Zuviel gesiegt

Das ganze Jahr hindurch hatte der “CCD”, der “Demokratische Verfassungsgebende Kongreß”, getagt, nun lag dem Volke am 31.Oktober das Ergebnis seiner Arbeit zur Abstimmung vor: der Entwurf für eine neue peruanische Verfassung. Überraschungen enthält dieser nicht, hatte Fujimori doch bei der Wahl des Kongresses im November letzten Jahres mit nicht unbedingt demokratischen Mitteln klare Mehrheitsverhältnisse zu seinen Gunsten sichergestellt. Und so erschienen denn auch alle öffentlich umstrittenen Anliegen des Präsidenten in der Vorlage: die Stärkung der präsidentiellen Macht gegenüber dem Parlament, die Wiedereinführung der Todesstrafe und die Möglichkeit der einmaligen Wiederwahl des Präsidenten bis hin zu einer maximalen Amtszeit von zehn Jahren. Vor allem der letztgenannte Punkt setzte Fujimori heftiger Kritik aus, denn man darf davon ausgehen, daß er an sich selbst als ersten Nutznießer dieser Verfassungsänderung denkt.

Der “Präsident von Lima”

Für Fujimori war das Referendum damit auch schon ein erster Vorlauf für die Präsidentschaftswahl 1995. Mit der knappen Zustimmung der peruanischen Bevölkerung am 31.Oktober ist der Weg für eine erneute Kandidatur zwar formal frei, aber Fujimori kann mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Nur in der Hauptstadt Lima konnte er mit über 60% noch eine solide Mehrheit erreichen, während in vielen anderen Departements das “No” gewann. Schon tituliert die Zeitschrift “Sí” Fujimori als “Präsidenten von Lima”.
Drei Jahre lang hatte er es immer wieder geschafft, im richtigen Moment durch spektakuläre Erfolge Popularitätswerte von über 70% zu erzielen, obwohl er seinen WählerInnen einiges zumutete. Angefangen mit dem wirtschaftlichen Schockprogramm 1990 bis zu seinem “Selbstputsch” am 5.April 1992, als er Parlament und Obersten Gerichtshof auflöste, enthielt seine Regierungszeit allerhand Schwerverdauliches. Aber Fujimori traf mit seinem Auftreten meist ins Schwarze der öffentlichen Meinung. Bei seinem Putsch präsentierte er sich als starker Präsident, der mit dem korrupten Sumpf in Parlament und Justiz aufräumt. Den Höhepunkt des Erfolges bildete der 12.September 1992: Abimael Guzmán wurde verhaftet.
In jedem Fall konnte Fujimori für das Referendum auf die ungewollte Unterstützung der Opposition zählen. Die Kampagne für das “No” war ein Zankapfel zwischen mehreren Oppositionsparteien, von denen pikanterweise ausgerechnet die Ex-Regierungspartei von 1985 bis 1990, Alan Garcías populistische APRA, Führungsansprüche anmeldete. Die bloße Erwähnung der APRA sorgt bei der großen Mehrheit der PeruanerInnen nach wie vor für spontanes Entsetzen, so gesehen konnte die APRA-Spitze Fujimori keinen größeren Gefallen tun, als sich öffentlich vehement gegen den Verfassungsentwurf auszusprechen.

Vom Triumph ins Dilemma

Das wichtigste Element der Kampagne Fujimoris vor dem Referendum war die angebliche Kapitulation Sendero Luminosos. Sorgfältig hatte er die Veröffentlichung der Briefe Guzmáns inszeniert, um sich wieder einen Popularitätsschub in der öffentlichen Meinung zu verschaffen. Guzmán hatte dabei offensichtlich seine eigenen guten Gründe, das Spiel mitzuspielen (siehe LN 233). Fujimori, scheinbar im Besitz aller Trümpfe, könnte allerdings zu sorglos gepokert haben.
Peinlich genug war schon die Vorgeschichte. Unter Berufung auf vertrauliche Palastquellen hatten zwei große Zeitungen in Lima schon im Juli angekündigt, zum Nationalfeiertag am 28.Juli sei eine spektakuläre Äußerung von Abimael Guzmán zu erwarten, er werde die Kapitulation verkünden. Das ganze Land saß während der Präsidentenrede vor dem Fernseher, aber Fujimori erwähnte die Meldungen mit keinem Wort. Auch vor dem ersten Jahrestag der Festnahme Guzmáns am 12.September kochte wieder die Gerüchteküche. Als Fujimori am 1.Oktober vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen den ersten Brief Guzmáns präsentierte, war dieser zwar in Peru immer noch eine Sensation, aber trotzdem blieb der Eindruck, der Präsident habe mit den Guzmán-Briefen taktiert, um sie erst im für ihn geeigneten Moment des Verfassungswahlkampfes an die Öffentlichkeit zu bringen.
Mit seinem Triumphalismus angesichts der angeblichen Kapitulation Senderos hat sich Fujimori, ob es nun von Guzmán beabsichtigt war oder nicht, in ein Dilemma manövriert. Fujimori weiß, daß er mit seinem autoritären Regierungsstil auf die Unterstützung der öffentlichen Meinung angewiesen ist, will er nicht im eigenen Land als einsamer Diktator dem protestierenden Volk gegenüberstehen. Um diese Unterstützung zu behalten, braucht er beides: den Sieg über Sendero Luminoso und die weitere bedrohliche Existenz der Guerilla.
Der Sieg ist die nachträgliche Rechtfertigung aller undemokratischen Maßnahmen. Die Bevölkerung hatte Sendero tatsächlich als so große Bedrohung wahrgenommen, daß sie fast jede beliebige Initiative des Präsidenten mehrheitlich mitzutragen bereit war, solange sie Erfolg gegen den Terrorismus versprach. Ohne eindeutige Erfolgsmeldung mußte die Popularität des Präsidenten bröckeln, deshalb die bombastische Inszenierung des Postverkehrs zwischen Hochsicherheitsgefängnis und Präsidentenpalast.
Darüberhinaus war der Erfolg essentiell für das wichtigste Ziel Fujimoris: Er mußte ein Signal an das bisher so investitionsunwillige internationale Kapital aussenden. Schon als er 1990 das Amt antrat, formulierte er zwei zentrale Anliegen: den Sieg über den Terrorismus und die Anwerbung massiver Investitionen aus dem Ausland. Das Kapital kommt erst, wenn der Ausnahmezustand von Stabilität abgelöst ist und damit die Investitionsrisiken vermindert werden. Nicht zufällig war es die internationale Bühne der UNO, die Fujimori für die Bekanntgabe des ersten Briefes nutzte.
Genauso wichtig wie der Sieg über Sendero ist für den Erfolg Fujimoris in der öffentlichen Meinung allerdings auch die Existenz des Terrorismus. In dem Maße wie das subjektive Gefühl der unmittelbaren Bedrohung durch den Terrorismus bei den Menschen abnimmt, sinkt auch die Selbstverständlichkeit der Unterstützung für den Präsidenten. Fujimori hat seinen Zweck gewissermaßen erfüllt, für die immer weitere Konzentration der Macht in seiner Person fehlt ihm zunehmend die Legitimation. Der Präsident ist dabei, einen der wichtigsten Pfeiler seiner Macht eigenhändig zu untergraben. Die Möglichkeit, mit einer Angstkampagne vor einem Wiederaufleben Senderos die öffentliche Meinung auf seiner Seite zu behalten, birgt ein hohes Risiko, denn in dieser Argumentation läge das Eingeständnis, daß der Sieg nicht ganz so triumphal war, wie noch vor kurzem verkündet. Unbeschädigt kann Alberto Fujimori kaum noch aus diesem Dilemma herauskommen.

Nicht alle Senderistas sind verhaftet

Noch schwieriger wird Fujimoris Position durch die jüngsten Attentate Sendero Luminosos. Die noch aktiven Kader unterstrichen im Vorfeld des Referendums mit einer ganzen Serie von Anschlägen, daß sie keineswegs an Aufgabe denken. Es ist unklar, wie schlagkräftig die Reste Sendero Luminosos noch sind, ob es ein gemeinsames Oberkommando gibt oder ob einzelne “Säulen” isoliert voneinander handeln. Über die Entwicklungen in den noch funktionierenden Strukturen Senderos nach den Briefen Guzmans kann nur spekuliert werden. Interne Spaltungen sind ebenso denkbar wie eine Distanzierung der neuen Sendero-Elite, wenn es sie denn gibt, von der verhafteten Führungsschicht.
Fest steht, daß die Briefe Guzmáns nicht eine allgemeine Demoralisierung der verbliebenen Senderisten bewirkt haben, daß sie aber ganz offensichtlich weit davon entfernt sind, die Kraft für eine neue umfassende Offensive aufzubringen.
Die Frage ist, wie die Lage nun von der Bevölkerung wahrgenommen wird und wie das so heftig umworbene internationale Kapital reagiert. Die neuen Attentate Senderos machen Fujimori nicht völlig unglaubwürdig, aber das Image des “starken, kompetenten Führers” ist schon angekratzt. Auch die potentiellen Investoren dürften mit Aufmerksamkeit registriert haben, daß der offizielle Diskurs Teile der Realität sorgfältig ausspart.

An der Leine der Streitkräfte

In der öffentlichen Meinung hat Fujimori, wie das Ergebnis des Referendums zeigt, seine Mehrheit noch nicht verloren. Aber Fujimori ist ein Präsident, der von kurzfristigen Konjunkturen lebt. Er hat keine stabile soziale Basis und keine starke, ihn stützende Partei. Eine solche Herrschaft ist auf die plebiszitäre Zustimmung der Bevölkerung angewiesen, egal, ob diese den Präsidenten aus tiefster Überzeugung oder als kleineres Übel unterstützt. Wenn, wie in Peru, der Großteil der Unterstützung aus der pragmatischen Entscheidung für das kleinere Übel resultiert, kommen dabei Mehrheiten heraus, die in kürzester Zeit wieder verlorengehen können. Für Fujimori heißt das, daß auch kleine Anzeichen von Mißerfolg und Schwäche schon zu einem rapiden Popularitätsverlust führen können.
Angesichts dieser Gefahr muß sich Fujimori verstärkt auf andere Stützen seiner Macht verlassen, vor allem auf die Militärs, die ihn bisher vorbehaltlos unterstützten. Sie aber fordern für ihre Unterstützung einen Preis: Der Präsident soll ihnen den Rücken gegenüber Vorwürfen wegen Menschenrechtsverletzungen freihalten. Der Fall der verätzten Leichen von La Cantuta könnte dabei für Fujimori zum Prüfstein werden.
Am 18.Juli 1992 waren neun StudentInnen und ein Professor der Universität La Cantuta in Lima entführt und ermordet worden. Erst ein anonymer Brief an eine peruanische Zeitschrift ein Jahr später sorgte dafür, daß die Überreste der Leichen gefunden wurden. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Täter aus den Streitkräften kamen. Fujimori weiß, daß international die Menschenrechtssituation in Peru sehr aufmerksam verfolgt wird. Negative Schlagzeilen sorgen schnell für eine schwächere Verhandlungsposition Perus gegenüber anderen Ländern und den großen internationalen Finanzinstitutionen. Auch zwischen der gewachsenen Abhängigkeit von den Militärs einerseits und dem internationalen Druck in Sachen Menschenrechten andererseits sind die Spielräume Fujimoris außerordentlich klein geworden.
Fujimori hatte, ebenso wie Abimael Guzmán, große Pläne zur Schaffung einer “neuen Demokratie”, eines neuen Staates, der die marode Parteiendemokratie ablösen sollte. Guzmán hat seine Pläne bereits verschieben müssen. Vielleicht liegt für Fujimori in dem Triumph, seine Präsidentschaft bis ins Jahr 2000 verfassungsrechtlich möglich gemacht zu haben, gleichzeitig der Anfang seines politischen Endes. Wer davon profitieren wird, ob die alten politischen Parteien oder andere Kandidaten, ist eine Frage für sich. Aber die Jahre der absoluten Herrschaft Fujimoris scheinen vorbei zu sein. Der Spielraum für andere politische Optionen, welcher Couleur auch immer, ist größer geworden.

Das Recht auf trial and error in einer Welt ohne Beispiele und Bezugspunkte

“Reform oder revolutionäre Theorie und Praxis in Lateinamerika und Europa” lautete der Titel eines Internationalen Kongresses, den der Verein Monimbó aus Dietzenbach/Hessen in Zusammenarbeit mit Buntstift und der Stiftung Umverteilen organisiert hatte. Ein sowohl vom Alter als auch von den Nationalitäten ziemlich gemischtes Publikum von ungefähr 400 Leuten fand sich am 2. und 3. Oktober in der Frankfurter Uni ein.
Auf dem Podium des Hörsaals V1 saßen und referierten führende Vertreterinnen verschiedener linker Parteien und (ehemaliger) Guerillaorganisationen aus Brasilien, Cuba, Argentinien, Venezuela, E1 Salvador, Guatemala, Nicaragua und Chile. Einer der zentralen Diskussionspunkte war: Ist eine grundlegende Demokratisierung möglich, oder sind die formalen Demokratien, die in den letzten Jahren nach Abdankung der Militärs in Ländern wie Chile, Argentinien, Paraguay oder Brasilien entstanden sind, Fortsetzung der Diktatur mit anderen Mitteln?
Der argentinische Journalist Miguel Bonasso brachte die Fragestellung auf den Punkt: “Die sechziger Jahre waren die Zeit der revolutionären Bewegungen. In den siebziger Jahren kamen die Militärdiktaturen, die in den Achtzigern von formalen Demokratien abgelöst wurden. Was werden die neunziger Jahre bringen? Kommt jetzt wieder eine Phase der autoritären Staatsformen á la Fujimori in Peru, oder gibt es Möglichkeiten für linke Reformprojekte?” Die Kompetenz der lateinamerikanischen ReferentInnen konnte nicht über eine grundlegende Schwäche des Kongresses hinwegtäuschen: Die Zusammensetzung des Podiums spiegelte nicht gerade die Vielfalt der lateinamerikanischen Linken wieder, sondern nur deren parteipolitische Variante. Abgesehen von der Diskussionsleiterin Dorothee Piemont und Monica Baltodano von der FSLN waren Frauen lediglich in ihrer klassischen Funktion als Übersetzerinnen präsent.

Chance vertan: Soziale Bewegungen und Beiträge des Publikums waren kaum erwünscht

Auf die Anwesenheit von VertreterInnen sozialer Bewegungen war offenbar kein Wert gelegt worden, obwohl gerade diese in den letzten zehn Jahren in Lateinamerika entscheidende Impulse für eine Erneuerung linker Programmatik gegeben haben. Und so blieb es einer Lateinamerikanerin aus dem Publikum vorbehalten, darauf hinzuweisen, daß es mittlerweile auf kontinentaler Ebene zahlreiche Treffen und Zusammenschlüsse von Frauengruppen, Umweltverbänden, Bauernorganisationen, Schwarzen und indigenas gibt, die ja nicht zuletzt in der Kampagne gegen die offiziellen 500 Jahr-Feiern im vergangenen Jahr eine entscheidende Rolle spielten.
Was die Stimme der bundesdeutschen Linken auf dem Kongreß anging, war es fast schon grotesk, mit Wolf-Dieter Gudopp vom “Verein Wissenschaft und Sozialismus” einen Vertreter ausgerechnet jener orthodoxen, kopflastigen und verknöcherten Variante von Sozialismus eingeladen zu haben, die an der ideologischen Krise der Linken einen entscheidenen Anteil hat.
“Auch ich bin von der Begeisterung für Dinosaurier angesteckt.”Dieses modische Lippenbekenntnis Dorothee Piemonts bezog sich auf ihre These, daß der Kapitalismus auf Dauer nicht überlebensfähig sei. Mindestens genauso gut hätte dieser Satz jedoch auf das anachronistische Gestaltungskonzept des Kongresses gepaßt: An zwei Tagen wurde vor vollem Hörsaal eine Frontalveranstaltung sondergleichen abgezogen: Die meisten Redebeiträge lagen dem Publikum als deutsche Übersetzung vor. Aus “Zeitmangel” wurden fast alle Referate ohne Direkt-Übersetzung auf Spanisch abgelesen -eine Methode, die auf einen Teil des Publikums einschläfernd wirkte, während andere frustriert und wütend reagierten: “Da hätte ich mich ja besser mit dem Reader zuhause hinsetzen können.”
Für den Dialog mit der Basis blieb -“leider, leider” -wie die Diskussionsleitung immer wieder bedauerte -so gut wie keine Zeit. Auf diese Weise wurde nicht nur eine Chance vertan, die Perspektiven der lateinamerikanischen Linken in größerer Runde zu diskutieren. Auch die gegenwärtige Krise der bundesdeutschen Linken -und eventuell vorhandene Erneuerungskonzepte -wurde kaum reflektiert, geschweige denn diskutiert.

Revolutionärer Pragmatismus: Drei Mahlzeiten täglich für alle

Die lateinamerikanische Linke sieht sich zur Zeit mit politischen und wirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die neben einer langfristigen Perspektive auch ein konkretes Handeln erfordern: Ein Blick auf die politische Landkarte des Subkontinentes zeigt, daß die Situation in den verschiedenen Ländern so unterschiedlich ist, daß es schwerfällt, allgemeine Prognosen zu treffen. Von einer Entwicklung sind allerdings fast alle Staaten betroffen: Mit dem rigiden Durchsetzen neoliberaler Wirtschaftsprogramme hat sich die Situation für den Großteil der Bevölkerung weiter verschlimmert und die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft. Das Kürzen öffentlicher Ausgaben im sozialen Sektor und im Bildungsbereich und die Privatisierungen staatlicher Unternehmen haben immer mehr Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Heute ist es für viele Basisbewegungen in Ländern wie Peru oder Brasilien eine zentrale Forderung, den Hunger und das Massenelend zu beseitigen.
Wenn in seinem Land durchgesetzt werden könnte, daß die gesamte Bevölkerung dreimal täglich zu essen bekäme, so Nildo Domingos von der brasilianischen Arbeiterpartei (PT), wäre dies angesichts der jetzigen Situation schon eine revolutionäre Errungenschaft. Gleichzeitig sieht auch er die Gefahr, sich in tagespolitischen Forderungen aufzureiben: “Die Linke war bis vor kurzem zu dogmatisch. Nun ist sie zu pragmatisch.”
Mit dem Vorwurf eines zu großen Pragmatismus, der “Sozialdemokratisierung”, wurde auf dem Kongreß in Frankfurt insbesondere der Vertreter der FMLN aus E1 Salvador, Shafik Hándal, konfrontiert. Die ehemalige Guerilla, die Anfang letzten Jahres nach zwölfjährigem Kampf einen Friedens-und Demokratisierungsvertrag mit der Regierung aushandelte, hat gute Chancen, bei den Wahlen im kommenden März die Regierung zu übernehmen. Das Programm, mit dem die FMLN antritt, konzentriert sich auf eine grundlegende politische Demokratisierung und Entmilitarisierung der salvadorianischen Gesellschaft. Es sieht eine Stärkung genossenschaftlicher Eigentumsformen vor, will jedoch gleichzeitig die Marktwirtschaft erhalten. Gegenüber KritikerInnen betonte Handal: “Ob die Demokratie sich am Ende als eine bürgerliche, rein formale, oder als eine substantielle herauskristallisieren wird, ist eine offene Frage. Wir von der FMLN bestehen auf unserem grundlegenden Recht auf die Methode des trial and error in einer Welt, die uns weder Beispiele noch Bezugspunkte bietet.”
Neben der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit ist ein anderes zentrales Problem in vielen Ländern die Rolle des Polizei-und Militärapparates als Repressionsorgan und die Existenz paramilitärischer Todesschwadrone. Gerade die aktuelle Entwicklung des Friedensprozesses in E1 Salvador läßt daran zweifeln, ob sich diese Kräfte tatsächlich mit friedlichen Mitteln entmachten lassen -von einer systematischen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen ganz zu schweigen.

