La Madre de todas las marchas

Die Vereinigung Madres de Abril Protest am ersten Jahrestag des Muttertagsmassakers (Foto: Jorge Mejía Peralta via Flickr , CC BY 2.0)

In LN 587 (Mai 2023) haben wir einen Beitrag („La Madre de todas las marchas“) abgedruckt, mit dessen Aussagen wir zum Teil nicht übereinstimmen. Insbesondere trifft das auf den ersten Satz des Artikels zu, der weder historisch korrekt ist noch in unsere kritisch-solidarische Berichterstattung zu Nicaragua passt. Den Fehler haben wir uns zu großen Teilen selbst zuzuschreiben. Aufgrund von mangelnder Zeit und ungründlicher Prüfung durch die LN-Redaktion im Vorhinein haben wir nicht die nötige journalistische Sorgfalt walten lassen. Dafür möchten wir uns bei unseren Leser*innen entschuldigen. In Absprache mit de*r Autor*in bringen wir den Beitrag online ohne besagten ersten Satz.

Daniel Ortega, der Präsident Nicaraguas, regierte seit der Sandinistischen Revolution 1979 und ist nach einer Unterbrechung seit 2006 wieder durchgehend im Amt. Die Unterstützung seiner Regierung durch das Volk verlor er jedoch spätestens am 19. April 2018, als man begann, Widerstand gegen die Reform des Sozialversicherungssystem (INSS) zu leisten. Die Proteste gingen mit Machtmissbrauch und Gewalt einher, nicht nur direkt von Ortega aus, sondern auch durch die Hand der Polizei und durch Regierungsunterstützer*innen, die die Bevölkerung zum Schweigen bringen und die Proteste unterdrücken wollten. Von da an wehrte sich die Bevölkerung, insbesondere viele Studierende, in Form von Protesten, Demonstrationen und Barrikaden gegen die Regierung. Seit Beginn der Proteste 2018 durchläuft Nicaragua eine sozialpolitische Krise, die viele Tote und viele Mütter ohne Kinder hinterließ. Der Muttertag spielt für die Bevölkerung dabei eine besondere und historisch tragische Rolle.

Die Vereinigung Madres de Abril Protest am ersten Jahrestag des Muttertagsmassakers (Foto: Jorge Mejía Peralta via Flickr , CC BY 2.0)

In Nicaragua wird der Muttertag, anders als in anderen Ländern, am 30. Mai gefeiert. Das Datum wurde 1940 von dem damaligen Diktator Anastasio Somoza Garcia festgelegt, der den Muttertag auf den Geburtstag seiner Mutter legte. Am 10. Mai 2022 erklärte das Ortega-Murillo-Regime den Muttertag zum gesetzlichen Feiertag, 20 Tage vor seiner Begehung. Jedoch gibt es seit 2018 keinen Grund mehr zum Feiern. Stattdessen ist der Muttertag zum Tag der Trauer und des Gedenkens geworden. Am 30. Mai 2018 fand ein Massenaufstand der Opposition statt, der unter dem Namen „La madre de todas las marchas“ (dt: Die Mutter aller Protestzüge) bekannt wurde und sich zu einem Blutbad entwickelte. Es versammelten sich zwischen 500.000 und einer Million Demonstrierende in den Städten Estelí, Chinandega, Masaya und der Hauptstadt Managua. Die Demonstration wurde bewusst am Muttertag begangen, da zentrales Element die Forderung nach Gerechtigkeit der ungefähr 83 Mütter war, die ihre Kinder während der vorangegangenen Aufstände durch die Hände der Ortega-Murillo-Diktatur verloren hatten. Sie wollten an diesem Tag nicht feiern, sie gingen stattdessen auf die Straße, um Veränderung und Aufarbeitung zu fordern.

