ANGST VOR EINEM PAPIERFRIEDEN

Die Regierung hat sich nach knapp vierjährigen Verhandlungen mit den FARC auf ein Friedensabkommen geeinigt. Ein Durchbruch?
Das ist natürlich für Kolumbien ein sehr deutlicher Fortschritt. Insbesondere angesichts der Geschichte von Halbfrieden, abgebrochenem Frieden, unvollständigem Frieden oder wie man die unterschiedlichen Versuche bezeichnen will, die es in der Vergangenheit gab. Jetzt kommt es darauf an, dass dieses Mal wirklich alle Nägel sitzen. Es muss gelingen, eine umfassende Demobilisierung und eine Partizipation bisher ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen und politischer Akteure herzustellen, um den Übergang von der Gewalt zum Frieden zu ermöglichen.

Welche Schwierigkeiten können die Umsetzung des Friedensprozesses jetzt noch behindern?
Zunächst ist da das Referendum, das Präsident Juan Manuel Santos angesetzt hat, um den Vertrag zu legitimieren. Anscheinend ist bei der Volksabstimmung aber noch nicht ganz klar, wie das Ergebnis aussehen wird. Aus unserer externen Perspektive würde man denken, dass ein Friedensabkommen im Sinne der Bevölkerung ist. Die Umfragen zeigen allerdings, dass allerhand Zweifel angebracht sind. Es wird wahrscheinlich zu einer Art Wahlkampf zwischen Unterstützern und Gegnern des Friedensvertrages kommen. Dabei ist das Format recht sonderbar: Lauter Ex-Präsidenten werden gegeneinander antreten. Das ist keine günstige Konstellation. Eigentlich müsste es darum gehen, die Bevölkerung an den Frieden heranzuführen, und nicht um den Frieden herum eine neue Ebene der Polarisierung zu schaffen.

Was sind denn die Gründe für die Zweifel?
Dahinter steht die Annahme, dass bei einem positiven Votum etliche Probleme im Bereich der Umsetzung des Friedensabkommens auftauchen. Erstens wird bezweifelt, ob die jeweiligen Kämpfer der FARC wirklich den Anordnungen ihres Oberkommandos folgen werden. Erste Anzeichen für eine Abspaltung einer Front der FARC wurden bereits sichtbar. Zweitens stellt sich die Frage, ob die kolumbianische Gesellschaft wirklich bereit ist, die demobilisierten Kämpfer wiederaufzunehmen und sich mit ihnen zu versöhnen. Drittens muss geprüft werden, ob die finanziellen Ressourcen überhaupt da sind, um die Programme umzusetzen – angefangen mit Reparationsleistungen, der Schaffung von Arbeitsplätzen bis hin zur Infrastrukturentwicklung und Bodenverteilungsmaßnahmen. All diese Faktoren werden Kolumbien überfordern. Insofern stellt sich die Frage, ob diese vielschichtigen Prozesse so aufeinander abgestimmt werden können, dass eine gegenseitige Verstärkung eintritt.

Eines der Probleme ist bekanntlich die fehlende Staatlichkeit in entlegenen Gebieten Kolumbiens. Wie will die Regierung das Problem in so kurzer Zeit lösen?
Das ist eine zentrale Herausforderung. Für die Demobilisierung der FARC-Kämpfer stehen gerade einmal 180 Tage zur Verfügung. Für Bürger, die bisher nur unter dem Einfluss irregulärer Kräfte gelebt haben, muss der Staat möglichst positiv erfahrbar werden. Staatlichkeit darf nicht nur durch Militär und Polizei erkennbar sein, sondern entsprechende soziale Dienstleistungen und Gesundheitsfürsorge müssen an die Bürger herangebracht werden. Und das in teilweise sehr entlegenen Gegenden, wo bisher nicht mal kartographische Grundlagen bestehen, geschweige denn hinreichende Kommunikations- und Infrastruktur, die den Prozess erleichtern würde.

Der vergangene Friedensprozess scheiterte 2002 und führte zu einer neuen Welle der Gewalt. Stehen die Chancen dieses Mal besser?
Dieses Mal wurden vorher zwei wichtige Entscheidungen getroffen, die sowohl für den Abschluss der Friedensverhandlungen als auch für den weiteren Weg des Prozesses wichtig sein können. Zum einen hat man von vornherein darauf gesetzt, dass die internationale Gemeinschaft eine tragende Rolle übernimmt, als Garantiemacht und auch als Vermittler.  Nachbarländer und traditionelle Partner Kolumbiens übernehmen dabei tragende Aufgaben. Dieser Weg hat sich zumindest für den Prozess des unmittelbaren Verhandelns als sehr hilfreich erwiesen. Man kann nur hoffen, dass das internationale Engagement auch die erste und zweite Phase des Friedensprozesses in Gestalt der Demobilisierung, Vergangenheitsbewältigung und Versöhnung begleiten wird. Außerdem hat man sich von dem früheren Format verabschiedet, dass am Anfang eines Friedensabkommens eine Amnestie stehen müsse. Im jetzigen Prozess soll eine Amnestie erst am Ende stattfinden – nämlich dann, wenn entsprechende Fortschritte zu verzeichnen sind. Zum zweiten wird es keine Amnestie für schwere Menschenrechtsverletzungen geben. Dem steht auch der Internationale Strafgerichtshof entgegen. Ich glaube durchaus, dass das derzeitige Format sehr viel besser geeignet ist, die Vielgestaltigkeit der vergangenen Erfahrungen zwischen den Akteuren aufzugreifen und letztlich in der Lage ist, zu einem friedlichen Miteinander zu führen.

Was halten Sie von dem Einsatz der UN-Friedenstruppen, der für die Phase der Demobilisierung stattfinden soll?
Das Mandat legt fest, dass Friedenstruppen präsent sein sollen. Das werden aber Truppen sein, die von den Mitgliedsstaaten des CELAC, der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten, zu stellen sind. Es wird sich zeigen, wie erfolgreich sie dabei sind. Die meisten dieser Länder haben bisher nämlich kaum Erfahrung mit solchen Friedenseinsätzen.
Zum einem ist die herausgehobene Verantwortung Lateinamerikas in dem Konflikt ein positives Zeichen. Auf der anderen Seite wird es auch für diese Kräfte selbst ein Lernprozess sein. Die müssen in ihre Aufgaben erst hineinwachsen.

Hat Deutschland den Friedensprozess eigentlich unterstützt?
Ja, dabei muss man zunächst sagen, dass die Bundesregierung nicht als einheitlicher Akteur in Kolumbien auftritt. Kolumbien ist bereits seit Jahren ein Schwerpunktland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, obwohl es von seinen Makrodaten eher als Land mit mittlerem Einkommen einzustufen wäre und damit gar nicht so viel Anspruch auf Entwicklungsgelder hätte. Hinzu kommt die Initiative des Auswärtigen Amtes mit der Benennung von Tom Koenigs (Grüne; Anm. d. Red.) als Sonderbeauftragten für Kolumbien. Koenigs hat sich insbesondere um begleitende Maßnahmen zum Friedensprozess gekümmert, sei es die Initiative des Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstitutes, die Beratung des kolumbianischen Ministeriums für den Postkonflikt in Sachen Umwelt und Nachhaltigkeit, oder im Bereich der Bereitstellung von deutschen Erfahrungen im Prozess von Übergangsjustiz und Vergangenheitsbewältigung. Da gibt es einige Initiativen, in die nicht notwendigerweise Millionenbeträge hineinfließen, die aber durchaus dazu angetan sind, einen sichtbaren deutschen Beitrag zu leisten.

Können Sie einschätzen, welche Interessen die deutsche Bundesregierung an einer verstärkten Beteiligung am Friedensprozess verfolgt?
Es gibt schon seit der CDU/FDP-Regierung ein großes Interesse, Kolumbien als aufstrebende Macht in Lateinamerika zu positionieren und anzunehmen. Die Betonung der Brückenfunktion des Landes zwischen Süd-, Mittel- und Nordamerika und ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Nachbarstaaten sind dabei im Interesse Deutschlands. Die Rolle Kolumbiens ist auch im karibischen Raum von großer Bedeutung – die Beziehungen zu Kuba haben sich durch die Verhandlungen deutlich gebessert. Außerdem ist Kolumbien ein großer Energieexporteur, sei es nun Öl, Kohle oder Mineralien. Rechnet man diese Faktoren zusammen, wird erkennbar, dass Kolumbien für die Bundesregierung auch aus wirtschaftlicher Perspektive ein interessanter Partner ist.

Kohle- und Bergbaufirmen stehen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen in der Kritik und profitieren mitunter gar vom Krieg im Land. Wie wahrscheinlich ist ein Interessenkonflikt zwischen der Bundesregierung und deutschen Privatunternehmen?
Damit der Frieden eine Chance hat, müssen solche Verhältnisse geklärt werden. Es kann natürlich nicht sein, dass wir auf der einen Seite mit unserem Engagement den Friedensprozess fördern und eine Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen anstreben, und auf der anderen Seite gleichzeitig eine Vertiefung von Menschenrechtsverletzungen durch den privatwirtschaftlichen Bereich vorangetrieben wird. Hier ist die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit aufgerufen, auf die Privatwirtschaft, private Interessen und Anleger einzuwirken und sicherzustellen, dass die offiziellen Anstrengungen nicht konterkariert werden.

Sind Sie zuversichtlich, dass nach dem langen Konflikt Frieden in Kolumbien einkehrt?
Die größte Befürchtung, die ich habe, ist, dass es nur ein Papierfrieden bleibt. Dennoch muss man zuversichtlich sein, um diesen Prozess am Laufen zu halten und voranzubringen. Falls aber die Inhaber von Machtpositionen in Kolumbien glauben, man könne genauso weitermachen wie bisher, bin ich in großem Zweifel, ob sich ein dauerhafter Frieden etablieren kann. Dann droht es eine Friedensinitiative zu werden, die letztlich im Sand verläuft.

EIN SCHIMMER HOFFNUNG

Einigung auf 28 Seiten Präsident Santos und FARC-Chef ‚Timoleón Jiménez‘ verkünden den Waffenstillstand (Foto: Presidencia El Salvador CC0 1.0)
Einigung auf 28 Seiten Präsident Santos und FARC-Chef ‚Timoleón Jiménez‘ verkünden den Waffenstillstand (Foto: Presidencia El Salvador CC0 1.0)

#ElUltimoDiaDeLaGuerra (Der letzte Tag des Krieges) – lautete es bereits einen Tag vor der Verabschiedung des Waffenstillstandes zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerrilla verheißungsvoll von kolumbianischen Twitter-Benutzer*innen am 22. Juni dieses Jahres. Angestoßen wurde dieses Motto von FARC-Chef Rodrigo Londoño Echeverry alias ‚Timoleón Jiménez‘. Es verbreitete sich dann in Windeseile über Nichtregierungsorganisationen und kolumbianische Medien.
Die Friedensverhandlungen, die seit November 2012 in der kubanischen Hauptstadt Havanna stattfinden, waren zuletzt eher schleppend verlaufen. Das Versprechen, bis zum 23. März 2016 eine vollständige Einigung in allen verbliebenen Punkten zu erzielen, mussten die Verhandlungs­partner*innen bereits im Vorfeld widerrufen. Damit boten sie der Opposition eine ideale Zielscheibe für Kritik, angeführt von Ex-Präsident Álvaro Uribe Vélez (siehe LN 501). Im Juni, drei Monate später, dann der entscheidende Durchbruch: Nach zähen Verhandlungen konnten sich die Vertreter*innen der FARC und der kolumbianischen Regierung in fünf der sechs Unterpunkte des wohl wichtigsten Themas, dem Ende des Konfliktes, einigen.
Das am 23. Juni 2016 geschlossene, beidseitige Waffenstillstandsabkommen besiegelt den Konsens. Neben einer Leitlinie für den Prozess zur Entwaffnung der Angehörigen der FARC umfasst das 28 Seiten starke Dokument eine Festlegung auf spezifische Schutzzonen, in die sich die Guerrillerxs für maximal sechs Monate – nach der offiziellen Beendigung der Friedensgespräche – zurückziehen können, um im Anschluss „in das zivile Leben re-integriert zu werden“.

Ein weiterer strittiger Teil der Agenda war der zukünftige Umgang mit paramilitärischen sowie anderen bewaffneten Gruppen und Akteur*innen, die die allgemeinen Menschenrechte verletzten. Dieser Punkt ist besonders entscheidend, weil er die Sicherheitsgarantieren für die Angehörigen der Guerilla definiert. Vor dem Hintergrund des Massenmordes an Mitgliedern der Partei Patriotische Union (UP), zeigten sich die Guerilleros zunächst nicht zu einer Niederlegung der Waffen bereit. Die Partei hatte sich Mitte der 1980er Jahre unter anderem aus dem entwaffneten, politischen Arm der FARC gebildet.
Die Aufsicht über die vereinbarten Punkte übernehmen Organe der Vereinten Nationen (UN), was Menschenrechtsaktivist*innen im Gespräch mit der kolumbianischen Wochenzeitung Semana als Beweis der Ernsthaftigkeit des Abkommens betonen. Die Ratifizierung der gesamten Agenda durch Vertreter*innen der UN führe des Weiteren zu einer „Internationalisierung des Friedens“, was darauf hindeute, dass „die Weltgemeinschaft den kolumbianischen Friedensprozess unterstütze“.
Erstmals seit ihrer offiziellen Gründung am 27. Mai 1964, zeigen sich die Angehörigen der FARC, die aus einer Bauernorganisation in der Region Marquetalia entstanden war, nun also bereit, ihren militärischen Kampf zu beenden und stattdessen auf politischer Ebene für ihre Ziele zu streiten. Die genaue Form dieser aktiven, politischen Teilhabe ist jedoch noch nicht geklärt. Das Waffenstillstandsabkommen gilt dennoch als Meilenstein, da es quasi den gesetzlichen Rahmen der Übergangsphase zum sogenannten posconflicto (Post-Konflikt) und den Entwaffnungsprozess der Guerilla definiert. So betonte der oberste FARC-Befehlshaber ‚Timoleón Jiménez‘ in seiner Rede während des symbolischen Verkündungsaktes am 23. Juni nochmals: „Lass diesen Tag den letzten Tag des Krieges sein!“ – um von Präsident Santos ergänzt zu werden: „Wir haben den Zeitpunkt erreicht, von dem an wir ohne Krieg leben können. […] Der Frieden ist nicht mehr nur ein Traum, sondern wir haben ihn endlich in den Händen. Auch wenn wir heute und vermutlich auch in Zukunft nicht mit der FARC einverstanden sind, rechnen wir ihr dennoch hoch an, dass sie bereit ist, den Schritt vom bewaffneten zum politischen Kampf zu gehen.“
Bei aller Euphorie darf jedoch nicht vergessen werden, dass nach wie vor das letzte Thema, die Umsetzung des Friedensvertrages, nicht geklärt ist. Auch in einigen anderen Punkten gibt es noch offene Fragen, die in den nächsten Wochen geklärt werden müssen. Denn es gilt weiterhin der Grundsatz, dass es keine Einigung gibt, solange nicht Einigkeit in allen Punkten herrscht. Fraglich ist weiterhin, ob und wie es zu dem von der Regierung versprochenen Referendum der kolumbianischen Bevölkerung über das endgültige Friedensabkommen kommen wird (siehe LN 501).
Inwiefern die Regierung und die FARC in ihren eigenen Reihen dazu fähig sein werden, die Beschlüsse auf landesweiter Ebene durchzusetzen, wird sich erst im Anschluss an die Unterzeichnung des Friedensabkommens zeigen. Präsident Santos brachte als mögliches Datum hierfür den 20. Juli, den kolumbianischen Nationalfeiertag, ein. Kolumbianische Medien gehen von ein bis zwei Monaten aus. Noch ist offen, ob aus dem Frieden mit der FARC auch das Ende aller bewaffneter Konflikte in Kolumbien einhergehen wird. So besteht die Gefahr, dass FARC-Mitglieder nachdem Friedensschluss zur zweitgrößten Guerilla des Landes, der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) wechseln werden. Erste Friedensgespräche zwischen ELN-Vertreter*innen und der Regierung Kolumbiens erbrachten bisher keine nennenswerte Erfolge. Die Gefahr paramilitärischer Gruppen, die zuletzt einen Aufschwung erlebten und die statistisch für mehr Todesfälle verantwortlich sind als alle Guerilla-Gruppen zusammen, darf ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden.
Bis in Kolumbien von einem endgültigen „letzten Tag des Krieges“ gesprochen werden kann, gilt es daher noch einige Hürden zu meistern. Nichtsdestotrotz ist der beidseitige Waffenstillstand ein großer Fortschritt. Die bittere Spaltung zwischen Regierungspartei und Opposition, in welcher die FARC immer eine zentrale Rolle spielte, könnte endlich überwunden werden. Eingefahrene Muster der „Politik mit Waffengewalt“, der Korruption, des Klientelismus und der Benachteiligung eines Großteils der Bevölkerung können ab jetzt hinterfragt werden. Es  ist ein  Hoffnungsschimmer, dass der Frieden endlich in greifbare Nähe rückt.

