„ERSTENS WOLLTEN WIR SOLIDARISCH SEIN”

Als die Lateinamerika Nachrichten Anfang 2016 auf die 500. Ausgabe zusteuerten, war sofort klar, zu welchem Thema wir ein Dossier produzieren wollten: Solidarität! Tragen wir doch das „solidarisch” neben dem „kritisch und unabhängig” nicht nur im Untertitel, sondern sind als Zeitschrift und Kollektiv auch selbst ein Kind der internationalen Solidarität. Bei der Sammlung der Themen kamen wir sehr schnell auf eine Soli-Kampagne der 1980er Jahre, die den Älteren sehr geläufig, für die Jüngeren jedoch sehr befremdlich war: „Waffen für El Salvador”. Wie konnte eine solche Kampagne, mitten in Zeiten der Friedensbewegung und mit Unterstützung selbst kirchlicher Kreise, Spenden von fast fünf Millionen DM erhalten und zur finanziell erfolgreichsten Solidaritätsaktion der neueren Linken werden?

Untrennbar mit der Kampagne verbunden ist der Name von Hans-Christian Ströbele. Christian, linker Anwalt, Mitbegründer der Grünen und der taz, viermal erfolgreicher Direktkandidat für den Bundestag im Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain und mit seinen Markenzeichen roter Schal und Fahrrad als MdB dort bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Zu Zeiten der Kampagne war er im Vorstand des Vereins Freunde der alternativen Tageszeitung, dem damals die taz gehörte. In dieser Funktion verwaltete er auch das Konto für die immer − auch innerhalb der taz − sehr umstrittene Kampagne.

Einen Termin mit ihm zu finden, war leicht: Sehr gern ließe sich der MdB von den Lateinamerika Nachrichten zu der Kampagne interviewen, wurde uns ausgerichtet. So saßen wir dann, in angemessener Besetzung von jüngster und damals ältester LN-Redakteurin, etwas befangen in seinem Abgeordnetenbüro, das eher nach taz aussah: voller Bücher und handbeschrifteter Aktenordner. Christian konnte erzählen und das tat er gerne an diesem grauen Januarmorgen. Spannende Geschichten, aber auch fundierte politische Einschätzungen − nachzulesen in unserem Dossier „Vorwärts und nicht vergessen. Eine Zeitreise durch die Lateinamerika-Solidarität” (LN 500).

Als das Interview zu Ende war, wollten wir gerade aufstehen, als uns Christian leicht bestürzt fragte, ob wir denn von ihm gar kein Statement zu den Lateinamerika Nachrichten haben wollten? Doch, sicher, wollten wir, daran hatten wir nur nicht gedacht.

Hans-Christian Ströbele ist sehr bekannt für seine Arbeit in diversen Untersuchungsausschüssen und im parlamentarischen Kontrollgremium der Geheimdienste, auch sein Engagement für Edward Snowden. Weniger bekannt ist sein langjähriges parlamentarisches Engagement für Lateinamerika. Wenn er von seinen Reisen und seinen Begegnungen mit den Menschen in Lateinamerika sprach, strahlten seine Augen. Und dann erzählte er uns, dass er vor seinen Reisen immer die Berichte der LN zu den Ländern lese: „Denn da weiß ich, das ist eine Berichterstattung von unten, über die wirklichen Probleme. Das sind nicht nur Informationen von der Botschafterebene, denn die Botschaften verkehren ja meistens mit der Oberschicht.”

Am Ende unseres Interviews sprach Christian noch einmal über den Begriff der Solidarität, ein Leitmotiv seines Lebens. Für ihn war Solidarität vor allem „eine dringende Notwendigkeit, nach wie vor”. Aus dieser Haltung heraus unterstützte er nicht nur viele Jahre die Kampagne für El Salvador, sondern auch die Lateinamerika Nachrichten. Sehr gerne hätten wir mit Christian und seiner Frau Juliana Ströbele-Gregor, die ihre eigene Geschichte in der Redaktion hat, ein Interview zum fünfzigsten Geburtstag der LN geführt. Es hat nicht sollen sein. LN nimmt Abschied von einem großen Unterstützer und politischen Freund.

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