DIE KANDIDATIN DER ANDEREN

„Es ist wichtig teilzunehmen – und das ohne den Anspruch nach oben, an die Macht, zu gelangen“, sagte María de Jesús Patricio Martínez mit Blick auf ihre Präsidentschaftskandidatur der Journalistin Carmen Aristegui. Ein Novum ist nicht nur ihre Kandidatur als Indigene, sondern auch dass sie unterstützt wird von der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee (EZLN). Diese führte 1994 einen bewaffneten Aufstand im Bundesstaat Chiapas durch und legte später die errungene Autonomie in die Hände einer zivilen zapatistischen Regierung.

Foto: Animal Político

Die Zapatistas möchten explizit nicht am mexikanischen politischen System teilhaben und organisieren ihre Basisdemokratie außerhalb staatlicher Strukturen auf der Grundlage indigener Räte und eines eigenen Wertesystems. Dennoch kam der Vorschlag an den CNI, eine Präsidentschaftskandidatin für 2018 aufzustellen, von der EZLN. Mit diesem Kunstgriff bleiben die Zapatistas vom politischen System autonom und platzieren gleichzeitig ihre Themen für die Präsidentschaftswahlen 2018 (LN 512).

Der CNG wurde im Mai 2017 gegründet und die 57-Jährige Martínez zu seiner Sprecherin und ersten Präsidentschaftskandidatin gewählt. Die von ihren Anhänger*innen auch Marichuy genannte Martínez gehört zur größten indigenen Gruppe Mexikos, den Nahua, und engagiert sich seit zwei Jahrzehnten für indigene Rechte. Anfang der 1990er Jahre gründete sie in ihrer Heimatstadt Tuxpan im Bundesstaat Jalisco ein Haus der traditionellen Medizin.

Im Oktober beriet sich der Regierungsrat mit der Basis des indigenen Kongresses und stellte sich anschließend mit ihrer Sprecherin in den fünf zapatistischen Verwaltungszonen in Chiapas vor. Dem CNG gehören derzeit 156 Ratsmitglieder aus 63 indigenen Regionen an. „Wir möchten klarstellen, dass unser Vorschlag anders ist. Es ist ein kollektiver Vorschlag, der nicht dem Konzept entspricht, in dem eine Person spricht, entscheidet und gemacht wird, was diese sagt“, hob Martínez bereits am Tag ihrer offiziellen Registrierung Anfang Oktober hervor. Zum Abschluss der Rundreise betonte sie, dass es an der Zeit sei, sich zu organisieren. Die Stunde „all derer von unten“ sei gekommen. Sie erwähnte ebenfalls die Leiden der Familien von Verschwundenen und ihren Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit. Ihre Kandidatur steht damit nicht nur für die Interessen der indigenen Gruppen Mexikos, sondern auch für eine antikapitalistische linke Politik.

Mit ihrer parteiunabhängigen Präsidentschaftskandidatur im Auftrag des CNI vetritt Martínez die Interessen vieler Ausgegrenzter und stellt eine interessante Wahlalternative im verkrusteten politischen System dar – jedoch ohne Aussicht auf einen Wahlsieg. Bis zu einer tatsächlichen Kandidatur müssen noch mehr als 800.000 Unterschriften in 120 Tagen gesammelt werden. Keine leichte Aufgabe, zumal die Stimmabgabe über Handy weitaus aufwändiger ist als von der Wahlbehörde angegeben und nach Aussagen von Martínez auch behindert wird.

 

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