** ‚Timoleón Jiménez‘ wird in kolumbianischer und deutscher Presse häufig ‚Timochenko‘ genannt. Er selbst und die FARC lehnen diesen Namen jedoch ab, da er als kommunistische Verunglimpfung seines Aliasnamens erfunden wurde und genutzt wird.

// KEIN FRIEDEN MIT DEN PARAMILITÄRS

In Havanna wird weiter verhandelt, in Kolumbien weiter getötet. Es war kein Aprilscherz, sondern bitterer Ernst am Morgen des 1. April: Im Norden des Landes wachten die Bewohner*innen von vier Verwaltungsbezirken inmitten eines sogenannten „bewaffneten Streiks“ auf. Mit Gewalt wurde das öffentliche Leben für 48 Stunden lahmgelegt, brennende Autos versperrten Landstraßen, vier Polizisten wurden erschossen. „AGC presente“ sprühten die Kämpfer*innen der Autodefensas Gaitanistas de Colombia auf die Wände von Häusern und Geschäften. Ein schlechter Scherz ist, dass sich die rechtsradikale Gruppe ausgerechnet nach dem 1948 ermordeten links-liberalen Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliecer Gaitán nannte. Das Zeichen war aber deutlich: Es war eine Kampfansage der Paramilitärs an die Gesellschaft sowie an Regierung und FARC-Guerilla, die in Kubas Hauptstadt im Schneckentempo einem Friedensabkommen näher kriechen.

Die Paramilitärs sind das größte Hindernis für einen Friedensprozess. Derartige Gruppierungen gibt es nun schon seit über 30 Jahren in Kolumbien, mit einer unüberschaubaren Vielfalt an Namen, Untergängen und Wiederauferstehungen. Und sie sind undenkbar ohne Verbindungen zum politischen Establishment, zu Wirtschaftseliten und Drogenkartellen. Offiziell wurde der Paramilitarismus 2006, mit der Entwaffnung der Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens (AUC), zu Grabe getragen. Die Überbleibsel werden in zynischer Untertreibung als „kriminelle Banden“ bezeichnet. Davon sind zurzeit mindestens 27 regionale und vier nationale Gruppierungen aktiv – allein in diesem Jahr haben sie 15 Menschenrechtsaktivist*innen ermordet.
Die Unfähigkeit des kolumbianischen Staates, Fehler einzugestehen und daraus zu lernen, ist schockierend. Zum zweiten Mal in der Geschichte des Landes droht ein Friedensabkommen mit der FARC aus den gleichen Gründen zu scheitern. Bereits vor 30 Jahren sandte die vom Medellín-Drogenkartell gegründete Armee „Tod den Entführern“ (MAS) die gleiche Botschaft wie jetzt die AGC in der letzten Phase der Verhandlungen mit der Guerilla: Keinen Frieden gegen uns!
Eine Garantie für einen erfolgreichen Friedensprozess gibt es nicht. Nicht, so lange sich hinter dem Phänomen „Paramilitarismus“ ein militärischer Arm neoliberaler Interessenvertreter*innen verbirgt, der bis heute geleugnet wird. Der Paramilitarismus ist kein Fauxpas des Staates, er war von Anfang an ein akzeptiertes und gefördertes Verbrechen. Vor 20 Jahren schlachteten sich AUC-Einheiten ihren Weg entlang der Atlantikküste frei und trugen dazu bei, dass Kolumbien mit 6,5 Millionen Inlandsvertriebenen auf dem zweiten Platz der Liste der UN-Flüchtlingshilfe steht – gleich hinter Syrien. So machten die AUC dieses Gebiet frei für internationale Bergbaukonzerne. Kolumbianische Steinkohle ist billig und beliebt – auch bei Energieversorgern in Deutschland wie E.on, RWE, EnBW und Vattenfall. Sie alle haben in Präsident Juan Manuel Santos einen neuen Verbündeten gefunden.
Auf der Weltbühne geriert sich Santos als Friedensstifter in einem „ewigen“ Konflikt, dabei gleicht er einem blinden Reiter auf einem Pferd mit Scheuklappen. Vehement wehrt er sich dagegen, eine öffentliche Diskussion über Strukturen zu führen, welche die 30.000 vermeintlich entwaffneten AUC-Kämpfer*innen geschaffen haben. Nur  2,5 Prozent der von Paramilitärs mit staatlicher Beihilfe begangenen Verbrechen werden aufgeklärt. Das ist beschämend und eine schwere Hypothek für einen Friedensprozess.
Keine Frage: Die Entwaffnung der Guerillas ist wichtig. Die Umgestaltung des Energiesektors sowie eine Agrar- und Gesundheitsreform sind angesichts der krassen Ungleichheit längst überfällig. Aber das alles ist nichts, wenn nicht die Paramilitärs und ihre politischen Netzwerke aufgelöst und ihre Verbrechen bestraft werden.

„DER PARAMILITARISMUS IST NIE VERSCHWUNDEN“

Marylén Serna beteiligte sich in der 1990er Jahren im Streit der Bauernbewegung Cajibío gegen das multinationale Unternehmen Smurfit Kappa Cartón im Südwesten des Landes. Heute ist sie die Anführerin der Bewegung, Mitglied des Vorstandes des nationalen Agrargipfeltreffens (AGC) und Sprecherin der Congreso de los Pueblos, einer Vereinigung sozialer Bewegungen mit circa 20.000 Mitgliedern aus 1.000 Organisationen (Foto: Daniela Rivas)
MARYLÉN SERNA
beteiligte sich in der 1990er Jahren im Streit der Bauernbewegung Cajibío gegen das multinationale Unternehmen Smurfit Kappa Cartón im Südwesten des Landes. Heute ist sie die Anführerin der Bewegung, Mitglied des Vorstandes des nationalen Agrargipfeltreffens (AGC) und Sprecherin der Congreso de los Pueblos, einer Vereinigung sozialer Bewegungen mit circa 20.000 Mitgliedern aus 1.000 Organisationen (Foto: Daniela Rivas)

Bereits Ende März hätte der Friedensvertrag zwischen Regierung und FARC unterzeichnet werden sollen, bisher sind aber noch viele Punkte ungeklärt. Senator und Ex-Präsident Álvaro Uribe hat die Bevölkerung derweil zum „zivilen Widerstand“ gegen einen Friedensschluss mit der FARC aufgerufen. Wie bewerten Sie den Friedensprozess und welche Rolle hat der Congreso de Los Pueblos im Laufe der Verhandlungen gespielt?
Wir würdigen die bisher errungenen Erfolge und Fortschritte. Wir unterstützen und drängen auf eine pazifistische Lösung für die Beendigung des Konflikts mit den Aufständischen. Allerdings sind die Verhandlungen mit der FARC sehr eingeschränkt. Für uns muss ein Friedensprozess sowohl Verhandlungen mit der FARC und der ELN, als auch Verhandlungen mit der Zivilgesellschaft beinhalten. Der Congreso de los Pueblos nahm in Foren und an Aktivitäten teil, die vom Verhandlungstisch für die Zivilgesellschaft angeboten wurden, aber wir sehen nicht wirklich, dass unsere Vorschläge in die Teilabkommen eingearbeitet wurden. Unser konkreter Vorschlag ist es, einen dritten Verhandlungstisch für den Frieden zu gründen, der für soziale Fragen zuständig ist.

Wie soll dieser Tisch aussehen und welche Punkte wollen Sie dort verhandeln?
Wir schlagen vor, zentrale Punkte wie zum Beispiel die Energie- und Gesundheitspolitik des Landes zu diskutieren, um den sozialen und politischen Konflikt zu lösen – Themen, die weder in Havanna diskutiert werden, noch in den Verhandlungen mit der ELN geplant sind. An einem sozialen Verhandlungstisch für den Frieden säßen viele Bewegungen, die konkrete Vorschläge haben. Auf dem nationalen Agrargipfeltreffen (CNA) wollen wir Verhandlungen über Boden und dessen Nutzung führen, die Ölarbeitergewerkschaft USO hat bereits eine Subkommission gegründet, um Fragen bezüglich Bergbau und der Rohstoffförderung zu diskutieren und die Nationale Bewegung für Gesundheit arbeitet an einem Vorschlag, das Gesundheitssystem zu reformieren. Die jetzigen Verhandlungen mit den Guerillas beinhalten Mechanismen und Garantien für die politische Partizipation, doch das wirtschaftliche und politische Modell in Kolumbien wird weiterhin nicht thematisiert. Darüber wollen wir aber sprechen.

Die Regierung zeigte sich bisher aber nie bereit, das Modell zu ändern. Wie wollen Sie Präsident Juan Manuel Santos dazu bringen, mit Ihnen genau über diese Themen zu diskutieren?
Das wird sehr schwierig, aber wir sehen die Verhandlungen mit der ELN als eine mögliche Eingangstür. Die Unternehmen werden schon an diesem Prozess beteiligt, dann muss die Zivilgesellschaft ebenfalls involviert werden. Deshalb wollen wir bei der Verhandlungsrunde nicht nur mit einer Stimme teilnehmen, sondern selber einen Tisch für den Dialog gründen. Logischerweise verbunden und in permanentem Austausch mit den Friedensgesprächen zwischen der Regierung und den Guerillas, aber nicht davon abhängig. Wir wollen nicht einfach Vorschläge schicken und warten, was daraus wird. Wir wollen eine verbindliche Partizipation.
Dieses Jahr wollen wir zu einem Nationalstreik für den Frieden aufrufen. So soll die Diskussion über das richtige Modell für Kolumbien wieder angestoßen und unsere Idee von einem sozialen Verhandlungstisch gestärkt werden. 40 Organistationen sind bereits Teil des Aufrufs. Für uns ist klar, dass Kolumbien eine starke Zivilgesellschaft braucht, die auch friedlich um Macht streiten kann. Wir sind eine der Bewegungen, die dafür kämpft.

Vergangenes Jahr belegte eine landesweite Studie des kolumbianischen Statistikamtes die schlechte Lage der Bäuerinnen und Bauern und die Vernachlässigung der ländlichen Gebiete in den vergangenen Jahrzehnten. Sie sind auch Anführerin der Bauernbewegung in Cajíbio, im Verwaltungsbezirk Cauca, wie würden Sie die Situation dort beschreiben?
Viele Gebiete wurden von multinationalen Konzernen, bewaffneten Gruppen oder mit dem illegalen Anbau von Coca-Pflanzen überfallen. Dazu streiten in Cauca selbst die Anwohner*innen untereinander um Land. Der in der Verfassung geregelte Anspruch von Afrokolumbianer*innen und Indigenen auf bestimmte Gebiete begünstigt die autonome Organisation in Sachen Wirtschaft, Bildung und Gesundheit. Das hat aber auch zur Folge, dass Indigene Gebiete besetzen, kaufen oder zurückgewinnen wollen, wo heute Bauern leben. Das sind keine uralten Gemeinden, aber Teil der Tradition des Landes, die als solche ebenfalls in der Verfassung anerkannt und geschützt werden sollten. Das würde auch eine bessere Organisation der Bäuerinnen und Bauern ermöglichen. Kürzlich haben wir einen Raum für den interethnischen Dialog zwischen den verschiedenen Gruppen eingerichtet, um notwendige Debatten zu führen und Differenzen zu überwinden.

Was bedeutet die Präsenz multinationaler Konzerne in Cauca für Bäuerinnen und Bauern, afrokolumbianische Gemeinden und Indigene?
Die Indigenen kämpfen gegen die großen Zuckerrohr-Monokulturen, die Afro-Gemeinden gegen die illegale Rohstoffförderung. Als Bäuerinnen und Bauern sehen wir uns am meisten von Smurfit Kappa Cartón de Colombia betroffen, ein Unternehmen mit viel Land, das in Cauca Eukalyptus und Nadelbäume für die Papierherstellung anbaut. Sie zerstören mit Baggern den Regenwald und wenden Pestizide und andere chemische Produkte an. Die Arbeit, die sie anbieten, schafft Abhängigkeit. Der Bauer verstand sich schon immer als autonom, auch mit wenig Land kann er wirtschaften und produzieren. Doch durch die Arbeit in den Konzernen wird er zu deren Schachfigur, ein Arbeiter mehr. Viele vernachlässigen ihre eigene Parzelle, andere verkaufen sie an das Unternehmen – so zerstören sie auch die Gemeinden.

Was hat sich durch die Friedensverhandlungen in der Region verändert?
Die Gefechte zwischen Regierung und FARC haben abgenommen und das verbessert die Mobilität in der Region. Aber sie sind nicht die einzigen bewaffneten Gruppen, auch die ELN ist dort präsent und der Paramilitarismus ist nie verschwunden. Der Staat behauptet, diese Gruppen seien kriminelle Gruppierungen und mehr nicht, aber die Strukturen sind gleich geblieben. Sie treten zwar anders auf und begehen keine Massaker mehr, aber sie morden selektiv. Es zeigt sich immer mehr, dass paramilitärische Gruppierungen in den unterschiedlichsten Regionen des Landes mindestens miteinander kooperieren. Die gaitanistischen Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens (AGC) riefen Ende April zu einem bewaffneten Streik aus und machten dabei auch auf die nationale Demonstration der rechten Oppositionspartei Centro Democrático Anfang Mai aufmerksam. Dieses neue Element gibt dem jetzigen Paramilitarismus eine ganz andere Konnotation. Wir sehen, dass er die Regierung angreift: Mitte April ermordeten sie gezielt Polizisten in mehreren Städten. All dies hat mit ihrer Verweigerung der Friedensgespräche mit den Aufständischen zu tun, aber auch mit der Absicht, neue Gebiete einzukesseln. Zurzeit erscheinen sie immer häufiger in der Öffentlichkeit und scheinen sich in Richtung einer politischen Anerkennung bewegen zu wollen.

Laut einer Studie ist ein Viertel der ländlichen Gemeinden in Kolumbien von paramilitärischer Gewalt bedroht. Wie zeigen sich Macht und Einfluss der Paramilitärs?
Es gibt verschiedene Gruppen, wie zum Beispiel die Rastrojos, die Ágilas Negras (Schwarze Adler) und die AGC – auch Clan Úsaga und Urabeños gennant. Von Region zu Region variieren Einflussgebiete und Finanzierungsquellen, manche bauen Rohstoffe ab, andere besitzen Verkehrsunternehmen. In Cauca beispielsweise bieten die Paramilitärs illegale Kredite an. Wenn die Kreditnehmer die ständig wachsenden Raten nicht bezahlen können, laufen sie Gefahr, Ziel paramilitärischer Gewalt zu werden (laut der kolumbianischen Zeitung El País verschwindet allein in Cali jeden Tag ein Mensch, die meisten dieser Fälle werden auf die illegalen Kredite zurückgeführt, Anm. d. Red.). In manchen Gegenden kontrollieren sie auch die Motorradtaxis und so die Mobilität der Menschen in ihrem alltäglichen Leben. Durch unsere Arbeit in den sozialen Bewegungen sind wir uns der Situation bewusst und empfinden sie als Bedrohung. Ich weiß nicht, ob die Leute die paramilitärische Präsenz auch so wahrnehmen, aber sie ist Teil der territorialen Kontrolle, die diese ausüben.
Inwiefern sind soziale Bewegungen Repression durch Paramilitärs ausgesetzt?
Manche Anführer*innen sozialer Bewegungen, die mit dem Congreso de los Pueblos in Verbindung standen, wurden getötet, wie Carlos Pedraza, Maricela Tombé und Hector Abril. Vor einigen Wochen bedrohten die Paramilitärs fünfzehn Menschen im Verwaltungsbezirk Valle del Cauca, alle Mitglieder des Kongresses und anderen Organisationen, wie der Bergbauarbeitergewerkschaft Sintramicol oder der nationalen Bewegung von Opfern staatlicher Gewalt MOVICE. In Cauca zirkulierte vor zwei Monaten ein Flugblatt der Águilas Negras, in dem unter anderem der regionale Indigenenrat CRIC bedroht wird. Die Liste ist lang und auf ihr stehen viele Menschenrechtsaktivisten und Anführer sozialer Bewegungen.

