BLUTIGE BANANEN

Das investigative Nachrichtenportal VerdadAbierta.com veröffentlichte kürzlich zahlreiche Auszüge aus Gerichtsakten, welche beweisen, dass das Unternehmen Chiquita Brands L.L.C. jahrzehntelang unter anderem paramilitärische Gruppen finanzierte, die zur gleichen Zeit schwe­­re Gewalttaten und Menschrechtsverletzungen begingen. Die Dokumente wurden dem Gericht im Zuge eines Verfahrens von der US-Börsenaufsichtsbehörde zur Verfügung gestellt. Sie zeigen, dass Chiquita seit Ende der 1980er Jahre bis Anfang der 2000er regelmäßig Zahlungen an verschiedene bewaffnete Akteure des kolumbianischen Konflikts leistete. Insgesamt gingen mehrere Millionen Dollar sowohl an linke Guerillagruppen als auch an rechte Paramilitärs und zivile Milizen sowie an Brigaden der kolumbianischen Armee. Die Zahlungen konzentrierten sich auf die Bananenanbauregionen der Bundesstaaten Antioquia und Magdalena. Insbesondere die Zeug*innenaussagen einiger Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer*innen des zu den größten Bananenexporteuren der Welt zählenden Unternehmens bieten einen Einblick in die Vorgänge. So beschreiben die befragten Personen die getätigten Zahlungen an bewaffnete Akteure in Kolumbien wiederholt als „ganz normale Ausgaben“, die sich nicht von Zahlungen für Düngemittel oder Insektenvernichtungsmittel unterschieden hätten.

Sieben Jahre lang kämpfte das National Security Archive, eine Forschungs- und Archivierungseinrichtung an der George Washington University in Washington D.C., für die Freigabe der mehr als 9.000 Seiten an Informationen in den Händen der US-amerikanischen Börsenaufsicht. Diese hatte zahlreiche Mitarbeiter*innen von Chiquita Brands International unter Eid aussagen lassen. Die gesammelten Protokolle zeigen das Bild eines routinierten Systems geheimer Transaktionen auf allen Seiten des Konflikts. Und sie zeigen das Kalkül und die Skrupellosigkeit der hinter den Zahlungen stehenden Verantwortlichen.

Robert F. Kistinger war über 27 Jahre lang in leitenden Managementpositionen bei Chiquita tätig und berät das Unternehmen bis heute. In seiner Aussage vor der Börsenaufsicht im Jahr 2000 bestätigte er, seit den 1980er Jahren über die Zahlungen informiert gewesen zu sein. Diese Vorgänge hätten jedoch kaum spürbare Auswirkung­en auf die Gesamtumsätze des Un­ter­neh­mens gehabt: „Wissen Sie, wir hören doch nicht auf, in Kolumbien Geschäfte zu machen, nur, weil wir 25.000 Dollar extra ausgeben müssen“, so Kistinger. Die Kosten wurden von Chiquita demnach als „notwendig, aber zu verschmerzen“ betrachtet und sollten offenbar eine mög­lichst störungsfreie Bananenproduktion im Land ga­rantieren.

Die Manager*innen zeigen sich von der Tatsache, dass dabei kontinuierlich für Verbrechen an der Zvilbevölkerung verantwortliche Gruppen finanziert wurden, wenig beeindruckt.

Die verantwortlichen Manager*innen zeigen sich von der Tatsache, dass dabei kontinuierlich unter anderem terroristische und paramilitärische Gruppen finanziert wurden, die zur gleichen Zeit für Massaker an der Zivilbevölkerung, Auftragsmorde, gewaltsames Verschwindenlassen von Personen, Vergewaltigungen sowie Vertreibungen ganzer Gemeinden verantwortlich waren, wenig beeindruckt. So berichtete Jorge Forton, der ab 1995 für Chiquita in Kolumbien ein standardisiertes Zahlungsmodell einführen sollte, dass das Geld zunächst gewaltsame Übergriffe der bewaffneten Gruppen auf Mitarbeiter*innen von Chiquita verhindern sollte. Er sei sich jedoch auch bewusst gewesen, dass damit Gruppen finanziert wurden, die zu einer Intensivierung des gewalttätigen Konflikts in der Region beigetragen hätten. Das habe seine Chefs in den USA jedoch kaum interessiert, so Forton.