Mörtel und Steine als Verteidigung gegen Schüsse auf Demonstrierende

Doch auch diese Demonstration endete gewaltvoll: 15 Nicaraguaner*innen wurden getötet, weitere 199 Personen wurden schwer verletzt. Die nationale Polizei und Paramilitärs verwendeten die Scharfschützengewehre Dragunov (SVD) und AK 47/52 gegen die protestierende Bevölkerung. Der Protest wurde zu einem Massaker. Die Geschehnisse wurden live in den sozialen Medien übertragen, wodurch nachvollziehbar wurde, wie die Menschen sich mit Mörtel und Steinen gegen die Schüsse und Kugeln verteidigen mussten. Laut Aussagen von Demonstrant*innen und verschiedenen Aufnahmen im Internet griffen die Schocktruppen den Demonstrationszug in mehreren Schüben an und zielten bewusst auf Köpfe und Brust der Teilnehmer*innen, sodass einige der Opfer sofort starben, während andere es noch bis ins Krankenhaus schafften, dort jedoch ihren Verletzungen erlagen.

Während der Präsident leere Worte verkündete, versammelten sich die Demonstrant*innen mit Plakaten mit Botschaften wie „Wir sind lebende Tote, weil sie unsere Kinder töten“, „Lass doch deine Mutter kapitulieren, denn wir tun es nicht“, „Da die Regierung es nicht schafft, ihre Ideen in unsere Köpfe zu setzen, setzt sie gegen uns Kugeln ein“ oder „Weder Resignation noch Vergeben noch Vergessen, Gerechtigkeit für die Mütter!“. An diesem 30. Mai sind es fünf Jahre seit dem Massaker, das nach wie vor straflos und unaufgearbeitet bleibt. Die Nicaraguaner*innen werden weder vergessen noch vergeben. In vielen Herzen besteht weiterhin die Hoffnung, dass die Ortega-Murillo-Diktatur für ihre Taten bestraft wird. Auch an diesem Muttertag wünschen wir uns keine Geschenke, sondern ein freies Nicaragua.

ERWARTUNGEN UND ZWEIFEL

Ein Jahr danach Gedenken an die Opfer des Massakers von Senkata (Foto: Thomas Guthmann)

Ein weitläufiger Platz in Senkata. Vor einem Bankgebäude ist ein Pavillon aufgestellt, darin ein langer Tisch, auf dem Fotografien stehen, die von Gebäck gesäumt sind, geschmückt mit bunten Pasankallas, einer Art Popkorn. An diesem Allerheiligen gedenken Nachbar*innen der Opfer des Massakers von Senkata.

Am 19. November vergangenen Jahres, mitten in der politischen Krise nach dem Abgang von Evo Morales, drangen in den frühen Morgenstunden Panzer in den Stadtteil von El Alto ein. Die Operation von Militärs und Polizeikräften hatte zum Ziel, die Blockade einer Raffinerie aufzuheben. Der Stadtteil ist eine Hochburg der Bewegung zum Sozialismus (MAS) und die Einwohner*innen hatten nach dem erzwungenen Rücktritt von Morales das Treibstofflager blockiert. Nachdem im benachbarten Regierungssitz der Treibstoff knapp wurde, entschloss sich die De-facto-Regierung von Jeanine Áñez zur fatalen Militäraktion. Gut ein Dutzend Menschen starben im Kugelhagel von Militär und Polizei.

„Wir wissen nicht genau, wie viele es sind“, meint David Inca von der ständigen Menschenrechtsversammlung in El Alto mit Tränen in den Augen, als er vor den Fotos steht. „Am 31. Oktober 2020 ist eines der Opfer noch seinen Verletzungen erlegen.“ Es sei ein campesino gewesen. „Viele haben sich direkt nach dem Massaker, vor einem Jahr, einfach aufs Land zurückgezogen und ihre Verletzungen aus Angst vor Repression nicht angezeigt.“ Damals ging die Angst um, Familien sollen Tote des Massakers beerdigt haben, ohne den Todesfall anzuzeigen. Es gibt auch Berichte vom Verschwindenlassen von Körpern: „Wir wissen von 13 Todesopfern, aber es ist gut möglich, dass es mehr sind.“

Inca setzte sich von Beginn an für die Opfer ein, verhandelte mit der De-facto-Regierung um Entschädigung, wurde bedroht und sogar kurzzeitig festgenommen. Heute, ein Jahr später, ist von der Spannung nicht mehr viel zu spüren. Der Akt für die Toten an Allerheiligen ist ein Akt, „um bewusst Zeit mit den Toten zu verbringen, die das ganze Jahr unter uns sind“, meint der Yatiri (Heiler der Aymara, Anm. d. Red.) während der Zeremonie. Jetzt, nach dem Wahlsieg, lassen sich Größen der MAS bei der Zeremonie blicken. Freddy Mamani, der neue Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Eva Copa, die bisherige Präsidentin des Senats und der frisch gewählte Präsident Luis Arce.

