Suchend fährt die Kamera durch ein Hotel. Entlang an verwaisten Fluren, geschlossenen Türen . Lebt hinter einer von ihnen, vor der Öffentlichkeit verborgen, der Erfinder des Bossa Nova, João Gilberto? Oder bleibt die Suche wie so oft vergeblich? Der Regisseur Georges Gachot begibt sich in seinem Dokumentarfilm Wo bist du, João Gilberto? auf die Suche nach dieser brasilianischen Musiklegende.
Sein Film basiert auf dem Buch Hobálálá, geschrieben von Marc Fischer, einem deutschen Journalisten, dessen Leidenschaft für den Bossa Nova dieses literarische Kunstwerk hervorgebracht hat, betitelt nach dem gleichnamigen Song von Gilbertos erster Platte Chega de Saudade. Auch Fischer war ein Suchender, auch er von der Idee besessen, den Meister zu finden, der 1958 nur mit seiner Gitarre und seiner Stimme einen neuen Musikstil erschuf. Fischers Buch dient dem Filmemacher gewissermaßen als Drehbuch. Es beschreibt die vergebliche Suche nach João Gilberto, einem lebend Verschollenen, der sich allen Versuchen, ihm nahe zu kommen, mit Finesse entzieht. Diese Suche, von Fischer begonnen, nimmt Georges Gachot in seinem Film wieder auf. Dabei dienen ihm Aufzeichnungen, Tagebucheinträge, Fotos, sowie Bild- und Tonmaterial aus dessen Nachlass, denn Marc Fischer hat sich mit gerade 40 Jahren das Leben genommen. Unterstützung für sein Vorhaben findet er bei Rachel Balassiano, die seinerzeit schon Fischers Gehilfin bei der Suche nach João Gilberto war. Gemeinsam gehen sie den in Fischers Buch gelegten Spuren nach. Gachot kontaktiert einstige Weggefährten, Musiker und Komponisten, die ihn zwar zu den Ursprüngen und Wegbereitern des Bossa Nova führen, jedoch nicht zu João Gilberto, denn seine Gesprächspartner*innen haben ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Regisseur und Buchautor verbindet die Sehnsucht nach dem Erlebnis eines schwer zu fassenden, traurigen Verlangens, das in den sanften Klängen, dem schwebenden, fast geflüsterten, poetischen Gesang ihres Idols seinen Ausdruck findet und den Zauber des Bossa Nova ausmacht. Sehnsucht ist im Film ein Schlüsselbegriff, der die Suche nach jenem Unsichtbaren antreibt, der der Welt diese einfühlsame, melancholische Musik geschenkt hat.
Am Ende des Buches fragt Sherlock (das literarische Alter Ego Marc Fischers) seine Gehilfin Dr. Watson (Rachel Balassiano): „Warum haben wir ihn nicht gefasst, Watson? Wir haben doch alles versucht.“ Watson: „Weil die Sehnsucht nicht zu fassen ist. Von niemandem, Sherlock.“ Am Ende des Films ein letzter Versuch des Filmemachers ihn doch noch zu fassen und Gilberto wenigstens ein einziges Mal live spielen zu hören: Vermittelt durch dessen Agenten lauscht Georges Gachot in einer der letzten Einstellungen andächtig seiner Musik durch eine Tür. Bleibt Joao auch diesmal ein Phantom? Das Archivmaterial diverser Konzerte Gilbertos, filmische Streifzüge durch Rio de Janeiro und die allgegenwärtige Präsenz der Bossa Nova-Rhythmen, lassen die Zuschauer*innen die Schönheit dieser Musik erleben. Nebenbei erfährt man, dass der Bossa Nova in der Toilette entstand, da João Gilberto diesen fünf Quadratmeter großen Ort als idealen Resonanzraum erkannte, wo die Akustik am besten war. Der Film ist gleichzeitig eine Art Entdeckungsreise in die Welt der brasilianischen Musik und der brasilianischen Musikszene des Bossa Nova.