// IMPFSOLIDARITÄT FEHLANZEIGE

Das öffentliche Geschrei war unüberhörbar: Alles, aber auch alles, habe die EU falsch gemacht bei der Impfstoffbestellung – zu spät und viel zu wenig, schlecht verhandelt und mit den falschen Herstellern nichtbindende Verträge unterschrieben. Andere Länder wie Großbritannien und die USA seien Europa weit voraus bei der Impfstoffbeschaffung.

Dabei genügt ein kleiner Blick über den kontinentalen Tellerrand, um das Geschrei als das zu entlarven, was es ist: ein eurozentristisches „wir wollen zuerst drankommen“. Bereits im Herbst 2020 hatte die NRO Oxfam in einer Studie festgestellt, dass sich nur 13 Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte der global vorhandenen Impfstoffe unter den Nagel gerissen hatten – bevor diese überhaupt genehmigt und produziert worden waren. Inzwischen haben nur zehn Länder fast drei Viertel der bisher verimpften 260 Millionen Impfdosen verbraucht, darunter die USA, China, Mitglieder der EU und Großbritannien. Das klingt empörend und gleichzeitig vertraut – denn auch die Impfstoffbeschaffung verläuft entlang der globalen ökonomischen Machtstrukturen.

Das gilt auch für Lateinamerika: Aus der Region kommen 15 Prozent der COVID-Erkrankten, doch nur knapp sieben Prozent der geimpften Menschen. Trotz Geheimhaltungsklauseln in Verträgen wurde bekannt, dass die Pharmafirmen den Impfstoffmangel in den Verhandlungen ausnutzen, wobei Pfizer mit harten Forderungen besonders auffiel: Der Konzern versuchte, auf die Regierungen nicht nur die Haftung für mögliche Impfschäden, sondern sogar die Haftung für mögliche eigene Fehler abzuwälzen. In Argentinien forderte er in besonders dreister Weise nicht pfändbare Vermögenswerte als Garantien für seine Lieferungen, darunter Gletscher und Fischereirechte (siehe Artikel auf S. 26).

Ein globales Problem wird jedoch nicht mit Egoismus und Gier gelöst. Wie die UN immer wieder betonen, braucht es dafür globale Lösungen. Generalsekretär António Guterres fordert die sofortige weltweite Impfung allen medizinischen Personals und der besonders gefährdeten Gruppen, bevor an die Impfung der westlichen Normalbevölkerung gedacht werden könne. Das Geschrei in der EU wäre wohl noch um einiges lauter, wenn dies als tatsächliche impfpolitische Alternative verhandelt werden würde.

Dabei sind bei einer weitgehend ungehinderten weltweiten Verbreitung des Virus nicht nur die dadurch deutlich zahlreicheren Mutationen das Problem, die immer als Argument angeführt werden, um der eher spärlichen internationalen Solidarität auf die Sprünge zu helfen. Das Problem ist die Verteilung. Eine Modellrechnung der britischen Northeastern University geht davon aus, dass die weltweite Anzahl der Toten um 61 Prozent geringer ausfallen würde, wenn die ersten zwei Milliarden Dosen von Covid-19 Vakzinen proportional zur nationalen Bevölkerungszahl verteilt würden. Wenn sie aber – wie aktuell – unter den 47 reichsten Ländern aufgeteilt werden, wird die Anzahl der Toten nur um 33 Prozent geringer ausfallen als ohne Impfung.

Da hilft es auch wenig, dass die G7-Länder im Februar Milliardenbeträge für die internationale COVAX-Initiative zusagten, die derzeit Dutzende Länder des Globalen Südens mit Impfstoff beliefert. Bei der Beschaffung der Vakzine konkurriert COVAX mit ihren Geldgebern, die deutlich höhere Preise zahlen können. Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Chef der Weltgesundheitsorganisation, bringt es auf den Punkt: „Wenn kein Impfstoff übrigbleibt, ist das Geld irrelevant.“ Die gerechte und schnelle Verteilung der Impfdosen ist daher für Millionen Menschen eine politische Entscheidung über Leben und Tod.