Für Inca ein ambivalentes Signal, einerseits gut, weil es Aufmerksamkeit bringt. Andererseits zweifelt der Menschenrechtsaktivist an einem wirklichen Aufklärungswillen der MAS. „Um einen Untersuchungsausschuss einzurichten benötigt man eine Zweidrittelmehrheit in der Plurinationalen Versammlung (Abgeordnetenhaus und Senat, Anm. d. Red.), die hatte die MAS bisher. Dennoch hat sie lange gezögert, den Ausschuss einzurichten und dann spät mit der Arbeit angefangen. In der neuen Plurinationalen Versammlung hat sie nur noch die einfache Mehrheit.“ Man werde natürlich weiter alles versuchen, um Gerechtigkeit zu erreichen, fährt er fort, zumindest auf juristischem Wege.

Die MAS hat ihre bisherige Zweidrittelmehrheit kurz vor dem Ende der jetzigen Legislatur dazu genutzt, um einige Verfahren, die nach der Parlamentsordnung nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden konnten, umzuwandeln: Diese können künftig schon mit absoluter Mehrheit beschlossen werden. Ob in der neugewählten Plurinationalen Versammlung eine Kommission zustande kommt, hält David Inca dennoch für nicht ausgemacht.

Am 5. November verübten Unbekannte einen Anschlag auf das Kampagnenbüro der MAS


Bei der Opposition sorgten die Modifikationen der Parlamentsordnung für große Aufregung. Sie heizten den anfänglich spärlichen Protest an. Am 3. November kam es in Santa Cruz und Cochabamba zu cabildos (Bürger*innenversammlungen) der Opposition. Am 5. und 6. November fand ein 48-stündiger Streik statt, der allerdings nur in Santa Cruz zum Stillstand führte. Geführt werden die Proteste im Tieflanddepartamento von der rechtsradikalen Gruppe Unión Juvenil Cruzeñista, einer teilweise paramilitärisch organisierten Gruppe. Damit ist der Kern der Protestierenden im Vergleich zu den Protesten nach den Wahlen im Vorjahr wesentlich radikaler.

In La Paz haben am Abend des 5. Novembers noch unbekannte Täter*innen einen Anschlag auf das Kampagnenbüro der MAS im Viertel Sopocachi verübt. Zu dem Zeitpunkt befand sich der neu gewählte Präsident Luis Arce zu einem Treffen mit seinem Kommunikationsteam in dem Gebäude. Verletzt wurde niemand.

„Sie haben versucht, gegen die Unversehrtheit des gewählten Präsidenten einen Anschlag zu verüben und vor der Amtsübergabe ein Klima der Destabilisierung zu schaffen. In El Alto werden wir vereint gegen jedweden Versuch zusammenstehen, den Willen des Volkes in Frage zu stellen“, twitterte die scheidende Senatspräsidentin der MAS, Eva Copa.

Die Proteste haben zwar nicht die Unterstützung in der Bevölkerung wie die nach den Wahlen 2019. Dennoch haben es die radikalen Kräfte geschafft, das Heft des Handelns an sich zu reißen. Bisher ist noch nicht absehbar, wie sich die Dynamik weiterentwickelt. Vieles erinnert an die erste Amtszeit von Evo Morales (2006-2009), als es in den Tieflanddepartamentos zu heftigen Protesten kam.

Von der MAS gibt es bisher nur spärliche Stellungnahmen zu den Protesten. Es scheint so, als ob man zunächst die Präsidentschaftsnachfolge am 8. November regeln möchte und sich dann diesem Problem widmen will. Dabei ist durch die Entwicklung der vergangenen Tage ein Kompromiss nur schwer vorstellbar. Zudem gibt es innerhalb der MAS und den sozialen Bewegungen die Tendenz, zur Not auch mit Gewalt gegen die Opposition regieren zu wollen. So forderte die Nationale Koordination zur Verteidigung der Demokratie laut der Nachrichtenagentur ANF die Gründung von bewaffneten Milizen zur Selbstverteidigung.