Der ‘Geist Bolivars’ -Trugbild oder politische Vision?

Auf dem Kongreß wurde deutlich, daß die meisten linken Parteien Lateinamerikas zur Zeit in erster Linie damit beschäftigt sind, Perspektiven auf nationaler Ebene zu entwickeln -mit unterschiedlichen Konsequenzen. Zwar wurde immer wieder die Notwendigkeit beschworen, sich auf kontinentaler Ebene zusammen-zuschließen und auch mit linken Bewegungen aus Afrika oder Asien zu kooperieren. Der “Geist Simón Bolivars”, des antikolonialen Befreiungskämpfers aus dem vorigen Jahrhundert, schwebte nicht nur in Form eines riesigen bemalten Transparentes über den Köpfen der Diskutierenden. Es wurde betont, daß es allein schon aufgrund der weltwirtschaftlichen Verflechtungen und der Interventionspolitik der westlichen Industriestaaten nicht möglich sei, den “Sozialismus in einem Land zu realisieren -siehe die Beispiele Kuba und Nicaragua. Durch den Niedergang des “realexistierenden Sozialismus” haben sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren weiter verschlechtert. Dazu Eleuterio Huidobro von der ehemaligen Guerilla und jetzigen Partei der “Tupamaros” aus Uruguay: “Früher sahen wir die Alternativen Sozialismus oder Faschismus. Heute ist eine dritte Alternative aufgetaucht, die sich besonders in einigen afrikanischen Ländern oder in Osteuropa zeigt: das Chaos.”
Trotzdem war die Stimmung auf dem Kongreß von Optimismus gedämpften Optimismus gekennzeichnet: Immerhin haben in einigen Ländern Lateinamerikas linke Projekte in den letzten Jahren an Boden gewonnen und deren VertreterInnen könnten in absehbarer Zeit Regierungsaufgaben übernehmen, beispielsweise in E1 Salvador, Brasilien oder Uruguay. Ein anderes sehr interessantes Projekt -in Deutschland bisher noch recht unbekannt -ist die “Causa R in Venezuela (vgl. LN 226):Diese Bewegung versucht, dem staatlichen Establishment eine dezentrale, basisdemokratische Gegenmacht entgegenzusetzen. Mit beachtlichem Erfolg: Mittlerweile stellt die “Causa R” unter anderem den Bürgermeister der Hauptstadt Caracas.
Was die politischen Programme angeht, sind die LateinamerikanerInnen zwar bereit, auch mit deutschen Linken zu diskutieren, wehren sich aber gegen Bevormundung. Dazu Huidobro aus Uruguay: “Es wäre wünschenswert, wenn sich die Deutschen mehr um ihre Probleme hier kümmern. Wir würden auch gerne in Lateinamerika ein Kommitee zur Unterstützung der Revolution in Deutschland gründen.”

“In einem Land, dessen Wahlen vom Ausland überwacht werden, gibt es keine Demokratie”

LN: Die ARENA-Regierung macht seit vier Jahren eine Politik, die sich gegen die Armen im Land richtet. Wieso gibt es nicht mehr Proteste gegen diese neoliberale Politik?
Dada Hirezi: Weil die Auswirkungen der Regierungspolitik durch andere Faktoren abgefedert werden. Vor allem durch das ganze Geld, das aus dem Ausland kommt. Nach offiziellen Zahlen überweisen die SalvadorianerInnen, die im Ausland leben, jedes Jahr über 900 Millionen Dollar an ihre Familien. Dazu kommt das Geld der Nichtregierungsorganisationen, internationale Hilfsgelder für den Wiederaufbau und die Dollars, die hier “gewaschen” werden. Außerdem erwarten die Menschen eh nichts mehr von der Regierung, die Ermüdung von dem langen Krieg ist ein weiterer Faktor.

Aber während des Krieges war die soziale Bewegung doch auch sehr stark. Die Menschen gingen auf die Straße, obwohl es gefährlich war…
Sie war gar nicht so stark an sich, der Krieg hat ihr Stärke gegeben. Heute fehlt ihr die Orientierung, sie weiß nicht mehr, wer Freund und wer Feind ist. Und in der FMLN gibt es Leute, die neoliberaler als die Privatunternehmer auftreten. Joaquín [Villalobos, Chef der FMLN-Organisation ERP; die Red.] hat bei einer Rede fast wörtlich gesagt, “Neoliberalismus und Sozialismus sind fast das gleiche”. Da weiß auch die soziale Bewegung nicht mehr, wohin.

Auch die FMLN scheint wie gelähmt. Weshalb?
Die FMLN hat ihr großes historisches Projekt verloren: den Triumph der Revolution. Es ist sehr schwierig für sie, ihren Platz in der neuen Gesellschaft zu finden. Dazu kommt, daß es fünf Organisationen mit unterschiedlichen ideologischen Positionen sind. Die FMLN muß sich von einer militärisch-politischen Organisation in eine politische Partei verwandeln und sich ein neues historisches Projekt suchen. Beide Prozesse gleichzeitig zu durchlaufen, ist enorm schwierig – noch dazu in so kurzer Zeit.

Würde dieser Prozeß der FMLN leichter fallen, wenn die Wahlen nicht schon im März 1994 wären?
Das weiß ich nicht. Die ganzen Zeiträume des Friedensprozesses sind zu abrupt. Ein Beispiel dafür sind die Waffen [die von Mai bis Juli in Managua und an anderen Orten entdeckt wurden; die Red.]. Der Zeitplan war einfach zu kurz gehalten. Niemand kann von einer Guerilla, die aus Mißtrauen gegenüber bestimmten Leuten zu den Waffen gegriffen hatte, erwarten, daß sie so einfach alle Waffen abgibt, wenn die gleichen Leute wie damals noch an der Macht sind. Wobei die Frage der Waffen auch ein gutes Bild der FMLN zeigt: sie hat den Krieg beendet, weil sie zu der Überzeugung kam, daß der Krieg beendet werden muß, und nicht etwa, weil sie keine Waffen mehr gehabt hat.

Glauben Sie nicht, daß die FMLN in der Frage der Waffen zu defensiv reagiert hat?
Zweifelsohne. Die FMLN ist in die Defensive geraten, weil alle über sie hergefallen sind. Wie zum Beispiel der UN-Generalsekretär, der eine Ungeheuerlichkeit (barbaridad) gesagt hat: “Der Waffenfund ist die bisher schlimmste Verletzung des Friedensvertrages”. Auch das Verhalten von General Humberto Ortega ist für mich ziemlich unverständlich. Jetzt ist die FMLN in eine tragische Situation geraten, aber sie hat sich in dieser Frage auch nicht sehr klug verhalten.

Wie schätzen Sie die Chancen der Linken bei den Wahlen ein ?
Noch vor einem halben Jahr hätte ich gesagt, daß die Linke in diesem Moment eine große Chance hat. Heute bin ich mir da schon nicht mehr so sicher. Die Gefahr besteht, daß die Linke, wie schon öfter in der Geschichte El Salvadors und auch anderer Länder, diesen großen historischen Augenblick nicht nutzen kann. Die FMLN hat ihr Projekt verloren und glaubt, daß sie auch keine Ideologie mehr hat. Es gibt Leute in der FMLN, die meinen, die FMLN dürfe nicht mehr links sein, um die Unternehmerkreise, die heute auf Seiten von ARENA stehen, zu gewinnen. Das ist falsch. Um glaubwürdig zu sein, muß die Linke bei den Wahlen auch als Linke auftreten. Niemand, der sich selbst verstellt, kann Vertrauen erwecken. Außerdem kann sie mit linken Positionen besser mit der Rechten verhandeln.

Ist Rubén Zamora der richtige Kandidat für die Linke?
Ich denke, Rubén ist der richtige Kandidat. Ein Präsidentschaftskandidat muß Macht haben wollen, das ist auch völlig legitim. Und Rubén Zamora will an die Macht. Problematisch ist die Form, wie es zu seiner Kandidatur kam. Aber auch wenn es in den FMLN-Spitzen einige Leute gibt, die ihm nicht vertrauen, so hat er doch den Rückhalt der Basis der FMLN.

Und wie steht es um die Rechte, da gibt es doch auch wichtige Veränderungen. Bedeutet die Kandidatur des ARENA-Vorsitzenden Calderon Sol das Ende des Modernisierungsprozesses der salvadorianischen Rechten?
Das Projekt der Rechten ist noch nicht klar definiert. Aber daß mit der wirtschaftlichen Modernisierung auch die Demokratisierung einhergeht, war noch nie das Projekt der Rechten, weder von ARENA, noch von Cristiani. Viele Leute meinen, Cristiani sei ein Demokrat. Für mich ist Cristiani ein autoritärer Politiker mit gutem Benehmen (buenas modales) und einer großen Fähigkeit, im richtigen Augenblick zu verhandeln und Zugeständnisse zum geeigneten Zeitpunkt wieder zurückzunehmen.

Aber Calderon Sol ist doch noch weniger demokratisch…
Der Unterschied zu Cristiani ist, daß Calderon Sol kein gutes Benehmen hat. Aber es darf nicht vergessen werden, daß Cristiani die Kandidatur von Calderon Sol durchgesetzt hat. Er hat ihn vorgeschlagen, als ARENA Anfang Februar eine Statue von Roberto d’Aubuisson [dem Gründer von ARENA und langjährigen Organisator der Todesschwadronen in El Salvador; die Red.] einweihte. Cristiani sagte bei dieser Feier, Calderon Sol sei der einzige bei ARENA, der das Erbe von d’Aubuisson verwalten könne und deshalb neuer Präsident des Landes werden solle. Calderon Sol ist ein Kompromiß zwischen den verschiedenen Fraktionen, die es innnerhalb von ARENA gibt.

Hat die Demokratie eine Chance in El Salvador, wenn Calderon Sol die Wahlen gewinnt?
Das hängt davon ab, wie die Zivilgesellschaft auf die Regierung von Calderon Sol reagiert. Er glaubt nicht an die Demokratie. Aber er hat auch einen Vorteil: selbst die Rechte vertraut ihm nicht, sie hätte lieber einen anderen Präsidenten. Aber vieles ist einfach noch zu unklar. Dieses Land befindet sich in einem enormen Veränderungsprozeß. Die meisten Menschen meinten, daß es jetzt bereits Demokratie gebe und es vor allem darum ginge, die Einhaltung des Zeitplans des Friedensvertrages zu überwachen. Und es wurde vergessen, die Zivilgesellschaft zu stärken und ihre Organisationen untereinander zu vernetzen, um einen Gegenpol zur herrschenden Politik zu bilden.

Der Begriff Zivilgesellschaft ist ziemlich in Mode in El Salvador. Alle reden von der Zivilgesellschaft, dabei ist es ziemlich konfus, was damit gemeint wird…
Richtig. Es wird übersehen, daß die Menschen sich auch in der Zivilgesellschaft nach ihren eigenen Interessen gruppieren. Also die ArbeiterInnen gegen die Interessen der Unternehmen und umgekehrt und so weiter. Ein Problem ist, daß die Institutionen der Zivilgesellschaft noch sehr schwach sind, zuviel hängt noch von der Intervention internationaler Organisationen ab, deren Rolle aber immer schwächer wird, ohne daß es bereits salvadorianische Institutionen gäbe, die ihre Aufgaben übernehmen können. Es gibt mittlerweile einen Staatsanwalt für die Überwachung der Menschenrechte, aber nach wie vor ist ONUSAL [die UNO-Organisation, die den Friedensprozeß überwachen soll; die Red.] in diesem Bereich viel wichtiger. ONUSAL soll auch die Wahlen überwachen. Wir haben noch keine Institutionen, die wie in anderen Ländern dafür sorgen, daß die demokratischen Spielregeln eingehalten werden. In einem Land, dessen Wahlen vom Ausland überwacht werden, gibt es keine Demokratie. Es gibt in El Salvador einen Demokratisierungsprozeß, aber noch keine Demokratie. Die Zukunft der Demokratie in El Salvador ist ungewiß. Eine Rechtsregierung nach den Wahlen im nächsten Jahr würde fast sicher eine Rückkehr zum Autoritarismus bedeuten.

Putsch und Gegenputsch

Der erste Putsch

Am 25. Mai um sieben Uhr morgens gab Präsident Jorge Serrano über Rundfunk und Fernsehen bekannt, daß er Teile Verfassung außer Kraft gesetzt habe. Er habe den Kongreß, den Obersten Gerichtshof, das Verfassungsgericht und die Generalstaatsanwaltschaft aufgelöst und den Menschenrechtsprokurator Ramiro de León seines Amtes enthoben. Er hob auch Versammlungsfreiheit, Streikrecht und Meinungsfreiheit auf und schaltete die Medien gleich. Serrano begründete seinen Putsch von oben mit dem Kampf gegen die Korruption, den Drogenhandel und der schlechten Amtsführung des Kongresses sowie des Obersten Gerichthofes.
Die Reaktionen auf Serranos Putsch waren einhellig ablehnend. Das Verfassungsgericht erklärte am 26. Mai die Maßnahmen Serranos für gesetzlich ungültig. Auch die Oberste Wahlbehörde lehnte es ab, eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen, wie Serrano am Tag zuvor angekündigt hatte. Arbeitsminister Mario Solorzano und andere Kabinettsmitglieder traten aus Protest gegen Serranos Vorgehen zurück, genauso wie einige BotschafterInnen Guatemalas im Ausland.
Außer in Peru wurde der Putsch auch im Ausland heftig verurteilt. Am 27. Mai kündigte der Sprecher des US-State-Departments Richard Boucher an, die wirtschaftliche Unterstützung einzufrieren. Außerdem könnten die Handelspräferenzen für ein Land, in dem die Arbeitsrechte nicht respektiert würden, nicht aufrechterhalten werden. Am 26. Mai knüpfte die deutsche Bundesregierung die weitere Zusammenarbeit mit Guatemala, “einschließlich der Entwicklungshilfe”, an die Rückkehr zur demokratischen Ordnung und die strikte Einhaltung der Menschenrechte. Am 29. Mai kündigte auch die EG- Kommission die Suspendierung ihrer Hilfe an.

Die Volksbewegungen zeigen Mut

Trotz der massiven Militär-und Polizeipräsenz auf den Straßen setzten sich die Volksorganisationen über das Demonstrationsverbot hinweg. Dabei spielte Rigoberta Menchú eine wichtige Rolle, als sie am 26. Mai gemeinsam mit der Katholischen Kirche, dem Rektor der Universität San Carlos und der Trägerin des alternativen Nobelpreises, Helen Mack für den nächsten Tag zu einer Messe in der Kathedrale der Hauptstadt aufrief, mit der das Versammlungsverbot durchbrochen wurde. Nach der Messe überreichten 62 Organisationen im Nationalpalast ein Dokument, in dem sie die “sofortige Rückkehr zur institutionellen Ordnung” forderten. Auch der abgesetzte Menschenrechtsprokurator Ramiro de León Carpio hatte das Papier unterschrieben. Er verwandelte sich schnell in ein Symbol des Widerstands. Nachdem er sich schon am 26. Mai von seinen Funktionen selbst entbunden hatte, schloß er am 31. Mai seine Behörde und rief zum zivilen Ungehorsam auf. In einem offenen Brief an die guatemaltekische Bevölkerung erklärte de León seine “totale und absolute Ablehnung” der von Präsident Serrano getroffenen Entscheidungen.

Das Militär eiert hin und her

Verteidigungsminister Garcia Samayoa hatte zunächst den Diktator Serrano vorsichtig unterstützt. Wenn Serrano diesen Schritt nicht unternommen hätte, “wäre das Land in eine anarchische Krise mit schwerwiegenden Konsequenzen geraten”, rechtfertigte er am 27. Mai den Putsch. Doch drei Tage später -nach einer Zusammenkunft mit einer im Land weilenden OAS-Delegation -versicherte Garcia Samayoa, die guatemaltekische Armee wünsche die “schnellstmögliche” Rückkehr zur verfassungmäßigen Ordnung. “Die Ereignisse basieren nicht auf einer militärischen sondern einer politischen Entscheidung. Wir wurden erst kurz vor der Außerkraftsetzung der Verfassung informiert.” An dem Treffen mit dem Generalsekretär der OAS, Joao Baena Soares, nahmen auch Generalstabschef Roberto Perussina, der Chef des Sicherheitsstabes des Präsidenten, Francisco Ortega Menaldo, der Geheimdienstchef der Armee, Otto Pérez Molina, und der stellvertretende Generalstabschef Mario Enriquez teil.

