
Am 1. März trat der frühere Geschichtslehrer Yamandú Orsi sein Amt als Präsident von Uruguay an. Zuvor hatte er im November des vergangenen Jahres im zweiten Wahlgang mit 49,8 Prozent der Stimmen die Präsidentschaftswahl gegen Álvaro Delgado von der Nationalen Partei gewonnen. Mit der Präsidentschaft von Orsi, der im Wahlkampf vom ehemaligen Präsidenten José „Pepe“ Mujica unterstützt worden war, kehrt die linke Partei Frente Amplio („Breite Front“) an die Macht zurück, nachdem eine Mitte-Rechts-Regierung unter Luis Lacalle Pou (2020-2025) regiert hatte.
Es war die achte Amtseinführung eines Präsidenten in Uruguay seit dem Ende der zivil-militärischen Diktatur im Jahr 1984. Orsi ist nach Mujica (2005-2010) und dem verstorbenen Tabaré Vázquez (2015-2020) der dritte linksgerichtete Präsident des Landes. Bei seinem Amtsantritt feierte er 40 Jahre Demokratie, die Vielfalt der politischen Parteien und den Wechsel der Macht.
Rückkehr der Linken an die Macht
Als Vertreter der moderaten Linken versprach Orsi, ein Gleichgewicht zwischen sozialem Wohlstand und wirtschaftlichem Wachstum herzustellen. Während des Wahlkampfs hatte er betont, keine „radikalen“ Veränderungen in dem relativ wohlhabenden und stabilen Land mit 3,5 Millionen Einwohner*innen vorzunehmen. Dies könnte angesichts des gespaltenen Parlaments in Montevideo schwierig werden: Zwar kontrolliert die Frente Amplio den Senat, doch die Abgeordnetenkammer wird von Politiker*innen der rechten Mitte dominiert.
In seiner Rede betonte Orsi die Bedeutung regionaler Zusammenarbeit und globaler Stabilität und bekräftigte die Stärkung von Organisationen wie dem Gemeinsamen Markt des Südens (Mercosur), der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS).
Nachdem er erklärt hatte, dass sich seine Regierung für die Förderung der Chancengleichheit einsetzen werde, kritisierte er diejenigen, die Freiheit ausschließlich aus einer ultraliberalistischen Perspektive betrachten. Er betonte: „Ein ultraliberalistisches Konzept von Freiheit, das die Vorherrschaft des Stärkeren predigt, herrscht vor. Das wird niemals unsere Vorstellung von Freiheit sein“ – eine indirekte Kritik an dem argentinischen Präsidenten, der eine ultralibertäre Politik des Minimalstaates und der „Freiheit“ auf der Grundlage der Prinzipien des Privateigentums und des freien Marktes verfolgt.
Mileis Abwesenheit sorgt für Spannungen
Milei selbst war bei der uruguayischen Amtseinführung nicht anwesend, was zu diplomatischen Turbulenzen führte, da er derzeit dem Mercosur vorsitzt. Angesichts dieser Abwesenheit diskutierten die linken Präsidenten Orsi, Lula da Silva (Brasilien), Gabriel Boric (Chile) und Gustavo Petro (Kolumbien) über die Wiederaufnahme der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) – ein Vorschlag von Präsident Lula, der von Orsi, Boric und Petro unterstütz wurde.
UNASUR wurde 2008 als regionale zwischenstaatliche Organisation mit dem Ziel gegründet, einen Raum für „Integration und Einheit im kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich“ zwischen ihren Mitgliedsländern zu schaffen und sozioökonomische Ungleichheiten in der Region zu beseitigen. Die Organisation, die 2011 ihre Arbeit aufnahm, bestand ursprünglich aus zwölf südamerikanischen Ländern: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Paraguay, Peru, Surinam, Uruguay und Venezuela.
2017 legte Venezuela mit Unterstützung Boliviens ein Veto gegen den argentinischen Kandidaten José Octavio Bordón für das Generalsekretariat der UNASUR ein, nannte jedoch keine Alternative, was die Aktivitäten der Organisation teilweise lähmte. Als Reaktion darauf, informierten Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Paraguay und Peru den amtierenden UNASUR-Vorsitzenden 2018 in einem Schreiben über ihre Entscheidung, die Teilnahme an den Sitzungen des Blocks auf unbestimmte Zeit auszusetzen.
Im folgenden Jahr kündigten Argentinien, Brasilien und Ecuador ihren Austritt aus dem Block an. Neben der Skepsis aus Perspektive rechter Nationalisten, wurde die Organisation auch von anderen wegen mangelnder Effizienz und unklarer Aufgaben kritisiert.
Im Jahr 2023, mit dem Amtsantritt von Lula, trat Brasilien der UNASUR wieder bei. Seitdem wurde mit dem Antritt neuer progressiver Regierungen ein Versuch unternommen, die Organisation zu reaktivieren, wenn auch bisher ohne konkrete Fortschritte. Ein Sieg der Linken in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in Ecuador am 13. April – ein Wettstreit zwischen dem amtierenden Präsidenten Daniel Noboa, einem neoliberalen Geschäftsmann, und der linken Kandidatin Luisa González – könnte den Versuch einer Wiederbelebung der Organisation weiter stärken.
Erstarken progressiver Kräfte in der Region
Die Reaktivierung von UNASUR könnte als konkretes Projekt der regionalen Integration zwischen progressiven südamerikanischen Regierungen dienen und ihre Autonomie gegenüber dem globalen Norden stärken. Sie könnte auch als politische Isolationsstrategie für Milei fungieren, der bereits jetzt damit droht, den Handelsblock Mercosur zu verlassen, um ein Freihandelsabkommen mit den USA zu unterzeichnen.
Trotz der Ungewissheit der Rückkehr der UNASUR zeigt die Amtseinführung eines weiteren linken Präsidenten in Südamerika bereits das Erstarken progressiver Kräfte, die dazu beitragen könnten, den in Lateinamerika wachsenden rechtsextremen Nationalismus zu bremsen.