Ob in dieser Situation den Opfern der politischen Auseinandersetzungen Gerechtigkeit widerfahren wird, bleibt abzuwarten. In Senkata ist die Zeremonie inzwischen fortgeschritten, das Altarfeuer knistert vor sich hin. Iveth Savaría, die das Gedenken gemeinsam mit David Inca organisiert hat, blickt nachdenklich in die Flammen und meint: „Wir haben natürlich Erwartungen, aber auch Zweifel, ob die neue Regierung es ernst meint mit der Aufarbeitung. Wir müssen als Bürger*innen einfach weiter Gerechtigkeit einfordern, damit die Opfer nicht vergessen werden.“

DOCH DIE WAFFEN EXISTIEREN WEITER

Ein enttäuschtes Seufzen geht durch Saal 1 des Stuttgarter Landgerichts. Soeben hat Frank Maurer, vorsitzender Richter der 13. Großen Wirtschaftskammer, sein Urteil verlesen: zwei Bewährungsstrafen und drei Freisprüche für ehemalige Mitarbeiter*innen des Waffenherstellers Heckler & Koch (H&K). Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen vorgeworfen, zwischen 2006 und 2009 Tausende Sturmgewehre vom Typ G36 in mexikanische Unruheprovinzen geliefert zu haben ­– ohne die nötigen Exportgenehmigungen. Maurer sieht es als erwiesen an, dass ein ehemaliger Vertriebsleiter sich der banden­­­­mäßigen Ausfuhr von Waffen mit erschlichenen Genehmigungen schuldig gemacht hat. Der Mann bekommt vom Gericht eine Bewährungsstrafe von 22 Monaten und eine Geldstrafe über 50.000 Euro. Eine Sachbearbeiterin wird wegen Beihilfe zu 17 Monaten auf Bewährung und 250 Stunden Sozialdienst verurteilt. Der Vorsitzende bleibt damit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, Freiheitsstrafen ohne Bewährung zu verhängen. Doch das Seufzen im Gerichtssaal gilt vor allem den Freisprüchen. Besonders pikant ist der für Peter B., früherer Landgerichts-Präsident, der später bei H&K zuständig für Kontakte zu den Behörden war. Verächtliches Gelächter kommt auf, als Maurer die Begründung für den Freispruch verliest: der Ex-Geschäftsführer habe lediglich „Formulierungsvorschläge unterbreitet“, die Indizien würden nicht für eine Verurteilung ausreichen. Darum, was die Mordwerkzeuge in Mexiko angerichtet haben, ging es in dem Prozess nicht. Das stellt Maurer noch einmal klar. Diesen Part haben andere übernommen.

 

Im Namen der Opfer deutscher Waffen Friedensaktivist*innen vor dem Stuttgarter Landgericht (Fotografin: Kerstin Hasenkopf)

Vor dem Gericht machen Friedensaktivist*innen mit einer Mahnwache auf die Opfer der Praktiken von H&K aufmerksam. Wieder. Schon zu Prozessbeginn im Mai 2018 erinnerten sie an den Fall Iguala im September 2014. Damals verschwanden 43 Lehramtsstudent*innen spurlos, nachdem sie von Polizist*innen und Kriminellen angegriffen worden waren, auch mit H&K-Gewehren. Sechs Menschen starben bei dem Angriff. Der Verbleib und das Schicksal der Verschwundenen sind bis heute ungewiss. Iguala liegt in Guerrero, einem der vier mexikanischen Bundesstaaten, in die keine Waffen exportiert werden dürfen. So will es die Bundesregierung – eigentlich.