Der zweite Putsch

Am 1. Juni um 11.00 Uhr überreichten die Kommandanten der 22 Militärzonen Serrano ein Dokument, in dem sie ihm die Präsidentschaft entzogen. Zugleich überflogen Hubschrauber den Nationalpalast. Auf einer Pressekonferenz erklärte Verteidigungsminister Jose Garcia Samayoa, daß damit dem Urteil des Verfassungsgerichtes vom 26. Mai Gültigkeit verschafft werden solle. In dem Urteil war das Dekret von Serrrano für null und nichtig erklärt worden. Die Armee werde auf der Basis dieses Urteils der Verfassung zur Wirksamkeit verhelfen.
Garcia Samayoa verkündete: “Der Präsident der Republik hat sich für die Aufgabe seines Amtes entschieden.” Serrano jedoch weigerte sich mehrere Stunden lang, seinen Rücktritt zu unterzeichnen. In den erneut gleichgeschalteten Radios und Fernsehsendern wurden die Mitglieder des Verfassungsgerichtes aufgefordert, in den Nationalpalast zu kommen. Dort wurde dann ein fünfstündiges Treffen abgehalten, an dem Menschenrechtsprokurator Ramiro de León, Unternehmer, Parteien und Militärs teilnahmen. Der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu, die eine Beteiligung der Volksorganisationen an diesen Verhandlungen forderte, wurde der Zutritt zu dem Treffen verweigert.
Rigoberta Menchu Tum vertrat die Forderungen der neugebildeten “Multisectorial Social”, eines Zusammenschlusses von Organisationen der Volksbewegung und der Universität San Carlos. In mehreren Demonstrationen lehnte die “Multisectorial Social” die Übernahme der Präsidentschaft durch den bisherigen Vizepräsidenten Gustavo Espina ab, forderte Prozesse gegen Serrano und Espina und verlangte, den Kongreß von “korrupten Dieben” zu säubern.

Auf dem Weg vom Menschenrechtsprokurator zum Präsidenten

Ramiro de León hatte am 1. Juni den Putsch der Armee gegen Serrano ge rechtfertigt: Der Putsch sei “vollständig im Rahmen der Verfassung”. Die Militärs hätten in Übereinstimmung mit dem Urteil des Verfassungsgerichts interveniert, um zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückzukehren, “ohne die Macht auch nur eine Minute auszuüben”. Am folgenden Tag kündigte er die Wiedereröffnung seiner Menschenrechtsbehörde an, mußte dann allerdings feststellen, daß mittlerweile die Militärspitze den ehemaligen Vizepräsidenten Gustavo Espina unterstützte. Dieser könne nicht ernannt werden, da er wegen Verfassungsbruchs angeklagt sei, so de León Carpio. Er verlangte von Verteidigungsminister José Garcia Samayoa, daß er der Nation eine Erklärung über das Chaos gebe, in dem das Land versunken sei. Doch Verteidigungsminister Garcia vergrößerte das Chaos noch, indem er zunächst nicht nur Serranos Rücktritt, sondern auch den des Vizepräsidenten Espina verkündet hatte. Als sich die Armee dann aber nicht in der Lage sah, eine von Espina unterschriebene Rücktrittsurkunde vorzulegen, erklärte der Verteidigungsminister plötzlich Espina zum verfassungsmäßigen Präsidenten Guatemalas. (Nach anderen Versionen hatte sich Espina vorher selbst zum Präsidenten ausgerufen.) In der Nacht zum 3. Juni versammelten sich Tausende vor dem Parlamentsgebäude und äußerten ihren Unmut mit Sprechchören wie “Wir wollen nicht das Militär. Wir wollen nicht Espina”. Schließlich urteilte das Verfassungsgericht am 4. Juni, daß Espina dieses Amt wegen seiner Beteiligung
am Staatsstreich von Serrano nicht ausüben könne, woraufhin die Armee nun dem Verfassungsgericht umfassende Unterstützung zusicherte.

Zweigeteilte Zivilgesellschaft

Nachdem das Verfassungsgericht dem Kongreß am 4. Juni eine vierundzwanzigstündige Frist gesetzt hatte, um einen neuen Präsidenten zu wählen, trafen VertreterInnen der Privatwirtschaft, der Parteien, Gewerkschaften, Kooperativen und der Universität San Carlos unter Ausschluß der “Multisectorial Social” eine Übereinkunft über die Rückkehr zur verfassungmäßigen Ordnung. Sie einigten sich auf sechs Punkte, darunter den Rücktritt des amtierenden oder auch nicht amtierenden Präsidenten Gustavo Espina und die Wahl eines neuen Präsidenten durch den Kongreß. Die sogenannte “Instanz des Nationalen Konsens” überreichte das Dokument der Militärführung, die ihre volle Unterstützung zusicherte. Francisco Cali von der “Multisectorial Sociai” erklärte, daß weder Menchu Tum noch der Rektor der Universität das Dokument unterzeichnet hätten. Vielmehr hätten die Volksorganisationen noch vier weitergehende Forderungen: Prozesse gegen die Putschisten; Prozesse wegen Korruption; Ausschluß der Armee vom sozialen und politischen Leben; entscheidende Rolle der zivilen Gesellschaft bei den Entscheidungen über die Zukunft Guatemalas.
Die am 5. Juni für zehn Uhr morgens angesetzte Kongreßsitzung zur Wahl des neuen Präsidenten konnte wegen der intensiven Verhandlungen hinter den Kulissen erst um 18 Uhr beginnen. Neben Ramiro de León trat der am gleichen Tag von seinem Posten als Präsident der Obersten Wahlbehörde zurückgetretene Arturo Herbruger an. Herbruger zog seine Kandidatur allerdings zurück, als er im ersten Wahlgang mit 51 gegen 64 Stimmen unterlag. Da beide keine Zweidrittelmehrheit erreichten, mußte de León in einer weiteren Abstimmung um ein Uhr nachts noch bestätigt werden. In seinen ersten Erklärungen sagte de León, Guatemala müsse in sicheren Schritten einer besseren Zukunft entgegengehen, aber “ohne Revanche-oder Rachegefühle”. Er versprach, den hartkritisierten “Fonds für Vertrauliche Ausgaben” der Regierung abzuschaffen. aus dem sich die Präsidenten traditionell zur Bereicherung und Bestechung bedient haben und insbesondere die Meinungs-und Pressefreiheit zu respektieren. Neben dem Kampf gegen die Straffreiheit verpflichtete er sich auch zur strikten Einhaltung der Menschenrechte. Er kündigte die Einrichtung eines “permanenten Dialogmechanismus” mit den verschiedenen Ethnien an. Vorrangige Aufmerksamkeit werde er den Problemen im Gesundheits-und Bildungssektor widmen und sofort eine Alphabetisierungskampagne beginnen.

Glückwünsche aus dem Ausland

Der frisch gewählte Präsident konnte sich vor Glückwünschen aus dem Ausland kaum retten. Schon zwei Tage nach seiner Wahl traf der stellvertretende US- Außenminister Clifton Wharton zu einem dreistündigen Gespräch mit de León
ein. Wie alle anderen Regierungen, die ihre Wirtschaftshilfe nach dem Staatsstreich vom 25. Mai eingefroren hatten, kündigte er die sofortige Wiederaufnahme an. Das Auswärtige Amt in Bonn kommentierte: “Ramiro de León Carpio genießt aufgrund seiner Arbeit als Menschenrechtsprokurator großes Vertrauen in der guatemaltekischen Bevölkerung”.
León Carpio ernannte als erstes den in die Staatsstreiche verwickelten General Jorge Roberto Perussina zum neuen Verteidigungsminister, der zur harten Linie im Militär gezählt wird. Die beiden anderen Putschgeneräle Ex-Verteidigungsminister Garcia Samayoa und der Ex-Chef des Sicherheitsstabs des Präsidenten Ortega Menaldo wurden in den Ruhestand beziehungsweise in die Provinz versetzt.
Aus den ersten Erklärungen de Leóns 1äßt sich erkennen, daß er nicht vorhat, sich mit der Armee anzulegen. Solange es bewaffnete Auseinandersetzungen gebe, würde der Militärhaushalt nicht gekürzt, erklärte er. Auf internationaler Ebene löste er zunächst Befremden aus, als er sich zum Verhandlungsprozeß mit der Guerilla äußerte. Die Friedensgespräche seien keine Priorität seiner Regierung, weil der Wechsel an der Regierungspitze den Krieg “überflüssig” machen würde. Wichtiger sei es, den demokratischen Prozeß zu konsolidieren. Die URNG- Guerilla hatte am 10. Juni ein direktes Treffen mit dem neuen Präsidenten in Anwesenheit des Vermittlers vorgeschlagen. Das Zögern von de León Carpio ist wahrscheinlich damit zu erklären, daß er als ehemaliger Menschenrechtsprokurator nicht umhin könnte, das ausstehende Menschenrechtsabkommen zu unterzeichnen -was aber vom Militär kaum akzeptiert würde.
Die “Multisectorial Social” und Rigoberta Menchu begrüßten die Wahl de Leóns. Die Aktionen gegen die Militarisierung würden aber nicht aufhören, erklärte Rigoberta Menchú nach einem Gespräch mit de León am 9. Juni.
Der gestürzte Präsident Serrano befindet sich mittlerweile ohne seine Bankkonten mit 17 Millionen US-Dollar und mindestens 100 Immobilien im Exil in Panama. Das guatemaltekische Außenministerium beantragte am 8. Juni seine Auslieferung wegen Verfassungsbruch, Veruntreuung und Unterschlagung.

Berichtigung: Zwölf Monate sind ein Jahr, zwanzig Jahre gibt es die LN, das sind 240 Monate, und wenn die Inflation in Ecuador wirklich so hoch wäre, wie wir im letzten Heft auf Seite 9 behauptet haben, dann wären heute sicher nicht mehr 1800 Sucres einen Dollar wert, sondern die EcuadonanerInnen müßten in Millionen rechnen. Tatsächlich nämlich beträgt die Inflation nicht 50 Prozent monatlich, sondern im Jahr.

Erfolg für die Zivilgesellschaft?

Es wird noch eine Weile dauern, bis nach und nach an die Öffentlichkeit dringt, was in der Zeit vom ersten Putsch am 25. Mai bis zum Amtsantritt von de León Carpio hinter den Kulissen passiert ist. Zu den dunkelsten Momenten gehört die Zeit zwischen dem zweiten Putsch am 1. Juni und der Wahl Carpios, als Guatemala tagelang ohne Präsident war, ständig eine Machtübernahme des Militärs mit dem dazugehörigen Blutbad befürchtet wurde und Verteidigungsminister Garcia Samayoa so oft die Position wechselte, daß nicht nur den mittleren Rängen im Militär klar wurde, daß ihre Führung unfähig sei, “sich auf der politischen Bühne zu bewegen”, wie eine mexikanische Zeitung berichtete.
Ein Blick hinter die Kulissen sollte Aufschluß darüber bringen, welche Machtkonstellation sich schließlich durchgesetzt hat. Dem läßt sich jedoch auch näher- kommen, indem man sich die HauptakteurInnen näher betrachtet, als da wären: Serrano, die Armee, die USA, die guatemaltekischen UntemehmerInnen, das Parlament, Ramiro de León Carpio, die Volksorganisationen und Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu.

Putsch Nummer 1: Serranos Mist

Der erste Putsch scheint auf dem Mist von Serrano gewachsen und seiner wach-senden Isolation von allen gesellschaftlichen Gruppen sowie einer drohenden Amtsenthebung wegen Korruption geschuldet.
Neben seinen ständigen Auseinandersetzungen mit der Presse und der katholischen Kirche drohte ihm eine ähnliche Korruptionsklage wie dem brasilianischen Präsidenten Femando Collor de Mello und dem venezolanischen Präsidenten Carlos Andres Pérez. Am 23. Mai kündigte der Parlamentspräsident Beweise für die Korruption des Präsidenten an. Der aufgelöste Kongreß erklärte am 27. Mai, daß vorgesehen war, 5.000 Unterschriften vorzulegen, mit denen ein Prozeß gegen Serrano wegen “illegalem Erwerb von Gütern, Unterschlagung und Korruption” angestrengt werden sollte.
Die Hardliner in der Armee wiederum hatten als Ergebnis der Friedensverhandlungen eine bedingungslose Kapitulation der Guerilla gefordert und fanden die Verhandlungen bereits zu weit fortgeschritten. Mit den Diskussionen um eine Wahrheitskommission und mit der Verurteilung des Hauptmanns Hugo Contreras am 11. Mai für den Mord an dem mutmaßlichen Agenten der US-Drogenbehörde, Michael Devine, die nur aufgrund des Drucks der USA zustande kam, riß der Geduldsfaden der Armee endgültig.
Schon Tage vor dem Putsch war Guatemala-Stadt militarisiert, um die massiven Proteste von.SchülerInnen, StudentInnen und öffentlichen Angestellten gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik mit Aufstandbekämpfungseinheiten zu unterdrükken. Seit Ende April hatten Strom-und Buspreiserhöhungen zu massiven sozialen Unruhen geführt.
Serrano beteuerte zwar immer wieder, die Militärs hätten mit dem Staatsstreich nichts zu tun, es ist jedoch bekannt, daß er sich am 19. und am 24. Mai mit allen wichtigen Militärkornmandanten getroffen hatte. Und ohne die Unterstützung des Militärs hätte Serrano natürlich auch nicht putschen können. Auch die neue US-Botschafterin in Guatemala Marilyn McAfee, hat eingeräumt, daß die USA vor dem 25. Mai versuchten, Serrano von seinem Vorhaben abzubringen, daß sie also von den Putschplänen wußten.

Serranos Fehleinschätzungen

Serrano hatte offenbar weder damit gerechnet, daß die USA und die Europäische Gemeinschaft seinen Staatstreich so energisch verurteilen würden, noch hatte er den entschlossenen Widerstand in Guatemala selbst erwartet. Offensichtlich hoffte er auf den “Fujimori-Effekt”, daß er also die Unterstützung der Bevölkerung gewinnen könnte, indem er gegen den Kongreß und die Parteien vorging. Doch sowohl die Bevölkerung als auch die wichtigsten Instanzen des politischen Systems und selbst zahlreiche Regierungsmitglieder wandten sich gegen ihn. Die harte Reaktion der USA ließe sich dahingehend interpretieren, daß die Regierung Clinton eine Chance witterte, um Druck auf die guatemaltekischen Militärs auszuüben. Die nämlich sind dafür bekannt, immer wachsam ihre Unabhängigkeit von den USA zu hüten. Die USA setzten die wirksamste Drohung ein: die Streichung der Vorzugszölle für guatemaltekische Produkte im Rahmen der Handelspräferenzen, die für die guatemaltekische Privatwirtschaft wichtiger ist als jede direkte Finanzhilfe.
Damit wurde der UnternehmerInnen-DachverbandCACIF zwangsläufig in eine der Hauptrollen gedrängt, was sie aber wie üblich am diskretesten zu handhaben wußten. Sofort nach der Ankündigung der USA forderte der Sprecher des CACIF die Minister Serranos auf, die Interessen des Landes über ihre Verbundenheit mit der Regierung zu stellen.
Obwohl einige Parteien die Militärs zu einem Staatsstreich gegen Serrano drängten, war die Möglichkeit der Armee, als “Retter der Demokratie” ihre eigenen Bedingungen durchzusetzen, durch den entschiedenen Widerstand der USA und der daraus folgenden Interessen der UnternehmerInnen eingeschränkt. Auch hatte niemand mit dem Auftauchen einer “zivilen Alternative” gerechnet, wie sie der Menschenrechtsprokurator Ramiro de León plötzlich bot. Offenbar waren es die PrivatunternehmerInnen, die mit Rückendeckung der USA Ramiro de León als idealen Kandidaten für eine musterhafte demokratische Regierung auch gegen den Willen der Armee durchsetzen konnten. Dazu kam die Zerstrittenheit der Armee, die nach dem Wegputschen Serranos offensichtlich keine eigene Regierungsoption vorzuweisen hatte.
Daß Ramiro de León gute Beziehungen zur Privatwirtschaft hat, läßt sich an seinem Lebenslauf erkennen. 1970 war er Mitglied der Kommission für Wirtschaftsintegration, von 1978 bis 1981 Rechtsberater des Aufsichtsamtes für Kreditwesen und von 1981 bis 1983 Geschäftsführer der Nationalen Zuckervereinigung. Außerdem war er Mitbegründer und Generalsekretär der “Nationalen Zentrumsunion” (UCN), und kandidierte bei den Wahlen 1985 für diese Partei als Vizepräsident. Die UCN ist die zweitgrößte Partei Guatemalas und steht Sektoren aus der privaten Exportwirtschaft nahe.
Obwohl auch die Volksorganisationen de León unterstützen, konnten sie an den Geheimverhandlungen zur Verteilung der Macht nicht teilnehmen. Es ist daher zweifelhaft, daß sich der neue Präsident durch ihre Unterstützung verpflichtet fühlt, sich auch ihrer Forderungen anzunehmen. Dennoch bewerten Volksorganisationen in ersten Reaktionen die Ereignisse positiv. Daß sie sich über das Versammlungsverbot hinweggesetzt hätten und die Massendemonstrationen vom Militär nicht hätten unterdrückt werden können, beweise ihre Stärke und ihren gewachsenen Spielraum, so ein Vertreter der Indigena-Organisation Majawil Q’ij. Wieviel Spielraum ihnen der neue Präsident innerhalb seiner Abmachungen mit der Privatwirtschaft zugesteht, bleibt abzuwarten. Dabei ist ein Pluspunkt für die Volksbewegung die Rolle, welche die Friedensnobelpreisträgerin als Vermittlerin zwischen Volksbewegung und den “hellhäutigen und eleganten Männern der Privatwirtschaft” hat.
Die Spielräume der Volksbewegung scheinen größer geworden zu sein -das An-sehen der politischen Parteien hat eher gelitten. Das Militär hat sich zwar nicht mit seinen Vorstellungen durchsetzen können, die Machtposition der Armee in Guatemala ist jedoch nicht ernsthaft beschnitten. Unklar ist, wie sich der bislang als Menschenrechtsprokurator in Konflikte mit dem Militär geratene de León Carpio als Präsident mit der Armee stellen wird. BeobachterInnen befürchten außerdem, daß die Militärs, denen auf der politischen Ebene die Zügel aus der Hand geglitten waren, in einer Art privater Revanche ihren Arger an anderen Gruppen, wie zum Beispiel den rückkehrenden Flüchtlingen auslassen. Und das – so zeigt es die blutige Geschichte der guatemaltekischen Armee – hat im Ausland noch selten zu einem Abbruch der Beziehungen geführt, umso weniger mit einem de León Carpio als Regierungschef.

Clintons Lateinamerikapolitik

Der Amtsantritt der Clinton-Administration und der Schichtwechsel nach Jahren unter Reagan und Bush scheint einen grundlegenden Wandel der US-amerikanischen Außenpolitik zu versprechen. Neue Persönlichkeiten sind nunmehr verantwortlich für die Diplomatie Washingtons – Persönlichkeiten, die in den letzten zwölf Jahren immer wieder grundsätzliche politische und ideologische Bedenken gegen die Außenpolitik ihrer Amtsvorgänger geäußert haben(…).
Allerdings verstellt ein Vergleich von Amtsträgern den Blick auf die grundlegende Kontinuität der Außenpolitik im Übergang von Bush zu Clinton. Die globalen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren dramatisch gewandelt, und sowohl Bush als auch Reagan hatten sich gezwungen gesehen, ihre Politik seit den späten 80er Jahren langsam zu verändern. Im Falle Lateinamerikas nahm bereits Bush bedeutende politische Kurskorrekturen vor, und allem Anschein nach wird Clinton nicht viel mehr tun, als ein wenig an diesen grundsätzlichen Veränderungen herumzubasteln.