Bereits 2007 wurde Chiquita als erster multinationaler Konzern in den USA dafür verurteilt, einer internationalen terroristischen Organisation Geld gezahlt zu haben. In dem Verfahren ging es um Zahlungen von rund 1,7 Millionen Dollar zwischen 2001 und 2004 an den nationalen Dachverband der rechtsgerichteten ko­lum­bianischen Paramilitärs (AUC). Chiquita wurde in diesem Verfahren zu einer Geldstrafe in Höhe von 25 Millionen Dollar verurteilt. Allerdings wurden bis heute keine Angestellten des Unternehmens zur Verantwortung gezogen. Dies fordert nun ein Zusammenschluss kolumbianischer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Mindestens 14 ehemalige und aktuelle Mitarbeiter*innen von Chiquita wurden von den NGOs als Personen mit Verantwortung in den beschriebenen Vorgängen identifiziert. Als Begründung für die Anrufung des IStGH führen die Organisationen an, dass der Geltungsbereich der kolumbianischen Justiz für ein solches Verfahren nicht ausreiche, da unter anderem die USA die verantwortlichen Personen nicht ausliefern wollen.

“Chiquita war nicht dazu gezwungen, 15 Jahre lang in Kolumbien zu bleiben und die Akteure des Konflikts zu bezahlen.”

In ihrem Schreiben an den IStGH beschreiben die NGOs, dass es sich bei den Zahlungen schon auf Grund ihrer Regelmäßigkeit und ausgeklügelten Abrechnung nicht um einzelne „Fehler“, sondern um absichtliche Zuwendungen gehandelt habe. Sprecher*innen von Chiquita haben immer wieder argumentiert, die Zahlungen an den AUC hätten auf Grund von Erpressung stattgefunden. Dieser Darstellung wiedersprach jedoch bereits ein US-Richter, der 2007 an dem Verfahren gegen Chiquita teilnahm: „Als multinationales Unternehmen war Chiquita nicht dazu gezwungen, 15 Jahre lang in Kolumbien zu bleiben und gleichzeitig die drei wesentlichen Akteure des Konflikts zu bezahlen, die währenddessen das kolumbianische Volk terrorisierten.“ Auch der damalige stellvertretende Oberstaasanwalt, Michael Chertoff, äußerte in dem Zusammenhang: „Das Unternehmen hatte eine legale Alternative: Kolumbien verlassen.“

Bezüglich der Zahlungen an die Guerillagruppen FARC, ELN und ELP wurden bisher weder in den USA noch in Kolumbien Verfahren eingeleitet. In dem Verfahren um die Zahlungen an den Dachverband der Paramilitärs (AUC) gab Chiquita auch Zahlungen von mehr als 850.000 US-Dollar an die linken Guerillas zu, jedoch nur im Zeitraum von 1989 bis 1997, als diese von den USA noch nicht als terroristische Gruppen deklariert wurden. In diesem Zeitraum wurden, nach Informationen der kolumbianischen Beobachtungsstelle für Erinnerung und Konflikt, in den Bananenanbauregionen 181 Menschen bei 21 Massakern getötet. 15 dieser Massaker werden der FARC zugeschrieben. Nach einem Treffen zwischen Vertreter*innen von Chiquita und dem Anführer des AUC, Carlos Castaño Gil, 1997, wurden die meisten Zahlungen an linke Guerillagruppen eingestellt und von da an vor allem paramilitärische Gruppen und rechtsgerichtete Milizen bezahlt.

Die nun von dem Zusammenschluss kolumbianischer NGOs angestrebte juristische Auf­arbeitung auf internationaler Ebene wird unter dem Stichwort „Ende der Straflosigkeit“ vorangetrieben. Ziel ist es, so die Organisationen in ihrem Schreiben, auch auf nationaler Ebene klare strafrechtliche Verantwortlichkeiten zu bestimmen. Zudem sei das Handeln des Internationalen Strafgerichtshofs entscheidend für die mögliche Verhinderung ähnlicher von multinationalen Konzernen finanzierter Verbrechen, so der Brief.

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