Am achten Februar begann die öffentliche Phase der Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN-Guerilla in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. An oberster Stelle der Agenda steht, die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Verhandlungen zu definieren. In diesem Sinne muss eine transparente Debatte zwischen den unterschiedlichen Lagern und Verhandlungsparteien geführt werden.
“Wir Frauen sind bereit für die Beteiligung: Wir machen Vorschläge, hören zu und lösen!”
Dafür schlugen viele Organisationen das Bündnis Sozialer Tisch für den Frieden (Mesa Social para la Paz) vor. Der Tisch soll einen komplementären Raum zu den Verhandlungen mit den Aufständischen bilden, in dem die Zivilgesellschaft gegenüber der kolumbianischen Regierung ihre Anliegen und Themen einbringen will, um so die Verhandlungen mit der ELN mitzugestalten. Ein Komitee aus 80 Organisationen soll nun einen konkreten Vorschlag für die zivile Partizipation bei den Verhandlungen mit der ELN erarbeiten.
Die Guerillaorganisation hat die Bedeutung und Notwendigkeit betont, die Vorschläge der verschiedenen sozialen und politischen Bewegungen zu berücksichtigen. Dagegen hat der Chef-Unterhändler der Regierung, Juan Camilo Restrepo, während des Festaktes zum Auftakt der öffentlichen Phase der Gespräche die Initiativen zwar begrüßt, bezweifelte jedoch die Wirkungen ihrer Vorschläge. Ein Regierungssprecher äußerte sogar, dass die Beteiligung „nicht verbindlich sein könne“. Die sozialen Bewegungen fordern hingegen eine Stärkung partizipatorischer Mechanismen, dafür soll das Format, das bei den Verhandlungen mit der FARC angewendet und als zu eingeschränkt kritisiert wurde, weiterentwickelt werden.
Die vielfältige Frauenbewegung des Landes konnte in den Verhandlungen mit der FARC vor allem über eine breite Mobilsierung die Aufmerksamkeit der beiden Verhandlungsparteien gewinnen. Dank dieses öffentlichen Drucks wurde 2014 eine Subkommission gegründet, um die Gender-Frage in das Friedensabkommen zwischen der Regierung und der FARC zu integrieren. Nach dem gescheiterten Referendum über die Ratifizierung des Abkommens im Oktober 2016 entflammte jedoch eine Debatte um den Gender-Fokus, der in das Abkommen integriert worden war. Soziale, politische und religiöse Akteure kritisierten, dass damit eine Gender-Ideologie vorangetrieben würde, die das traditionelle Familienbild angreife. Die selben Lager signalisierten, dass es irreführend sei, Ausdrücke wie „Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung“ zu benutzen. Dabei handelt es sich um konservative, homophobe Teile der Gesellschaft, die sich auch systematisch gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und die Möglichkeit der Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare stellen.
Im endgültigen Abkommen, das nach dem Plebiszit vom Kongress bewilligt wurde, hieß es dann, dass mit dem Gender-Fokus die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Rahmen des Friedensvertrages festgelegt worden sei. Das Abkommen beinhaltet immer noch konkrete Maßnahmen für den Schutz von Frauenrechten und die Anerkennung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen des bewaffneten Konfliktes auf Frauen. Darüber hinaus wurde jedoch nur in eingeschränkter Form die Situation von LGTBI-Personen aufgegriffen.
Eine Lehre aus den Verhandlungen in Havanna ist, dass die Mechanismen für die zivile Beteiligung im Laufe der Gespräche, und nicht erst in der Phase der Ratifizierung, verbessert werden müssen. Dabei geht es nicht nur darum, Formalien zu erarbeiten, sondern um die Bereitschaft des politischen Establishments, auf soziale Bewegungen zuzugehen. Die Reichweite der Initiativen der sozialen Bewegungen sollte dazu befähigen, ungleiche Strukturen, welche den bewaffneten Konflikt Kolumbiens hervorgebracht haben, effektiv zu verändern.
„Wir Frauen sind bereit für die Beteiligung: Wir machen Vorschläge, hören zu und lösen!“ Mit diesem Aufruf haben unterschiedliche Frauenorganisationen im Rahmen der Kampagne ‘100 Treffen für den Frieden’ am 4. Februar mobilisiert. Überall in Kolumbien kamen Frauen zusammen und diskutierten ihre Anliegen und Möglichekiten. Diese Kampagne wurde vom Sozialen Tisch für den Frieden mit dem Ziel ausgerufen, die neu begonnenen Verhandlungen zu begleiten. Im Landkreis Santander de Quilichao, im Norden des Verwaltungsbezirks Cauca, führt die Arbeitsgruppe Espacio de Mujeres Diversas y Paz Diskussionen, um das Engagement der Frauen bei der Implementierung des Friedensabkommens mit den Aufständischen zu stärken.
In Cauca ist die Bevölkerung besonders stark vom bewaffneten, sozialen und politischen Konflikt betroffen und der Verwaltungsbezirk im Südwesten Kolumbiens zählt zu denjenigen, in denen die staatliche Vernachlässigung Tradition hat. Auch indigene und afrokolumbianische Frauen und Männer diskutierten in der Arbeitsgruppe unter anderem über die Anerkennung der Rechte von Opfern und bekräftigten die Notwendigkeit eines partizipativen Friedens sowie eines Zusammenschlusses der sozialen Bewegungen. Räume wie diese machen es möglich, dass sie ihre Sorgen und Vorschläge für die Beteiligung der Zivilgesellschaft im Friedensprozess öffentlich äußern und festigen auf kommunaler Ebene die Idee, dass eine starke Zivilgesellschaft Voraussetzung für Frieden ist. Im Wesentlichen zielen diese öffentliche Diskussionen auf eine neue politische Öffnung und auf substanzielle, mit der Bevölkerung erarbeitete Änderungsvorschläge, durch die sich der Konflikt nicht wiederholen soll. Ein partizipativer Friedensprozess kann ohne Zweifel komplex und langwierig sein, doch gleichzeitig ist er die einzige Möglichkeit, die Zivilgesellschaft weiter einzubinden, damit die Verträge und der daraus resultierende Frieden von einer großen Basis mitgetragen werden.