Der Fall Haiti: Realpolitik statt Menschenrechte

Clintons erster Sprung in die Lateinamerikapolitik – der Fall Haiti – enthüllt, wie stark er sich an die Politik seines Vorgängers anlehnt. Während des Wahlkampfes betonte Clinton seine Differenzen mit Bush, als er eine weniger restriktive Einwanderungspolitik gegenüber den verfolgten Flüchtlingen aus Haiti forderte. Aber noch vor seinem Amtsantritt brach er dieses Wahlversprechen und erklärte, daß es bei der alten Immigrationspolitik bleiben würde. Das Team von Clinton befürchtete eine Welle von Flüchtlingen, die Gegenreaktionen auslösen und damit die innenpolitischen Vorhaben der Regierung gefährden würde.
Auch die generelle Politik gegenüber den haitianischen Militärs hat sich nicht wesentlich geändert. Clinton mag zwar etwas stärker als Bush auf der Wiedereinsetzung von Jean-Bertrand Aristide als Präsidenten Haitis bestehen. Aber wie unter Bush werden die Bedingungen, unter denen Aristide zurückkehren kann, dessen Handlungsspielraum einengen, um die sozialen und politischen Reformen durchzuführen, für die er anfangs gewählt wurde. Im Interesse von “Aussöhnung” werden, wenn überhaupt, nur wenige AnhängerInnen und Mitglieder der Militärregierung für ihre barbarischen Aktivitäten gegenüber dem haitianischen Volk zur Rechenschaft gezogen werden. Die Ähnlichkeiten der Haiti-Politik beider Administrationen wurden dadurch unterstrichen, daß Clinton für eine Übergangszeit an Bernard Aronson festhielt, der von Bush als Staatssekretär für Interamerikanische Angelegenheiten eingesetzt worden war.

Entwürfe der Republikaner – Umsetzung durch Demokraten

Bush nahm zwei grundsätzliche Kurskorrekturen der Lateinamerikapolitik vor, die als Grundlage für Clintons Politik dienen. Erstens ging die Bush-Administration dazu über, Verhandlungslösungen für Bürgerkriege und Guerilla-Konflikte, besonders in Mittelamerika, zu suchen. Bush und Außenminister James Baker erkannten schon früh die Notwendigkeit für eine Politik, die über die Forderung des rechten Flügels der Republikaner hinausging, am totalen Krieg gegen linke Bewegungen und Guerillas festzuhalten. Diese Haltung wurde deutlich durch die Besetzung des zentralen Postens für die Lateinamerika-Politik mit Bernard Aronson, einem Demokraten, der der Verhandlungspolitik gegenüber Nicaragua und El Salvador vorstand.
Die zweite grundsätzliche Veränderung trat ein, als die Bush-Administration einen neuen ökonomischen Ansatz verfolgte, um die lateinamerikanischen menschlichen und materiellen Ressourcen auszubeuten. Bush propagierte leidenschaftlich das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) und verkündete die export-orientierte “Enterprise for the Americas” (Ein vager Plan zur Schaffung einer gesamtamerikanischen Freihandelszone; Anm.d.Red.), und verschob somit den Schwerpunkt der Politik von verdeckter Kriegsführung hin zu Wirtschaft und Handel.
Grundlegende Veränderungen der Lateinamerikapolitik waren schon zuvor von Republikanern vorgenommen und dann von Präsidenten der Demokraten fortgeführt worden. Franklin Roosevelts Politik der “Guten Nachbarschaft”, die die “Kanonenboot”-Diplomatie des frühen 20.Jahrhunderts beendete, wurde schon von Henry Stimson, dem Außenminister unter Präsident Herbert Hoover, eingeleitet, der eine fortgesetzte Interventionspolitik in Mittelamerika als eher schädlich erachtete.
Später, in den 60er Jahren, wurde viel Wirbel um John F. Kennedys “Alliance for Progress” gemacht und um das große Gewicht, das Kennedy auf lateinamerikanische Entwicklung legte. Aber es wurde zumeist übersehen, daß diese Politik bereits in der zweiten Amtszeit von Dwight D. Eisenhower angelegt worden war. 1958 wurde Eisenhowers Bruder Milton auf eine Informationsreise durch Lateinamerika geschickt, der nach seiner Rückkehr empfahl, der Region mehr Aufmerksamkeit und Wirtschaftshilfe zukommen zu lassen, um der politischen Unruhe entgegenzuwirken, der er dort begegnet war. Die ‘Inter-American Development Bank’ wurde aufgebaut, und Präsident Eisenhower selbst unternahm 1960 eine Lateinamerikareise. Diese Visite führte zur ‘Deklaration von Bogotá’, die grundlegenden sozialen Wandel forderte, nun auch mit dem direkteren Ziel, ein Ausbreiten der 1959 siegreichen kubanischen Revolution zu verhindern.
Die Veränderungen der Lateinamerikapolitik in der Bush-Clinton-Periode gehen aus neuen internationalen Gegebenheiten hervor. Das Ende des Kalten Krieges fiel zusammen mit der Erkenntnis, daß die revolutionären Bewegungen in Mittelamerika militärisch nicht zu besiegen sein würden. Insbesondere das negative öffentliche Echo in den USA auf die fortgesetzte Interventionspolitik ließen Verhandlungslösungen in Mittelamerika als politische Option in den Vordergrund treten. Auf wirtschaftlicher Ebene erklärt die zunehmende Konkurrenz mit Japan und der EG sowie die allgemeine Schwäche der US-Wirtschaft das verstärkte Engagement der Bush-Administration in dieser Region. Die Präsidenten zahlreicher lateinamerikanischer Länder begannen, den ökonomischen Rezepten von Reagan und Bush zu folgen, die Freihandel und die Privatisierung des öffentlichen Sektors der Wirtschaft verlangten. Um in wirtschaftlich schwieriger Situation einen neuerlichen Fluß von privaten und öffentlichen Geldern aus den USA zu erlangen, verordneten lateinamerikanische Regierungen einschneidende Sparprogramme. Die Schulen, medizinischen Einrichtungen und die soziale Infrastruktur Lateinamerikas wurde geplündert, während Hunger und Unterernährung zunahmen.

Wirtschaftspolitik im Vordergrund

Die Clinton-Regierung hat keine grundsätzliche Kritik an diesem Zeitraum der wirtschaftlichen Verwüstung Lateinamerikas geübt. Wenn überhaupt, so hat sie im Gegenteil ihre Bereitschaft erklärt, die Wirtschaftspolitik der Bush-Administration mit nur unwesentlichen Veränderungen fortzuführen. Von der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich in dieser Region ist überhaupt nicht die Rede. Clinton, der sich gerne mit Kennedy vergleichen läßt, hat nichts Vergleichbares zu dessen reformistischer “Alliance for Progress” zu bieten.
Tatsache ist, daß Clintons Erklärung, er werde sich “wie ein Laser” auf die US-Wirtschaft konzentrieren, ihr Gegenstück findet in dem Versuch, Wirtschaft und Handel zum zentralen Bestandteil seiner Lateinamerikapolitik zu machen. Während der Übergangszeit vor dem Amtsantritt sprach sich herum, daß das Clinton-Team Wirtschaftsexperten suche, um die wichtigsten Posten im Bereich der Lateinamerikapolitik zu übernehmen, was ein Grund für die Wahl Richard Feinbergs als Lateinamerika-Verantwortlichen im Nationalen Sicherheitsrat ist. Obwohl Feinbergs frühere politische und wirtschaftliche Ansichten eher linksliberal waren, lehnen sich seine jüngeren Schriften eher ans Establishment an und spiegeln häufig die Bedenken von Institutionen wie dem IWF oder der Weltbank wider. Selbst das “Wall Street Journal” nahm ihn in Gnaden auf und salbte ihn als “Gemäßigten”.
Die allgemeine Auffassung in Washington ist, daß der Nationale Sicherheitsrat unter Anthony Lake eine Schlüsselstellung in der Formulierung außenpolitischer Ziele einnimmmt, während das Außenministerium unter Warren Christopher für die Umsetzung zuständig ist. Clintons Haltung, direkt in alle politischen Entscheidungsprozesse eingreifen zu wollen, wird durch diese Arbeitsteilung unterstützt, da der Nationale Sicherheitsrat im Weißen Haus ansässig ist. Lake kommt wie Feinberg vom progressiveren Flügel der Demokraten. Aber auch Lake hat in den letzten Jahren eine zunehmend gemäßigtere Haltung angenommen, und es wird nicht erwartet, daß er oder Feinberg kühne neue Positionen im Nationalen Sicherheitsrat vertreten. (…)
Die Bedeutung Lateinamerikas für Clintons gesamte Wirtschaftsstrategie wird unterstrichen durch die Anzahl von Personen, die Schlüsselpositionen in der Regierung besetzen und ghleichzeitig Mitglieder der Denkfabrik “Inter-American Dialogue” sind, die in den frühen 80er Jahren gegründet wurde. Diese Organisation entwarf zunächst eine alternative Lateinamerikapolitik, die sich deutlich von der Reagans unterschied. In den letzten Jahren allerdings entwickelte sich der “Dialogue”, mit Mitgliedern aus den USA, Kanada und zahlreichen lateinamerikanischen Ländern, immer mehr zu einem hochrangigen Forum, in dem sich politische, akademische, ökonomische und sogar militärische Eliten regelmäßig zum Gedankenaustausch zusammenfinden. Neben Christopher und Feinberg sind auch Clintons Innenminister Babbitt, Wohnungsminister Cisneros und Verkehrsminister Peña Mitglieder dieses Forums, welches nationale und internationale Persönlichkeiten zusammenbringt, um Strategien zur Stabilisierung der kapitalistischen Welt zu entwerfen.

Clintons Strategie-Papier: Wenig Neues aus der Denkfabrik

Der jüngste Bericht, der vom “Dialogue” herausgegeben wurde, “Convergence and Community: The Americas in 1993” spiegelt die Themen wider, die viele Mitglieder der Regierung am meisten beschäftigen. Er ist ähnlich bedeutsam, wenn auch weniger spektakulär als die Strategiepapiere voriger Administrationen, in denen Carter zur Formulierung einer Menschenrechtspolitik und der Neuverhandlung der Panama-Verträge aufgefordert wurde (Linowitz-Bericht 1976) oder sich Reagan gegenüber für eine aggressive Politik gegenüber revolutionären Bewegungen in Mittelamerika ausgesprochen wurde (Santa Fe-Bericht 1980). “Convergence an Community” ist ein Dokument der liberalen politischen Mitte und spiegelt als solches die zunehmend geringere Bedeutung des Gegensatzes konservativ versus progressiv in weiten Teilen der Außenpolitik wider. Seine zentralen Vorschläge unterscheiden sich nur wenig von der Poliik der Bush-Administration. Der erste Abschnitt des Berichtes ist eine volltönende Zustimmung zur NAFTA und fordert ähnliche Handelsabkommen mit anderen lateinamerikanischen Staaten, in erster Linie mit Chile.
Der zweite Abschnitt befürwortet eine “kollektive Verteidigung der Demokratie”, weicht aber nur wenig von der Politik von Baker und Bush ab. Es gibt keine Diskussion über Basisdemokratie oder die Schaffung neuer demokratischer Institutionen, durch die die verarmten und entrechteten Massen der Region in den politischen Entscheidungsprozeß einbezogen werden könnten. Wenn Militärregime die Macht ergreifen, schlägt der Bericht Verhandlungen ála Haiti vor, um die Machthaber zur Abgabe der Regierungsgewalt an Zivilisten zu bewegen. Der bericht proklamiert keinen grundsätzlichen Wandel in den traditionellen militärischen oder politischen Institutionen, die überhaupt erst zu Machtergreifungen des Militärs führen.
Der Schlußteil von “Convergence and Democracy” fordert tatsächlich eine Auseinandersetzung mit “den Problemen von Armut und Ungleichheit” in der Hemisphäre. Aber es gibt nichts Neues oder Innovatives in diesem Abschnitt. (…) Tatsächlich lesen sich die ersten Thesen dieses Teils wie ein Auszug aus neoliberalen Wirtschaftsprogrammen, insbesondere durch die Behauptung, daß fiskalische Zurückhaltung und “nicht ausufernde” Staatsausgaben Grundlage für die Bekämpfung von Armut seien.

Ökologie und Auslandshilfe: Kosmetik oder Kurswechsel?

Obwohl Clintons Lateinamerikapolitik im wesentlichen der von Bush ähneln wird, werden andererseits Veränderungen in der Herangehensweise und in der Wahl der Schwerpunkte zu beobachten sein. (…) Dies wird zum Beispiel belegt durch die Zusatzprotokolle zu ökologischen und arbeitsrechtlichen Fragen, die die Clinton-Administration zur NAFTA entwerfen will. Gewerkschaften und Umweltschutzverbände sind einfach wesentlich stärker in der Demokratischen Partei vertreten als bei den Republikanern, und Clinton kann diese Interessengruppen nicht ignorieren.
Man kann außerdem unter Clinton und Gore erwarten, daß die “Agency for International Development” (AID) ihren Schwerpunkt stärker auf “angepaßte Technologie” und “nachhaltige Landwirtschaft” legen wird. Die Berufung von Umweltschützer Timothy Wirth, einem ehemaligen Senator aus Colorado, als Leiter der neuen Abteilung für “Global Issues” im Außenministerium bedeutet, daß ökologische Fragen mehr Berücksichtigung in Entwicklungshilfeprogrammen finden werden.
Eine interessante Frage ist, ob die Regierung so weit gehen wird, den Empfehlungen des Weißbuches “Reinventing Foreign Aid” (in etwa: “Auslandshilfe neu überdacht”) zu folgen. Dieses Papier, ausgearbeitet und unterstützt von einem breiten Spektrum von Einzelpersonen des Kongresses, Washingtoner Denkfabriken und Nichtregierungsorganisationen, fordert die Abschaffung der AID und deren Ersetzung durch eine “Sustainable Development Cooperation Agency”. Dies würde das Ende vieler Hilfsprogramme alten Stils bedeuten, unter anderem für direkte Unterstützung an Regierungen zum Ausbau des Sicherheitsapparates. Stattdessen würden mehr Gelder an Basisgruppen und ökologische Landwirtschaftsprojekte fließen. Der Bericht fordert Vizepräsident Gore auf, einer Koordinationsgruppe für Entwicklungshilfe vorzustehen, die Hilfsprogramme und die damit verbundenen Organsiationen beaufsichtigen würde, die staatliche Gelder beziehen.
Ein zentrales Thema, welches Spannungen und Debatten auslösen und schon sehr bald auf der Tagesordnung stehen wird, ist, wie stark sich die Administration im ökologischen Bereich engagieren sollte. In der Lateinamerikapolitik der Regierung ist ein innerer Widerspruch angelegt zwischen umweltpolitischen Fragen und der Ausdehnung von US-Märkten und Investitionen. Selbst wenn ein relativ striktes NAFTA-Protokoll zum Umweltschutz ausgearbeitet werden sollte, bleibt zweifelhaft, wie energisch es umgesetzt wird.
In den vergangenen Jahren hat die mexikanische Regierung als Reaktion auf US-amerikanische Bedenken eine Reihe von Schutzerlässen im Bereich von Menschenrechten und Ökologie verfügt, obwohl diese häufiger gebrochen als eingehalten wurden. Aber solche Gesetze geben Basisorganisationen in Mexiko und den USA mehr Spielraum, um auf Veränderungen zu drängen. Dieselbe Dynamik des Drucks von unten wird auch während Clintons Amtszeit notwendig sein, um Versuche von multinationalen Konzernen zu vereiteln, bei ihrer Expansion nach Süden im Rahmen der Freihandelsabkommen umweltrechtliche Bestimmungen zu ignorieren.

Die Rechten verlieren an Boden

Ein weiterer Unterschied zwischen den Präsidentschaften von Bush und Clinton ist der nunmehr verringerte Einfluß der extremen Rechten. Im Falle Nicaraguas hatten es Jesse Helms und der rechte Flügel der Republikaner während des letzten Amtsjahres von Bush geschafft, die US-Hilfe zu blockieren, da sich die Regierung von Violeta Chamorro weigerte, Sandinisten aus Schlüsselpositionen des Militärs zu entfernen. Die neue politische Konstellation und der Niedergang der extremen Rechten wurde direkt nach Clintons Wahlerfolg verdeutlicht, als Bush die Mittel für Nicaragua lieber freigab, als vom Kongreß angedrohte Etatkürzungen in einigen seiner Lieblingsprojekte in Kauf zu nehmen. Die extreme Rechte in Lateinamerika fühlt sich nach der Niederlage von Bush ebenfalls verwaist. Besonders rechte Politiker in Mittelamerika kritisierten die neue Regierung sofort heftig. So erklärte ein nicaraguanischer Politiker, daß die Welt auf eine Katastrophe zusteuere, “mit diesen Schwulen, Kommunisten und Liberalen, die unter Clinton an der Macht sind.” Die Entscheidung von Präsidentin Chamorro im Januar, deutlich mit den rechteren Parteien zu brechen und einige Sandinisten ins Kabinett zu berufen, wurde dadurch erleichtert, daß die äußerste Rechte keinen Schutzherren mehr in Washington hat.
Die Drogenpolitik der USA gegenüber Lateinamerika wird sich unter Clinton ebenfalls verändern. Die Aufmerksamkeit wird nun stärker den innenpolitischen Ursachen von Drogenmißbrauch gewidmet werden, während die internationalen Drogenkartelle aus dem Rampenlicht rücken. Im Wahlkampf war der Drogenkrieg praktisch nicht existent. Bush hatte kein Inteesse daran, über seine Drogenpolitik zu debattieren, die von der Öffentlichkeit als Mißerfolg bewertet wurde, während Clinton dieses Thema als eine Ablenkung von seinem Hauptanliegen empfand, den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der USA. Im ersten Monat seiner Amtszeit kürzte Clinton bereits die Mittel für die internationale Drogenbekämpfung. Im Unterschied zu Bush hat Clinton außerdem nicht zu erkennen gegeben, daß er die Marines gegen Drogenhändler in Lateinamerika einsetzen will.