Und wie wird von staatlicher Seite auf solche Vorfälle reagiert?
Repression geht auch vom Staat aus. Am 8. Juli vergangenen Jahres wurden elf Studenten, Mitglieder des Congreso de los Pueblos, in Bogotá festgenommen. Sie werden beschuldigt in der Universidad Nacional randaliert zu haben. Bei der Verhaftung fand die Polizei Bücher von Camilo Torres (kolumbianischer Befreiungstheologe und Mitglied des ELN in den 1960er Jahren, Anm. d. Red.) und über die Friedensverhandlungen mit der ELN, was dann die strafrechtliche Verfolgung begründete. Da es sich um eine rechtswidrige Verhaftung handelte, wurden sie freigelassen, der Prozess aber läuft noch. Kürzlich sind sogar Kinder von Aktivisten Opfer von Gewalt geworden, doch im Kontext der ohnehin bedrohten Eltern werden die Morde gar nicht richtig untersucht. Im Süden Bolivars wurde ein 14-jähriges Mädchen, die Tochter eines bedrohten Menschenrechtsaktivisten, grausam ermordet. Das gleiche widerfuhr dem Sohn eines indigenen Anführers in Aurauca. Doch am Ende stellten die Untersuchungen fest, dass es sich dabei lediglich um willkürliche Verbrechen oder persönliche Probleme der Kinder gehandelt habe. Es ist auch Aufgabe der Kollektive, die über Menschenrechtsverletzung aufklären wollen, diese Morde als politische Verbrechen zu thematisieren und uns somit zu helfen, sie sichtbar zu machen.

AN DEN WAFFEN GESCHEITERT

Eine Einigung ist vorerst ausgeblieben. Die bevorstehenden Entscheidungen haben die Verhandlungen in eine Sackgasse manövriert. Am 23. März, der ursprünglichen Frist für die Unterzeichnung des Abkommens, informierte Humberto de La Calle, Verhandlungsführer der Regierung, dass mit der FARC gewichtige Differenzen in zentralen Forderungen bestünden. Deshalb endete die erste Runde des letzten Verhandlungszyklus ohne große Ankündigungen. Ein neue Frist für die Unterzeichnung wurde nicht gesetzt.
Knackpunkt in den Verhandlungen ist die Entwaffnung der geschätzten 7.000 Kämpfer*innen der FARC. Der Ort und Zeitpunkt für die Entwaffnung der Gueriller@s beeinflusst, ob die Resozialisierung der Kämpfer*innen gelingen oder scheitern wird. Allerdings scheint ein Kompromiss in dieser Frage schwer. Die Regierung fordert, dass die Entwaffnung 60 Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens beginnen und in abgelegenen Regionen stattfinden soll. In den dann polizeilich überwachten Gebieten sollen die Aufständischen innerhalb eines Jahres ihre Strafen oder Freisprüche erhalten. In isolierten Gebieten versammelt, würde vermieden, dass Bilder von Gueriller@s, die sich unter die Bevölkerung mischen, Verbreitung finden. Die kolumbianische Armee könnte aber auch Gebiete zurück erobern, die sich noch unter der Kontrolle der FARC befinden.
Die FARC-Unterhändler wehren sich dagegen, nach der Unterzeichnung des Abkommens in „Gefängnisse unter freiem Himmel” eingesperrt zu werden. Sie fordern, die Waffen in so genannten Terrepaz (Friedenszonen) abzugeben. Damit sind Gebiete gemeint, welche die FARC seit Beginn des Konflikts kontrollieren, in denen Familienangehörige der Kämpfer*innen sowie Anhänger*innen und Sympathisant*innen leben. Gerade dort müssen die Kämpfer*innen die Möglichkeit erhalten Politik zu machen, verlangt der Oberbefehlshaber der Guerrilla, Timochenko, seit Beginn der Gespräche. Hinsichtlich der Drohungen von Paramilitärs müssen die entwaffneten Aufständischen den Menschen nahe stehen können, die sie seit 51 Jahren unterstützen, sagte er am 23. März. Am selben Tag stellte der Oberbefehlshaber der FARC das von der Guerrilla verfasste Buch „Die Herausforderung nach dem Konflikt” vor und erklärte seine Gründe für die Vertagung der Unterschrift. „Der Paramilitarismus ist weder zufällig noch eine Sache der Vergangenheit. Ausgerechnet Differenzen in diesem Thema sind die Gründe für die Nicht-Unterzeichnung des endgültigen Abkommens”.
Und die Gefahr durch den Paramilitarismus ist real. Laut einer Studie der Stiftung Paz y Reconciliación, die am 23. März dem Verhandlungstisch vorgelegt wurde, sind 25,5 Prozent der ländlichen Gemeinden in Kolumbien von paramilitärischer Gewalt bedroht. Wie die Gemeinde El Bagre, Antioquia: Laut Berichten von Colombia Informa wurden in dem Verwaltungsbezirk im Nordwesten Kolumbiens 600 Menschen von den Paramilitärs Autodefensas Gaitanistas zwangsvertrieben. Als William Castillo, Gründer der Kleinbäuer*innenorganisation Aheramigua und Anhänger der FARC-nahen Partei Marcha Patriótica, auf die Situation in seiner Gemeinde aufmerksam machte, wurde er von Auftragsmördern erschossen.
Im Verwaltungsbezirk Cauca sind in diesem Jahr bereits 45 Menschen aus politischen Gründen ermordet worden, berichtet der Radiosender Contagio Radio. Die paramilitärischen Gruppierungen Los Urabeños und AUC patrouillieren auf den Landstraßen und erpressen die Bevölkerung. Mit Flugblättern kündigten sie ethnische Säuberungen an. Anfang März und binnen einer Woche ermordeten sie vier Menschenrechtsaktivist*innen in Cauca, darunter die Präsidentin einer Umweltschutzorganisation in Playa Rica, Maricela Tombé, sowie Willar Alexander Oimé Alarcon, Gouverneur der indigenen Gemeinde Río Blanco im Süden Kolumbiens.
Nach Angaben des kolumbianischen Bürgerbeauftragten erhielten im letzten Jahr 472 Gewerkschafter*innen, 628 Menschenrechtsaktivist*innenen und 131 Journalist*innen Drohungen. Mittlerweile wurden 69 dieser Aktivist*innen von Auftragsmördern der Paramilitärs erschossen. Wie für die Sicherheit der entwaffneten Kämpfer*innen gesorgt werden soll, ist also weiterhin ungeklärt.
Menschenrechtsorganisationen, die für den 23. März zumindest einen bilateralen Waffenstillstand erhofft hatten, dürften enttäuscht sein. Colombia Informa berichtete nach dem Mord an William Castillo am 7. März, dass in dieser Region seit Anfang des Jahres zwischen den beiden Guerrillas FARC und ELN einerseits, und der Autodefensas Gaitanas andererseits, Gefechte andauern.
Ausgerechnet in der letzten Phase der Verhandlungen erweckte zudem eine politische Veranstaltung in Conejo den Eindruck, die FARC könnte ihre Forderungen im Zweifelsfall auch mit Waffengewalt durchsetzen wollen. Das plötzliche Auftauchen von hochrangigen FARC-Delegierten und 500 zum Teil bewaffneten Guerriller@s in der 2000 Einwohner*innen Gemeinde im Norden Kolumbiens wurde zum Skandal (siehe LN 501). Nicht nur Kritiker*innen aus der ultra rechten Partei Centro Democrático sahen sich in der Annahme bestätigt, dass Santos zunehmend die Kontrolle über das Land verliere. Nach aktuellen Umfragen von Gallup lehnen 69 Prozent der Kolumbianer*innen seine Politik ab.
Der Journalist Antonio Caballero meinte dazu im Interview mit dem Nachrichtensender RCN, dass der Präsident im Laufe der Verhandlungen mit der FARC richtig gehandelt habe, innenpolitisch dennoch gescheitert sei. Bemerkenswert war auch die Art wie Santos die Vertagung der Unterschrift ankündigte. Auf einer kleinen Veranstaltung in der Stadt Pereira am 9. März sagte er, dass er kein schlechtes Abkommen unterzeichnen werde. Einen Tag später schloss sich Timochenko den Worten des Präsidenten via Twitter an und die Unterschrift wurde vertagt. Es dauerte dann bis zum 28. März, ehe sich Präsident Santos dazu äußerte und eine neue Unterzeichnungsfrist von der Guerrilla forderte.
Ohnehin waren viele Punkte, über die verhandelt wurden, noch völlig unklar. Die Frage, wie verhindert werden soll, dass geschätzte 400.000 Waffen der FARC den Weg in den Schwarzmarkt finden, war genauso unklar, wie das Problem des entstehenden Machtvakuums. Andere Formen krimineller Gruppierungen und potentielle FARC-Dissidenten, könnten diese Vakuum füllen, sagte Eduardo Álvarez Vanegas von der Stiftung Ideas para la Paz im Interview mit der Tageszeitung El País.
“Viele Punkte der Agenda wurden unter Vorbehalt beschlossen”, bemerkt darüber hinaus der Journalist Antonio Caballero im Interview mit RCN. Zum Schluss müsse nicht nur über die Entwaffnung der Gueriller@s diskutiert werden, sondern auch über alle umstrittene Punkte, die bis jetzt vertagt worden sind. Deshalb meinte er bereits am Ende Januar, dass noch ein weiteres Jahr für die Friedensgespräche nötig sein wird.

Lösung der Krise stärkt den Friedensprozess

Nach seiner Freilassung hat General Rubén Alzate nun seinen Rücktritt erklärt. Er habe durch sein Verhalten ­– ohne Bodyguards und in Zivil in ein Konfliktgebiet zu fahren – seine Soldatenehre verletzt. Ist dieser Fall damit erledigt?
Das halbe Land ist mit der Erklärung des Generals über das, was sich vor zwei Wochen in der Siedlung Las Mercedes abgespielt hat, nicht zufrieden. Aber der genaue Hergang wird zunächst Spekulation bleiben. Präsident Juan Manuel Santos ist in jedem Fall verärgert über den General. Denn durch seinen fahrlässigen Fehler hat er die Friedensverhandlungen ernsthaft in Gefahr gebracht.

War es eine kluge Entscheidung von Präsident Santos, die Gespräche auszusetzen, nachdem die Gefangennahme des Generals bekannt wurde?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Regierung damit eines der wichtigsten Prinzipien der Verhandlungen verletzt hat. Nämlich jenes, dass die Gespräche in Havanna nicht von den andauernden Kämpfen zwischen beiden Seiten in Kolumbien beeinflusst werden dürfen.

Auch die Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) haben sich im Januar 2014 nicht vom Verhandlungstisch in Havanna erhoben, als das Militär das Camp eines hohen FARC-Kommandanten bombardierte und es drei Tote gab.
Santos’ Entscheidung kam wohl maßgeblich auf Druck des Militärs zustande und er hatte politisch wohl auch keine andere Wahl. Es zeigt aber, dass der Präsident Probleme damit hat, im Militär Unterstützung für seinen Friedenskurs zu finden. Derjenige, der während der vergangenen zwei Wochen immer als Erster Details über die Situation des Generals twitterte, war nicht Santos oder sein Verteidigungsminister, sondern der rechte Senator und Ex-Präsident Álvaro Uribe, der noch immer einen guten Draht zu den Militärs hat.

Wie wird sich der Vorfall auf den weiteren Velauf der Gespräche auswirken?
Es wird den Friedensprozess stärken, weil beide Seiten gezeigt haben, dass sie willens sind, die Krise so schnell wie möglich zu lösen. Das zeigt unter anderem die recht schnell getroffene Vereinbarung, ab dem 10. Dezember wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Dieser Zwischenfall war ja keine Krise der Gespräche selbst, sondern wurde durch einen externen Vorfall ausgelöst.

Die FARC und viele Aktivist*innen haben in den vergangenen Wochen verstärkt einen beidseitigen Waffenstillstand gefordert, was die Regierung bisher immer ablehnt. Besteht jetzt eine Chance darauf?
Ein Waffenstillstand wäre der vernünftigste und wünschenswerteste Schritt. Doch er ist für die Regierung politisch nicht durchsetzbar, weil die Opposition und das Militär sie zerreißen würden. Außerdem steht das schwierigste Thema noch auf der Verhandlungsagenda: die Frage nach der Übergangsjustiz, also ob und wie lange die Guerilleros für ihre Verbrechen ins Gefängnis müssen.

Wenn schon kein Waffenstillstand durchsetzbar scheint, welche Deeskalationsmaßnahme ist dann denkbar?
Machbar wäre eine stufenweise Deeskalation der Kämpfe, die schließlich in einen Waffenstillstand mündet. Beide Seiten könnten beispielsweise vereinbaren, dass das Militär zeitweise die Bombardements von Guerilla-Camps und die Besprühung von Koka-Feldern aussetzt und die FARC im Gegenzug keine Anschläge mehr auf die Infrastruktur, also Stromnetze, Pipelines und Überlandlandstraßen mehr verüben. Diese Maßnahmen könnten für Vertrauen sorgen und das Feld für ein endgültiges Schweigen der Waffen bereiten.

Das Rennen um die öffentliche Meinung

Bogotá, 4. Dezember 2014. Während sich die Stadt im Weihnachtstrubel auf die Feiertage vorbereitet, laufen in einer Büroetage im nördlichen Stadtviertel La Castellana die Telefone heiß. Gerade sind Drohungen der paramilitärischen Verbindung Águilas Negras gegen 17 Journalist*innen, ihre Familien und Mitarbeiter*innen bekannt geworden. In einer Email erklären die Águilas Negras diese 17 Journalist*innen und 13 alternative Medienkollektive, vor allem aus den ländlichen Regionen Kolumbiens, zu Zielobjekten bewaffneter Aktionen. Die Begründung: Sie seien von den Bewaffneten Streitkräften Kolumbiens (FARC-EP) unterwandert und somit „Feinde der Nation“. In den Büros des unabhängigen Onlinemagazins Las2Orillas in der Hauptstadt werden daher in aller Eile die Solidaritätsmechanismen für die bedrohten Kolleg*innen angekurbelt.

Für eine unabhängige Medienlandschaft Pacho Escobar bei der Redaktionsarbeit

Laut einem aktuellen Bericht der Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) ist Kolumbien nach Mexiko das Land mit der zweithöchsten Mordrate an Journalist*innen weltweit. Zwischen Januar 2000 und September 2014 wurden mindestens 56 kolumbianische Journalist*innen ermordet, während sie ihren Beruf ausübten. Laut Aussagen der lateinamerikanischen Zentrale der Organisation wurden die meisten von ihnen „Opfer ihres Strebens, Menschenrechtsverletzungen, das Organisierte Verbrechen, Korruption oder ähnliche Einmischungen zu denunzieren“. Auch stocken die Ermittlungen bei einem Großteil der Verbrechen gegen Journalist*innen oder die Verbrechen bleiben ungestraft, da der politische Wille und ein effizientes juristisches System fehlen oder korrupte Autoritäten die Strafverfolgung behindern, so die Organisation. 2014 findet sich Kolumbien im Jahresbericht über die Pressefreiheit von RoG deshalb auf Platz 126 von 180 Plätzen, dicht gefolgt von Ländern wie Afghanistan oder Syrien.

