
Als Schwarze, alleinerziehende Frau, Umweltaktivistin und studierte Juristin aus armen Verhältnissen war Vizepräsidentin Francia Márquez das Symbol für Klassenkampf, Feminismus und Antirassismus der 2022 angetretenen „Regierung des Wandels“ – und somit für viele Kolumbianer*innen der ausschlaggebende Faktor in der Präsidentschaftswahl, die Gustavo Petro ins Amt beförderte. Während des Wahlkampfs mobilisierte sie unter anderem Stimmen der Schwarzen Bevölkerung für ihn. Zu Beginn weckte die Zusammenarbeit des ersten linken Präsidenten Kolumbiens mit Márquez viele Hoffnungen für die marginalisiertesten Bevölkerungsgruppen. Seit Monaten zeigen sich jedoch deutliche Risse zwischen Petro und seiner Vizepräsidentin.
„Man will uns als Symbol, aber nicht als Volk mit einer Stimme”
Obwohl Petros Regierung wichtige Erfolge zu verzeichnen hat – die Erhöhung des Mindestlohns sowie eine Gesundheits-, Agrar- und Rentenreform –, zeigen sich immer wieder Probleme und Komplikationen. Ein Beispiel dafür ist die fehlgeschlagene Gründung des angekündigten Ministeriums für Gleichstellung zur Förderung von Inklusion und sozialer Gerechtigkeit. Die Verantwortung für dieses Unterfangen fiel Márquez zu. Seine Umsetzung schlug jedoch fehl, nachdem bürokratische Vorgaben nicht eingehalten wurden. Dies befähigte die Opposition, gegen das Ministerium zu klagen und das Projekt zu blockieren – der Plan hängt also weiterhin in der Luft.
Die Vizepräsidentin selbst äußerte sich frustriert über Hürden, die ihr von Kollegin Laura Sarabia der Verwaltungsabteilung der Präsidentschaft der Republik (DAPRE) in den Weg gestellt wurden. Als weiteren Grund für das Scheitern nannte sie gegenüber Caracol Televisión das ambivalente Konzept der finanziellen Durchführbarkeit des Ministeriums, das das Finanzministerium im Kongress vorgelegt hatte. Wer auch immer für die bürokratischen Abläufe verantwortlich war – Petro entließ Márquez als Ministerin für Gleichstellung.
Die Entlassung erfolgte jedoch unmittelbar, nachdem Márquez der Regierung Korruption vorgeworfen hatte, ohne spezifische Namen zu nennen. In einer Rede am 4. Februar erklärte sie: „Ich habe dazu beigetragen, dass diese Regierung gewählt wird, und es schmerzt mich, dass es zu Korruptionsfällen kommt. Das müssen wir offen sagen.“ Mit dem abschließenden Satz: „Vielleicht wird mich das wer weiß was kosten“, deutete sie möglicherweise bereits ihren Rücktritt an.
Petros Amtszeit ist durch interne Streitigkeiten gezeichnet. Im selben Monat forderte Petro sämtliche Mitglieder seines Kabinetts zum Rücktritt auf und formierte es neu. Als Grund nannte er Frustration darüber, dass von den 195 gesteckten Regierungszielen 146 nicht erfüllt worden waren. Auch hier kritisierte die Vizepräsidentin die Ernennung des neuen Stabchefs Armando Benedetti, dem Korruption und Gewalt gegen Frauen vorgeworfen werden.
Nach mehreren Monaten der Stille äußerte Márquez am 25. Juni ihre bisher schärfsten Vorwürfe. In einer Rede zum Internationalen Tag Afro-stämmiger Frauen und Mädchen sagte sie: „Man will uns für Fotos, aber nicht für die Entscheidungsfindung. Man will uns als Symbol, aber nicht als Volk mit einer Stimme. Man will, dass wir gehorsam sind, und wenn wir nicht gehorchen, folgen Bestrafung, politische Gewalt, Ausgrenzung und öffentliche Entmenschlichung.“
„Meine Hautfarbe macht mich für viele leider schuldig”
Bezüglich des Ministeriums für Gleichstellung äußerte sie außerdem, dass man ihr die Mission aufgetragen hatte, die Institution ohne Struktur, ohne Ressourcen und ohne Unterstützung aufzubauen. „Mir wurde vorgeworfen, [die Mission] nicht durchgesetzt zu haben, obwohl man mir nie das Werkzeug dafür gegeben hatte.“ Auch machte sie auf rassistische Vorurteile aufmerksam: „Es wurde die Vorstellung verbreitet, dass ich, weil ich Schwarz bin, sicher stehle, ohne einen Peso angefasst zu haben. Man behandelte mich wie eine Kriminelle, weil meine Hautfarbe mich für viele leider schuldig macht.“
Während die Vizepräsidentin 2022 noch die progressive Haltung der Petro-Regierung untermauerte, scheint sie heute entmachtet und enttäuscht. „Heute verstehe ich, warum so viele Menschen afrikanischer Herkunft, die an die Macht gekommen sind, schweigen. Und es liegt nicht daran, dass sie keine Ideen oder Fähigkeiten zum Regieren hätten.“ Berichte über Todesdrohungen gegen Márquez und ihre Familie verstärken diese Frustrationen. Es sind Drohungen, die nach dem Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten Miguel Uribe umso schwerer wiegen.
Die Wahl des ersten linken Präsidenten war ein wichtiger Schritt für ein Land, das nach wie vor stark von Ungleichheit geprägt ist. Dennoch scheint die Regierung sich oft selbst zu sabotieren und bietet der rechten Opposition eine ideale Angriffsfläche. Das Abstoßen einer so bedeutenden Repräsentantin des sozialen Fortschritts wie Francia Márquez verdeutlicht erneut die Instabilität der Petro-Regierung und könnte bei Wähler*innen Zweifel an den Werten des Präsidenten wecken. Laut dem Invamer-Institut ist seine Zustimmungsrate von 56 Punkten zu Amtsantritt inzwischen auf 29 Punkte im Juni 2025 gefallen, was die erneute Wahl eine*r linke*n Präsidentschaftskandidat*in im nächsten Jahr unwahrscheinlich scheinen lässt.






