EGOZENTRISCH UND EHRLICH

Foto: Sheena Matheiken

„Wenn du nicht mehr so aggressiv bist, kannst du anfangen. Sag mir, wenn du bereit bist.“ Rebecas Mutter ist sauer. Die Interviewfragen hat sie sich anders vorgestellt. Wie es ist, Schwarze Kinder zur Welt gebracht zu haben? „Ich bin Latina, aus Venezuela. Mit allem anderen kenne ich mich nicht aus“, wiederholt sie gebetsmühlenartig. Und bringt damit wieder ihre Tochter auf die Palme, der eine andere Antwort für ihren Film Beba wohl besser ins Konzept gepasst hätte.

Es spricht für Rebeca Huntt, die Interviewerin und Regisseurin ihrer autobiografischen Dokumentation, dass diese Szene trotzdem nicht dem Schnitt zum Opfer gefallen ist. Denn sie zeigt, dass der Kampf um Identität und Anerkennung in einer multiethnischen Stadt wie New York kein leichter ist und jede*r ihn auf eigene Weise führen muss. Für Beba (Rebecas Spitzname) bedeutet das zunächst Beschäftigung mit ihrer Herkunft. Ihr Vater war Plantagenarbeiter in der Dominikanischen Republik. Als die Auswüchse der Diktatur Trujillos immer schlimmer werden, flieht er mit Frau und drei Kindern auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen in die USA. In New York angekommen bezieht die Familie ein winziges Zwei-Zimmer-Apartment am Central Park West. Die Entscheidung für die viel zu kleine Wohnung fällt, weil sie in einem besseren Viertel liegt, als diejenigen in denen viele andere Migrant*innen wohnen. Aus Sorge um die Sicherheit, wie Bebas Vater rechtfertigt: „Wären wir woanders hingezogen, würde mindestens eines von euch Kindern heute wohl nicht mehr leben“.

Ein Zuckerschlecken ist das Aufwachsen und Leben als Migrantin im Big Apple trotzdem nicht. Das zeigen Huntts Erzählungen und die oftmals privat gefilmten Videoaufnahmen, die sie collagenartig (aber weitgehend chronologisch) zusammengestellt hat. Ihre Schwester kämpft mit Drogenproblemen, ihr Bruder entfremdet sich von der Familie (und ist wohl auch deshalb in keinem Interview zu sehen). Rebeca, selbst kein einfacher Charakter (laut eigenem Off-Kommentar „stolz, stur, narzisstisch, chronisch grausam“), wendet sich der Kunstszene und der Black Lives Matter-Bewegung zu und bekommt einen Studienplatz an der renommierten Künstler*innenakademie Bard College. Das gibt ihr zwar einerseits die Möglichkeit, die Suche nach ihrer Identität zu vertiefen. Andererseits muss sie auch dort ihren Weg zwischen Anpassung und Auflehnung gegen die bürgerlich-weiß dominierten Strukturen erst finden.

Beba ist ein dicht komponierter und ehrlicher Blick auf migrantisches Leben in der Black / Latinx-Community in New York. Die Dominanz des autobiografischen Videomaterials lässt den Film allerdings streckenweise etwas zu selbstreferentiell werden. In manchen Momenten wirken die Episoden aus Familien- und Freund*innenkreis beliebig und erinnern an selbstgedrehte Videos von Abitur- oder Klassenfahrten. Huntts Eingangsfrage, warum Gewalt in ihrer Familiengeschichte derart stark verankert ist, gerät im Laufe des Films ein wenig aus dem Blick, genau wie die mögliche Einordnung in den größeren Kontext von Migration und Rassismus – was zum Großteil natürlich der bewusst radikal persönlichen Perspektive geschuldet ist. Auch so bleibt Beba aber ein interessantes und aufgrund seiner charismatischen Protagonistin jederzeit unterhaltsames Schlaglicht auf die Herausforderungen des Lebens lateinamerikanischer Migrant*innen in New York.

 

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