Kein Spielraum für eine neue Kubapolitik

Den meisten politischen Sprengstoff für Clintons Administration birgt die Kubapolitik. Der “Inter-American Dialogue” betrat in seiner Schrift “Convergence and Community” Neuland mit der Forderung, die Blockade gegen Kuba zu lockern. Der Bericht plädiert für bessere Post- und Telefonverbindungen und dafür, Tourismus von US-Bürgern nach Kuba zuzulassen. Weitere Schritte zur Verbesserung der Beziehungen, so der Bericht, könnten unternommen werden, wenn Kuba ebenfalls mit ähnlichn Maßnahmen antwortet.
Allerdings schränkte Clinton selbst seinen politischen Spielraum gegenüber Kuba ein, als er im Wahlkampf in Florida um die Unterstützung der kubanischen Exilgemeinde warb. Er forderte eine härtere Gangart gegenüber Castro und erhielt finanzielle Hilfe für seine Wahlkampagne in Millionenhöhe von Jorge Más Canosa, dem Vorsitzenden der rechtsgerichteten Cuban American National Foundation (CANF). Die Spenden an Clinton mögen allerdings nur geringere Bedeutung haben, da Clinton in Florida die realtive Mehrheit verfehlte und Más Canosa zudem auch die Republikaner unterstützte.
Kuba ist ein sensibles Thema, sowohl in der Demokratischen Partei wie auch in den USA allgemein. Von daher ist es unwahrscheinlich, daß Clinton dieses Thema anschneiden wird. Der vergebliche Versuch, Mario Baeza (der als Vertereter einer Politik der Öffnung gegenüber Kuba gilt, die Red.) als Staatssekretär für Interamerikanische Angelegenheiten zu nominieren, verdeutlicht, daß Clinton kaum etwas unternehmen wird, um die jahrzehntelange Isolationspolitik gegenüber Kuba zu verändern.
Clinton hat einfach kein neues politisches Programm für Lateinamerika oder die Karibik. Die riesigen Probleme des Hungers und der Unterernährung in Lateinamerika werden wohl ignoriert werden, während die USA weiterhin den Freihandel und eine Wirtschaftspolitik kultivieren werden, von der in erster Linie die multinationalen Konzerne und die ökonomischen Eliten der Hemisphäre profitieren. Die Clinton-Administration mag sich weigern, sich der strukturellen Probleme der Hemisphaäre anzunehmen, aber die Probleme werden nicht von selbst verschwinden.
Die Rechte in den USA und Lateinamerika hat einiges von ihrer Schlagkraft verloren, und diese Entwicklung öffnet politischen und sozialen Raum für Basisbewegungen, deren Einfluß noch wachsen wird. Diese Bewegungen haben das Potential, um das neue Gerüst lateinamerikanischer Beziehungen zu erschüttern, das Bush aufgerichtet hat und Clinton offensichtlich beibehalten will.

Weniger Öffentlichkeit

Genau wie mit der El Salvador-Solidaritätsbewegung ging es auch mit dem ides steil nach oben. Erst ein Jahr zuvor waren die SandinstInnen in Managua eingezogen und hatten die Somoza-Diktatur weggefegt, und so lautete die Parole nicht nur in Zentralamerika: “Wenn Nicaragua gesiegt hat, dann wird auch El Salvador siegen!” Allerorten entstanden neue Komitees und Soligruppen und so wuchs auch die Zahl der LeserInnen des ides. In seinen besten Tagen erschien er Woche für Woche mit einer Auflage von über 4.000 Exemplaren.
Bezeichnend für die Zeit zu Beginn der achtziger Jahre war auch, daß von fast allen Engagierten für die vom ides initiierte Kampagne “Waffen für El Salvador” gesammelt wurde: GewerkschafterInnen, StudentInnenorganisationen und selbst Kirchenleute unterstützten explizit den bewaffneten Kampf der FMLN. Möglich wurde dies nicht zuletzt durch die taz, die die Kampagne von Beginn an unterstützte und damals auch personell noch mit der Solibewegung verflochten war. (So verlor die Kampagne später nicht nur deshalb an Schwung, weil die FMLN den Triumph der FSLN nicht wiederholen konnte, sondern auch, weil die taz zunehmend ihre Unterstützung entzog. Auf dem Weg in die Mitte der bundesdeutschen Gesellschaft sollten potentielle neue LeserInnen nicht verschreckt werden.)
Seit 1982 berichtete der ides auch über die anderen zentralamerikanischen Länder, später kamen schwerpunktmäßig noch Mexiko und Kolumbien dazu. Der ides war für die Zentralamerika-Solidaritätsbewegung ein unverzichtbares Medium, die wenigsten ließen sich von den wöchentlichen Bleiwüsten abschrecken. Das Informationsbedürfnis war groß und Mailboxen in der Szene noch unbekannt.
Infos aus erster Hand, direkt von den zentralamerikanischen Befreiungsbewegungen und Volksorganisationen, waren die große Stärke des ides. Eine solidarische Diskussion über den revolutionären Prozeß in Zentralamerika gelang hingegen nur selten. Rückblickend schreibt einer vom ides dazu: “Wir taten uns schwer, die Widersprüchlichkeiten der revolutionären Prozesse in LA darzustellen. Wir diskutierten sie, hatten aber oft Schiß, das, was wir als Wahrheiten begriffen hatten, im ides zu benennen.” So schwieg der ides – wie fast die gesamte Bewegung – auch erstmal zur Ermordung der Guerilla-Comandantin Melida Anaya Montes durch ihre eigenen GenossInnen im März 1983. Der Mord, Resultat von Machtkämpfen innerhalb der FPL (eine der fünf FMLN-Organisationen), bedeutet nicht nur einen Einschnitt in der Geschichte der FMLN. Auch in der El Salvador-Solidaritätsbewegung ändertes sich einiges. Über Monate hinweg wurde von Seiten der FPL die Wahrheit verschwiegen oder je nach politischem Kalkül eine andere Version geliefert. Die Solibewegung reagierte anfangs mit Nicht-wahr-haben-wollen und Verdrängen. Die Auseinandersetzung mit dem Ungeheuerlichen kam nur langsam in Gang und hatte unterschiedliche Konsequenzen: ein Teil der Gruppen löste sich auf, andere unterstützten nicht mehr ausschließlich die FMLN. Die Bewegung hatte in der BRD ihren Zenit überschritten. Der ides war zumindest teilweise Forum dieser Diskussionen.
Das Ringen um die richtige Haltung und die Suche nach einer möglichen solidarischen Kritik beschäftigte den ides immer wieder. So auch in der Nummer 300: “Wir müssen endlich Kriterien erarbeiten, mit denen wir weg von der Jubelsolidarität kommen, nach der alles richtig, weil in der Situation verständlich ist, was die Befreiungsbewegungen unternehmen. (…) Aber auch weg von den ‘Kritischen’, die hinter der Kritik ihren eigenen Unwillen verstecken, weiterzuarbeiten, die heimlich eben doch ein bißchen den Kloses glauben, die Gewalt, wie die Ausweisung von Vega [reaktionärer nicaraguanischer Bischof, den die sandinistische Regierung vorübergehend nicht mehr ins Land ließ, nach dem er in den USA auf Unterstützungstournee für die Contra gegangen war; Anm. LN], schon immer verabscheut haben.”
Damals (1986) war die Zahl der zahlenden AbonentInnen jedoch bereits auf ca. 500 gesunken. Die El Salvador-Solidaritätsbewegung war klein und für die wesentlich größere Nicaragua-Solidarität war der ides nie von großer Bedeutung. Der ides verstand sich immer als Teil der Solibewegung, doch die löste sich in West-Berlin nach und nach auf, so im Herbst 1990 auch das El Salvador-Komitee. Die direkten Verbindungen nach Zentralamerika gingen zunehmend verloren und die meisten Informationen waren auch über andere Medien zu bekommen. Außer einigen Einzelpersonen arbeitete zum Schluß nur noch das Guatemala-Komitee beim ides mit.
In diesem Sinne ist die Entscheidung, den ides dicht zu machen, richtig. Für die wöchentlichen Infos gibt’s den Nachrichtendienst Poonal. Wieso also eine Zeitschrift machen, die keine LeserInnen mehr hat? In der BRD des Sommers 1993 gibt es genug zu tun.

“Die Leute können vergeben, aber niemals vergessen”

LN: Welche Bedeutung hat der Bericht der Wahrheitskommission für das Land und für die Arbeit der CDHES?
Celia Medrano: Für uns bedeutet der Kommissionsbericht die Bestätigung von fünfzehn Jahren Arbeit. Seit unserer Gründung 1978 haben wir auf nationaler und internationaler Ebene die Menschenrechtsverletzungen in El Salvador angeklagt, weshalb wir immer wieder selbst Opfer der staatlichen Repression wurden. Zu Beginn wurde unseren Berichten – vor allem im Ausland – nicht viel Glauben geschenkt. Wenn wir berichteten, daß zwei bis drei Monate alte Babies massakriert und Frauen von einer ganzen Gruppe von Soldaten vergewaltigt wurden, bevor die Soldaten sie auf bestialische Weise ermordeten, dann trafen wir auf Ungläubigkeit. Viele dachten, so etwas könne gar nicht stimmen. Nach und nach wurden unsere Berichte auch von anderen Organisationen bestätigt, und der Öffentlichkeit wurde bewußt, wie schlimm es um die Menschenrechte in El Salvador wirklich steht. Nachdem zunehmend Ausländer zu Opfern der Repressionen wurden, stellten auch Regierungen anderer Länder Untersuchungen an. Dabei erfuhren sie, daß die Regierung El Salvadors die Aufklärung der Fälle behinderte und log, um die Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen nicht übernehmen zu müssen.
Als die Repression während der Regierungszeit von Napoleon Duarte quantitativ zurückging, wurde uns zuerst wieder nicht geglaubt, wenn wir die Brutalität des Krieges anklagten. Mit Duarte kam das Projekt der Aufstandsbekämpfung, und vor allem im Ausland hieß es, daß mit dem christdemokratischen Präsidenten alles besser werden würde. Und auch nach Duarte hat sich die Situation nicht verändert. Die Menschenrechtsverletzungen gingen immer weiter, auch wenn die Propaganda das Gegenteil behauptete. In diesem Sinne wurden wir durch den Friedensprozeß und den Bericht der Wahrheitskommission tatsächlich in unserer Arbeit bestätigt.

Euch wurde immer wieder vorgeworfen, einseitig zu sein und euch nicht um die FMLN zu kümmern. Was meinst du dazu?
Jetzt liegt das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen für alle schriftlich vor, bestätigt von einer unabhängigen Kommission, die im Rahmen des Friedensprozesses von den Vereinten Nationen ausgewählt wurde. Uns wurde früher oft vorgeworfen, wir seien einseitig und würden die Menschenrechtsverletzungen der FMLN nicht im gleichen Ausmaß wie die der Regierung anklagen. Der Kommissionsbericht macht aber deutlich, daß die FMLN nur für einen kleinen Teil der Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. Die Wahrheitskommission erhielt 22.000 Aussagen und schreibt dem Militär und den Todesschwadronen davon in 87 Prozent der Menschenrechtsverletzungen die Verantwortung zu, der FMLN jedoch nur in fünf Prozent der Fälle. Für uns bedeutet dies, daß der Vorwurf der Einseitigkeit jetzt auch offiziell widerlegt ist. Die Wahrheitskommission ist weitgehend zu den gleichen Ergebnissen gekommen wie wir in den letzten Jahren. Das ist für uns natürlich eine Erleichterung. Das Militär hat gleich nach der Veröffentlichung des Kommissionsberichts ein Dokument mit dem Titel “Der Kommunismus ist nicht tot” vorgelegt, in dem sie den Vereinten Nationen vorwerfen, der Kommissionsbericht sei eine Verschwörung gegen die salvadorianischen Streitkräfte. Die Beschuldigungen sind dieselben, wie wir sie fünfzehn Jahre lang immer wieder hören mußten.

Wo siehst du die Schwächen des Berichts der Wahrheitskommission?
Der Bericht hat einige Lücken. Er geht kaum auf die Rolle der USA ein, die den Genozid in El Salvador finanziert haben. Er untersucht auch nicht die Rolle der Christdemokraten, als diese die Regierung stellten. Im Fall der FMLN wurden nur einige der Morde an Bürgermeistern untersucht, und die Schuldzuweisung geht lediglich an die Führungsspitze des ERP [eine der fünf Mitgliedsorganisationen der FMLN], ohne auf die Verantwortung der anderen FMLN-Organisationen einzugehen. Bei den Todesschwadronen wissen wir, daß die Kommission eine Liste der Namen von Unternehmern hat, die die Todesschwadronen finanziert haben, aber diese Namen werden nicht genannt. Der Bericht hat also ganz klare Mängel; er verschweigt einige sehr wichtige Aspekte. Aber wir wollen ihn nicht diskreditieren, er enthält keine Lügen. Alle Fälle im Bericht sind klar belegt, und es werden keine unüberlegten Einschätzungen oder Verurteilungen vorgenommen.

Glaubst du, daß der Kommissionsbericht den Friedens- und Demokratisierungsprozeß unterstützen kann?
Auf jeden Fall. Trotz seiner Lücken ist der Kommissionsbericht ein wichtiges Dokument zur Beurteilung dessen, was in den letzten Jahren in El Salvador geschehen ist. Es ist von enormer Bedeutung, daß der Bericht nicht nur Ereignisse untersucht, sondern auch die Namen der Verantwortlichen nennt. Es war ein offenes Geheimnis, daß d’ Aubuisson die Ermordung von Erzbischof Romero befahl und General Ponce und andere für die Ermordung der Jesuiten verantwortlich sind. Aber heute sind diese Fakten in einem anerkannten Bericht der Vereinten Nationen nachzulesen, das hat eine ganz andere Qualität.
Der Bericht hat auch bewiesen, daß die Menschenrechtsverletzungen in El Salvador System hatten. Auch wenn nur 30 Fälle detailliert im Bericht aufgelistet sind, werden die unzähligen anderen Fälle doch nicht vergessen. In einem Anhang von 300 Seiten sind die Namen von ungefähr 22.000 Menschen aufgeführt, die in El Salvador ermordet wurden oder die spurlos verschwunden sind.

Im Bericht wurde auch die Reform des Justizsystems und die Absetzung aller Mitglieder des Obersten Gerichtshofes gefordert. Welche Reaktionen gab es darauf?
Der ARENA-Vorsitzende Calderon Sol hat eine Reform genauso abgelehnt wie Verteidigungsminister Ponce. Am schlimmsten war aber die Reaktion des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, der ja selbst im Kommissionsbericht genannt wird. Er sagte, daß er gar nicht daran denke, zurückzutreten und daß nur Gott ihn da wegbringe. Aber auch Cristiani will eine Reform des Justizsystems vermeiden. Das jetzige Justizsystem ist ja die legale Grundlage für das System der Straffreiheit der Militärs und anderer Verantwortlicher von Menschenrechtsverletzungen.

Nach der Veröffentlichung des Berichts hat das Parlament eine Amnestie beschlossen…
Diese Amnestie ist nicht rechtens. Das Amnestiegesetz ist die klarste Antwort der Rechten auf den Kommissionsbericht. Es darf doch für einen Gerichtshof keine Amnestie geben. Am gleichen Tag als das Amnestiegesetz in Kraft trat, wurden Oberst Benavides und Leutnant Mendoza [die wegen der Ermordung der Jesuiten zu dreißig Jahren Haft verurteilt wurden; die Red.] freigelassen. Bezeichnend ist, daß die beiden Guerilleros, die wegen des Mordes an zwei US-Militärberatern im Gefängnis sind, noch immer nicht freigelassen wurden. Die Amnestie soll jegliche gerichtliche Untersuchung der im Kommissionsbericht genannten Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen verhindern. Wir haben beim Obersten Gerichtshof bereits Einspruch gegen das Gesetz erhoben. Aber bei diesem Gerichtshof glauben wir natürlich nicht daran, daß sie unserer Klage stattgeben.

Nach der Veröffentlichung des Berichts ist der Diskurs der Streitkräfte wieder härter geworden, so wie in früheren Zeiten. Es scheint, daß sich beim Militär nicht viel verändert hat. Wie kann heute verhindert werden, daß sich die Geschehnisse aus der Zeit des Krieges demnächst wiederholen?
Vor allem müssen natürlich die Empfehlungen der Vereinten Nationen erfüllt werden. Zusätzlich sind Aktionen der sozialen Bewegungen nötig, um Druck auszuüben, damit die Friedensvereinbarungen alle erfüllt werden. Entscheidend sind hier einerseits die Reformen im Militär, andererseits das, was im ökonomischen Bereich passiert. Es gibt zur Zeit harte Auseinandersetzungen zwischen den ArbeiterInnen und den UnternehmerInnen im “Wirtschaftlich-Sozialen-Forum” [im Rahmen des Friedensvertrages gebildetes Forum, in dem Gewerkschaften, Unternehmerverbände und Regierung sitzen. Eigentlich sollen hier Kompromisse zwischen Kapital und Arbeit gefunden werden, die Unternehmerverbände haben das Forum jedoch lange Zeit boykotiert; bislang wurden kaum konkrete Ergebnisse erzielt; die Red.]. Die UnternehmerInnen weigern sich, die arbeitsrechtlichen Übereinkommen der “Internationalen Arbeitsorganisation” (ILO) anzuerkennen, die die Rechte der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder und die Rechte der ArbeiterInnen festlegen. Die Anerkennung dieser Rechte hätte natürlich negative Folgen für die UnternehmerInnen, weshalb sie zur Zeit die Arbeit des Forums wieder blockieren.

Eines der Ziele des Kommissionsberichtes ist es, in El Salvador Gerechtigkeit herzustellen. Auf der Grundlage der Gerechtigkeit sollen die Menschen lernen, einander zu verzeihen. Glaubst du, daß dies nach allem, was passiert ist, möglich sein wird?
Die Menschen können vergeben, aber sie werden niemals vergessen, was passiert ist, was das Leben so vieler Familien geprägt hat. Wie soll ein Mensch die Schreie seiner Kinder vergessen, die er aus einem Versteck heraus hörte, während die Soldaten sie gerade umbrachten. Wie sollen wir eine Mutter bitten zu vergessen, die nach einer Bombardierung in ihre Hütte zurückkehrte und dort die zerfetzte Leiche ihres Kindes fand. Wie sollen wir von der Tochter eines Bürgermeisters, der von der Guerilla ermordet wurde, verlangen, das zu vergessen. Wie sollen wir von all diesen Menschen erwarten, daß sie vergessen, was geschehen ist. Das Verzeihen ist möglich und auch notwendig, aber es ist unmöglich zu vergessen. Aber wie sollen die Menschen heute noch vergeben, nachdem der Staat mit dem Amnestiegesetz bereits alle Verbrechen vergeben hat. General Ponce zum Beispiel sieht sich nicht dazu verpflichtet, um Verzeihung zu bitten, obwohl doch klar bewiesen wurde, das er für die Ermordung der Jesuiten verantwortlich ist. Was wirklich notwendig ist, daß der Staat, die Regierung jetzt die Bevölkerung um Vergebung bittet.

