Julieta Laso in Terminal Norte, Berlinale 2022 (Foto: © Rei Cine SRL)
Bewertung: 4 / 5
Musik aus Argentinien – das ist Tango, das ist Buenos Aires. Diese unumstößliche Wahrheit muss spätestens nach der Kurzdoku Terminal Norte der argentinischen Regisseurin Lucrécia Martel (La ciénaga) durch das Wörtchen „auch“ ergänzt werden. Denn die Vielfalt des Landes bringt ebenso diverse wie faszinierende Musikstile hervor, wie in diesem Film zu sehen und vor allem zu hören ist.
Terminal Norte entstand als spontanes Projekt von Lucrécia Martel und der Tangosängerin Julieta Laso. Letztere kaufte während der Pandemie ein malerisches, wenn auch renovierungsbedürftiges Landhaus bei Salta im Norden Argentiniens und lud einige bekannte Künstler*innen ein, dort mit ihr zu feiern und Musik zu machen. Die Region ist bekannt für die Copla, einen traditionellen Musikstil, bei dem die Sänger*innen Verse vorsingen und das Publikum einladen, sie zu wiederholen. Einige der bekanntesten Copleras treten auch im Film auf, so zum Beispiel Mariana Carrizo oder die trans* Künstlerin Lorena Carpanchay. Aber auch die Trap-Sängerin B Yami, die Pianistin Noelia Sinkunas oder das Elektronik-Projekt Whisky sind mit dabei.
Der Film entstand so spontan wie die Musikdarbietungen auf dem Treffen. Es gibt deshalb keine ausführliche Vorstellung der Künstler*innen, auch die technische Ausstattung (nur zwei Scheinwerfer standen zur Verfügung) und die Drehzeit (4 Tage, von denen einer wegen Regens nicht genutzt werden konnte) waren limitiert. Angesichts dessen ist wirklich bemerkenswert, was am Ende herausgekommen ist. Die Musikperformances, man muss sie Auftritte nennen, sind ohne Ausnahme großartig – ganz gleich, ob B Yami am Lagerfeuer mit Trap loslegt oder beim Spaziergang durch den Wald coplas zelebriert werden. Das Highlight sind aber die vom Piano begleiteten Tangostücke von Julieta Laso, deren fantastische Stimme außerhalb Argentiniens noch weitgehend unbekannt ist. Das könnte sich nach diesem Film ändern. Auch die Kameraarbeit von Mauricio Asial, die den Rhythmus der Performances gekonnt untermalt, trägt ihren Teil zum Gelingen des Films bei. So bleibt nach viel zu kurzen 37 Minuten nur ein – allerdings schwerwiegender – Kritikpunkt: Dieser Jam-Session fehlt die Zugabe! Gerne hätte man noch viel mehr über die Künstler*innen erfahren und ihnen mit Vergnügen noch mindestens eine Stunde beim Musikmachen, Feiern und Philosophieren zugesehen. Director‘s Cut nachlegen, bitte!
Lorena Carpanchay in Terminal Norte, Berlinale 2022 (Foto: © Rei Cine SRL)
Trap-Sängerin B Yami in Terminal Norte, Berlinale 2022 (Foto: © Rei Cine SRL)