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WETTLAUF MIT DEM VIRUS


Foto: Minsa/Fotos Públicas, CC BY-NC 2.0

Nach der ersten großen Welle der Pandemie hatte sich die Lage in Lateinamerika vielerorts etwas entspannt, aber seit Anfang des Jahres steigen die Infektionszahlen wieder rasant. Brasilien zählte laut Johns Hopkins University Anfang März bereits 260.000 Tote, Mexiko 189.000, Kolumbien 60.000. Und während wir in Europa auf sinkende Infektionszahlen bei steigenden Temperaturen hoffen können, steht Südamerika der Winter noch bevor. Doch nach Erhebungen von Our World in Data der Universität Oxford wurden bis Anfang März von den gut 280 Millionen Impfungen weltweit 70 Prozent allein in China, den USA, EU und UK durchgeführt – obwohl diese Länder nicht einmal ein Drittel der Weltbevölkerung ausmachen. Auf Lateinamerika – und somit auf 8,4 Prozent der Weltbevölkerung – entfielen bisher knapp sieben Prozent der Impfungen, aber 15 Prozent aller Covid-Erkrankungen.

Inzwischen haben jedoch fast alle lateinamerikanischen Regierungen Verträge mit meist mehreren Pharmaunternehmen abgeschlossen. Neben den Impfstoffen von AstraZeneca und BioNTech/Pfizer wurden bisher aber vor allem die chinesischen Impfstoffe von Sinopharm und Sinovac sowie Sputnik V aus Russland verimpft. Vorreiter ist Chile, dort begann Anfang Februar eine Impfaktion mit mehreren Millionen Dosen von Sinovac. Innerhalb von vier Wochen erhielten 18 Prozent der Bevölkerung die erste Dosis. Laut Our World in Data steht Chile damit weltweit auf Platz 6 mit den meisten Impfungen pro 100 Einwohner*innen. 90 Millionen Impfdosen hat Chile insgesamt bei AstraZeneca, Pfizer, Sinovac und Johnson & Johnson bestellt, mehr als genug für die 19 Millionen-Bevölkerung.  

Lateinamerika ist von Impfstoffen aus China und Russland abhängig

Anders ist die Situation im Nachbarland Argentinien. Dort wurden bis Anfang März erst 870.000 Menschen mit mindestens einer Dosis geimpft, das entspricht nur knapp zwei Prozent der Bevölkerung. In Uruguay hat das Impfen sogar erst im März begonnen. Auch in Brasilien, wo das Virus besonders schlimm wütet, haben erst 6,5 Millionen Menschen, also gut drei Prozent der Bevölkerung, die erste Impfdosis erhalten. Angesichts der katastrophalen Verharmlosungspolitik von Jair Bolsonaro eine eher positive Bilanz, die vor allem dem Engagement des Gouverneurs von São Paulo zu verdanken ist (siehe LN 560).

Gemessen an der Einwohnerzahl hat Mexiko lateinamerikaweit die meisten Todesopfer zu beklagen. In absoluten Zahlen steht das Land nach Brasilien weltweit auf Platz 3. Während der Pandemie verhängte die Regierung von Andrés Manuel López Obrador nur wenige Restriktionen und führte auch relativ wenige Tests durch. Intensivbetten und Sauerstoff waren oft knapp, besonders in der Hauptstadtregion. Obwohl das Land bereits im Dezember mit Impfungen begann, haben erst weniger als zwei Prozent der Bevölkerung eine erste Dosis erhalten, vorwiegend von BioNTech/Pfizer und AstraZeneca. Wohlhabende Mexikaner*innen lassen sich daher vermehrt in den USA impfen, in Kalifornien ist dafür nicht einmal ein US-Wohnsitz erforderlich.

