Capoeira – Die Kultur des Widerstandes

Capoeira veio daqui Capoeira kam von hier
do quilombo de Zumbi aus dem quilombo von Zumbi
como Angola ela chegou als Angola kam sie her
e aqui luta formou und hier formte sie den Kampf
Negro fugia da senzala die Neger flohen aus den Sklavenhütten
perseguido stets verfolgt
e se escondia do alarido und versteckten sich vor dem Geschrei
pra lutar bereit zu kämpfen
olha armada, meia lua schau, die Armada, die Meia Lua
cabeçada die Cabecada
a rasteira e a queixada die Rasteira und die Queixada
pra matar bereit zu töten
capoeira dizia die capoeira sprach
capoeira fazia die capoeira handelte
liberdade pro negro Freiheit für die Neger
liberdade pra vida Freiheit für das Leben
capoeira hoje em dia capoeira heutzutage
é a vida alegria ist eine Lebensfreude
vem pra roda vamos jogar komm zur roda, laß uns spielen

So der Text eines capoeira-Liedes, das gemeinsam im Kreis, der “roda”, gesungen wird. Das Lied drückt fast alles aus, was mit der capoeira in Verbindung steht und im Buch als geschichtlicher Hintergrund beschrieben wird.
Erzählt wird die Geschichte von Zumbi de Palmares, dem König der quilombos. Von der Entstehung der quilombos, den versteckten Siedlungen entflohener Sklaven im 16. Jahrhundert. Von der Ausbreitung einer Kampfform der befreiten und angeketteten afrikanischen Sklaven im Nordosten Brasiliens, die mit dem Streben der Schwarzen nach Freiheit einhergeht. E a capoeira. Das ist die capoeira. Sie hat die Kanonen der Portugiesen überlebt, auch wenn Palmares nach langjährigem Befreiungskampf dem Erdboden gleichgemacht und die Menschen niedergemetzelt wurden.
Der espirito – der Geist von Palmares – findet sich wieder in Liedern, Tänzen und Erzählungen und damit in der capoeira als Symbol für den Kampf gegen die Unterdrückung.
Was bei der Befragung von vier capoeiristas über den Begriff der capoeira herauskommt, sind fünf Meinungen. Der verstorbene Mestre Bimba vertrat die Meinung, capoeira sei die Kunst und Tücke, die einen Menschen befähigt, den Unwägbarkeiten des Lebens zu begegnen. Andere sehen die capoeira als Spiel, Kampf, Rhythmus, Poesie…
Mit der Abolicao, der Abschaffung der Sklaverei 1888 in Brasilien, gab es ein gesetzliches Verbot der capoeira. Die capoeira ging in den Untergrund. Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der ehemaligen Sklaven verschärften sich. Jetzt spielte die capoeira als wichtiges Mittel im Überlebenskampf eine große Rolle.
Hier kommt die “Macht der Götter” (und Göttinnen!) ins Spiel, denn unter dem Deckmantel der aus der afrikanischen Kultur mitgebrachten religiösen Riten konnte die capoeira in den Candomble, Umbanda und Macumba eingeflochten werden. Bei der Ausübung dieser Riten konnte die capoeira trainiert werden, ohne als Kampf sondern als religiöser Tanz angesehen zu werden. Aber anders als beim Candomble wird der/die capoeirista in der roda nicht in einen Trancezustand versetzt. Der Rhythmus bildet den Rahmen und bestimmt die Dynamik, mit der die KämpferInnen einander langsam, schnell, spielerisch, akrobatisch, ausdrucksstark, listig… begegnen. Die Ginga, der Grundschritt der capoeira, bildet einen von der Musik unabhängigen, eigenen inneren Rhythmus.
Außer der Geschichte im Leseteil des Buches sind im Übungsteil einerseits die in der “roda” benutzten Elemente, nämlich der Eigenbau des “Berimbau”, das Hauptmusikinstrument der capoeira, die capoeira-Musik, Toques (Rhythmen), Gesang und Texte zum Nachmachen gut beschrieben. Das Erlernen der Ginga, und der wichtigsten Techniken mit Abbildungen von meia lua (Halbmond), queixada, bensao, meia lua de compasso… macht einen weiteren großen Teil der Übungen aus. Mit der Unterscheidung der capoeira in die zwei Stilrichtungen capoeira angola und capoeira regional werden hauptsächlich Kampftechniken der Richtung angola gut erklärt. Für AnfängerInnen in der capoeira zum Nachlesen und Ausprobieren eine gute Hilfe.
Im Anhang finden sich sowohl weitere Literatur-Angaben und Bezugsadressen von capoeira-Schallplatten und CD’s sowie Adressen von capoeira-LehrerInnen, die allerdings nicht ganz auf dem neuesten Stand sind!
Insgesamt bietet das Buch eine anschauliche Einführung in die Grundtechniken der capoeira und viele Hintergründe über eine Kultur des Widerstandes in Brasilien.
Auffallend ist, daß es trotz weiblicher capoeiristas nach Dirk Hegemanns nur den männlichen “capoeirista” gibt, denn im gesamten Buch ist außer bei den Abbildungen nicht zu erkennen, daß dieser Kampftanz auch von Frauen betrieben wird, und dementsprechend Frauen auch verbal angesprochen werden sollten.
Aber “man” muß Capoeira leben, (sagte Mestre Sapo aus Olinda zu seinem Schüler, dem Autor) um zu erfahren und zu verstehen, was sich hinter “ihr” verbirgt.
Für einen Einstieg in die brasilianische Widerstandskultur capoeira trotzdem sehr zu empfehlen.

Dirk Hegemanns, Capoeira – Die Kultur des Widerstandes: ein Lese- und Übungsbuch, Schmetterling Verlag, 1993.

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