Leonel und Antuán sind Freunde. Zwar trennen die beiden kubanischen Jungen 4 Jahre, aber die Verbindung zwischen den beiden ist stärker als der Altersunterschied. Antuán, mit 13 Jahren der Ältere, färbt sich schon die Haare blond und rasiert sich die Beine – bei den Teenagern im etwas heruntergekommenen Provinzkaff Pueblo Textil momentan offenbar der letzte Schrei. Leonel will von solchen Moden noch nichts wissen, bricht mit Antuán aber dennoch bereitwillig zu gemeinsamen Streifzügen in den gemeinsamen Sommerferien auf. Die beiden Heranwachsenden erforschen dabei stillgelegte Industrieanlagen, trockengelegte Swimmingpools und geheimnisvolle Höhlen, träumen von einer Fahrt ans Meer oder kabbeln sich auch mal. Doch die Freundschaft wird auf eine Probe gestellt: Antuán zieht mit seinem Vater in die Hauptstadt La Habana, wo sich die Familie ein besseres Leben erhofft.
Der Argentinier Pablo Briones hat Baracoa im modischen Genre der Dokufiktion verortet und sich für eine angeleitete Dokumentation mit realen Protagonisten entschieden. Was genau spontan passiert und was erfunden ist, bleibt also offen. Doch auch wenn Briones dies mit einem vielversprechenden Mittelweg zwischen realistischer Situation und ungebundener Kreativität der beiden Hauptdarsteller zu erklären versucht – es tut dem Film alles andere als gut. Denn das Experiment des Changierens zwischen den Formaten missglückt an zu vielen Stellen. Wenn die beiden Jungen interagieren, ist nie klar, ob Stimmungen und Gespräche spontan entstanden oder nicht doch angeleitet, vorherbestimmt sind. Zumindest die Schauplätze des Films, das scheint klar, sind vom Filmteam ausgewählt. Die beiden Jungen werden hauptsächlich an verlassenen Orten gezeigt. Ausgehöhlte Autos und tote Tiere säumen ihren Weg, Interaktion mit anderen Menschen wird fast völlig ausgespart. Das ist schade, denn diese könnte höchst interessant sein: Beide Protagonisten sind nämlich ohne Vater aufgewachsen, das Verhältnis zu ihren Hauptbezugspersonen – zum Beispiel Leonels Oma – bleibt aber unklar. Tanz, Spiel, Fröhlichkeit, Ausgelassenheit mit Erwachsenen oder anderen Kindern sind kaum zu sehen. Erst als Leonel Antuán in La Habana besucht, wird dieses klaustrophobisch und etwas unauthentisch wirkende Setting aufgebrochen. Aufgrund des Genres der Dokufiktion drängt sich deshalb im Laufe des Films der ungute Verdacht auf, dass hier eine Realität gezeigt wird, die nicht ist, sondern sein soll. Das scheinbare Leben der beiden Jungen in ihrer eigenen, von außen abgeschnittenen Welt wirkt nicht echt, als Zuschauer*in fällt es so schwer, dem Filmteam in seinem Zeigen der (Nicht-)Realität Vertrauen zu schenken. Und, auch wenn es bitter klingt: Sollten tatsächlich größere Teile des Films fiktionalisiert sein, dann sind sowohl die Charaktere als auch die Geschichte dafür einfach nicht interessant genug. Weil nie klar wird, ob die Ereignisse nun real oder vom Filmteam beeinflusst sind, wirkt der Film über weite Strecken beliebig, ja sogar langweilig. Selbst das Sympathisieren mit den Hauptcharakteren wird durch die durchgehende Verwendung des homophoben Worts „Maricon“ („Schwuchtel“) in den Dialogen oder ein Spiel, in dem die Rollen von Gefangenen und Aufseher*innen übernommen werden (inklusive Folter) nicht gerade erleichtert.
Erst ganz zum Schluss, als man eigentlich schon ratlos das Kino verlassen möchte, erklärt Leonel aus dem Off plötzlich eine Minute lang, warum er an Gott glaubt und Antuán nicht („Wenn es ihn gibt, warum erschafft er nicht ewiges Leben“?), dass es ihn nicht interessiert, wer sein Vater ist („Wichtig ist, dass jemand auf mich aufpasst“) und warum er sich trotz allem vorstellen kann, sein restliches Leben in Pueblo Textil zu verbringen („Auch wenn es manchmal langweilig ist, genieße ich das Leben doch jeden Tag“). Es fragt sich, wieso diese für einen Neunjährigen so reifen Ansichten nicht schon früher im Film Verwendung finden. Oder weshalb Leonel nicht in den Momenten gezeigt wird, die ihn zu diesem plötzlichen Ausbruch an Erkenntnis kommen lassen. Ein Schelm, wer denkt, dass hier zu guter Letzt die Fiktion doch noch die Oberhand über die Doku gewonnen hat.