Auch in Kolumbien ist die Corona-Lage derzeit ernst. Das Land liegt auf Platz zwölf der Länder mit den meisten Todesopfern weltweit. Laut offiziellen Zahlen haben Großstädte wie Medellín, Cali, und Bogotá eine über neunzigprozentige Belegung der Intensivbetten. Trotzdem wurden seit Impfstart Mitte Februar erst knapp 150.000 Dosen verimpft. Der langsame Impfstart, eine schlechte Informationspolitik und Korruptionsvorwürfe sorgen für Kritik an der Regierung von Iván Duque. Oppositionspolitiker*innen forderten die Offenlegung der Kaufverträge, Duque verwies jedoch auf die Verschwiegenheitspflicht und gab lediglich bekannt, Verträge mit Pfizer, AstraZeneca und Johnson & Johnson über 60 Millionen Impfdosen abgeschlossen zu haben.

Anzahl verimpfter Dosen pro Million Einwohner

Die Verschwiegenheitsklauseln in den Verträgen mit den Pharmaunternehmen sind nicht nur in Kolumbien ein Thema. Überall – so auch in der EU – verhindern sie das Bekanntwerden der bezahlten Preise und der vertraglichen Bedingungen, die die Regierungen akzeptieren müssen, um den Impfstoff zu erhalten. Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou sagte gegenüber der Presse, man habe bei den Verhandlungen mit den Pharmaunternehmen die Wahl gehabt „zwischen einem Geheimvertrag oder keinen Impfdosen“.

Dass es sich bei diesen Bedingungen nicht nur um die Verschwiegenheit über die ausgehandelten Preise handelt, lässt sich zumindest erahnen. In Peru scheiterten die Verhandlungen mit dem US-amerikanischen Unternehmen Pfizer zunächst, weil in den Verträgen „einige Klauseln identifiziert wurden, die eine weitere Analyse erforderten, um die Kompatibilität mit den peruanischen Gesetzen zu bestimmen“, so Ex-Gesundheitsministerin Pilar Mazzetti. Auch Brasiliens Gesundheitsminister sprach von „unfairen und missbräuchlichen Klauseln“, die von Pfizer aufgestellt wurden. 

Pfizer soll argentinische Gletscher als Sicherheit verlangt haben

Aufsehen erregten vor allem die Verhandlungen zwischen Pfizer und der Regierung in Argentinien. Hier forderte die Pharmafirma nicht nur wie bei anderen Ländern Haftungsausschluss für potenzielle Fehler seitens des Unternehmens – einschließlich eigener Fahrlässigkeit, wie etwa bei Produktionsfehlern oder Lieferungen von unzureichend gekühlten Impfdosen. Wie Recherchen des Londoner Bureau of Investigative Journalism und Ojo Público aus Peru zeigen, wurde auch der Abschluss einer Versicherung für etwaige Gerichtskosten sowie die Verpfändung von Staatsvermögen gefordert. Jorge Rachid, Arzt im Beratungsteam des Gouverneurs der Provinz Buenos Aires, sagte zudem im Radiointerview mit AM830, Pfizer hätte ein Gesetz zu nicht pfändbaren Vermögenswerten als Garantien verlangt, darunter Gletscher und Fischereirechte. „Das ist kein Zufall, denn vor zwei Wochen begann der Handel mit Süßwasser an der Wall Street. Vergessen wir nicht, dass der Eigentümer von Pfizer der Black-Rock-Fonds ist, derselbe Fonds, der versucht hat, die Umstrukturierung der argentinischen Schulden zu verhindern“, so Rachid. Die Verhandlungen scheiterten und lassen die Frage offen, welche Deals die Pharmakonzerne wohl mit anderen Ländern ausgehandelt haben.