Dann müßte aber die FMLN genauso um Vergebung bitten!
Die FMLN hat das bereits getan. Die gesamte (ehemalige) Generalkommandantur hat sich dazu verpflichtet, zehn Jahre lang keine öffentlichen Ämter auszuüben. Der Kommissionsbericht hat das nur von Joaquin Villalobos verlangt, aber auch Shafik Handal, Leonel Gonzalez, Roberto Roca und Ferman Cienfuegos haben sich dazu verpflichtet. Sie wollen die Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen kollektiv übernehmen. Und Jorge Melendez hat bei einer öffentlichen Veranstaltung der FMLN, die Anwesenden im Namen der Frente um Verzeihung gebeten und erklärt, daß er sogar bereit wäre, mit Ponce in einer Gefängniszelle zu sitzen.
Ich glaube wirklich, daß die FMLN in Bezug auf den Kommissionsbericht eine klare Haltung eingenommen hat und daß sie im Gegensatz zum Militär wirklich an das Wohlergehen des Landes denkt und weniger an irgendwelche Vorteile für sich als politische Kraft.

Wie wird sich die Lage der Menschenrechte weiterentwickeln?
Die Repression hat in den letzten Monaten wieder zugenommen. Wahrscheinlich wird die ganze Zeit des Wahlkampfes in einem Klima der Gewalt stattfinden. Und das, obwohl die Vereinten Nationen (ONUSAL) im ganzen Land präsent sind. Wir haben vor allem Angst, daß sich die Situation weiter verschlechtert, wenn die BeobachterInnen der ONUSAL das Land verlassen haben werden. Es wäre natürlich auch ganz wichtig, daß die Straffreiheit der Militärs endlich ein Ende hat und ein effizientes Justizsystem entsteht. Wenn du dein Haus sauber machen willst, muß der Müll raus und darf nicht unter dem Teppich verschwinden. Sonst kommt er wieder zum Vorschein, wenn du den Teppich hebst.

Editorial Ausgabe 227 – Mai 1993

Die kollektive Sprachlosigkeit der Linken in einer Welt der Unübersichtlichkeit wird hämisch-freudig begleitet. Alle, die es schon immer besser wußten, sammeln sich seit dem Zusammenbruch im Osten zum großen Abgesang auf das sterbende Projekt einer gerechteren Welt.
Das reizt. Manche so sehr, daß sie sich ins Schneckenhaus von Moral und Ideologie verkriechen, um auf dem Weg der Reinheit und Unschuld ans Ziel zu gelangen. Auch die Renaissance pazifistischer Argumente, der Rückgriff auf das “moralisch Einwandfreie” führt allzuleicht in ein solches Schneckenhaus. Andere besetzen klassisch linke Begriffe wie Menschenrecht, Solidarität und Humanität und fliegen in deren Namen heute über Bosnien, marschieren morgen in Somalia und übermorgen…?
Doch so sehr das wurmen mag, ist es auch eine Chance. Die Verwirrung der Gedanken angesichts der Wirren der Welt fordert eines: Fragen zuzulassen, gerade an sich selbst, und sie gebietet eine Absage an die einfachen Schemata, an alte, vermeintliche Sicherheiten.
“Hoch die internationale Solidarität” ist eine solche Sicherheit gewesen. Doch mit wem sind wir heute in Bosnien solidarisch? Solidarität mit den vergewaltigten Frauen ist selbstverständlich. Aber kann sich Solidarität auf eine der Konfliktparteien festlegen? Welche Konsequenzen hat eine solche Solidarität? Allzuleicht findet sie sich im Bündnis mit ungewollten PartnerInnen. Aber eine Linke, die aus lauter Angst davor, auf die falsche Seite zu geraten, das Risiko des Nachdenkens scheut und sich auf einfache Schemata zurückzieht, verurteilt sich selbst zur politischen Irrelevanz.
In Lateinamerika ist es vor allem die Diskussion um Peru, die für Irritationen sorgt mit der Frage nach dem Hauptgegner: Sendero oder das Fujimori-Regime? Nachdenkliche Stimmen aus Peru fordern das Umdenken weg vom Schema der “guten Guerilla” gegen den “repressiven Staat”. Das mindeste, was Solidarität hier leisten kann und muß, ist, sich ohne vorschnelle Urteile sorgfältig mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen.
Amnesty International hat die Diskussion um Peru zum Anlaß genommen, vom ehernen Prinzip abzurücken, sich nur um Menschenrechtsverletzungen staatlicher Organe zu kümmern, ein positives Signal, daß produktives Umdenken zu konkreten Ergebnissen führen kann.
Am 22.April erschien in der taz die Ankündigung der autonomen Vollversammlung zur Vorbereitung der traditionellen Demonstration am 1.Mai in Berlin: “Einlaßbedingung: eigene Meinung! – … AnhängerInnen Großer Führer und unfehlbarer Parteien: zwecklos!”, gemeint als deutliches Signal an die Berliner Sendero-Fraktion. Dem Aufruf zum Gebrauch des eigenen Kopfes können wir uns nur anschließen.

Widerstandsdörfer – zurück in die Zivilgesellschaft ?

Die von den CPR und der Comisión Multipartita organisierte Delegation sollte mit Hilfe einer großen internationalen Beteiligung die Forderungen der CPR, ins- besondere die Anerkennung als Zivilbevölkerung, unterstützen. Desweiteren sollten die Lebensumstände der Menschen in den CPR vermittelt und die Möglichkeit eröffnet werden, daß sich Familienangehörige, die sich manchmal seit zehn und mehr Jahren nicht mehr gesehen hatten, treffen konnten. Außerdem wurden Hilfsgüter, Medizin, Werkzeuge und anderes in die Dörfer transportiert. Am Tag der Abreise wurde unter der Schirmherrschaft von Julio Cabrera, Bischof der Provinz Quiche, und Alvaro Ramazzini, Bischof der Provinz San Marcos, die an der Reise teilnahmen, eine Messe abgehalten, die ganz dem Sinne des Widerstands der Menschen der CPR entsprach. Danach teilten sich die TeilnehmerInnen aus vierzehn Nationen, unter denen sich zwei Kamerateam, Vertreter- Innen von Kirchen-und Menschenrechtsorganisationen und Menschen aus der Solidaritätsbewegung befanden, in zwei Gruppen, die kurz darauf in RichtungIxcán bzw. Sierra aufbrachen.

‘Ein neuer Weg der Hoffnung’ in den Ixcán

Die Delegation zu den Widerstandsdörfern im Ixcán folgte bis Cantabal der Route, die im Januar die heimgekehrten Flüchtlinge aus Mexiko genommen hatten. In Coban, Chisec und Cantabal gab es Zwischenaufenthalte, um die Bevölkerung über die Reise und Hintergründe zu informieren. Einige Campesinas und Campesinos, GemeindevertreterInnen und Ordensleute dieser Orte schlossen sich dem Zug an. Während der elfstündigen Holperfahrt auf offenen LKW’S von Coban nach Cantabal verteilten Leute der Bauerngewerkschaft (CUC) Flugblätter an die Bevölkerung der anliegenden Orte, die gegen die Zwangsrekrutierung in die paramilitärischen Zivilpatrouillien (PAC) geschrieben waren. Kurz hinter Cantabal schlossen sich etwa 30 Rückkehrer aus dem Poligono 14 an.
Die folgenden drei Tage in Mayalan und Pueblo Nuevo 11, wo auch Delegierte der vom Militär attackierten Dörfer, Los Angeles und Cuarto Pueblo eintrafen, vermittelten auf vielen verschiedenen Ebenen einen Eindruck der organisatorischen Stärke der CPR. Die Dörfer haben ein Basisgesundheitssystem, das sich auf PromotorenInnen stützt. In den Schulen wird bis zur fünften Klasse unterrichtet.Kulturelle Traditionen werden u.a. in der Schule und in Kindertanzgruppen erhalten. Seit zwei Jahren bauen die Frauen ihre eigene Organisation auf, in der sie sich austauschen und ihre spezifischen Probleme behandeln. Das günstige Klima und der gute Boden im Ixcán lassen den Anbau von Mais, Bohnen, Bananen, Reis, Zuckerrohr, Ananas und auch Zitrusfrüchten zu. Dies ermöglicht zusammen mit den sehr begrenzten Handelsbeziehungen nach Mexiko das Uberleben in Unabhängigkeit von Militär und staatlichen Institutionen. Die Männer und Frauen berichteten die Männer und Frauen von einem zeitaufwendigen Wachsystem, an dem sich die ganze Gemeinde beteiligt, um sich vor Luft-und Patrouillenangriffen zu schützen. Eine leise Vorstellung der militärischen Bedrohung bekamen die BesucherInnen in den Nächten, als unbeleuchtete Hubschrau-ber die Region überflogen. Sofortiges Auslöschen aller Feuer und Taschenlampen war die Reaktion, als die Meldung von einem Wachposten übermittelt wurde. Für die Dorfer Los Angeles und Cuarto Pueblo wenige Kilometer nördich wurde es in diesen Tagen ungleich ernster. Ein Delegierter aus Cuarto Pueblo schilderte die Flucht seines Dorfes, als man erfuhr, daß sich zwei Armeeeinheiten näherten. Diese Aggression des Militärs bedeutet einen Bruch der Zusage, die Begegnung nicht zu stören. (siehe LN 226)
Außer dem sofortigen und umfassenden Ende der Repression haben die CPR eine Reihe sehr konkreter Forderungen aufgestellt, die ihnen die Rückkehr in die Gesellschaft ebnen sollen. So werden Sicherheitsgarantien für alle NutzerInnen des neueingeschlagenen Weges, der kontinuierliche Handelsbeziehungen und Besuchsmöglichkeiten bezweckt, gefordert. Zentrales Anliegen gegenüber den Besuchern war die Bitte um Gewährleistung einer permanenten nationalen und internationalen Präsenz in den CPR. Den mitgereisten GemeindevertreterInnen aus Coban und Cantabal wurde der Wunsch vorgetragen, künftig die Schwerkranken in den lokalen Krankenhäusern aufzunehmen, die gegenwärtig nach Mexiko geschleppt werden müssen sowie für eine baldige Ausstellung von Ausweispapieren zu sorgen. Eine Zielvorstellung der CPR sind Rahmenabkommen mit der Regierung, wie sie die Flüchtlinge in Mexiko erreichen konnten, zu denen enge Beziehungen bestehen.

Resistir para vivir

Widerstand, um zu leben, ist eine der Parolen der etwa 17000 CPR-Bewohner der Sierra. Die große Mehrheit stammt aus den Gemeinden des Ixil-Dreiecks, ein Teil aus dem südlichen Quiche und Ixcán. Die Region ist fruchtbar und ermöglicht, ähnlich wie im Ixcán eine weitgehende Subsistenz. Auch die Organisationsstrukturen ähneln denen der CPR des Ixcán. ‘Comites de áreas’ koordinieren das Versorgungs- und Dienstleistungssystem der drei Regionen, Santa Clara, Cabá und Xeputul, in die das Gebiet aufgeteilt ist. Durch die Öffnung der CPR im Anschluß an die erste Generalversammlung im März 1990 und dem Empfang erster internationaler Hilfsgelder, gelang es Kleinprojekte, wie eine Schweinezucht in Angriff zu nehmen, um durch die Verkaufserlöse eine sektorielle Entwicklung in Gang zu setzen und fehlende Güter der Grundversorgung, zB. Medikamente er-stehen zu können. Die interne Entwicklung der CPR stagniert jedoch. Ein Grund hierfür ist das Fehlen weiterer finanzieller Unterstützung und die mangelhafte Wasserversorgung der Region Santa Clara, die die Anschaffung von Wasserspeichern notwendig macht. Der Hauptgrund für die beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten liegt jedoch auch hier in der anhaltenden Repression durch das Militär. Die in den letzten zwei Jahren aufgebauten Handelsbeziehungen zu den umliegenden Nachbargemeinden unterliegen der ständigen Bedrohung durch die PAC und das Militär, welches sechs Kasernen im Halbkreis um das Gebiet der CPR angelegt hat. Die letzte wurde neu angelegt, als die internationale Delegation das Gebiet verlassen hatte. Allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres sind fünf Fälle bekannt geworden, wo CPR-BewohnerInnen auf ihren Wegen bedroht wurden. Die letzte große Armeeattacke fand im Juni 1992 in Santa Clara statt. Seitdem änderte das Militär seine Strategie und attackiert wahllos einzelne BewohnerInnen der CPR, raubt Verkaufsprodukte und zerstört Anbauflächen. Außerdem setzt die Armee die BewohnerInnen der Nachbardörfer unter Druck, den Kontakt mit den CPR zu unterlassen. Dies geschieht mit Erfolg, wovon sich die TeilnehmerInnen der Delegation hautnah überzeugen konnten. So führte die Ausübung massiven Drucks auf Einwohner in Chajul und Nebaj durch die PAC dazu, daß 40 Lasttiere, die den Transport erleichtern sollten, der Karavane nicht zur Verfügung gestellt wurden. In Jua fanden sich Plakate, auf denen die CPR als Guerilla angezeigt wurden, in Chel war die Delegation aggressiven Beschimpfungen durch Angehörige der PAC ausgesetzt, die sogar Drohschüsse abgaben.

Keine Entspannung in Sicht

Am 25. Februar trafen die beiden Besuchergruppen wieder in der Hauptstadt ein. Wie zu Beginn der Reise, gab es eine Messe in der Kathedrale, in unmittelbarer Nähe des Nationalpalastes. Aus diesem ließ der Verteidigungsminister, Garcia Samayoa, am 26. Februar vermelden, “…daß die Ausländer, die mit der Comisión Multipartita zusammenarbeiten und die Widerstandsdörfer besucht haben, die Bevölkerung manipulieren …” desweiteren drohte er, “diejenigen, die Sturm und Domen säen, werden Sturm und Domen ernte^.“ Wie ernst, vor allem guatemaltekische Oppositionelle solche Drohungen, zu nehmen haben, zeigen die Vorfälle in der Vergangenheit und das Attentat, das am 25. Februar auf den Gewerkschafter Gómez López verübt wurde. Gómez Lopez, der an der Delegation in den Ixán teilgenommen und mit einer Videokamera dokumentiert hatte, wurde auf seiner Heimfahrt nach Quetzaltenango, in einem öffentlichen Bus, durch Schüsse lebensgefährlich verletzt und seiner Kameraausrüstung, sowie des Filmmaterials beraubt. Nach weiteren Morddrohungen gegen seine Person ist er am 5. April außer Landes gebracht worden.
Die Entdeckung mehrerer Spitzel bei den Delegationen, die Einrichtung eines weiteren Militärpostens in Chel und die erneuten Todesdrohungen gegen VertreterInnen der CPR und deren Familien, JournalistInnen und anderen Oppositionellen, sind Belege der menschenverachtenden, rassistischen Politik der guatemaltekischen Regierung und des Militärs. Die Ende letzten Jahres begonnene neue Offensive gegen Guerilla und Zivilbevölkerung, während in Genf über Menschenrechte verhandelt wurde und eine neue Verhandlungsrunde mit der URNG anstand, zeigt erneut die Unberechenbarkeit und Unglaubwürdigkeit guatemaltekischer Regierungsvertreter.

Kasten:

“Organisieren, um in Freiheit zu leben“

Die Aufstandsbekämpfungspolitik der guatemaltekischen Militärdiktaturen zwang in den Jahren von 1978-1983 mehrere hunderttausend Menschen zur Flucht. Besonders betroffen waren die ländlichen Gebiete des guatemaltekischen Hochlandes. Die meisten Menschen flohen in die Randbezirke derHauptstadt oder nach Mexiko, um dem Terror des Militärs zu entgehen. Einige zehntausend Familien zogen sich in die unwegsamen Regionen der Provinz Quiché zurück. “Wir suchten Zuflucht in den Bergen, obwohl wir keine Erfahrung darin hatten, in der Wildnis zu leben. Das ganze folgende Jahr 1983 verfolgten sie uns. In jenem Jahr litten wir entsetzlich. Wir waren ohne Essen, ohne Kleidung, ohne Unterkunft, dem Regen, der Sonne und der Nachtkälte ausgesetzt. Aus purer Not aßen wir die Früchte, die wir die Tiere essen sahen, und dadurch konnten wir überleben. … Das ganze Jahr hindurch trafen wir Menschen in den Bergen, die ebenfalls ihre Wohnstätten verlassen hatten. … Am Ende des Jahres diskutierten wir, was wir machen sollten. Viele Familien I waren über die Grenze nach Mexiko gegangen, aber wir wollten das nicht tun – unseren Grund und Boden verlassen, unser Land, das uns so viel Mühe gekostet hatte. Wir beschlossen, lieber in den Bergen zu leben – wie hart das auch immer sein würde, statt uns der Kontrolle der Armee oder der mexikanischen Behörden zu unterwerfen. Nachdem wir als große Gruppen von der Armee angegriffen worden waren, beschlossen wir, uns in den Bergen in viele kleine Gruppen aufzuteilen, Gruppen von 25 bis 30 Familien, so daß wir uns schnell bewegen und schneller entkommen konnten, wenn die Armee in die Nahe kam.“ Aus diesen ‘mobilen Gemeinschaften’, die zunächst keine festen Strukturen hatten, entwickelten sich, mit zunehmender Organisierung des alltäglichen Lebens, feste Ansiedlungen. Dafür war es wichtig, die Sicherheit der kleinen Dörfer zu gewährleisten. Es wurden Wachen eingeteilt, und zwischen den Siedlungen entstand ein Kommunikationssystem, das Informationen über anrückende Militäreinheiten sofort an alle gefährdeten Orte weitergibt. Es existiert ein Alarm- und Rückzugssystem, sowie Notpläne, nach denen die Bevölkerung sich im Falle einer Flucht zerstreut und dann wiederfindet. An prädestinierten Stellen sind Fallen installiert. Seit 1984 wurde damit begonnen, die Bereiche der Produktion, Gesundheit und Bildung zu organisieren. Die Erfahrungen, die viele der Flüchtlinge während der Kooperativenbewegung gemacht haben, waren hierbei von großer Bedeutung. Erste offensive Schritte in die Öffentlichkeit unternahmen die Gemeinden, die sich als ‘Comunidades de Población en Resistencia’ (CPR) konstituiert haben, im September 1990 bei einem ersten Zusammentreffen mit PressevertreterInnen guatemaltekischer Medien. Zusammengefaßt waren die Forderungen derCPR:
1. Anerkennung durch die Regierung als ‘Zivile Landbevölkerung im Widerstand’.
2. Das Recht in die ursprünglichen Gemeinden in Freiheit zurückzukehren, Rückerhalt des Landes und Zusammenführung der Familien.
3. Demilitarisierung der Gebiete.
4. Zusicherung der Menschenrechte und Bewegungsfreiheit.
5. Freien Zugang für Nichtregierungs- und Kirchenorganisationen in die Fluchtgebiete.
Im Oktober 1990 hatten Kirchen,- Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen die ‚Comisión Multipartita’ gegründet, die seitdem die Belange der CPR vertritt und mit deren Unterstützung zum ersten Mal ein Besuch bei den CPR im Ixilgebiet unter Partizipation von DiplomatenInnen und RegierungsfunktionärenInnen im Februar 1991 realisiert wurde. Im August 1992 folgte eine weitere Delegation mit nationaler und internationaler Begleitung. Im September gab es ein Gespräch mit dem Verteidigungsminister Samayoa, das jedoch keine Lösung in Aussicht stellte, da für Samayoa die CPR nach wie vor der politische Arm der URNG sind. Vom 22.September bis zum 26. Oktober 1992 reiste eine Vertretung der CPR nach Europa, um mit europäischen Hilfswerken und Regierungsstellen zusammenzutreffen, denen die Forderungen und Perspektiven der CPR erläutert wurden. Bei diesen Treffen wurden Möglichkeiten der Unterstützung diskutiert, und ein Resultat war die Planung des ersten Besuches einer großen internationalen Delegation zu den Widerstandsdörfern auf dem Landweg.