Laut der kolumbianischen Stiftung für die Pressefreiheit (FLIP) tauchten alleine im September 2014 zwei schwarze Listen der paramilitärischen Gruppierungen Los Urabeños und Los Rastrojos auf, die acht beziehungsweise 24 Journalist*innen aus den Bezirken Valle de Cauca und Córdoba mit dem Tode bedrohten, da sie „die Anweisung zum Schweigen“ nicht eingehalten hätten. Nachdem im Februar 2014 der Kameramann Yonny Steven Caicedo in der Hafenstadt Buenaventura ermordet worden war, sorgte zuletzt vor allem die Ermordung von Luis Carlos Cervantes in der Kleinstadt Tarazá, Antioquia, für Schlagzeilen. Am Nachmittag des 12. August wurde der Radiojournalist auf der Straße erschossen – nur drei Wochen, nachdem ihm die staatliche Schutzbegleitung aus finanziellen Gründen entzogen worden war, unter der er seit Todesdrohungen im Jahr 2012 gestanden hatte.

Auch wenn es in den letzten Jahren in Bogotá mehrere Attentate oder Bedrohungen gegen Journalist*innen gab, ist die Bedrohung in den Provinzen doch ungleich höher. „Es gibt einige Journalisten, die ständig inmitten von Bedrohungen leben“, erzählt Pacho Escobar, Mitarbeiter von Las2Orillas, und fährt fort: „Zu diesen gehören zwar einige der bekannteren Journalisten von Revista Semana oder El Tiempo (neben der Tageszeitung El Espectador die bedeutendsten überregionalen Printmedien Kolumbiens; Anm. der Red.), aber im Allgemeinen bemerkt man in Bogotá von den Bedrohungen eher wenig. Wenn wir allerdings mitbekommen, dass Kollegen aus den Provinzen bedroht werden, versuchen wir natürlich ihnen mit allem, was in unserer Macht steht, zu helfen“. So auch an diesem vierten Dezember. Die Telefondrähte glühen inzwischen, schnell werden Pressemitteilungen und Artikel verfasst, um die Bedrohungen öffentlich bekannt zu machen. Denn das ist die Aufgabe, die Las2Orillas in solchen Fällen übernimmt: „Wenn wir von Bedrohungen hören und es Beweise für diese Bedrohungen gibt, berichten wir sofort – aus Solidarität und um zu zeigen, dass Journalisten in Kolumbien eine große Gemeinschaft sind“, berichtet Pacho Escobar.

Laut Carlos Gutiérrez, Direktor des linken Medienkollektivs Desde Abajo, entspricht es regelrecht dem Selbstmord, investigativen Journalismus in den ländlichen Regionen zu betreiben: „Hier in Bogotá stört uns niemand. Aber wenn wir in die Provinzen gehen, wo die politische und ökonomische Macht immer noch in den Händen der Großgrundbesitzer oder der (para)militärischen Gruppierungen liegt, sieht die Situation anders aus. Sie kontrollieren dort nicht nur die Informationen, sondern jeder, der in irgendeiner Form Kritik anbringt, wird automatisch zum militärischen Zielobjekt.“

Medien wie Las2Orillas versuchen diesen Bedrohungen entgegenzuwirken, indem sie die Artikel von Bogotá aus veröffentlichen: „Wir haben Informanten in fast allen Teilen Kolumbiens. Diese versorgen uns mit Daten, die wir dann unter unserem Namen veröffentlichen. Sie wollen nie als Protagonisten auftreten, sie machen das eher aus einer Gefühl bürgerlicher Verpflichtung heraus oder weil sie Gerechtigkeit wollen. Wir hier in der Hauptstadt übernehmen dann die Verantwortung“, beschreibt Pacho Escobar das Informationsnetzwerk der Onlineplattform, und erläutert: „Natürlich überprüfen wir die Daten, manchmal fahren wir in die Regionen oder rufen die Beteiligten an, um zu sehen, was sie uns zu sagen haben.“

Eine weitere Bedrohung der Informationsfreiheit ergibt sich aus den engen Verbindungen zwischen der politischen Macht, der Wirtschaft und den traditionellen Medien. Das Medienkonglomerat, das etwa 95 Prozent der Informationen auf dem kolumbianischen Markt liefert, liegt in den Händen der drei Unternehmensgruppen Grupo Ardila, Santo Domingo und Sarmiento Angulo. Diese drei Gruppen sind Eigentümer eines Großteils der kolumbianischen Radio- und TV-Sender – so unter anderem Caracol und RCN, der beiden wichtigsten Fernsehsender – und dominieren auch den Zeitungsmarkt. Zum Wirtschafts- und Bankenimperium Sarmiento Angulo gehört zum Beispiel El Tiempo, die wichtigste überregionale Zeitschrift des Landes. Sie wurde von der Familie des aktuellen Präsidenten Juan Manuel Santos gegründet. Derlei enge Verflechtungen mit der Politik beeinflussen die Journalist*innen in ihrer Arbeit. Die Selbstzensur sei deswegen in Kolumbien viel stärker als die Zensur, wie Carlos Gutiérrez erklärt: „Journalisten zensieren sich selbst aus Angst, ihre Stelle zu verlieren, wenn die veröffentlichten Informationen nicht mit den Interessen der Eigentümer des Mediums übereinstimmen“.

Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass die meisten Medien, selbst wenn sie nicht zu den großen Wirtschaftskonzernen gehören, sich doch hauptsächlich über staatliche und kommerzielle Werbung finanzieren: „Regionale Medien leben von der Werbung der regionalen Institutionen“, berichtet Miguel Suárez, der für Desde Abajo und für die kolumbianische Ausgabe von Le Monde Diplomatique arbeitet. Auch die prekären Bedingungen, unter denen viele Journalisten arbeiten, spielen dabei eine Rolle: „Zum Beispiel werden Radiojournalisten in Kolumbien nicht mit Geld, sondern mit Sendezeit bezahlt. Du musst dich also über Werbung selbst finanzieren. Und somit bist du wiederum davon abhängig, wirtschaftliche oder staatliche Interessen nicht zu verletzen“, so Suárez.

Um dennoch eine gewisse Unabhängigkeit in der Berichterstattung erreichen zu können, nutzen die meisten alternativen Medien vor allem das Internet, um ihre Artikel zu veröffentlichen. Juanita Léon, Gründerin und Chefredakteurin des Online-Magazins La Silla Vacía, betont: „Wir haben es geschafft, durch Unabhängigkeit Einfluss zu erhalten. Tatsächlich haben wir eine Freiheit, die viele Medien in Kolumbien nicht haben, weil ihnen mit Entzug der Werbung gedroht wird. Da wir durch die billige Onlinewerbung ein schlechtes Geschäft sind, sind wir auch weniger angreifbar“. Auch Las2Orillas und andere alternative Medien, wie das Polit-Analyse-Magazin Razón Pública, das vor allem von Akademiker*innen parallel zur wissenschaftlichen Arbeit betrieben wird, erscheinen ausschließlich online. Las2Orillas finanziert sich zum Beispiel hauptsächlich über internationale Fördermittel, die die Online-Zeitschrift für Journalist*innenschulungen in den Provinzen erhält. Das Medienkollektiv Desde Abajo, das neben einer eigenen Monatszeitschrift auch die kolumbianische Ausgabe von Le Monde Diplomatique herausgibt und aktuell eine Online-Fernsehsendung plant, finanziert sich neben den Einnahmen aus dem Zeitschriftenverkauf vor allem über die Veranstaltung von Kongressen und die Herausgabe kritischer Literatur- und Sachbücher.

María Fernanda Gónzalez, Politikdozentin an der Universidad Nacional de Colombia und freie Autorin für Zeitungen wie Revista Semana, El Espectador und Razón Pública, betont, dass die Medien in Kolumbien einen großen Einfluss auf die politische Debatte hätten: „Aber obwohl sich gerade die Printmedien in einer wichtigen Position befinden und insbesondere alternative Medien einen recht hohen Grad an Unabhängigkeit aufweisen, ist es ziemlich enttäuschend, dass es nach wie vor keine wirklich linke Medienlandschaft und damit auch keinen wirklichen Meinungspluralismus gibt“. Medien wie Las2Orillas oder La Silla Vacía mögen zwar mittlerweile bis zu hunderttausend Leser*innen täglich haben, die Rolle der alternativen Medien ist jedoch nach wie vor eher marginal. So erklärt Miguel Súarez: „Unsere Hauptaufgabe ist eine Art Machtkampf. Wir streiten um die öffentliche Meinung. Deswegen sehen wir uns auch eher als Aktivisten denn als Journalisten. Wir stehen nicht nur einer konzentrierten Macht der einflussreichen Medienmacher gegenüber, sondern auch vielen kleinen, sehr versprengten Medien, die um spezialisierte Leserschaften streiten. Denn wer liest zum Beispiel die Zeitung der Kommunistischen Partei? Doch nur die Mitglieder der Kommunistischen Partei.“ Auch bestehe nach wie vor die Gefahr, mit linker Berichterstattung als „Guerilla“ denunziert zu werden, wie Carlos Gutiérrez betont.

Doch auch der Zugang zu Information hängt stark vom Medium ab. Zwar werden Journalist*innen allgemein recht gut angesehen, gerade auf politischer Ebene, aber „den Status erhältst du vor allem durch das Medium“, erzählt Pacho Escobar. „Wenn man sagt, dass man für eines der traditionellen Medien arbeitet, dann bekommt man viel schneller und unkomplizierter Zugang zu den Daten, die man sucht“. Zugleich betont Juanita León, dass „viele Informationen immer noch davon abhängen, dass jemand einem einen ‚Gefallen‘ tut. Es ist nach wie vor schwierig, an bestimmte Informationen zu kommen, vor allem in Bezug auf die Polizei, das Militär oder den Wahlrat – einfach weil diese Institutionen nicht sehr transparent sind“. So haben viele Journalist*innen schon die Erfahrung gemacht, dass Anfragen auf Datenherausgabe schlicht nicht beantwortet werden. „Man muss schon sehr stark insistieren. Obwohl es einen gewissen Respekt gegenüber Journalisten gibt, hoffen die Institutionen oft, dass man irgendwann aufhört nachzufragen“, ergänzt Pacho Escobar, „und selbst wenn es Daten gibt, sind die oft nicht verlässlich“.

So bleibt die alternative Berichterstattung in Kolumbien ein tägliches Ringen. Es geht einerseits um den Zugang zu Informationen, genauso wie um das schlichte Überleben als Person und als Institution. Andererseits aber geht es vor allem um Einfluss, wie Miguel Suárez beschreibt: „Die politische Opposition, die Linke, hat einfach noch nicht verstanden, dass die Kommunikation ein Schlüssel zum politischen Wandel ist. Wir müssen um die öffentliche Meinung kämpfen, um die Menschen davon zu überzeugen, dass es ein anderes Kolumbien bereits gibt und dass der Wandel möglich ist.“

Dubiose Zusammenarbeit

Die EU-Botschafterin in Kolumbien Maria Antonia Van Gool war voll des Lobes für die Streitkräfte ihres Gastlandes, als sie gemeinsam mit dem kolumbianischen Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón im August ein Abkommen über die Beteiligung Kolumbiens an Krisenbewältigungsoperationen der Europäischen Union unterzeichnete. Der geplante Einsatz kolumbianischer Soldat_innen im Rahmen ziviler und militärischer EU-Missionen in Drittländern sei ein bedeutender Fortschritt für die gegenseitige Zusammenarbeit. „Kolumbien verfügt über für die EU nützliche Erfahrung in der Aufstandsbekämpfung, dem Kampf gegen Drogen und den Terrorismus,“ sagte die Niederländerin.
Mit dem Abkommen sichert sich die Europäische Union die Dienste einer der praxis-erfahrensten und zugleich umstrittensten Armeen der westlichen Hemisphäre. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Angehörige der hochgerüsteten kolumbianischen Streitkräfte unter dem Deckmantel der Aufstandsbekämpfung nachweislich eine ganze Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen begangen haben. In mehreren Fällen wurden Militärs und sogar hochrangige Generäle von der kolumbianischen Justiz und dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH) deshalb verurteilt – allzu oft aber blieben die Verbrechen ungesühnt.
International bekannt wurde in den vergangenen Jahren aber vor allem die verbreitete Praxis der sogenannten falsos positivos: Um Prämien zu erhalten, töteten Soldat_innen unschuldige Zivilist_innen, steckten sie in eine Uniform und präsentierten sie als im Kampf getötete Guerillakämpfer_innen. Menschenrechtler_innen beklagen seit Jahren, dass die Taten nicht ausreichend bestraft wurden. Zuletzt hatte die kolumbianische Armee damit Schlagzeilen gemacht, dass der Militärgeheimdienst die Kommunikationskanäle der Verhandlungsführung in Havanna und zahlreicher Politiker_innen angezapft hatte.
Alirio Uribe kann die geplante Zusammenarbeit der EU mit den kolumbianischen Militärs nicht verstehen. Der heutige Kongressabgeordnete der Linkspartei Polo Democrático arbeitete viele Jahre für das Anwaltskollektiv José Alvear Restrepo (Ccajar), das zahlreiche von Militärs begangene Menschenrechtsverbrechen vor den CIDH gebracht hat. „Es könnten trotz einem Ende des bewaffneten Konflikts in unserem Land weiterhin kolumbianische Soldaten sterben“, sagte er den LN. „Das Abkommen ist nicht mit den Friedensbemühungen in Kolumbien vereinbar.“
Uribe ist der Ansicht, dass das Verteidigungsministerium mit dem Abkommen versuche, dem Problem des Söldnertums entgegenwirken. In den vergangenen Jahren haben sich Tausende Soldat_innen laut Berichten kolumbianischer Medien aus dem Dienst zurückgezogen und bei privaten Sicherheitsfirmen angeheuert. Einige sollen in Afghanistan und im Irak kämpfen, auch die Ölmonarchien am Golf und dort besonders die Vereinigten Arabischen Emirate stehen hoch im Kurs. Es winken üppige Bezahlung und ein geringeres Sicherheitsrisiko als in den zermürbenden Dschungelkämpfen mit der Guerilla.
Doch will das hochgerüstete kolumbianische Militär wohl nicht nur dem Söldnertum entgegensteuern, sondern plant bereits für den Fall, dass die derzeit stattfindenden Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla erfolgreich enden. Denn sollte es in Kolumbien wirklich Frieden geben, werden zukünftige Regierungen die Zahl der Soldat_innen wohl mittelfristig senken müssen. Eine große Herausforderung, denn durch die enorme personelle Aufstockung der Sicherheitskräfte seit der Jahrtausendwende, unter anderem durch die finanzielle Unterstützung der USA im Rahmen des Plan Colombia, stehen derzeit rund eine halbe Million Soldat_innen und Polizist_innen im Dienst „für das Vaterland“. So viel wie in kaum einem anderen Land Lateinamerikas.
Die Europäische Union schielt vor allem auf die vergleichsweise geringen Kosten und das militärische Know-how der kolumbianischen Soldat_innen – und ist damit spät dran: Unlängst schloss auch die NATO ein bei den Linksregierungen Lateinamerikas umstrittenes Kooperationsabkommen mit den Kolumbianern. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hatte daraufhin von einem „Dolchstoß ins Herz der Völker unseres Amerikas“ gesprochen, Boliviens Staatsoberhaut Evo Morales eine Dringlichkeitssitzung des Unasur-Bündnisses gefordert. Kolumbien hingegen ficht das nicht an. Verteidigungsminister Pinzón hat laut Medienberichten bereits ebenso Kontakte nach Russland geknüpft, um die militärische Zusammenarbeit zu verstärken.
„Kolumbianische Soldat_innen bei EU-Missionen einzusetzen, ist finanziell günstiger und politisch einfacher, als wenn die Armeen der Mitgliedsstaaten eigene Leute in großer Zahl entsenden müssen“, sagt Alirio Uribe. Derzeit führt die Union Missionen in Osteuropa, Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten durch und arbeitet dabei auch mit mehreren Drittstaaten zusammen. Bisher stellt Chile als einziges Land in Lateinamerika der EU Soldat_innen zur Verfügung. Bei welchen Operationen und ab wann die kolumbianischen Soldat_innen für die EU eingesetzt werden sollen, ist allerdings noch nicht bekannt. Kritiker_innen befürchten zudem, dass Kolumbien durch die Kooperation Zugriff auf zusätzliche Rüstungsgüter erhalten könnte.
Substanzielle Änderungen des Abkommens oder gar eine Verhinderung des Inkraftretens sind derzeit kaum zu erwarten. Das Abkommen fällt unter die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP), ein Bereich der laut des Vertrags von Lissabon weder eine Beteiligung des Europäischen Parlaments, noch der nationalen Legislativ­organe vorsieht.
In Kolumbien ist das Prozedere zumindest auf dem Papier hingegen deutlich demokratischer. Hier muss die getroffene Übereinkunft noch durch den Kongress und auch das Oberste Verfassungsgericht muss ihr zustimmen. Allerdings steht die Ampel für das Abkommen derzeit in beiden Organen eher auf grün als auf rot. Als das Kooperationsabkommen mit der NATO vor wenigen Wochen im Unterhaus eingebracht wurde, stimmten gerade einmal sieben Abgeordnete gegen den Vertrag.