Die bestehende Ungleichheit in Lateinamerika wird durch die Pandemie noch verschärft. Das zeigt sich auch bei der Impfstoffbeschaffung. Während ökonomisch starke und gut vernetzte Länder wie Chile früh diverse Verträge abschließen und auch die entsprechenden Preise zahlen konnten, schienen die Verlierer im Rennen um die lebensrettenden Impfungen von Anfang an festzustehen. So konnte Bolivien bisher nur Impfstoffe aus China und Russland beschaffen: Ende Januar erhielt das Land zunächst 20.000 Dosen Sputnik V aus Russland. Ende Februar folgten 500.000 Dosen von Sinopharm, mit denen nun die Massenimpfung beginnt. Bis Ende März sollen zusätzliche 1,7 Millionen Dosen Sputnik V eintreffen. Insgesamt erwartet Bolivien bis Mai 15,2 Millionen Dosen Impfstoff (knapp ausreichend für die 7,5 Millionen Menschen), davon etwa eine Million über das internationale COVAX-Programm.

An Covid-19 Verstorbene pro Million Einwohner

Das COVAX-Programm unter der Führung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie den von privaten und öffentlichen Akteuren getragenen Impf- und Forschungsallianzen Gavi und CEPI will eine Milliarde Impfdosen (vor allem AstraZeneca) für 92 Länder finanzieren, die laut WHO über ein niedriges oder mittleres Einkommen verfügen. In Lateinamerika profitieren davon in den nächsten Wochen neben Bolivien auch El Salvador, Nicaragua und Honduras mit 876.000, 504.000 und 428.000 Gratis-Dosen. Weitere Länder konnten sich zwar auf die Liste setzen lassen, müssen die Kosten für den Impfstoff aber selbst tragen. Für das Covid-gebeutelte Brasilien sind das immerhin knapp elf Millionen Extradosen.

22 Millionen Menschen sind 2020 in die Armut abgerutscht

Auch Venezuela steht auf der COVAX-Liste: 1,4 Millionen Impfdosen AstraZeneca kann das Land in den kommenden Wochen erhalten – bis Redaktionsschluss stand aber nicht fest, ob die Regierung von Nicolás Maduro die dafür benötigten Eigenmittel bereitstellen würde. 100.000 Dosen Sputnik V werden bereits seit Ende Februar an medizinisches Personal sowie an Polizei, Militär und Politiker*innen verimpft. Anfang März erreichte Venezuela eine Lieferung mit 500.000 Dosen des Impfstoffs von Sinopharm, damit soll nun die Massenimpfung der 29-Millionen-Bevölkerung beginnen. Von weiteren Lieferungen ist jedoch nichts bekannt. Venezuela hat bisher so wenig Vakzine bestellt, dass Expert*innen schätzen, eine Herdenimmunität könne womöglich erst 2023 oder später erreicht werden.

Lateinamerika als Ganzes hat im Vergleich zu den Ländern des globalen Nordens einen deutlich schlechteren Zugang zu den begehrten – und im Falle von Moderna und BioNTech/Pfizer auch teureren – Impfstoffen aus Europa und den USA. Die Länder der Region sind damit in hohem Maße von den Vakzinen aus China und Russland abhängig, die offensiv vermarktet und zum Teil verschenkt wurden, noch bevor Ergebnisse aus den für eine Zulassung nach wissenschaftlichen Standards erforderlichen klinischen Studien der Phase III vorlagen. Diese Abhängigkeit zeigt sich selbst im Impfmusterland Chile: Von den 4,3 Millionen dort bisher verimpften Dosen waren 4 Millionen Sinovac-Vakzine. Chile konnte sich einen bevorzugten Zugang zu diesen und damit die Möglichkeit zu einer effektiven Impfkampagne sichern, da die chinesische Pharmafirma dort eine ihrer Langzeitstudien durch­führte. Wie sich zeigte, ist die Wirksamkeit dieses Mittels jedoch geringer als bei allen drei bisher in der EU zugelassenen Impfstoffen westlicher Unternehmen.