Urgent Action

Die Namen der Bedrohten sind:
Helmer Velasquez, Hugo Arce, Alberto Monterroso, Marco Quiroa, Raquel Gartz, Rodolfo Jimenez, Byron Morales, Alberto Echevarria, Ricardo Stein, Hector de Leon Sagastumo, Romeo Monterrosa, Victor Gudiel, Oscar Asmitia,Ruben Mejia, Otto Morán, Carlos Rafael Soto, Harold Sanchez, Andrés Campos, Vinicio Mejia, Mario, Silvestre Byron Moráles, Mario Roberto Morales, Rivera und Danielo Rodriguez.
In der Drohung heißt es:
“WARNUNG! Die folgenden Individuen werden ab 31. März 0.00 Uhr zu unseren Zielobjekten werden, weil sie Sprecher, Verteidiger und Sympathisanten der Subversion und ihrer Organisationen sind und weil sie davon leben, diejenigen unter uns zu diskreditieren, die wirklich für Freiheit und Frieden in unserem Land kämpfen. Die folgenden Personen schenken ihren Zeitungen , ihre Zeit und ihre Anstrengungen der Subversion und sind durch ihre Taten oder Unterlassungen Komplizen der selbsternannten “Kommandanten”, die in Europa und in Mexiko in luxuriösen Hotels leben. Andere, die ins Land zurückgekehrt sind, indem sie ihren Nutzen aus der Konsolidierung des Rechtsstaates gezogen haben, sind Speerspitzen der Subversion. Wenn einige von ihnen getäuscht worden sind, würden sie gut daran tun, sich öffentlich zu erklären und ihre Taten richtigzustellen. Sonst werden sie, eher früher als später, dem Tod begegnen, und wir werden so unsere Mission zum Guten und für die Zukunft unserer Kinder und Guatemala erfüllen. Wir warnen alle, die straflos agierende öffentliche Subversive kennen, sich in ihrer Nähe aufzuhalten, denn sie könnten dieselben traurigen Folgen erleiden. Wir sind daher nicht dafür verantwortlich, wenn sie diese Warnung mißachten. Die öffentlichen Subversiven können ihr Leben und ihr Eigentum auf zwei Wegen retten: indem sie öffentlich ihren destabilisierenden Aktivitäten abschwören und indem sie nach neuen Horizonten in anderen Teilen der Welt suchen.”
Es ist das erste Mal seit mehreren Jahren, das eine solche Liste in Umlauf gesetzt wird. Wir sehen darin eine eindeutige Verschärfung der Verfolgung. Die Drohung gegen alle eventuellen BegleiterInnen der Genannten unterstreichen, daß es sich hier um den Versuch handelt, unabhängig öffentliche, gar internationale Berichterstattung und Proteste zu verhindern.
Wir bitten Sie / Euch daher dringend,
a. Faxe, Telexe oder Briefe an Präsident Serrano Elias, den Verteidigungsminister Garcia Samayoa, sowie den Innenminister Fernando Hurtado Prem zu schreiben und darin Ihre / Eure Besorgnis über die erneute Morddrohung auszudrücken. Bitte fordern Sie / fordert auch, daß diese Einschüchterungsversuche sofort untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
b. sich schriftlich an Ihre / Eure Bundes- und Landtagsabgeordneten zu wenden und sie zu bitten, ebenfalls solche Briefe an den Präsidenten und Verteidigungsminister zu verfassen.
c. sich an den Menschenrechtsprokurator Ramiro de Leòn Carpio, den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen Amos Waco und den Beauftragten der Vereinten Nationen Christian Tomuschat zu wenden, mit der Bitte, sich für die persönliche Sicherheit der Bedrohten und eine unverzügliche Aufklärung und Verfolgung dieser Drohung einzusetzen.
Im Anhang finden Sie/ findet Ihr einen spanischen Textvorschlag und die deutsche Übersetzung sowie die für die Briefe notwendigen Adressen.
Wir danken allen die sich an dieser Aktion beteiligen

Textvorschlag (spanisch):

Señor Presidente,
con suma preocupación hemos recibido informaciones de organizaciones defensores de los derechos humanos sobre la grave situación que estan viviendo 24 personas que han sido amenazadas de muerte en Guatemala.
El 27 de marzo circuló en forma anónima por varios comunicación las amenazas de meurte de 24 personas entre las cuales se mencionan a: periodistas, dirigentes sindicales, personal de la Universidad de San Carlos, funcionarios internacionales, organizaciones no gubernamentales, afiliados al Consejo de Instituciones de Desarrollo COINDE y Cooperativas que estan acompañando a la población retornada por el conflicto armado.
Esta persecución tiene como finalidad obligar a estas personas a emigrar a otro país o se les acosa para que renuncien públicamente de sus cargos, se le está acusando der ser simpatizante de guerilla.
Estas amenazas se producen en momentos en que Usted reinicia las conversaciones con la URNG, donde la población civil está buscando alternativas hacia la democratización, el desarrollo y la paz en Guatemala por que acrecenta el clima de inseguridad y deja en la impunidad estos hechos de violencia.
Expresamos nuestra enérgica protesta ante estos hechos y la exhortamos a Usted a garantizar:
1. Que se respete la integridad física y psicológica de 24 personas que han señaladas como subversivas.
2. Que se investigue exhaustivamente estas amenazas, para descubrir a los responsables que en este momento se encuentran en el anonimato.
3. Que se informa públicamente sobre los resultados de estas investigaciones.
4. Que su gobierno legitima el trabajo humanitario de las organizaciones no gubernamentales, así como respeto.
Atentamente

Textvorschlag (deutsch):

Herr Präsident,
mit tiefer Besorgnis haben wir von Menschenrechtsorganisationen Informationen über die schwierige Lage erhalten, in der sich 24 Personen befinden, die in Guatemala Todesdrohungen erhalten haben.
Am 27.März gingen bei verschiedenen Kommunikationsmedien anonyme Todesdrohungen gegen 24 Personen ein, darunter gegen JournalistInnen, GewerkschafterInnen, Lehrpersonal der Universität San Carlos, VertreterInnen internationaler und Nichtregierungsorganisationen, Mitglieder des Entwicklungsrates COINDE und der Kooperativen, die die nach dem bewaffneten Konflikt zurückkehrende Bevölkerung begleiten.
Mit dieser Verfolgung sollen diese Personen gezwungen werden, in ein anderes Land auszuwandern oder sie werden so unter Druck gesetzt, daß sie öffentlich auf ihre Ämter verzichten, da sie angeklagt sind, SymphatisantInnen der Guerilla zu sein.
Diese Drohungen werden in einem Augenblick ausgesprochen, in dem Sie die Gespräche mit der URNG wieder aufnehmen, wo die Bevölkerung auf der Suche nach Alternativen, auf dem Weg zur Demokratie, Fortschritt und Frieden ist. Daher gefährden diese anonymen Drohungen in hohem Maße den Friedensprozeß in Guatemala, weil das Klima der Unsicherheit verstärken und diese Gewalttaten ungestraft lassen.
Wir drücken unseren energischen Protest gegen diese Taten aus und fordern Sie auf zu garantieren, daß
1. die physische und psychische Integrität der 24 Personen, die als Subversive gebrandmarkt wurden, respektiert wird.
2. diese Drohungen umfassend untersucht werden, um die Verantwortlichen zu finden, die sich momentan in der Anonymität befinden.
3. die Ergebnisse dieser Untersuchungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
4. Ihre Regierung die humanitäre Arbeit der Nichtregierungsorganisationen legitimiert und respektiert.

ADRESSEN:

– S.E. Jorge Serrano Elias, Pte. de la Republica, Palacio Nacional, Guatemala, Guatemala.
Telex: 5331 CAPRES GU
Tel: 00502-2-21212 und 00502-2-22268, Fax: 00502-2-537472
– Llc. Fernando Hurtado Prem, Ministro de Gorbernación, Despacho Ministerßial, Of. No 8, Primer Nivel Palacio Nacional, Guatemala.
Telex: 5085 MINGOB GU
Tel: 00502-2-21212 ext. 500, Fax: 00502-2-518105
– Llc. Ramiro de León Carpio, Procuraduria Los Derechos Humanos, 12 Av. 12-72 Zona 1, Ciudad Guatemala, Guatemala.
Fax: 00502-2-512026
– Sr. Amos Waco Relator, Especial de Naciones Unidas para Ejecuciones – Sumarias o Arbitrarias.
– Sr. Christian Tomuschat, Encargado por Naciones Unidas Para la Asitencia a Guatemala en materia de derechos humanas.
Fax: Genf 0041-22-7339879 für beide Menschenrechtsorganisationen.

Der Noriega-Prozeß im Vorlauf

Die beiden Angeklagten, der Immobilienhändler Brian Davidow aus Miami und der kolumbianische Yachtvermieter William Saldarriga, wurden der Verschwörung und des Schmuggels von 732 Pfund Kokain schuldig befunden, ihnen drohen Gefängnisstrafen bis zu 30 Jahren. Im Tausch für die Drogen sollen Davidow und Saldarriaga, so die Anklage, der kolumbianischen Guerilla rund 1.000 M-16-Gewehre beschafft haben – ein Deal, bei dem Noriega tatkräftig mitgeholfen haben soll.
Das Verfahren gegen die ersten Angeklagten im “Noriega-Komplex” beschrieb die liberale Washington Post allerdings als “full of mystery”. In dem wohl spektakulärsten “Zwischenfall” des Prozesses stirbt am 27. Februar der von der US-Regierung als “Star-Zeuge” aufgebaute Drogenhändler Ramón “El Turco” Navarro bei einem Verkehrsunfall, just einen Tag bevor die Zeugenanhörungen beginnen sollten. Die Zeugen – darunter sieben verurteilte Drogendealer und vier Gefängnisinsassen – würden einer “Galerie der Unterwelt” Ehre machen, befindet die Post. Und die meisten der Angeklagten können als “Kronzeugen” mit ihren Aussagen und der fleißigen Belastung der Mitangeklagten – insbesondere Noriegas natürlich – ihr eigenes Los erheblich erleichtern.
So ist es kein Wunder, daß in den Zeugenaussagen der dreiwöchigen Verhandlungen in Miami immer wieder der Name Noriega fiel. Und dies ist offensichtlich ganz im Sinne der Washingtoner Politiker: Für die Anklage gegen Noriega, er habe für 4,6 Millionen Dollar Bestechungsgeld vom Drogenkartell in Medellín Panama in ein Drogen-Eldorado und die Drehscheibe der Kokainlieferungen in die USA verwandelt, ist die juristische Beweislage alles andere als üppig; und so wird der für den 24. Juni angesetzte Prozeß gegen Noriega selbst wohl ganz wesentlich mit diesen Aussagen aus den vorgeschalteten Verfahren gegen “kleine Fische” wie Davidow und Saldarriaga bestritten werden.

Rechenkünstler

Kein Vertrauen in salvadorenische Wahlen

Noch etwas anderes prognostizierte die UCA: eine große Zahl der Wahlberechtigten werde nicht zur Wahl gehen. Über 40 % von ihnen war überzeugt, daß es einen Wahlbetrug geben würde. Die Realität gab ihnen recht. Die ersten Trendrechnungen am Abend des 10. März ließen unerwartete 16-17 % für die Convergencia erahnen. Die CD wäre damit eindeutig drittstärkste Partei des Landes geworden. Danach ließ man sich über eine Woche Zeit, bis die ersten offiziellen Endergebnisse aus einzelnen Provinzen veröffentlicht wurden. Der Trend war nicht zu verkennen. Der zentrale Wahlausschuß der lediglich mit Vertetern von ARENA, PDC (Christdemokraten) und der PCN (Regierungsparte der 70er Jahre) besetzt war, hatte offenbar beschlossen, daß die PCN dritte Kraft auf Parteienebene bleiben soll. Am 22. März wurden dann die endgültigen Ergebnisse veröffentlicht. ARENA “beschmutzte” sich nicht mit einer absoluten Mehrheit, sie erhielt 39 Sitze in dem auf 84 Mandate erweiterten Parlament. Danach besetzen die PDC in Zukunft 26, die aussichtlose PCN 9, die Convergencia 8, die UDN einen und die rechte PDC-Abspaltung MAC ebenfalls einen Sitz. Damit war die Convergencia plötzlich nur noch die viertstärkste politische Kraft. Diese Mandatsverteilung ist ein echtes Kunststück, da gleichzeitig anerkannt wurde, daß die Convergencia 12 % und die PCN nur 9 % der Stimmen bekamen. Nach dem herrschenden Wahlgesetz nämlich werden 64 Sitze pro Provinzparlament (Departamentos) ermittelt. Je nach EinwohnerInnenzahl wiederum stehen den Departamentos eine bestimmte Anzahl von Mandaten im nationalen Parlament zu. Daß die Convergencia eben in den “falschen” Provinzen drittstärkste Kraft wurde und weniger Sitze als die PCN erhielt, kommentierte der ARENA-Gründer Roberto d’Abuisson folgendermaßen: “Die Convergencia hat eben Pech gehabt.” Gleichzeitig stieß er heftige Drohungen gegen den Chef der Convergencia, Rubén Zamora, aus. Die Drohungen erinnerten fatal an jene, die den Morden an Erzbischof Romero 1980 und den Jesuiten 1989 vorausgingen…
Wahlen in El Salvador sind weit davon entfernt, Bestandteil eines demokratischen Prozesses zu sein, auch wenn die ARENA-Prominenz nicht müde wird, dies immer wieder zu beteuern. In den 80er Jahren hat es etliche Urnengänge gegeben, alle in der Logik der Aufstandsbekämpfung. Die Tatsache, daß auch diesmal 55 % der Wahlberechtigten den Urnen ferngeblieben sind, verdeutlicht die Folgen dieser Politik. Inwieweit die Opposition dieses Potential für sich gewinnen und mobilisieren kann, wird sich bis 1994 zeigen, wenn ein neuer Präsident gewählt werden soll.

Die Endergebnisse (22. März 1991)

Partei % Mandate

ARENA 44,3 39
PDC 28,0 26
PCN 9,0 9

Convergencia
Democrática (CD) 12,0 8
MAC 3,0 1
UDN 2,7 1

Die FMLN: Leidige Wahlen und eine neue Dynamik

Man hat sie unter den derzeitigen Bedingungen nicht gewollt, aber die Verhandlungsdynamik und die Tatsache, daß die Convergencia ihre Teilnahme zugesagt hatte, hatten der FMLN das erste Mal verboten, die Wahlen zu boykottieren.
Lange mußte die Frente diskutieren, bis die Poitionen definiert waren: Keine Empfehlung für eine der Oppositionsparteien, keine Wahl in den kontrollierten Zonen (nur in den Provinzhauptstädten), und kurz vorher verfügte die FMLN eine dreitägige Waffenpause. Die Armee nutzte dies aus, um in großangelegten Operationen bestimmte Regionen für eine begrenzte Zeit einzunehmen, damit dort die Wahlen durchgeführt werden konnten. Gleichzeitig jedoch wurden auch Fälle bekannt, bei denen das Militär u.a. in Chalatenango und Morazán Personen behinderte ihre Stimmen abzugeben.
Neben dem Streik der Beschäftigten des Finanzministeriums gewannen die Verhandlungen zwischen der FMLN und der Regierung in der Öffentlichkeit alsbald wieder großes Gewicht. Zunächst wurde jedoch ein Plan bekannt, der vor den Wahlen angeblich von ARENA, PDC und der Convergencia (UDN nicht) unterstützt wurde. Der Vorschlag läuft auf eine Säuberung des Militärs, ihre Unterstellung unter eine zivile Kontrolle und das Ende der Straffreiheit hinaus. Allerdings sollen diesem Vorschlag zur Folge Offiziere in die entsprechenden Komissionen deligiert werden. DIe PDC äußerte sich nicht dazu und Rubén Zamora dementierte sichtlich verärgert: “Da ist jemand dabei, eine ganz häßliche Geschichte zu konstruieren.”

Frieden noch in diesem Jahr?

Anlässlich der San José VII Tagung in Managua präsentierte die FMLN ihren neuen Vorschlag: Gleichzeitige Behandlung der wichtigsten Themen des Verhandlungsprozesses – Armee, Verfassungsreform und Waffenstillstand (!). So soll unter der aktiven Mitarbeit der Parteien und Organisationen bis Ende Mai ein Waffenstillstand vereinbart werden. Die Reaktionen von Seiten der ARENA und der Militärs auf diesen tatsächlich neuen Vorschlag, der nicht ohne Risiken für die FMLN ist, waren unterschiedlich. Allzu großer Optimismus verbietet sich jedoch. Nach wenigen Tagen sprach der Generalstab ein Machtwort: Die Demobilisierung der Guerilla – so Inocente Montano, Tandona-Oberst und Vize-Verteidigungsminister – sei unabdingbare Voraussetzung für die Vereinbarung eines Waffenstillstandes.

