
Einsam ist es auf dem Containerschiff, das Melissa und Gustavo über den Atlantik bringt. Die Wellen rauschen, auf dem Deck steht ein Liegestuhl und von der Crew ist kaum etwas zu sehen. Dazu hört man aus dem Off gesprochene Poesie. Fast fühlt es sich an wie eine Kreuzfahrt über den unwirklich blauen Atlantik, von Brasilien nach Deutschland.
Doch so träumerisch-unkompliziert bleibt es nicht die ganze Zeit über in Melissa Dullius’ und Gustavo Jahns experimentellem Film Muito Romântico, der bereits 2016 auf der Berlinale Premiere feierte und 2025 im Rahmen der Reihe Forum Expanded Jubiläum neu aufgelegt wurde. In Berlin angekommen, werden die beiden Filmemacher*innen aus dem Süden Brasiliens mit den Freuden und Leiden der Künstler*innenexistenz konfrontiert: Neben dem Finden neuer Freundschaften sowie unvermeidlichen Partys und Drogentrips steht auch die mühselige Wohnungssuche in der deutschen Hauptstadt an. Dazu stellt sich nach der Anfangseuphorie ein Fremdheitsgefühl ein, das auch anderen Migrant*innen zu schaffen macht. Doch die Zeit hilft, darüber und über andere persönliche Probleme hinwegzukommen und sich in der neuen Realität zurechtzufinden.
Muito Romântico ist ein interessanter Mix aus experimenteller Collage und autobiografischer Mockumentary über das Leben zweier Filmemacher*innen. Oft poetisch verfremdet, lassen sich die episodischen Ausschnitte aus dem Leben von Melissa und Gustavo gut nachvollziehen. Besonders schön ist das am Aussehen der Wohnung zu sehen, die sich im Laufe des Films durch neue Möbel und Dekorationen ständig verändert und so zum Symbol des Lebens und der Beziehung des Paars wird.
Zum Ende hin will der Film allerdings etwas zu viel: Da öffnet sich ein kosmisches Portal in der Wohnung, das angeblich Verbindungen zwischen verschiedenen Dimensionen und Zeitebenen herstellt. Das verwirrt etwas (unter anderem werden die Protagonist*innen nun durch andere Personen dargestellt) und wäre so auch gar nicht nötig gewesen, da der Film auch vorher schon durch andere Symboliken diese Transzendenz spürbar macht. Dennoch ist Muito Romântico eine atmosphärisch-künstlerische Betrachtung migrantischer Erfahrungen in Berlin geworden, in der viele zugezogene Berliner*innen einige Momente ihres eigenen Lebens aus der Anfangszeit in der Stadt wiederentdecken dürften. Der Film erhielt deshalb auch eine Special Mention beim Preis für den besten Kunstfilm auf dem New Horizons Filmfestival in Breslau 2016.