Schokolade für den Frieden

Es scheint derzeit nicht gut bestellt um die Akzeptanz des Friedensprozesses zwischen der FARC-Guerilla und der Regierung von Juan Manuel Santos. Anders ist es kaum zu erklären, dass Anfang September hunderte Radio- und Fernsehstationen, Zeitungen sowie zahlreiche kolumbianische Unternehmen eine Kampagne zur Unterstützung der seit Ende 2012 im kubanischen Havanna stattfindenden Friedensgespräche starteten. Unter dem Hashtag #SoyCapaz (deutsch: „Ich kann es“) sollen die Menschen ihre Unterstützung für den Friedensprozess kundtun und die Bereitschaft signalisieren, Feindschaften und Konkurrenzen im Sinne der Versöhnung zu überwinden. Fußballmannschaften der kolumbianischen Profiliga kündigten an, beim Stadioneinlauf in den Trikots des jeweiligen Gegners aufzulaufen und zahlreiche Lebensmittelfirmen wollen einen Tag lang ihre Produkte in den LKWs der Konkurrenz ausliefern. In den Regalen der großen Supermarktketten können die Kund_innen nun Produkte in weiß gehaltenen Verpackungen erwerben, auf die die Herstellerfirmen Sprüche gedruckt haben. „Ich schaffe es, die Hoffnung zu nähren“ heißt es da auf einer Tüte mit Kakaopulver, und die Verpackung eines Schokoriegels behauptet, dieser könne„Freude ins Leben bringen“.
Ziel der Kampagne sei es, die Kolumbianer_innen anzuregen, über ihren eigenen Beitrag zum Frieden im Land nachzudenken, hieß es von Seiten der Organisator_innen. Ins Leben gerufen wurde die Kampagne von einem Journalisten und dem mächtigen Unternehmerverband ANDI Neben zahlreichen Medien ließ sich auch die katholische Kirche einspannen. Kardinal Rubén Salazar, immerhin Erzbischof der Hauptstadtdiözese Bogotá, zog sich symbolisch die Stiefel eines Guerillero an. „Die Schuhe eines anderen anzuziehen, bedeutet, sich in die Situation dieser Person zu versetzen, sie zu verstehen und ihr die Hand zu reichen“, sagte Salazar.
Zumindest in den ersten Tagen erhielt die Kampagne viel Aufmerksamkeit in den großen Medien des Landes: Der Hashstag #SoyCapaz war – ebenso wie zahlreiche Verballhornungen – viele Tage unter den beliebtesten Tagesthemen in Kolumbien wiederzufinden.
Mehr noch als den nun bald zwei Jahre dauernden Verhandlungen zu einem Popularitätsschub zu verhelfen, gibt die Kampagne Aufschluss über eines der größten Probleme der Friedensgespräche: Auch wenn Umfragen zufolge eine Mehrheit der Kolumbianer_innen immer noch eine politische Lösung des Konfliktes unterstützt, ist die Skepsis groß, wenn es darum geht, den FARC Zugeständnisse in Form von Sitzen im Kongress oder Strafminderungen für die von ihnen begangenen Verbrechen zu gewähren. Diese Skepsis spiegelte sich auch in den guten Wahlergebnissen wider, die die Friedenskritiker_innen der extremen Rechten um Álvaro Uribe zum Teil bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen einfahren konnten.
Bei drei von insgesamt fünf vereinbarten Verhandlungspunkten – der Agrarpolitik, dem Drogenhandel und der politischen Teilhabe – haben die Verhandlungsparteien bereits Einigungen erzielt. Um dem politischen Druck gerecht zu werden, schnellstmöglich weitere Ergebnisse präsentieren zu können, konnte sich die Regierungsseite damit durchsetzen, über die zwei verbleibenden Themen parallel zu verhandeln: den Umgang mit den Opfern und die Frage nach dem Vorgehen im Falle eines Friedensschlusses, worunter unter anderem die Niederlegung der Waffen durch die Guerilla fällt. Dazu haben die Delegationen in Havanna in den vergangenen Wochen mehrfach Besuch erhalten: Zunächst reiste eine Gruppe hochrangiger Militärs in Kubas Hauptstadt, um direkt mit den Kommandeur_innen der FARC zu sprechen. Es sei einzigartig in der Geschichte der weltweiten Friedensprozesse, dass sich die Feinde gegenübersitzen und miteinander sprechen, kommentierte der für Kolumbien zuständige UN-Beauftragte Fabrizio Hochschild.
Ende August reiste nach mehreren Regionalforen erstmals eine Gruppe von Opfervertreter_innen nach Havanna, um mit ihrer Sicht auf den Friedensprozess einen Beitrag zur Überwindung des jahrzehntelangen Konflikts und der Entschädigung der Opfer zu leisten. Darunter waren nicht nur Opfer der FARC-Guerilla, sondern auch Personen oder deren Angehörige, die Menschenrechtsverletzungen von Militärs und Paramilitärs zum Opfer gefallen waren.
Rund um den ersten Besuch hatte es eine angeregte, teils heftige Debatte über den Umgang mit den Opfern gegeben. Der uribismo – dem dank zahlreicher Sitze im Senat noch mehr mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde als ohnehin schon – kritisierte, die Opfer der FARC würden bei der Auswahl der insgesamt 60 Opfervertreter_innen, die nach Kuba reisen sollten, nicht genügend berücksichtigt. Im Rahmen der Foren kam es teils zu tumultartigen Szenen. Die FARC hingegen, die kurz vor der Präsidentschaftswahl anerkannt hatten, für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein, bekräftigten im Rahmen des Aufeinandertreffens mit der ersten, 15-köpfigen Opferdelegation ihren Willen zur Versöhnung. „Iván Márquez ist auf mich zugekommen und hat mich um Entschuldigung gebeten. Und es war keine automatisierte Entschuldigung“, sagte Constanza Turbay, deren Brüder und Mutter Ende der 90er Jahre von den FARC getötet wurden.
Wenige Tage später allerdings machten die Gueriller@s das möglicherweise gesunkene Misstrauen in der Bevölkerung durch gravierende Fehler in der Öffentlichkeitsarbeit wieder zunichte. Sie veröffentlichten ein Schreiben, in dem eine Rebellin, die an der Bewachung der langjährigen Geiseln Ingrid Betancourt und Clara Rojas beteiligt gewesen war, teils private Details über deren Alltag während der sechsjährigen Gefangenschaft kundtat. Über einen Polizisten, der beinahe zehn Jahre Gefangener der Guerilla war, machte sich die Kämpferin mit einem zweifelhaften Geschlechterverständnis lustig: Luis Mendieta habe „wie eine Frau geheult“. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten, ein Zurückrudern durch die FARC-Delegation wenige Tage darauf kam viel zu spät. Da hatten die Medien bereits mit empörten Kommentaren reagiert und den Kritiker_innen der Friedensgespräche die Mikrofone vor die Nase gehalten. Clara Rojas, seit wenigen Wochen Kongressabgeordnete, erklärte ihr freiwilliges Ausscheiden aus der Friedenskommission, die als Stimme des Parlaments im Rahmen der Verhandlungen gilt. „Meiner Ansicht nach ist das nicht der Weg, der uns zur Versöhnung führt“, hieß es in ihrem kurzen Statement.
Ein erfolgreicher Abschluss der Gespräche noch in diesem Jahr ist trotz des beschleunigten Verhandlungsprozesses nicht in Sicht. Selbst die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos scheint nicht mehr so recht daran zu glauben, dass sie bereits 2015 damit beginnen muss, die in Havanna beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Der Jahresetat für das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, das für den Frieden wohl am entscheidendsten ist, wurde um mehr als 20% auf umgerechnet rund 1,2 Milliarden Euro gekürzt. Optimismus sieht anders aus.

„Wir sind kriegsmüde“

Am 20. Juli feierte die Nationale Befreiungsarmee (ELN) ihr 50-jähriges Bestehen. Im Rahmen dessen feuerte sie zwei explosive Zylinder auf ein Ölfeld in Arauca ab und verletzte 13 Personen. Wie wirkt sich das auf mögliche Verhandlungen mit dieser Guerilla aus?
Grundsätzlich sind mögliche Verhandlungen dadurch nicht betroffen, weil der Regierung klar ist, dass mit den FARC und möglicherweise mit der ELN mitten im Konflikt verhandelt werden muss. Einerseits ist das Militär verfassungsrechtlich verpflichtet, die Guerilla weiter zu bekämpfen, bis diese die Waffen abgegeben hat. Andererseits tun die ELN und die FARC das, was sie seit 50 Jahren tun, nämlich Krieg führen. Ein grundlegender Unterschied zwischen den aktuellen und früheren Friedensverhandlungen ist, dass wir uns zum ersten Mal der Unterzeichnung eines Friedensvertrags nähern. In Kolumbien haben wir aus der Vergangenheit gelernt: Drei verschiedene Präsidenten versuchten bereits Frieden zu schließen. Jedes Mal war der Waffenstillstand eine grundlegende Voraussetzung, die keine Seite einhielt. Unter der Präsidentschaft Pastranas (1998-2002) konnten sich beispielsweise die FARC in eine entmilitarisierte Zone so groß wie die Schweiz zurückziehen; dennoch benutzten sie das Gebiet dazu, alle Arten von Gräueltaten zu begehen und ihre militärische Macht zu festigen. So hätte man sich nie auf ein Abkommen einigen können.

Wovon hängt der Erfolg der laufenden Verhandlungen in Havanna ab?
Dass kein Waffenstillstand vereinbart wurde, ist nur ein Teil der Voraussetzungen. Der Erfolg der laufenden Verhandlungen hängt von der Art und Weise ab, wie die Diskussionen geführt werden, und von der militärischen Lage, in der sich die Guerillas zurzeit befinden. Vor den Verhandlungen, das heißt, während der zwei Amtszeiten Uribes und der ersten Amtszeit Santos’, wurden die FARC schwer getroffen. Als sie einen beträchtlichen Teil ihrer Gründer verloren hatten, wurden ihre militärische Schwäche und das Fehlen eines politischen Motivs offensichtlicher. Der „Dritte Weg“, den Santos als Alternative für Kolumbien entwirft, beinhaltet eigentlich zwei Optionen für die Guerilla: entweder weiterzukämpfen und zu versuchen, die militärische Überlegenheit zurückzugewinnen. Das wäre unter Berücksichtigung des technologischen Fortschritts der kolumbianischen Armee unwahrscheinlich. Oder sich als Guerilla die Frage zu stellen, ob ihre historische Mission bereits erfüllt ist. Das hieße, die Waffen niederzulegen und sich in das politische Leben zu integrieren.

Das Abkommen wird jedoch durch ein Referendum vom Volk bewilligt…
Ja, und deswegen ist die öffentliche Meinung entscheidend, wenn auch klar geteilt. Denken Sie daran, dass die meisten Kolumbianer die Guerillas völlig ablehnen und, nach 50 Jahren Kampf, ein allgemeiner Hass ihnen gegenüber herrscht. Die Diskussion konzentriert sich auf die Art und Weise, wie der Konflikt zu beenden sei. Ein Teil der Bevölkerung fordert die Inhaftierung und Verurteilung der Kämpfer, ohne über die Strafen zu verhandeln. Sie verlangen eine bedingungslose Kapitulation. Bis dies der Fall ist, hat die Regierung die Pflicht, die FARC militärisch weiter zu bekämpfen. Diese Position wird vom Ex-Präsidenten und jetzigen Senator Álvaro Uribe Vélez vertreten. Auf der anderen Seite erkennt die Hälfte der Kolumbianer an, dass die Möglichkeit zu einem baldigen und friedlichen Ende des Konflikts wahrgenommen werden muss. Die Verhandlungen sollen die Grundlagen dafür schaffen, dass die Guerilleros nach ihrer Entwaffnung in die Gesellschaft und in das politische Leben integriert werden.

Was bedeutet die Wiederwahl von Santos für die Friedensverhandlungen?
Mit der Wiederwahl konsolidiert sich der Friedensprozess. Wenn es Santos nicht gelingt, das Friedensabkommen in naher Zukunft zu unterzeichnen, müssen die Kolumbianer wahrscheinlich wieder mehrere Jahre auf eine neue Chance warten. Es ist wichtig zu bedenken, dass Santos im rechten politischen Lager einzuordnen ist und Uribes Verteidigungsminister war. Zwischen 2006 und 2009 führte die Armee eine Reihe von militärischen Schlägen gegen die FARC durch, die sich dadurch strukturell verändern mussten. 2012 distanzierte sich Santos endgültig vom uribismo und beschloss, über den Frieden zu verhandeln. Dies wurde von Uribe als Verrat empfunden und stellt somit einen Aspekt der jetzigen politischen Auseinandersetzungen im Land dar. Ein anderer Punkt ist, dass Santos auf die Unterstützung wirtschaftlicher Kreise zählt. Das ist von grundlegender Bedeutung. Ohne das Stigma eines bewaffneten Konflikts könnte sich das Land ökonomisch entwickeln. Da die Geschäftsleute den Militarismus Uribes überdenken und beginnen ihn abzulehnen, erhöhen sich die Chancen auf erfolgreiche Gespräche in Havanna.

Allerdings gibt es Kritik in Bezug auf den Mangel an Bürgerbeteiligung. Wie sehen Sie das?
In einer Demokratie müssten die Bürger in bestimmte politische Entscheidungen mit einbezogen werden. Aber der Konflikt in Kolumbien ist sowohl wegen seiner Dauer als auch wegen der Vielfalt seiner Akteure sehr komplex geworden. Da die Verhandlungen mitten im Konflikt stattfinden, ist es wichtig, einen Rahmen der Diskretion zu schaffen, der konstruktive Gespräche in Richtung Frieden zulässt. In Kolumbien ist die Möglichkeit latent, dass die Gegner des Friedensabkommens nach dem politischen Interesse ihrer eigenen Gruppen (wie im Fall von Uribe) versuchen, die bereits gemachten Fortschritte zu boykottieren. Erst wenn alle Punkte der Verhandlungen in Havanna abgestimmt sind, werden sie der Bevölkerung als Referendum vorgelegt. Dies ist eine Maßnahme der Regierung, die für notwendig gehalten wird, obwohl sie nicht ideal für die Demokratie ist, sondern nur praktisch.

Welche Rolle spielen die Opfer des Konflikts?
Da die Opfer eine zentrale Rolle in diesem Konflikt spielen, werden sie in Havanna einbezogen. Diejenigen, die nach Kuba gereist sind oder reisen werden, sollen alle Verbrechen rekonstruieren, die im Rahmen des Konflikts begangen worden sind. Dies ist wichtig, weil bei früheren Friedensprozessen die Opfer ausgeschlossen wurden. In diesem Moment werden die direkten Opfer des Konflikts auf fünf Millionen geschätzt. Sie haben ein Recht auf die Aufklärung der Verbrechen der Guerillas, Paramilitärs und der staatlichen Armee: wer die Täter waren, wo die Vermissten sind.