Die Opfer der Waffen in Mexiko fanden keine Beachtung bei dem Prozess

Die Aktivist*innen in Stuttgart singen kurz vor der Urteilsverkündung von einer Gitarre begleitet Lieder, präsentieren Transparente und entzünden Kerzen. Unter ihnen ist Jürgen Grässlin, der 2010 die Strafanzeige gegen H&K stellte. Carola Hausotter, Koordinatorin der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko, verliest einen Brief von Leonel Gutiérrez Solano. Seinem Bruder, einem Studenten der Universität Ayotzinapa, wurde von Polizisten in der Nacht des 26. September 2014 in den Kopf geschossen. Seitdem liegt er im Koma. In dem Brief steht: „Wir wissen, dass die Polizisten des Staates Guerrero, die auf die Studenten schossen und meinen Bruder mit einem Schuss in den Kopf lebensgefährlich verletzten, Waffen aus Deutschland besaßen. Es waren Waffen der Firma Heckler & Koch, die sie nie hätten erhalten dürfen.“
Hausotter sagt, dass die Familie gerne am Prozess beteiligt gewesen wäre, das Gericht dies jedoch nicht zugelassen habe. In seinem Brief formuliert Gutiérrez Solano deutlich seine Erwartung, „die Schuldigen“ zu bestrafen und den Opfern und ihren Angehörigen wenigstens etwas Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – auf die sie nach wie vor warten (siehe LN 533). Das Urteil wenig später erscheint vielen Beobachter*innen sehr milde. Von einer „Zwei-Klassen-Justiz“ spricht Grässlin. „Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen“, konstatiert er. Grässlins Anwalt Holger Rothbauer kritisiert die Rolle des Staates: „Mit diesem Urteil ist die gesamte Rüstungsexportkontrolle in diesem Land ad absurdum geführt, weil klar wird, dass Endverbleibserklärungen überhaupt keine sinnvolle Funktion haben und beliebig ausgetauscht und gefälscht werden können, ohne dass die Genehmigungsbehörden irgendetwas prüfen“, sagt er. In den Endverbleibserklärungen steht normalerweise, für welche Region die Waffen bestimmt sind. Das Gericht hat die Endverbleibserklärungen für Waffenexporte nicht als Bestandteil von Waffenexportgenehmigungen von Seiten des deutschen Staates gewertet. Deshalb sind die Waffenlieferungen in die verbotenen Bundesstaaten Mexikos nicht nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, sondern ausschließlich nach dem Außenwirtschaftsgesetz strafbar, das weniger harte Strafen vorsieht.

Auch Cristina Valdivia vom Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit bedauert, dass die Opfer in Mexiko keine Beachtung im Prozess fanden. Außerdem seien keine Menschenrechtsverletzungen verhandelt worden, sondern lediglich Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Trotzdem erkenne sie einen „ersten kleinen Schritt zur Gerechtigkeit“, sagt Hausotter. Sie sei zuversichtlich, dass sich in Mexiko etwas tue. Der neue Präsident Andrés Manuel López Obrador hat nach dem Machtwechsel im Dezember 2018 eine neue Wahrheitskommission für Iguala eingesetzt. Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Oberndorf wird vom Richterspruch aus Stuttgart empfindlich getroffen. Im Jahr 2017 machte es 13,4 Millionen Euro Verlust, in den ersten neun Monaten 2018 vier Millionen Euro. Das Urteil sieht eine Strafe von 3,7 Millionen Euro vor, der Gegenwert der Waffen, die der Prozess behandelte. Das Geld würde an den deutschen Staat gehen, die Familien von Opfern in Mexiko werden nicht berücksichtigt. H&K findet „die Einziehung des gesamten Kaufpreises nicht nachvollziehbar“. Man habe die Aufklärung „aktiv unterstützt und nachhaltig Konsequenzen gezogen“, teilte die Firma mit. Der Waffenhersteller hat, ebenso wie die Staatsanwaltschaft und die verurteilten Mitarbeiter*innen Revision eingelegt. Damit geht das Verfahren vor den Bundesgerichtshof.

Der Stuttgarter Prozess ist nicht das einzige Verfahren bei dem gegen einen deutschen Hersteller wegen illegalen Waffenexports nach Lateinamerika geurteilt wird. Auch im Prozess gegen drei Ex-Manager vom in Eckernförde ansässigen Waffenhersteller SIG Sauer vor dem Landgericht Kiel (siehe Kurznachrichten) zeichnen sich Strafen ab. Doch die Waffen existieren auch nach den Urteilen weiter.

 

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