Kuba forscht an vier verschiedenen Impfstoffen


Neben der geringen Impfstoffmenge sorgte in vielen Ländern auch eine mangelnde Impfsolidarität für Kritik. In Argentinien, Ecuador und Peru mussten etwa die Gesundheitsminister*innen zurücktreten, da sie sich und ihnen Nahestehenden entgegen der festgelegten Reihenfolge Impfungen verschafft hatten. In Brasilien versuchten im Januar elf Unternehmen, darunter die staatliche Petrobras, sich mit Unterstützung von Präsident Bolsonaro am Staat vorbei direkt 33 Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca zu beschaffen. Die Hälfte wolle man selbst nutzen, den Rest an das öffentliche Gesundheitssystem spenden. Bei Erfolg hätten dann Konzerne über Millionen Impfungen entschieden, ohne der Prioritätenliste des Gesundheitsministeriums folgen zu müssen. AstraZeneca erteilte dieser Bestellung jedoch vorläufig eine Absage.

Ein Lichtblick ist dagegen die Impfstoffentwicklung in Kuba. Dort wird derzeit an vier verschiedenen Vakzinen gearbeitet. Der aussichtsreichste Kandidat, Soberana 02, wird im März in Phase III erprobt. Werden Wirksamkeit und Sicherheit bestätigt, sollen bis Ende des Jahres 100 Millionen Dosen produziert werden, auch für den Export (zum Beispiel an den Alba-Bündnispartner Venezuela). Auch ein zweiter Impfstoff, Abdala, wird bereits produziert und soll demnächst in einer klinischen Phase III-Studie erprobt werden. Expert*innen halten die kubanischen Impfstoffe durchaus für aussichtsreich – Kuba ist aufgrund des US-Embargos seit vielen Jahren erfolgreich in der Impfstoffentwicklung. Zweifel gibt es allerdings, ob die Produktionskapazitäten auf der Insel ausreichend sein werden.

Die Versorgung mit Impfstoff drängt aber nicht nur angesichts der hohen Infektions- und Todeszahlen. Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL) verzeichnet für 2020 einen Rückgang des regionalen Bruttoinlandsproduktes um fast acht Prozent. Es ist die schwerste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression, die Erholung wird vermutlich Jahre dauern. Die Folgen sind Armut und Hunger. In Kolumbiens Hauptstadt Bogotá hingen bereits Mitte 2020 rote Fahnen aus den Fenstern der Häuser – ein Symbol für den Hunger der Bewohner*innen. Die CEPAL geht davon aus, dass die Zahl armer Menschen im letzten Jahr um 22 Millionen auf 209 Millionen gestiegen ist. Davon waren 78 Millionen in extremer Armut, acht Millionen mehr als im Jahr 2019. Die Armutsquote stieg damit auf über 33 Prozent, die extreme Armut auf fast 16 Prozent. Vor allem in Haiti und Zentralamerika sind die Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit bedroht. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen leiden in Zentralamerika dieses Jahr bereits acht Millionen Menschen an chronischem Hunger, ausgelöst durch die Wirtschaftskrise infolge von Pandemie und Klimakatastrophen.

Auf die Staatsfinanzen wirkt die Pandemie wie ein Brandbeschleuniger


Die Pandemie verschärft die vorhandenen sozialen Ungleichheiten drastisch, am stärksten betroffen sind die vulnerabelsten Gruppen: Frauen, Indigene, Schwarze, Migrant*innen und Menschen in prekären ökonomischen Lebensverhältnissen. Mehr als die Hälfte der latein­ameri­kanischen Erwerbstätigen arbeiten im informellen Sektor, in Bolivien sogar über 70 Prozent. Das heißt, sie verfügen über keine soziale Absicherung – weder Kranken- noch Arbeitslosenversicherung. Gleichzeitig führen Lockdown, Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen zu totalen Einkommensverlusten.

Auch auf der Ebene der Staatsfinanzen wirkt die Pandemie wie ein Brandbeschleuniger: Um ihre Ausgaben zu stemmen, nehmen die Staaten Lateinamerikas immer mehr Kredite auf. Der Druck wächst, Devisen zu generieren, damit sinken die Chancen, dass die Regierungen von Rohstoffabbau und exzessiver Landwirtschaft abrücken. So wird das Wettrennen mit dem Virus auch zu einem Wettrennen mit dem Klimawandel.


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