Denken Sie, dass in Kolumbien ein anhaltender Frieden geschaffen werden kann?
Der Frieden in Kolumbien muss auf Basis von „Vergeben und Erinnerung“ geschlossen werden, nicht auf Basis von „Vergeben und Vergessen“. Dieser Prozess ist kompliziert, weil die Kolumbianer sich mit den Traumata von 50 Jahren Gräueltaten auseinandersetzen müssen. Ich denke, dass wir jetzt in der Lage sind, durch Dialog und Wahrheitsfindung die Wunden zu heilen. Wir sind kriegsmüde und wollen Aufklärung. Auf diese Weise kann ein Prozess der Rationalisierung unserer Traumata stattfinden und der Frieden mittels Gedenken, Konfrontierung und Wahrheitsfindung langfristig gefestigt werden.

Infokasten

Carlos Miguel Ortiz
ist Historiker und Politikwissenschaftler. Er lehrt in Bogotá, Paris und Valencia. Er untersucht den kolumbianischen Konflikt, die daraus entstandene Gewalt und deren Folgen für das kollektive Gedächtnis der Kolumbianer_innen.

„Die kolumbianische Politik ist immer noch zum Lachen“

Kolumbien im März 1998: Zur Blütezeit des bewaffneten Binnenkonflikts entführt eine Gruppe von 200 Guerriller@s der Revolutionären Bewaffneten Streitkräfte Kolumbiens (FARC) 32 Personen, darunter fünf Ausländer_innen, die sich auf dem Weg vom Department Meta in die Hauptstadt Bogotá befanden. Kurze Zeit später beginnt eine Anti-Entführungskommission die Verhandlungen mit der Guerilla und erwirkt bereits nach wenigen Tagen die Freilassung von neun der 32 Entführten. Leiter dieser Kommission ist der populäre Comedian, Anwalt und Politiker Jaime Garzón Forero. Bekannt geworden durch unzählige Fernseh- und Radioshows hielt er der kolumbianischen Gesellschaft in den 1990er-Jahren mit Ironie und Satire den Spiegel vor. Als Heriberto de la Calle (Heriberto von der Straße), konservativer Anwalt Godofredo Cínico Caspa, Student John Lenin oder Nestor Elí, der Wachmann des Edificio Colombia, hatte Garzón sich über die Jahre in eine Art kolumbianisches Gewissen verwandelt: „Er machte Pädagogik mit Humor: Durch eine Art gottgegebene Gabe gelang es ihm, den Kolumbianern die Augen zu öffnen“, äußerte sich seine Schwester Marisol Garzón gegenüber der Wochenzeitschrift Semana.
Neben seinen radio- und fernsehjournalistischen Tätigkeiten und seinen Aktivitäten für den Frieden war Garzón eine Zeit lang Bürgermeister der Gemeinde Sumapaz im Süden von Bogotá und agierte als Anwalt gegen die Regierung. Die Ex-Senatorin und Aktivistin der oppositionellen Bewegung Marcha Patriótica, Piedad Córdoba, beschreibt ihn als „gefährlichen Typen, weil er die Leute zum Lachen brachte, indem er die moralische Misere der kolumbianischen Politik offenbarte“. Genau diese Gefährlichkeit wurde Garzón offenbar zum Verhängnis.
Anfang August 1999 versuchte er, Kontakt zum Chef des Paramilitärdachverbandes Vereinigte Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC), Carlos Castaño, aufzunehmen. Durch Vermittlung anderer höherer Paramilitärs vereinbarte er offenbar ein Treffen für den 14. August. Drei Tage vor diesem Termin äußerte er gegenüber einer Visagistin, dass er den nächsten Morgen nicht erleben werde. Er sollte Recht behalten – zwei Tage später, am Morgen des 13. August 1999, wurde Jaime Garzón von zwei Auftragskillern von einem Motorrad aus mit fünf Kugeln erschossen. Einige Minuten später verbreiteten seine Kolleg_innen von der Radiostation Radionet, die wenige Meter vom Schauplatz entfernt lag, die Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land ausbreiten sollte. César Augusto Londoño, Sport-reporter und Kollege Garzóns, verabschiedet seinen Freund in einer Show am selben Abend mit den berühmt gewordenen Worten: „Soweit zum Sport, Scheißland!“. Die Trauerfeier für den beliebten Humoristen vereinte am nächsten Nachmittag so viele Menschen, dass eine Fußgängerbrücke unter der Masse der Trauernden zusammenbrach.
Trotz des hohen Interesses in der kolumbianischen Öffentlichkeit kamen die Ermittlungen nur schwer ins Rollen. Widersprüche und Falschaussagen der vermeintlichen Augenzeug_innen führten zu keinem klaren Ergebnis. Erst fünf Jahre später wurde der damalige Anführer der AUC, Carlos Castaño, wegen Anstiftung zum Mord in Abwesenheit von einem kolumbianischen Gericht zu 38 Jahren Haft verurteilt. Castaño, der wenige Wochen nach der Verurteilung in einem internen Paramilitärkonflikt selbst zu Tode kam, soll die Ermordung auf Grund von Garzóns leitender Rolle in den Verhandlungen zur Freilassung der 32 von der FARC entführten Personen angeordnet haben. Angehörige und Journalist_innen, darunter auch internationale Organisationen wie Reporter ohne Grenzen, bezweifelten diese Version von Beginn an. Sie führten die Verstrickung des Militärs und der mittlerweile aufgelösten kolumbianischen Sicherheitsbehörde DAS in den Fall als wahrscheinlich an. Dennoch kam es in den nächsten Jahren zu keinen weiteren Ermittlungen.
Erst als sich die AUC ab dem Jahr 2008 auflöste, kamen neue Indizien an die Öffentlichkeit: Mehrere demobilisierte Paramilitärs, denen bei Aussage eine Amnestie in Aussicht gestellt worden war, sagten damals aus, dass es Absprachen zwischen dem ehemaligen Direktor der DAS, José Miguel Narvaéz, dem Militärstab und Carlos Castaño gegeben habe. Demnach habe Castaño den Mord als „großen Fehler“ bezeichnet und nur als „Gefallen für einen hohen Militärgeneral“ angeordnet. Zudem habe Narvaéz Castaño Berichte zugespielt, aus denen eine vermeintliche Verbindung von Garzón zu den FARC hervorgegangen sei. Nachforschungen des Fernsehprogramms Contravía führten im Jahr 2010 zu weiteren Indizien, die eine Manipulation der Beweise von Seiten des DAS nahelegen.
Heute, fünfzehn Jahre nach der Ermordung Jaime Garzóns, scheint der Fall endlich ins Rollen zu kommen. Narvaéz und der ehemalige Militärgeneral Jorge Eliécer Plazas Acevedo, der seit mehr als einem Jahrzehnt wegen einer Verurteilung in anderen Mordfällen flüchtig war, müssen sich nun erstmals vor Gericht verantworten. Wenngleich bislang beide eine Beteiligung abstreiten, könnten die Ergebnisse der aktuellen Verhandlungen nun erstmals Licht in die Vorgänge bringen. Zudem könnten dadurch die Verbindungen weiterer hoher Militärs und Staatsbediensteter zu den Paramilitärs nachgewiesen werden. Die Justiz und insbesondere linke Kreise beschreiben jedoch nach wie vor Vertuschungsversuche von Seiten des Staates: „Es gab einige Vergehen, die verhindern sollten, dass die Justiz die gesamten Absprachen hinter diesem Verbrechen aufklären kann,“ kritisierte der beauftragte Vizerichter Jorge Fernando Perdomo gegenüber kolumbianischen Medien. In einem aktuellen Gespräch über den Gerichtsprozess äußerte auch die Ex-Senatorin Piedad Córdoba: „Wie kann es Zweifel daran geben, dass der Mord an Jaime Garzón ein Verbrechen des Staates war? Es war eine Allianz zwischen dem DAS, Militärgenerälen und dem Paramilitarimus“. Sie betonte, dass der Tod von Jaime Garzón „ein unmenschliches Verbrechen darstellt, Teil einer gezielten Strategie des Staates, die Opposition auszuschalten“.
Währenddessen versuchen Angehörige, Journalist_innen und Student_innen, das Andenken des Humoristen aufrecht zu erhalten. Satirisch betonen sie, dass auch fünfzehn Jahre nach der Ermordung Garzóns die Politik des Landes „noch zum Lachen sei“ und sich an der politischen Moral seitdem wenig geändert habe.

Mit Bauchschmerzen gewählt

Dem Wahlkampfteam von Kolumbiens altem und neuem Präsidenten Juan Manuel Santos schien kein Vergleich zu peinlich. In den Wochen vor der Stichwahl gegen seinen rechten Herausforderer Óscar Iván Zuluaga stellten ihn seine Strateg_innen ohne Scham auf eine Stufe mit Nelson Mandela oder wahlweise sogar mit Mutter Teresa. Paz, paz, Colombia quiere paz („Frieden, Frieden, Kolumbien will Frieden“) hieß die Parole, mit der das Lager des Amtsinhabers gegen Zuluaga, den Kandidaten von Ex-Präsident Álvaro Uribe (2002 – 2010) in die Wahlkampfschlacht gezogen war.
Gezielt hatte Santos die Friedensverhandlungen instrumentalisiert. Vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im Mai gaben Vertreter_innen der Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und der Regierung bekannt, sich im vierten Punkt der Agenda, dem Problem des Drogenhandels, geeinigt zu haben. Wenige Wochen später erklärten beide Seiten in Havanna, man habe sich in Grundzügen auch beim Thema der Opfer des bewaffneten Konflikts geeinigt. Darin erkennen beide Seiten eine Mitverantwortung für Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des bewaffneten Konflikts an.
Seine beste Friedenskarte aber spielte Santos mit der offiziellen Bekanntgabe, seine Regierung führe seit Jahresbeginn Sondierungsgespräche mit der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) über die Aufnahme von Friedensgesprächen. Ziel dieser Phase sei es – wie schon vor den Verhandlungen mit den FARC – eine Agenda festzulegen, auf deren Grundlage dann über ein Ende des Konflikts verhandelt werden könne.
Seit Längerem galten die Sondierungsgespräche, die unter anderem in Ecuador stattfinden, als offenes Geheimnis. Ein Grund dafür, dass sich die offizielle Aufnahme von Gesprächen mit der zweitgrößten Rebellengruppe mit rund 2.000 Kämpfer_innen hinauszögert, ist die vehemente Ablehnung der ELN von Bergbauaktivitäten und der Ausbeutung von Primärressourcen. Dieser Bereich stellt allerdings eine zentrale Achse der kolumbianischen Wirtschaft dar und hat während der ersten vier Jahre der Santos-Regierung als „Bergbau-Lokomotive“ noch einmal erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Zudem scheint die ELN auch mehr Wert auf die unmittelbare Einbindung der Zivilbevölkerung zu legen, als dies derzeit im Rahmen der Gespräche mit den FARC der Fall ist. Zahlreiche Teile der Zivilgesellschaft haben ihre Nichtbeachtung wiederholt bemängelt.
Am Ende holte Santos, der im ersten Wahlgang Zuluaga noch unterlegen gewesen war, 50,9 Prozent der Stimmen und damit rund eine Million mehr als sein Kontrahent. Dies lag einerseits daran, dass Santos und die ihn stützenden Parteien dank gut geölter Seilschaften im karibischen Tiefland einen hohen Stimmenzuwachs erreichen konnten. Andererseits mobilisierte ein Schreckensszenario zahlreiche Kolumbianer_innen, für Santos zu stimmen: Eine mögliche Rückkehr des uribismo, jener Mischung aus Autoritarismus, Traditionalismus und Militarismus bei gleichzeitigem Primat der Wirtschaft, hatte vor allem in der Linken ein Gespenst umgehen lassen. Die Kriminalisierung sozialer Proteste, die Verbindungen des Uribe-Lagers zu den Paramilitärs und vor allem der Versuch, den internen Konflikt mit militärischer Gewalt zu lösen, war vielen Anlass genug, sich – wenn auch mit Bauchschmerzen – für eine Stimmabgabe für Juan Manuel Santos zu entscheiden. Zwar sprach die Partei Alternativer Demokratischer Pol (PDA), deren Kandidatin Clara López mit 15,2 Prozent der Stimmen in der ersten Wahlrunde ein akzeptables Ergebnis eingefahren hatte, keine einheitliche Wahlempfehlung für Santos aus, doch unterstützte ein großer Teil des Pols ebenso wie der Indigenenverband ONIC, die Gewerkschaftsverbände und die Sammelbewegung Marcha Patriótica die Stimme „für den Frieden“ – und damit für Santos.
Im Gespräch mit den LN begründete der ehemalige Menschenrechtsanwalt und im April neu gewählte Kongressabgeordnete Alirio Uribe die Entscheidung auch mit der Chance auf tiefgreifende soziale und politische Veränderungen: „Seit die Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla vor zwei Jahren begonnen haben, hat es in Kolumbien mehr Proteste gegeben als in den 35 Jahren zuvor. Es hat Raum für Diskussion über gesellschaftliche Missstände gegeben, die die sozialen Konflikte ans Tageslicht gebracht haben.“ Das Land könne, so Uribe, mit den Friedensverhandlungen einen „Kolumbianischen Frühling“ erleben. Deshalb galt es, Zuluaga und damit eine Rückkehr Álvaro Uribes zu verhindern.
Einzig ein Maoist funkte dem Pol dazwischen. Der prominente Senatsabgeordnete Jorge Robledo, innerhalb der Sammelpartei wichtigster Kopf der maoistischen Unabhängigen Revolutionären Arbeiterbewegung (MOIR), sprach sich gegen eine Unterstützung von Santos aus und griff Clara López heftig an. Diese hatte kurz vor der Stichwahl in einem zur besten Sendezeit ausgestrahlten Werbespot nicht nur die vom Präsidenten begonnenen Friedensverhandlungen mit der Guerilla, sondern auch das vermeintlich „Soziale“ im Programm des sehr wirtschaftsfreundlichen Santos gelobt. Auch wenn Santos schließlich unter anderem deshalb gewann, weil ein Großteil der Pol-Wähler_innen für den Amtsinhaber votierte, sind politische Kosten und Nutzen für die Partei derzeit noch nicht abzusehen.
Unterdessen ließ sich das wiedergewählte Staatsoberhaupt von seinesgleichen feiern. Anfang Juli lud er sich zahlreiche ehemalige Staatschefs ins mondäne Cartagena ein, um seine Politik für die kommenden vier Jahre vorzustellen. In deren Zentrum soll vor allem der Frieden mit den Guerillas ELN und FARC stehen. Santos will den „Dritten Weg“ einschlagen, ein Konzept, das vor allem aus dem Großbritannien des Tony Blair bekannt ist. So war der britische Premierminister (1997-2007), der auf eben diesem „Dritten Weg“ nach dem Ende des Thatcherismus die Sozialdemokratie mit dem Neoliberalismus versöhnte, neben dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton einer der großen Stars auf der Veranstaltung. Ebenfalls dabei waren die Ex-Präsidenten Felipe González (Spanien), Fernando Henrique Cardoso (Brasilien) und Ricardo Lagos (Chile).
Die hochrangigen Gäste ließen sich nicht lange darum bitten, dem Grund ihrer Einladung Rechnung zu tragen und Präsident Santos und seinem Friedenskurs noch einmal ordentlich den Rücken zu stärken. „Der Frieden in Kolumbien ist auch Frieden in Amerika und eine Chance für alle Menschen des Kontinents. Wir laden alle Länder ein, diesen Prozess weiter zu unterstützen, der zu einer stärkeren Integration in Amerika führen und einen wesentlichen Beitrag zum Frieden und der internationalen Sicherheit leisten wird“, hieß es in einer Abschlusserklärung. Santos, der gemeinsam mit Blair 1999 das Buch Der Dritte Weg – Eine Alternative für Kolumbien herausgegeben hatte, fasste diesen Weg in einem Interview wie folgt zusammen: „Der Markt soweit wie möglich, der Staat soweit wie nötig.“ Was dies real-politisch bedeutet, werden erst die kommenden Monate zeigen.
Santos inszeniert sich bewusst als der mutige, pragmatische, post-ideologische Friedenspolitiker, der uneigennützig einer historischen Mission folgt. Die Erzählung von einem baldigen Frieden ist international populär. Auch immer mehr Kolumbianer_innen glauben laut neuesten Umfragen an einen Erfolg der Friedensverhandlungen. Wer kann schon gegen Frieden in einem Land sein, das einen 50 Jahre dauernden bewaffneten Konflikt hinter sich hat? Mögliche Widersprüche und negative Konsequenzen drohen hinter dieser großen Erzählung allerdings zu verschwinden.