Wirtschaftsprogramm schockt NicaraguanerInnen

Das Anpassungsprogramm präsentiert sich entsprechend orthodox: Kernstück ist die nominale Entwertung des bis dato nur spärlich zirkulierenden Gold-Cordobas um 400%, mit der die Regierung 80% der Geldmenge abschöpfen konnte. Der neue Cordoba soll, seines Gold-Attributes beraubt, bis Ende April definitiv den alten “sandinistischen” Cordoba ersetzt haben.
Die Preise für inländische Produkte, öffentliche Dienstleistungen und Treibstoffe verbilligten sich durch eine Anhebung um nur 300-350%, ohne für die Mehrheiten des Landes deshalb erschwinglicher zu werden. Die Lohnanpassung erschöpfte sich schon bei durchschnittlich 200%.

Sauberes Wasser

Die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen wird in Nicaragua von keiner Seite bestritten. Die Inflation war infolge des in künstlicher Parität zum Dollar gehaltenen Gold-Cordoba auf monatliche 120% explodiert. Die Überbewertung der nationalen Währung hatte Nicaragua im vergangenen Jahr zum teuersten Land Zentralamerikas werden lassen, die Gewinnspannen für die Exportproduktion verringert und Importwaren im Verhältnis zur einheimischen Produktion konkurrenzlos verbilligt.
Mit der Anpassung soll diese Entwicklung korrigiert werden. Die komplizierte Art ihrer Durchführung schuldet sich der Notwendigkeit, die beabsichtigte Senkung der Lohnkosten angesichts der starken sandinistischen Gewerkschaften nur indirekt durchzuführen.
Der Staatshaushalt – in dessen Defizit die Regierung die Quelle der Inflation ausgemacht hat – soll sich künftig selbst tragen und nicht mehr mit der Notenpresse finanziert werden. “Sauberes Wasser” müsse fließen, metaphorte Lacayo – sturer Monetarismus als pfiffige Wirtschaftsökologie. Saniert werden soll der Staatsetat durch weiteren Personalabbau, Senkung der Lohnkosten, Verkauf von staatli¬chen Betrieben und die restriktive Handhabung des Kreditwesens.

Gewinner und Verlierer

“Es ist jetzt nicht die Zeit für Verbesserung, sondern die der Nicht-Verschlechterung”, rechtfertigt eine Regierungserklärung die Roßkur. Doppelt gelogen hält besser, denn wie die Verlierer – Lohnabhängige, Kleinhandel und -produktion – stehen die Gewinner der Anpassung fest: Allein durch die Regulierungen im Finanzwesen – Sparguthaben wurden mit dem Faktor 5, Kredite mit einer Laufzeit bis Mai aber nur mit 3,4 multipliziert – können die we¬nigen großen Kaffee- und Baumwollproduzenten zusätzliche Gewinne von mehreren tausend Dollar einfahren. Der Verlust der kleinen Produzenten, die in Ermangelung von Weiterverarbeitungs- und Lagermöglichkeiten die Ernte des auslaufenden Agrarzyklus schon längst zu alten Preisen verkauft haben, läßt sich durch die reale Verringerung der Kreditforderungen nicht wettmachen. Um so mehr, als nur wenige der Kleinproduzenten über Sparguthaben verfügen, die laufenden Kosten der Entwertung aber nicht angeglichen wurden.
Die inländische Produktion, im vergangenen Jahr arg geschrumpft, wird durch die unausweichliche Rezession im Zuge der Anpassung weiter getroffen; zahllose kleine und mittlere Unternehmen stehen vor dem Ruin. Der sandinistischen Agrarreform, der die Anerkennung auszusprechen die Regierung sich bei keiner Gelegenheit enthält, wird vermittels wirtschaftlichen Druckes und den Spitzen der Kreditpolitik die Luft abgelassen.
Die gerade forcierte Umverteilung des spärlichen nationalen Reichtums zugunsten der großen exportorientierten Agrarproduzenten zeigt, in Verbindung mit den geplanten umfassenden Privatisierungen, die tatsächliche Richtung des Anpassungsprogrammes an. Der Anpassungsschock trifft die Mehrheiten Nicaraguas zu einer Zeit, da ihre soziale Situation kaum weiter verwahrlosen kann. LandarbeiterInnen verdienen nach der Reform 80 Cents am Tag, die Löhne in der Industrie sind kaum besser. Die Arbeitslosigkeit hat die 50%-Marke bald erreicht. Die Gesundheitsversorgung wird durch den seit mehr als 2 Monaten andauernden MedizinerInnenstreik kaum beeinträchtigt; im ganzen Land fehlen die nötigen Medikamente, Präventiv-Medizin findet ohnehin nicht mehr statt.
Kein Wunder, daß die sandinistische Gewerkschaftszentrale FNT, zuvor kritisiert wegen ihrer Zurückhaltung seit dem Konzertations-Abkommen vom vergangenen Oktober, umgehend mit Streiks auf die Maßnahmen reagierte. Die Regierung zeigte sich anfangs hart, ließ die Polizei gegen Streikende vorgehen, erklärte sich dann aber – unter Vermittlung der FSLN – zu Verhandlungen bereit. Die Bedingungen für die FNT sind in diesem Konflikt nicht eben günstig: Als Konsequenz gewinnen individuelle Überlebensstrategien in der Bevölkerung an Bedeutung, durch die hohe Arbeitslosigkeit haben die Gewerkschaften zudem viele Mitglieder verloren. Vor allem aber fehlt der FNT die eindeutige Rückendeckung durch die FSLN. Die Regierung ihrerseits muß dem IWF eine gewisse Stabilität vorweisen, so daß ein Kompromiß in den Verhandlungen wahrscheinlich ist.
Der schwarze Peter

Die unterschiedlichen Kommentare zu den Wirtschaftsmaßnahmen in der sandi¬nistischen Presse deuten auf eine tatsächliche Uneinigkeit in der FSLN hin. Das Kommuniqué der Nationalleitung der FSLN unterstreicht die Notwendigkeit des Anpassungsplans, kritisiert ihn im Detail und benennt seine sozialen Implikationen. Die Erklärung endet, nach einem lauwarmen Aufruf zur Verteidigung der revolutionären Errungenschaften, mit dem Appell an die Kräfte des Landes zur sozialen Solidarität. Die Benennung der Nutznießer der Anpassung wird auffällig vermieden. Dies bedeute weder restlose Unterstützung noch Ablehnung der Regierungsmaßnahmen, erläuterte Ex-Präsident Daniel Ortega die Position der FSLN.
Mit dem inmitten der Streiks von der sandinistischen Nationalleitung ausgesprochenen Gesuch an IWF und Industrienationen, Nicaragua einen Aufschub in der Schuldenrückzahlung und besondere Bedingungen bei der Kreditvergabe zu gewähren, erhärtete die FSLN die Vermutung, daß sie auf keinen Fall die Zusage internationaler Finanzhilfen gefährden wolle. Immerhin würdigte die Regierung die sandinistische Zurückhaltung mehrfach als konstruktiv und patriotisch. Die FSLN will, scheint es, die Rolle des Sündenbockes beim zu erwartenden Scheitern des Anpassungsprogrammes schon präventiv auf die abschieben, an die sie gerade so sozialdemokratisch appelliert: IWF und nationales Kapital. Vielleicht spekuliert sie darauf, daß die UNO-Regierung wenigstens diese eine ihrer Versprechungen hält: abzutreten, wenn die Maßnahmen nicht wie verheißen greifen sollten.
Viel Handlungsspielraum hat die FSLN nicht: auch eine von ihr geführte Regierung müßte sich mit den westlichen Industrienationen und der nationalen Bourgeoisie verständigen. Die Vorsichtigkeit der offiziellen Reaktion bleibt vielen AktivistInnen an der sandinistischen Basis dennoch unverständlich. Will die FSLN ihre Glaubwürdigkeit und Mobilisierungsfähigkeit nicht ernsthaft aufs Spiel setzen, muß sie – so urteilen viele – schon bald die Initiative ergreifen. Ob und wie sie das tun wird, ist ungewiß. Teile der FSLN jedenfalls scheinen auf eine Sozialdemokratisierung der Konflikte zu setzen, wie sie in der bereits vollzogenen Aufgabenteilung mit der FNT zum Ausdruck kommt: die zeichnet fürs Grobe zuständig, und die FSLN vermittelt. Nicht wenige halten eine Rückkehr der FSLN an die Regierung bei den nächsten Wahlen für möglich: in einer Koalition mit (Antonio Lacayo und) der sozialdemokratischen Partei des Parlamentspräsidenten Alfredo Cesar.
Die Stabilität Nicaraguas bleibt derweil bedroht durch die anhaltenden Landkonflikte zwischen Ex-Contras und Kooperativen, die Gewaltakte gegen sandinistische AktivistInnen und die ständigen Bemühungen, Polizei und Militär der sandinistischen Kontrolle zu entziehen; die Kriminalitätsrate ist im ganzen Land emporgeschnellt. Die Wirtschaftsmaßnahmen verschärfen die sozialen Konflikte weiter, bleiben sie doch eine Antwort auf die Probleme der Mehrheiten schuldig. Dies kann auch die umfassende, opferfordernde und zukunftsverheißende Regierungspropaganda zum Anpassungsprogramm nicht verdecken, die letztlich nur an die Zeichnung von F.K.Waechter gemahnt: der dicke Weiße, umringt von freudigen Negerlein, erklärt das Hungerproblem für gelöst – einfach mehr spachteln.

Kasten:

Che lebt – Die neue Rhetorik der UNO-Regierung

“Die wirtschaftliche Revolution, die wir begonnen haben (…), wird wachsen wie ein gigantischer Baum, verwurzelt in der politischen Revolution, die das Volk von Nicaragua so viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet hat.” Revolution! Man möchte kaum glauben, was Präsidialamtsminister Antonio Lacayo da im Namen der UNO-Regierung verliest. “Wir appellieren an die internationale Gemeinschaft, an Weltbank und IWF (…), mit Bestimmtheit die Selbstbestimmung Nicaraguas zu unterstützen, welche den Aufbau dieses Modells von integraler Revolution vorantreibt, das als Beispiel dienen soll für die Bruderländer der Dritten Welt, die mit vollem Recht für ihre Befreiung von Rückständigkeit und Armut kämpfen.”
Selbstbestimmung! Beispiel, Befreiung, Kampf – es ist nicht zu fassen, wie Toño Lacayo sich zu Höhen revolutionärer Rhetorik emporschwindelt, die der FSLN vorbehalten zu sein schienen.
Die FSLN zeigt sich einigermaßen verblüfft ob der neuen Konkurrenz. Zwar hatte sie sich seit dem Regierungsverlust eifrig bemüht, den neuen Machthabern die Revolution als historische Realität und deren Lebendigkeit als politische Determinante nahezubringen. Daß die rhetorischen Lernerfolge der Regierung solche schon che-mäßigen Dimensionen annehmen, macht allerdings stutzig: Den Versuch der “Konfiszierung der Revolution” vermutet die sandinistische Journalistin Rosario Murillo hinter der wundersamen Wandlung des Regierungsdiskurses.
Tatsächlich hat sich die Regierungspräsentation deutlich gewandelt: statt drögen Technokraten-Mienen hier ein lachender Minister, da ostentative Besorgnis, dort ein volksnah fluchender Lacayo. Wo früher der schiere Triumphalismus den Diskurs diktierte, werden heute durchaus Konzessionen an die Wirklichkeit, die bittere, gemacht. Zwar rudern die regierungsfreundlichen Werbespots noch gerne bei aufgehender Sonne auf dem Nicaraguasee, werfen aber immerhin kurze Blicke auf schmutzige Kinder und unansehliche Menschen, die im Müll nach Eßbarem stochern – aber Nicaragua hat auch große Probleme, besorgt sich die Stimme aus dem Off.
Im Gegenzug reift der offizielle Diskurs der FSLN vom markig-Fordernden zum eher distinguiert-Appellativen. Wo seinerzeit die Klassenlage analysiert und mit Konfiszierung gedroht wurden, wird heute an die soziale Solidarität gemahnt. In den abendlichen Fernsehnachrichten trifft man sich dann wieder; den Bericht über ein schmalbrüstiges regierungsamtliches Wohnungsbauprojekt untermalt schamlos die leichte Melodie eines sandinistischen Revolutionsliedes. Die Entwicklung scheint allgemein zu sein: der Kommandant der salvadorianischen Guerilla FMLN freute sich, von der demokratischen Regierung Nicaraguas empfangen zu werden und würdigte den nicaraguanischen Demokratisierungspro¬zeß als Beispiel für El Salvador.
Nicht bekämpfen, umarmen müsse man die Revolution, war das Motto der bundesdeutschen Sozialdemokratie in ihrer Nicaragua-Politik. Umarmen und zudrücken.
H.-C. Boese

Ökoterrorismus als Befriedungsstrategie

Der Umweltkrieg wird in Guatemala auf direkte und indirekte Weise betrieben. Die direkte Form ist der sogenannte Kampf gegen den Drogenanbau. Guatemala ist das Extrem-Beispiel für US-unterstützte Sprühaktionen aus der Luft, die sich offiziell gegen Drogenanbaugebiete richten, tatsächlich aber Langzeit-Anti-Guerilla-Strategie sind. Seit Frühjahr 1987 werden diese Einsätze geflogen, seit 1989 begleitet von vietnamerprobten Kriegshubschraubern. Ein Großteil der Gebiete, in denen Sprüheinsätze geflogen werden, sind geographisch und klimatisch für den Mohn- und Marihuana-Anbau ungeeignet. Aufschlußreich bezeichneten RegierungssprecherInnen die Einsatzgebiete selber als “Konfliktzonen”. Diese Regionen sind Hauptoperationsgebiete der Guerilla. Dies verdeutlicht die eigentliche Absicht der Pestizidbombardements. Mit den Entlaubungseinsätzen soll der Guerilla der natürliche Schutz, durch andere Giftbesprühungen die Nahrungsgrundlage entzogen werden. Deswegen besprüht das Militär gezielt auch die Felder der Zivilbevölkerung.
Bei den Sprühaktionen wurden die Pestizide Glyphosate und 2,4 D in stärkerer Konzentration als in den USA erlaubt verwendet. Dies hat den aus Vietnam bekannten “Agent-Orange-Effekt”, der Krebs und Mißbildungen bei Neugeborenen provoziert. Außerdem wurden das die Parkinson’sche Krankheit verursachende Paraquat, Manathion, EDB, 2,4,5-T und Methylparathien verwendet. Wenn diese Gifte in die Umwelt gelangen, verseuchen sie Wasser, Nutzpflanzen und -tiere, und es kommt zu akuten Pestizidvergiftungen bei Menschen, die in häufigen Fällen zum Tod zumindest aber schweren Erkrankungen der Atemwege und Verdauungsorgane führen. Zusätzlich zu diesen chemischen Verwüstungen wurden im Norden Guatemalas 1500 Hektar des Petén durch Napalmbombardements zerstört.

Maisanbau-Verbot und chemische Keule

In indirekterer Form tritt der Ökoterror beim Anbau nicht-traditioneller Agrarexportgüter auf. Anstelle von Produkten wie Bohnen, Chili, Tomaten und vor allem Mais, müssen jetzt Broccoli, Erd- und Himbeeren, Spargel, Rosenkohl etc. angebaut werden. Diese werden in unzähligen Modelldörfern angepflanzt. Dort wird seit Anfang der 80er Jahre ein großer Teil der Bevölkerung zwangsangesiedelt, der der “Politik der verseuchten Erde” zum Opfer fiel. Hier wird ideologisch und agrarpolitisch nach westlichen Vorstellungen gesät.
Geplant wurden diese Lager mit Hilfe israelischer Militärberater. Große finanzielle Unterstützung haben sie vor allem von US-amerikanischen und bundes¬deutschen Entwicklungsorganisationen (AID und COGAAT – “Guatemaltekisch-Deutsche Zusammenarbeit Lebensmittel gegen Arbeit”). Die Lager stehen unter strikter militärischer Kontrolle. Die Indígenas arbeiten hier in Food-for-Work-Programmen. Das heißt, sie sind in keiner Weise am Ertrag beteiligt. Von Anfang an haben die Militärs in den Modelldörfern den Anbau von Mais sowie anderer traditioneller Produkte verboten. Dadurch entziehen sie den Indígenas die Möglichkeit zur Selbstversorgung. Mittlerweile importiert Guatemala Mais aus den USA. Das Verbot, Mais anzupflanzen, erfüllt für die Militärs einen doppelten Zweck: Zum einen erzielen sie mit den statt dessen angebauten Produkten bes¬sere Preise auf dem Weltmarkt. Zum anderen bringen sie die indianische Bevölkerung in eine völlige wirtschaftliche Abhängigkeit und versetzen der Ideologie und Kultur der “Maismenschen” einen empfindlichen Schlag.
Um dem Land die “exotischen Früchte” zu entreißen wird es – wie auch bei der Drogenbekämpfung – mit Pestiziden traktiert. Zu 98 Prozent sprühen die PflanzerInnen nach dem Kalendersystem. Das heißt, ohne abzuwarten, daß sich Schädlingskulturen bilden, und diese dann zu vernichten, sondern sozusagen vorbeugend. Das Kalendersprühsystem ist Hauptursache für exzessiven Pestizidgebrauch und der daraus resultierenden Schädlingsresistenz. Darüberhinaus werden auch die natürlichen Feinde der Schädlinge mit zerstört. Zehn Prozent der BäuerInnen verwenden Pestizide, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als extrem giftig eingestuft werden. Mindestens sechzehn der verwendeten Pestizide stehen im Verdacht, Mißbildungen, Krebs, Organschäden und andere chronische Krankheiten hervorzurufen. Die WHO stellte bei Muttermilchuntersuchungen an Frauen von der Südküste Guatemalas die höchsten Werte des krebserzeugenden DDT fest, die jemals bei Menschen ge¬messen wurden.
Die Pestizidrückstände bei den Agrarprodukten sind teilweise so hoch, daß die USA den Import verbieten. Die – englischen! – Warnungshinweise auf den Verpackungen der Pestizide sind für die mit Anbau und Ernte beschäftigten ArbeiterInnen völlig nutzlos. Weder können sie sie lesen, noch haben die Arbeitgeber irgendein Interesse daran, sie auf die Gefährlichkeit der Pestizide aufmerksam zu machen. Um die Gewinnspanne aus den Exporten so hoch wie möglich zu halten, wird munter zwölf Monate im Jahr das Gift gesprüht. Das Land kommt nicht mehr dazu, sich zu erholen, so daß es nur eine Frage der Zeit ist, wann sich das “Land des ewigen Frühlings” in das “Land der ewigen Sommerdürre” verwandelt. Ganz zu schweigen von den Tausenden GuatemaltekInnen, die in bewährter, jahrhundertealter Tradition ihr Land bestellen könnten, ohne mit jedem Atemzug giftige Chemikalien aufzunehmen, wären sie nicht in den sogenannten “Befriedungsprozeß” gezwungen.
Quelle: cerigua

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