahnsinnig vor Hass, agieren genauso wie die Macht, die sie hervorbringt. Ein dreijähriges Kind, mit dem Namen Luca, kommentierte in diesen Tagen. „Die Welt weiß nicht, wo ihr Haus ist.“ Der Kleine schaute auf eine Landkarte. Er hätte auch eine Nachrichtensendung sehen können.

Übersetzung: POONAL

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