Frieden ist das Wahlkampfthema

Er ist zurück. Álvaro Uribe, ehemaliger Präsident Kolumbiens, hat im März diesen Jahres die Rückkehr auf die politische Bühne des Landes geschafft. Nachdem der Hardliner wegen seiner Nähe zu paramilitärischen Gruppen, zahlreichen Geheimdienst-, Korruptions- und Bespitzelungsaffären und der konsequenten Befürwortung einer „harten Hand” gegen die Guerilla vier Jahre lang aufgefallen war, darf er nun als Oppositionsführer im Kongress wieder institutionell Politik betreiben. Die von ihm nach dem Bruch mit Präsident Santos und seiner ehemaligen Sozialen Partei der Nationalen Einheit (Partido de la U) neu gegründete Bewegung Demokratisches Zentrum (CD) holte bei den Parlamentswahlen am 9. März 19 der 100 möglichen Senatssitze. Damit ist sie die größte Oppositionsfraktion in der Oberen Kammer des kolumbianischen Parlamentes. In der kommenden Legislaturperiode wird der Regierung Santos im Kongress ein deutlich schärferer Wind von Rechts ins Gesicht wehen.
In den vergangenen vier Jahren hatte die von Santos geschmiedete Koalition Nationale Einheit (UN) eine satte absolute Mehrheit. Die ist dank Uribe und seiner Fraktion nun passé. Auch die konservative Partei ist sich nicht einig, ob sie Santos wie bisher weiter unterstützen soll oder nicht. Für ihr wichtigstes Projekt sollte die Regierung aber eine Mehrheit in beiden Kammern erzielen können: ein Friedensabkommen mit der FARC-Guerilla, über das seit eineinhalb Jahren in Havanna verhandelt wird. Denn ebenso wie einige konservative Abgeordnete haben auch die (mitte)-links Parteien Grüne Allianz (AV) und Demokratischer alternativer Pol (PDA) angekündigt, einen Frieden mitzutragen.
Doch ist diese „Mehrheit für den Frieden” für die Linke in Kolumbien – ob nun als Teil der Legislative oder außerparlamentarisch – wohl eine der sehr wenigen positiven Aspekte der Parlamentswahlen. Nennenswerten Stimmenzuwachs konnte weder die einstige linke Sammelpartei PDA noch die AV verzeichnen. Lediglich einige interessante Einzelakteur_innen schafften auf den Listen der beiden Parteien den Sprung in den Senat oder das Repräsentantenhaus. Alberto Castillo, Vorsitzender der Nationalen Agrar-Koordination (CNA) und einer der wichtigsten Köpfe der Sammelbewegung Kongress der Völker (Congreso de los Pueblos), holte sich mit einer beachtlichen Stimmenzahl einen Sitz im Senat. Auch die Politikwissenschaftlerin Claudia López, scharfe Uribe-Kritikerin, sitzt die kommenden vier Jahre im Parlament. Sie war eine der ersten, die 2006 die systematische Zusammenarbeit von Abgeordneten und Paramilitärs, bekannt als Parapolitica-Skandal, aufdeckte. Der in Deutschland dank zahlreicher Besuche bekannte Menschenrechtsanwalt Alirio Uribe vom Anwaltskollektiv José Alvear Restrepo (ccajar) wurde für Bogotá ins Repräsentantenhaus gewählt. Er ersetzt den wohl bekanntesten Linkspolitiker Kolumbiens Ivan Cepeda, der den Sprung in den Senat schaffte. Sein Vater Manuel Cepeda, war einer von geschätzt 5000 Mitgliedern der Patriotischen Union (UP) gewesen, die nach ihrer Gründung in den 80er-Jahren von Militärs und Paramilitärs ermordet wurden. Erstmals seit nun 16 Jahren nahm die UP wieder an Wahlen teil. Allerdings gelang keinem der Kandidat_innen der Sprung ins Parlament, auch nicht dem bekanntesten UP-Kandidaten, dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Carlos Lozano. Er twitterte am Tag nach den Wahlen lediglich „Wir waren nah dran.“ Hoffnung setzt die UP nun in ihre Präsidentschaftskandidatin Aida Avella, die viele Jahre im europäischen Exil gelebt hatte. Avella verkündete wenige Tage nach der Parlamentswahl, sie werde sich bei den Präsidentschaftswahlen am 25. Mai für das Amt der Vizepräsidentin bewerben, gemeinsam mit der Präsidentschaftskandidatin des PDA, Clara López. Ein wichtiges Zeichen der Einheit in einer nach wie vor zersplitterten kolumbianischen Linken.
Schenkt man den Umfragen Glauben, wird das Duo Clara-Aida allerdings beim Wettbewerb um den Regierungssitz Casa de Nariño kaum die Stichwahl erreichen. Chancen räumen die Demoskopen eher dem Kandidaten des Mitte-Links Bündnisses Grüne Allianz (AV), Enrique Peñalosa, ein. Der ehemalige Bürgermeister Bogotás ist ideologisch schwer einzuschätzen. Peñalosa stand als Stadtoberster von Bogotá zwar für soziale Inklusion beispielsweise durch die Verbesserung der Infrastruktur. Aber er ist auch ein Befürworter von Ordnung und Sicherheit. „Wir müssen trotz der Friedensverhandlungen weiter unser Militär und die Polizei stärken. Wir werden alles mögliche tun, damit es Frieden gibt, aber wir müssen uns darauf vorbereiten, dass es mehr Krieg geben wird“, sagte Peñalosa kürzlich in einem Zeitungsinterview. Diese politische Linie rückt ihn nahe an den Hardliner Uribe heran. Für viele Linke ist der 59 Jahre alte Volkswirtschaftler als Alternative zu Santos daher untragbar.
Der Amtsinhaber Juan Manuel Santos versucht sich während des Wahlkampfes als „Mann des Friedens” zu inszenieren. Den „totalen Frieden” wolle man erreichen, wiederholte Santos gebetsmühlenartig. Mit Zitaten des Dalai Lama oder aus Sain-Exuperys Der kleine Prinz überschwemmte das Kampagnenbüro des ehemaligen Verteidigungsministers die sozialen Netzwerke. Das Unterzeichnen eines Friedensvertrags mit der FARC-Guerilla ist ohne Zweifel das wichtigste Wahlkampfthema. Seit der Einigung über die politische Teilhabe Ende vergangenen Jahres verhandelt die Delegation über die Drogenproblematik.
Frieden bedeutet hier allerdings mehr als ein Tintenwisch auf dem Papier. Die kolumbianische Demokratie ist resistent gegenüber progressiver linker Politik und ihren Akteur_innen. Das hat die umstrittene Absetzung des Bürgermeisters von Bogotá, Gustavo Petro, durch den konservativen Generalstaatsanwalt Alejandro Ordoñez erneut gezeigt (siehe LN 475). Nachdem Petro am Tag seines Abschiedes aus dem Rathaus von Bogotá eine Verfassunggebende Versammlung forderte, hat der Vorschlag erneut an Fahrt aufgenommen. Die FARC fordern zur Umsetzung der in Havanna noch zu beschließenden Einigung mit der Regierung schon länger eine solche asamblea. „Für diejenigen in Kolumbien, die Veränderungen in diesem Land erreichen wollen, gibt es keinen anderen Ausweg als eine Verfassunggebende Versammlung“, sagt David Flórez von der linken sozialen Bewegung Marcha Patriotica gegenüber den LN.
Eine Verfassunggebende Versammlung würde wohl auch die nationale Agrarpolitik auf den Prüfstand stellen. Derzeit darf bezweifelt werden, dass die in Havanna debattierten Reformen der Landverteilung nachhaltig umgesetzt werden. Das gleiche gilt für den Schutz der kolumbianischen Agrarproduzenten vor – dank Freihandelsabkommen günstigeren – Importprodukten aus Asien, der EU und den Vereinigte Staaten. Nach dem landesweiten Agrarstreik im vergangenen August kamen im März dieses Jahres mehrere tausend Vertreter_innen sozialer Bewegungen aus dem ganzen Land in Bogotá zu einem Gipfeltreffen zusammen. Kleinbauernorganisationen, Indigene und Afro-Kolumbianer_innen forderten unter anderem ein Recht auf Selbstbestimmung bei der Nutzung ihrer Territorien. Interessant war dabei, dass sich die größten sozialen Organisationen Kolumbiens mit ihren unterschiedlichen ideologischen und historischen Entstehungsgeschichten erstmals gemeinsam auf einen Forderungskatalog einigen konnten und zusammen dafür mobilisierten. Noch vor den Präsidentschaftswahlen im Mai wollen die sozialen Bewegungen gemeinsam zu einem erneuten Agrarstreik aufrufen. Bisher standen sich die kommunistische Bewegung Marcha Patriotica, der Indigenenverband ONIC, die afro-kolumbianischen Gemeinden (PCN) und der Kongress der Völker nicht in Abneigung, aber dennoch in spürbarer Distanz zueinander. Doch auch wenn die Indigenenorganisationen und der Kongress der Völker die derzeit laufenden Friedensverhandlungen mit Vorbehalten betrachten (siehe LN 477), scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass auch über das politisch wegweisende Jahr 2014 hinaus die Stärke in der Einheit liegt – inner- und außerhalb der Institutionen.

Frieden ist mehr als eine Unterschrift

Ihre Partei hat momentan acht Sitze im konservativ dominierten Senat. Was streben Sie in den kommenden Parlamentswahlen an?
Wir wollen mehr. Unser Ziel ist es, uns als echte Alternative zur aktuellen Regierung zu präsentieren. Auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen.

Aus der Linken tritt bisher neben der Kandidatin des PDA, Clara López, auch Aída Abella für die Patriotische Union (UP) an. Warum ist es der Linken nach der Streikwelle und den zahlreichen Protesten 2013 nicht gelungen, eine_n gemeinsame_n Kandidat_in aufzustellen?
Leider ist die Linke in Teilen immer noch zersplittert, was seinen Ursprung in der Geschichte und dem daraus entsprungenen gegenseitigen Misstrauen hat. Aber das wollen wir unbedingt überwinden. Deshalb wird es in Kürze Gespräche von uns mit Repräsentanten der UP geben mit dem Ziel, eine einzige linke Kandidatin aufzustellen. Ein Prozess, der auch von den sozialen Bewegungen wie dem Congreso de los Pueblos oder Marcha Patriótica ausgeht.

Was hat der mehrwöchige Agrarstreik, dem sich ja viele andere gesellschaftliche Sektoren wie die Indigenen, Lehrer_innen, Studierende, Busfahrer_innen und Pilot_innen angeschlossen haben, letztlich gebracht?
Die Proteste waren so massiv, dass sie immerhin den Präsidenten Santos, der sie zu Beginn gar nicht anerkennen wollte, zu Verhandlungen zwangen. Dabei kam aber nichts heraus, keine Maßnahmen gegen die Agrarkrise, keine Änderung seiner Politik. Es wurde nur geredet und sonst gar nichts. Trotzdem bleibt unter dem Strich eine soziale Mobilisierung so groß und vielfältig wie seit Jahren nicht mehr. Eine Mobilisierung, die die Empörung vieler sozialer Sektoren widerspiegelt, die vereint ist in dem Streben nach einer neuen Agenda für Kolumbien und ermuntert durch den eigenen Mut, ihren Protest auf die Straße zu tragen. Fast 20 Tote bei den Massenprotesten, die massive staatliche Repression durch Einsatz der Streitkräfte und der mobilen Anti-Terroreinheit ESMAD haben gezeigt, wie gefährlich es noch immer ist, in ihrem Land zu demonstrieren. Dazu reißt die Kette der Morde an linken Politikern, Gewerkschaftern und weiteren Aktivisten nicht ab. Es stimmt, die Sicherheitssituation für Aktivisten der Linken hat sich nicht verbessert, sondern sogar noch verschlechtert. Die Bedrohungen gegen sie und speziell gegen unsere Kandidaten haben zugenommen genauso wie die Gewalt, die wir erleiden. Darüber hinaus ist im Wahlkampf die Zahl der willkürlichen Verhaftungen beträchtlich gestiegen.

Wie passt das zu dem Bild, das sich Santos vor den Wahlen gibt, um als „Präsident des Friedens“ in die Geschichte seines Landes einzugehen? Schließlich hat er gegen den Willen seines Vorgängers Uribe die Friedensverhandlungen mit der FARC angestoßen und bis heute verteidigt.
Santos will einzig und allein den bewaffneten Konflikt beenden, eine Unterschrift unter ein Friedensabkommen, mehr nicht. Die sozialen Bewegungen dagegen wollen viel mehr. Sie wollen eine nachhaltige Lösung für die großen Probleme Kolumbiens, streben einen Wiederaufbau des Landes durch ein neues ökonomisches Modell an, das einen wahren Frieden möglich macht.

Wie schätzen sie den Verlauf der Friedensverhandlungen in Havanna ein?
Es steht außer Zweifel, dass bisher mehr erreicht wurde als in allen vorausgegangenen Verhandlungen. Ich bin sicher, dass es letztlich zu einem Friedensabkommen kommen wird, das braucht die FARC genauso wie Santos. Dessen ungeachtet kennen wir nur wenige Einzelheiten über das bisher Vereinbarte, obwohl bereits drei der sechs Punkte der gemeinsamen Agenda abgehandelt wurden. Uns erreichen nur unvollständige Details, die wie die Sicherheitsgarantien für die Opposition auch noch im Widerspruch zur Realität stehen.

Wie könnten die Friedensverhandlungen (siehe LN 475) den Ausgang der Wahlen
beeinflussen?
Ich fürchte, zugunsten von Santos. Es gibt immer noch einen mächtigen Sektor, der den Frieden torpedieren will. Das weiß auch die Mehrheit des Volkes, die den Frieden will. Santos könnte sich daher bei vielen als kleineres Übel anbieten, der genau diesen Frieden garantiert.

Santos hatte außerdem angekündigt, bis zum Ende seiner Amtszeit Ländereien an 160 000 Familien zurückzugeben, was er nicht ansatzweise erreicht hat. Welche Hindernisse gibt es bei der Umsetzung des Gesetzes?
Zum einen handelt es sich um 10 Millionen Hek-tar geraubtes Land. Diese riesigen Ländereien befinden sich in den Händen von äußerst mächtigen Gruppen, die genau für diese Situation, für den Landraub und die Vertreibung, verantwortlich sind. Von ihnen, das heißt von den Großgrundbesitzern und den großen internationalen Unternehmen, gehen die Einschüchterungen aus, ausgeführt von den neuen Paramilitärs gegen diejeningen, die zu ihrem Land zurückkehren wollen, um es zu bearbeiten. Der Staat ist somit nicht in der Lage, diese Rückkehr zu garantieren.

Die Paramilitärs sind also trotz der von Präsident Uribe als großen Erfolg seiner Amtszeit verkauften Demobilisierung von circa 50.000 Paramilitärs weiterhin aktiv?
Ja, aber auf eine andere Art. Die Paramilitärs von heute treten zerstreuter, versprengter auf und dazu meist in kleinen Gruppen. Das Rückgabegesetz beziehungsweise seine Durchsetzung stellt für ihre illegalen Geschäfte durchaus eine Gefahr dar. Außerdem behindert der Entwicklungsplan der Regierung selbst die Umsetzung. Dieser setzt ganz auf agrarindustrielle Großprojekte, den Bergbau und die Erdölförderung statt auf eine kleinbäuerliche, nachhaltige Landwirtschaft. Auf diese Art unterstützt die paramilitärische Gewalt die großen Agrarfirmen, denn die nicht zurückgegebenen Landflächen fallen an den Staat, der in seinem Sinne darüber verfügen kann, indem er sie etwa ausländischen Großinvestoren überträgt.

