Diego Armando Lara Lagunes in El reino de Diós, Berlinale 2022 (Foto: © Jaqueca Films)
Bewertung 2 / 5
„Und hier kommt Kardashian… Niemand kann sie schlagen, sie gewinnt immer!“ Neimars Stimme überschlägt sich fast. Doch so wenig der achtjährige Junge aus einem Dorf in Veracruz in Südmexiko im Film El reino de Diós (Das Reich Gottes) selbst mit dem brasilianischen Fußballstar gemeinsam hat, so wenig denkt er beim Namen Kardashian an Reality-TV. In seiner Fantasie ist Kardashian ein Pferd und Neimar spielt ein Rennen von ihr nach, denn das ist es, was er über alles in der Welt liebt: Pferde. Bei seiner Lieblingsstute darf er sogar schon ab und zu die Pflege übernehmen und als Dank dafür bekommt er seinen Anteil am Preisgeld, wenn sie Rennen gewinnt. Zeit dafür hat er genug, denn zu Hause kümmert sich kaum jemand um ihn. Der Vater hat schon lange das Weite gesucht, die Mutter ist meistens arbeiten oder bei ihrem Freund, nur die Großmutter ist manchmal da und spielt mit ihm. Ansonsten verbringt Neimar seine Freizeit mit Schweinen, Hühnern oder eben Pferden. Da seine Erstkommunion bald ansteht, besucht er aber auch regelmäßig den Unterricht, der die Kinder darauf vorbereiten soll. Dort lernen sie unter anderem die Zehn Gebote auswendig, um Gott nach der Kommunion näher sein zu können, wie Neimars Großmutter ihm erklärt. Doch in seinem Leben ereignen sich bald Dinge, die ihn weit mehr beeinflussen werden als die bevorstehende Feier.
Regisseurin Claudia Sainte-Luce stammt selbst aus einem Dorf in Veracruz und hat den Film mit Laiendarsteller*innen von dort besetzt. Die Hauptrolle spielt ihr Neffe Diego. El reino de Diós zeigt eine Welt, in der es Jungen schwer haben, verlässliche männliche Vorbilder zu finden. Am meisten Kontakt hat er mit den Pferdepflegern, die ihn aber meistens auslachen und sexistische Bemerkungen über Frauen machen, die er nicht versteht. Ebenso wenig kindgerecht ist der Religionsunterricht, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen: Mit hochgestochenen Bibelzitaten versucht der Lehrer die Kinder von Gottes Liebe zu überzeugen. Die Botschaft dahinter – die Kirche versagt bei ihrer Aufgabe, sich um die Alleingelassenen zu kümmern – wird allerdings etwas zu sehr mit dem Holzhammer vermittelt. Neimar hat angesichts der völlig abgehobenen Kirchenzeremonien fast keine andere Chance, als vom Glauben abzufallen. Dass dieser nicht unbedingt mit Kirche gleichzusetzen ist, arbeitet der Film leider nicht ausreichend heraus. Durch das Fehlen positiver Beispiele verpasst er das Ziel, eine Diskussion über Glauben und Gott zu eröffnen, die auch Kinder interessieren könnte. Gegen Ende geschehen zudem einige ziemlich schockierende Ereignisse. In Verbindung mit der stark sexualisierten und sexistischen Ausdrucksweise der Pferdepfleger ist El reino de Diós deshalb für jüngere Kinder nur eingeschränkt empfehlenswert.
Diego Armando Lara Lagunes in El reino de Diós, Berlinale 2022 (Foto: © Jaqueca Films)
Lizbeth Gabriela Nolasco Hernández, Margarita Guevara Gonzales und Diego Armando Lara Lagunes in El reino de Diós, Berlinale 2022 (Foto: © Jaqueca Films)