SEIN LETZTES GEFECHT

Hugo Torres Jiménez wurde 1948 in dem nördlichen Grenzstädtchen Somoto in Nicaragua geboren. 1971 schloss er sich als Jurastudent an der Universität von León der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN) an. Er leistete in den dortigen Stadtvierteln subversive Organisationsarbeit in einem der brisantesten Momente in der Geschichte der FSLN: Die Nationalgarde hatte die kleinen Guerillagruppen, die in den Bergen im Norden des Landes operierten, praktisch zerschlagen und die meisten ihrer Anführerinnen waren getötet oder inhaftiert worden.

Am 27. Dezember 1974 besetzte ein Kommando von 13 Guerillerxs, darunter Hugo Torres Jiménez, das Haus eines Ministers der Somoza-Regierung und nahm mehrere Kabinettsmitglieder, hochrangige Personen der Geschäftswelt und enge Verwandte Somozas als Geiseln. Somoza musste den Forderungen des Kommandos nachgeben und ließ eine bedeutende Gruppe inhaftierter FSLN-Mitglieder frei, darunter Daniel Ortega Saavedra. Diese Aktion, die Nicaragua und die FSLN auf die Titelseiten der Zeitungen in aller Welt brachte, eröffnete eine neue Etappe in der Entwicklung ihrer politischen Kraft.

Vier Jahre später, am 22. August 1978, gehörte Hugo Torres Jiménez einem Kommando von 25 Guerillerxs an, das in einer gewagten Aktion den Nationalpalast besetzte, in dem der Kongress der Republik tagte. Dabei nahmen sie Mitglieder des Kongresses unter dem Vorsitz eines Cousins von Somoza sowie Tausende im Palast beschäftigte Angestellte als Geiseln. Nach dreitägigen Verhandlungen musste Somoza den Forderungen der Guerilla nachgeben, eine hohe Geldsumme übergeben, Kommuniqués veröffentlichen, in denen die Verbrechen des Regimes angeprangert wurden und eine große Zahl inhaftierter FSLN-Mitglieder freilassen. Zehntausende Bürgerinnen von Managua begleiteten den Bus auf dem Weg vom Palast zum Flughafen, wohin die Guerillerxs mit den befreiten Gefangenen unterwegs waren. Dieser Tag und vor allem die Begeisterung sowie die gewaltige Mobilisierung des Volkes markierten den Anfang vom Ende der Somoza-Diktatur.

Die genannten Operationen stellen bedeutende Schlüsselmomente in der Geschichte des Sandinismus dar und Hugo Torres Jiménez nahm als einziges FSLN-Mitglied an beiden davon teil. Am 19. Juli 1979, ein Jahr nach der Übernahme des Nationalpalastes, triumphierte die sandinistische Volksrevolution. Danach trat er zunächst ins Innenministerium ein, anschließend schloss er sich der nicaraguanischen Armee an und schied 1998 ehrenvoll im Rang eines Brigadegenerals aus. Er war nicht nur Militär, sondern auch Schriftsteller und schrieb Gedichte.

1995 brach er seine politischen Beziehungen zur FSLN ab, Grund hierfür war der totalitäre Kurs von Ortega, die Abkehr von den Werten und -prinzipien der FSLN und der Mangel an Demokratie. Gemeinsam mit anderen, die sich von der Partei abspalteten, gründete er die Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS), die später in Union für demokratische Erneuerung (Unamos) umbenannt wurde. Nach gewaltsam unterdrückten Protesten im April 2018 spielte Unamos eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen um die Einheit der Opposition. Hugo Torres Jiménez beschuldigte Daniel Ortega und Rosario Murillo, verantwortlich für die Repressionen zu sein, die zum Tod von mehr als 350 Nicaraguaner*innen geführt haben. In der Folge wurde er am 13. Juni 2021 verhaftet.

Erst Ende Oktober konnte er zum ersten Mal mit seinen Anwälten sprechen, anschließend durfte seine Familie ihn zweimal für kurze Zeit besuchen. Am 17. Dezember desselben Jahres bekam er ernste gesundheitliche Probleme, er wurde in ein Krankenhaus verlegt und verstarb am 12. Februar 2022 im Alter von 73 Jahren.

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