Dabei hat Santos im In- und Ausland doch das Image eines moderaten Repräsentanten des dritten Weges zwischen der extremen Rechten und der Linken. Ist das nur ein Lockmittel für liberale Stimmen im vermeintlichen Zweikampf mit dem ultrarechten Uribe-Kandidaten Zuluaga?
Ganz offensichtlich. Eine Rivalität zwischen Santos und Uribe gibt es nur bei den Wahlen, nicht in ihrer Politik. Beide sind Protagonisten des gleichen neoliberalen Wirtschaftsmodells und wollen es sogar noch ausbauen, das Land noch mehr für ausländische Investoren öffnen und den multinationalen Unternehmen große Teile des kolumbianischen Territoriums ausliefern, was einem Ausverkauf des Landes gleich kommt.

Wie groß schätzen Sie seine Chancen auf eine Wiederwahl ein? Und wenn er wieder gewählt wird, sind dann Uribes politische Tage gezählt?
Die Wiederwahl Santos’ ist leider sehr wahrscheinlich. In diesem Fall wird Uribe seinen Einfluss in den Departements, den Gemeinden und bei ihren Bürgermeistern als mögliches Mitglied des Senats geltend machen, was er auch schon angekündigt hat.

Und Ihre eigene Kandidatin?
Mit Clara López haben wir eine starke Alternative. Sie wird aber nur als einzige linke Kandidatin eine Chance auf die Präsidentschaft haben. Dann also, wenn die Linke zu einer Übereinkunft findet und als einheitlicher Block auftritt. Ihr ersehnter Aufschwung kann nur das Produkt ihrer Einheit sein, hergestellt von unten nach oben durch den Druck der sozialen Bewegungen. Ich für meinen Teil habe in sie mehr Vertrauen als in die politische Bewegung.

Wie könnte ein neues Kolumbien danach aussehen?
Gerecht, sozial und damit friedlich. Das erfordert beispielsweise eine echte Agrarreform, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Förderung der nationalen Produktion und Neuverhandlungen der Freihandelsabkommen mit der EU, den USA und im Rahmen des Pazifik-Pakts. Außerdem gerechte Löhne sowie einen völligen Neuentwurf des Gesundheits- und Bildungswesens unter breiter Beteiligung der Bevölkerung.

Infokasten:

Kongresswahlen in Kolumbien

Am 9. März wird in Kolumbien ein neuer Kongress gewählt. Im Senat stehen 102 Kandidat_innen zur Wahl. Davon werden 100 Abgeordnete direkt gewählt; zwei Plätze sind indigenen Kandidat_innen vorbehalten. Zudem geht es um die 166 Sitze des Repräsentantenhauses. 161 Mandate werden direkt in den einzelnen Wahlbezirken gewählt; die restlichen fünf Plätze an zwei Vertreter_innen afrokolumbianischer und je eine_n Vertreter_indigener Gemeinden, politischer Minderheiten und der Exilgemeinde vergeben. In beiden Kammern dominieren derzeit die Konservativen. Die Kongresswahlen gelten als Stimmungstest für die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai, für die bereits fünf Kandidat_innen im Wahlkampf stehen. In den aktuellen Umfrageergebnissen führt der derzeitige Präsident Juan Manuel Santos von der Partei der Nationalen Einheit (La U). Sein ärgster Konkurrent scheint ausgerechnet Ex-Senator und Ex-Landwirtschaftsminister Óscar Iván Zuluaga zu sein, der als Statthalter für Ex-Präsident Álvaro Uribe (2002-2010) gilt. Dieser hatte erst vor einem Jahr die neue Partei „Demokratisches Zentrum“ (CD) gegründet. Zwar war Santos unter Uribe Verteidigungsminister, die von ihm aufgenommenen Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla (Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) führten allerdings zum offiziellen Bruch zwischen den von beiden repräsentierten Strömungen. Ex-Präsident Uribe selbst kandidiert für den Senat. Für die Konservative Partei steht derzeit Martha Lucía Ramírez auf der Bewerber_innenliste; ihr Rückzug wird noch erwartet. Auf Seiten der Linken treten Aída Abella für die Patriotische Union (UP) und Clara López für den Alternativen Demokratischen Pol (PDA) an. Aída Abella entging am 23. Februar in der Ölförderregion Arauca nur knapp einem Mordanschlag auf ihr Wahlkampfteam. Sie war erst kürzlich nach 17 Jahren aus dem Exil nach Kolumbien zurückgekehrt. Trotzdem scheint eine einheitliche Kandidatur, die von einem breiteren Linksbündnis gestützt wird, noch möglich, worauf besonders die sozialen Bewegungen drängen. Das würde die Karten im Rennen um die Präsidentschaft möglicherweise neu mischen.

Hürden auf dem Weg aus der Gewalt

Nichtregierungsorganisationen aus 14 Ländern der Amerikas haben Gruppenbefragungen von Geflüchteten und Interviews mit Vertreter_innen der Zivilgesellschaft durchgeführt, um herauszufinden, wie es um die Verwirklichung der Vereinbarungen steht, die mit der Erklärung von Cartagena 1984 getroffen wurden. Ab März dieses Jahres wird der Bericht Iniciativa Cartagena +30 („Initiative Cartagena +30”) im Internet zugänglich sein. Mit ihren Empfehlungen wollen die beteiligten Organisationen Einfluss auf die für Dezember geplante lateinamerikanische Ministerkonferenz in Brasilia nehmen, auf der ein flüchtlingspolitischer Aktionsplan verabschiedet werden soll.
Die „Erklärung von Cartagena über Flüchtlinge“ wurde vor dem Hintergrund des staatlichen und paramilitärischen Terrors in verschiedenen zentralamerikanischen Staaten Anfang der 1980er Jahre verabschiedet, als mehrere Millionen Menschen über die Grenzen ihrer Heimatländer vertrieben wurden. Die in ihr enthaltene Flüchtlingsdefinition geht über jene der Genfer Flüchtlingskonvention hinaus. Sie umfasst all jene Menschen, die sich zur Flucht veranlasst sehen „weil ihr Leben, ihre Sicherheit oder Freiheit durch allgemeine Gewalt, Aggression von außen, innere Konflikte, massive Menschenrechtsverletzungen oder andere Umstände, die zu schweren Störungen der öffentlichen Ordnung geführt haben, bedroht ist“. Die zehn lateinamerikanischen Erstunterzeichnerstaaten bekannten sich zum Verbot, Flüchtlinge an den Grenzen zurückzuweisen und dazu, sie in Bezug auf Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit und Sicherheit zu unterstützen.
Im Gegensatz dazu zeugen die aktuellen Befragungsergebnisse der Nichtregierungsorganisationen nun davon, wie weit Diskriminierungen gegen Flüchtlinge verbreitet sind. Vielfach werden sie mit Kriminalität in Verbindung gebracht. Xenophobe Vorurteile in Gesellschaft und Medien verbinden sich mit staatlichen Sicherheitsdiskursen. So wird in vielen Staaten des Kontinents der Zugang zum Asylverfahren durch die zunehmende Orientierung der Migrationspolitik an Fragen der nationalen Sicherheit erschwert. Das hat zur Folge, dass an den Grenzen immer wieder Menschen zurückgewiesen werden, die eigentlich einen Rechtsanspruch auf internationalen Schutz hätten. Angesichts dieser Fokussierung auf Sicherheitsfragen ruft Pablo Asa vom argentinischen Centro de Estudios Legales y Sociales (Zentrum für Rechts- und Sozialwissenschaften) die Zivilgesellschaft dazu auf, ein Gegengewicht zu setzen, „damit das Thema der Rechte nicht auf der Strecke bleibt”.
Im Kontext der „Versicherheitlichung“ der Migrationspolitik ist auch die Praxis verbreitet, Migrant_innen und Asylsuchende zu inhaftieren. In Mexiko werden Asylsuchende häufig für den Zeitraum des Verfahrens ihrer Freiheit beraubt. Das führt dazu, dass viele Flüchtlinge den Prozess vorzeitig verlassen und darauf verzichten, von Rechtsmitteln gegen ihre Ablehnung Gebrauch zu machen. Gisele Bonnici und Elba Coria von der International Detention Coalition (Internationaler Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Menschenrechte inhaftierter Flüchtlinge, Asylsuchender und Migrant_innen einsetzen; Anm. der Red.) erklären deshalb: „Bei der Inhaftierung von Migrierenden handelt es sich um eine Maßnahme, die dazu dient, den Mangel an effektiven Werkzeugen zur Aufnahme seitens der Staaten aufzufangen”.
Allein den Zugang zum Asylverfahren erschweren einige Staaten durch kurze Antragsfristen, so zum Beispiel Ecuador (15 Tage) und Mexiko (30 Tage). Angesichts fehlender Informationen über das Verfahren und seine Fristen droht der betroffenen Person deshalb die Inhaftierung und Abschiebung ohne Prüfung der Risiken. Alejandra Macías von der mexikanischen Organisation Sin Fronteras („Ohne Grenzen“) beschreibt die Situation: „Häufig wissen die Menschen, die in Mexiko ankommen, nicht, dass sie das Recht haben, Asyl zu beantragen, und wenn sie davon erfahren, sind die 30 Tage meist schon abgelaufen und sie haben keinen Zugang mehr zum Verfahren”. In Panama wird der größte Teil der Antragsteller_innen aufgrund einer restriktiven Vorstufe der Zulässigkeitsprüfung gar nicht erst zum Asylverfahren zugelassen.
Die beiden Regionen, aus denen gegenwärtig die meisten Menschen vertrieben werden, sind Kolumbien und Zentralamerika. In Zentralamerika – insbesondere im ‚Norddreieck’ Honduras, Guatemala und El Salvador – ist es die zunehmende politische und gesellschaftliche Gewalt, die Menschen zur Flucht über internationale Grenzen drängt. In Honduras ist seit dem Staatsstreich 2009 die soziale Ungleichheit massiv angewachsen, das Land verfügt über die mit Abstand höchste Mordrate weltweit. In El Salvador und Guatemala finden Vertreibung und Gewalt, vor allem gegen bäuerliche und indigene Aktivist_innen, auch im Zuge von Konflikten um extraktive Industrie- und Megaprojekte, wie zum Beispiel Staudämme, statt. Die drei Staaten weisen auch die höchste Rate an Feminiziden, also geschlechtsbasierten Morden an Frauen, auf dem Kontinent auf.
So verzeichnet Mexiko seit einigen Jahren steigende Zahlen an Asylanträgen von Zentralamerikaner_innen. Jedoch hat die im Zuge des „Drogenkriegs” entfachte Gewalt seit 2006 in Mexiko mindestens 70.000 Menschen das Leben gekostet. Aufgrund der verbreiteten Korruption und Straflosigkeit können kriminelle Gruppen weitgehend risikolos Migrant_innen entführen, misshandeln und erpressen. Menschenrechtsverteidiger_innen, vor allem in den Herbergen entlang der Transitmigrationsrouten (siehe LN 475), werden bedroht.
In Kolumbien dauert der jahrzehntelange bewaffnete Konflikt an. Neben weiterhin aktiven paramilitärischen Gruppen haben sich in den letzten Jahren andere bewaffnete Akteure ausgebreitet, die mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen. Zwar wurden im Rahmen der Friedensgespräche zwischen der FARC-Guerilla und der kolumbianischen Regierung erste Ergebnisse erzielt. Dies hat jedoch nicht zum Ende der Kampfhandlungen und der gewaltsamen Vertreibungen von Menschen geführt. Es ist unklar, inwieweit die Verhandlungen in Havanna überhaupt dazu beitragen werden, die Gewalt und die damit einhergehende Instabilität und Verletzlichkeit zu verringern, die Menschen zur Flucht innerhalb Kolumbiens oder über eine internationale Grenze, vor allem nach Ecuador, treiben.
Zusätzlich ist in den letzten Jahren auch die Zahl an Flüchtlingen und Migrant_innen aus Afrika und Asien in Lateinamerika gestiegen, teilweise als Reaktion auf die restriktive Migrationspolitik in Europa und Nordamerika. Nach einer Studie der Migrationsforscherin Luisa Feline Freier sind zum Beispiel viele Menschen aus dem Senegal nach Argentinien oder aus Pakistan nach Ecuador gekommen, um dort zu leben. Wie der Bericht der Cartagena-Initiative zeigt, stoßen Flüchtlinge aber auch in lateinamerikanischen Ländern auf eine restriktive Haltung. Und nicht nur was das Asylverfahren angeht.
Ein weiteres Problem, das vielen befragten Organisationen und Geflüchteten Sorge bereitet, ist die Frage der Dokumente, die Flüchtlingen und Asylsuchenden ausgestellt werden. So erweist sich zum Beispiel der Flüchtlingspass als mangelhaft, wenn es darum geht, ein Bankkonto zu eröffnen oder einen Kredit zu beantragen. Ein Flüchtling erzählt im Rahmen des Fokusgruppeninterviews in Venezuela: „Du musst meistens einen Venezolaner bitten, den Scheck auf seinen Namen ausstellen zu lassen, um ihn einlösen zu können, und für den Gefallen dann einen Anteil zahlen”. In Ecuador wurden Geflüchtete jahrelang in Einrichtungen des Sozial- und Bildungssystem abgewiesen, weil die Ziffernanzahl des Flüchtlingsdokuments nicht mit deren Computersystemen kompatibel war.
Auch bei der Arbeitssuche kommt es immer wieder zu Diskriminierungen, sei es aufgrund der Unkenntnis von Behördenmitarbeiter_innen und Arbeitgeber_innen über die Bedeutung des Flüchtlingsdokuments oder aufgrund von Fremdenfeindlichkeit. Im Gruppeninterview in Costa Rica erzählt ein Asylsuchender: „Obwohl wir eine Arbeitserlaubnis haben, verlangen sie die Aufenthaltspapiere. Die Leute erkennen das Dokument für Asylsuchende nicht als Arbeitserlaubnis an.” Noch prekärer ist die Situation, wenn Asylsuchende – wie in Guatemala, Panama, Mexiko oder der Dominikanischen Republik – rechtlich nicht arbeiten dürfen. Sie sind auf die Unterstützung sozialer Netzwerke oder informelle Arbeit angewiesen und damit in besonderem Maße von extremer Ausbeutung, Lohnbetrug und Übergriffen bedroht.
Was die ausgestellten Dokumente angeht, sticht Uruguay als positives Beispiel heraus: Flüchtlinge und Asylsuchende bekommen die gleichen Identitätsdokumente ausgestellt wie uruguayische Staatsbürger_innen. Damit wird Diskriminierungen beim Zugang zu Ressourcen unterschiedlicher Art entgegengewirkt. Im Gegensatz dazu fördert Belizes explizit homophobe Gesetzgebung die institutionelle Diskriminierung, indem sie sexuelle Beziehungen unter Männern mit einer Gefängnisstrafe belegt und homosexuellen Ausländer_innen die Einreise verbietet. Insgesamt sind von gesellschaftlicher und institutioneller Diskriminierung besonders diejenigen Geflüchteten betroffen, die zusätzlich wegen ihrer Geschlechtsidentität, ihrer sexuellen Orientierung, einer Behinderung, aus rassistischen oder anderen Gründen benachteiligt werden.
In der Dominikanischen Republik wurden 2010 per Entscheid des Verfassungsgerichts Tausende Nachkommen von Haitianer_innen, die zwischen 1929 und 2007 ins Land gekommen waren, zu Staatenlosen gemacht (siehe LN 474). Der massenhafte Entzug der Staatsangehörigkeit ist der bisherige Höhepunkt einer langen Geschichte von Diskriminierungen von Menschen aus Haiti in der Dominikanischen Republik. Ein Verbund von dominikanischen Organisationen der Zivilgesellschaft beklagt: „Die Ausweisungen und Massenabschiebungen von haitianischen Migrant_innen und ihren Angehörigen sind weiterhin die zentrale Achse der Anwendung der Migrationspolitik des dominikanischen Staates”.

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