“DIE MILIZ IST KEINE PARALLELSTRUKTUR – SIE IST DER STAAT!”

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(Foto: Privat)

JOSÉ CLÁUDIO SOUZA ALVES

Soziologe und früherer Konrektor der Staatlichen Ländlichen Universität von Rio de Janeiro (UFRRJ), forscht seit 26 Jahren zu den Milizen. Er ist Autor des Buches „Von den Drogenbaronen zu den Todesschwadronen: Die Geschichte der Gewalt in der Baixada Fluminese“. Im Interview mit dem brasilianischen Online-Medium Agência Pública erklärt er den Ursprung der Milizen und ihre Verflechtungen mit der Politik.


 

Wie entstanden die Milizen in Rio de Janeiro?
Sie haben ihren Ursprung in der brasilianischen Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985. 1967 entstand die Militärpolizei, eine sehr offensive Truppe, die die Militärs unterstützte. Kurz darauf erschienen die Todesschwadronen: Gruppen aus Militärpolizisten und anderen Mitarbeitern von Sicherheitsbehörden, die als Auftragsmörder operierten. Diese Todesschwadronen arbeiteten in den 1970er Jahren mit Hochdruck. Während der achtziger Jahre erhielten die Mordkommandos zivile Leitungen, die gute Verbindungen zu den Vertreter*innen des Staates besaßen. Mit der Wiederherstellung der Demokratie in den 1990er Jahren begannen genau diese Killer, sich in politische Ämter wählen zu lassen.
In den umliegenden Städten von Rio gab es von 1995 bis 2000 einen Prototyp der heutigen Milizen von Rio de Janeiro, deren Anführer*innen aus städtischen Landbesetzungen kamen. Seit den 2000er Jahre sind die Milizionäre so aufgestellt wie heute: Militärpolizisten, Zivilpolizisten, Feuerwehrleute, und Sicherheitsleute, die dort agieren, wo es früher Drogenhandel gab; gleichzeitig schaffen sie sich eine Machtstruktur über die Eintreibung von Gebühren, den Verkauf von öffentlichen Dienstleistungen oder Gütern, wie Trinkwasser, Müllentsorgung oder Grundstücken.

Haben die Milizen Rückhalt in der Bevölkerung?
Die Miliz tritt mit der Begründung auf, dass sie in die Gemeinden komme, um sich dem Drogenhandel entgegenzustellen. Aber mit der Zeit wird der Bevölkerung klar, dass die Miliz sich gegen sie richtet – sie tötet. Außerdem kontrolliert sie nach und nach den lokalen Handel. Das macht der Bevölkerung Angst und sie unterstützt die Miliz weniger.

Was ist die Geschichte von Rio das Pedras, wo das „Verbrechensbüro” aktiv war?
Rio das Pedras ist eine expandierende Gemeinde, wo sehr arme Menschen leben, die aus dem Nordosten des Landes stammen. Es gibt dort nur wenig Grundstücke, die man bebauen kann, viele davon mit ungeregeltem Landbesitz. Die Milizen besetzen und legalisieren sie – manchmal sogar über die Stadtverwaltung, indem sie Steuern für diese Immobilien bezahlen – und verkaufen sie dann.

Gab es in Rio das Pedras die erste Miliz von Rio?
Nein, das kann man so nicht sagen. Meiner Einschätzung nach sind die Milizen an verschiedenen Orten in der Region gleichzeitig entstanden. Noch nicht als Prototyp, sondern mit lokalen Führungsfiguren, die über Gewalt eine autoritäre Form politischer Kontrolle ausübten. In Rio das Pedras passierte aber alles schneller, dort begann die Forderung von Schutzgeldern. Die Gemeinde sah sich einer Gruppe Milizionäre gegenüber, die sie schützen und verhindern sollte, dass der Drogenhandel eindringt. Aber in Wirklichkeit sollten sie die kommerziellen Interessen der Geschäftsinhaber, die sich in Rio das Pedras niederließen und diese Gruppe finanzierten, schützen.

Wie viele Milizen gibt es heute in Rio de Janeiro?
Ich weiß, dass es viele sind. In praktisch jedem Gemeindebezirk in der Region um Rio de Janeiro sind Milizen präsent.

Wie häufig sind Todesschwadrone wie das „Verbrechensbüro”?
Ich habe noch nie von einer Miliz gehört, die keine Hinrichtungen durchführt. Normalerweise hat eine Miliz ein Team für Exekutionen. Wenn etwas nicht mit den Interessen der Miliz übereinstimmt, wird dieser bewaffnete Flügel aktiviert, um zu töten. Was neu bei den Milizen ist, ist die Palette der Dienstleistungen, die sie neben den Hinrichtungen und dem Sicherheitsdienst anbieten. Die Milizen fixieren sich nicht mehr nur auf große Händler oder großen Unternehmen.

In welchen anderen illegalen Geschäftszweigen operieren die Milizen?
Sie erheben Schutzzölle beim Handel. Sie sagen, dass sie für Sicherheit sorgen, aber später kontrollieren sie die Versorgung mit Wasser und Gas, Zigaretten und Getränken in den Gemeinden. Und es gibt Berichte, dass Leute ermordet wurden, die das nicht akzeptiert haben. Motorrad-Taxis zahlen beispielsweise 80 Reais (ca. 20 Euro, Anm. d. Red.) pro Woche, um operieren zu dürfen. Ein Popcornverkäufer zahlt 50 Reais pro Woche. Das ist Wahnsinn!
Sie errichten illegale Müllkippen in der Region und vergraben dort den Müll von jedem, der dafür zahlt. Tausend Reais pro Lastwagen. Wo es herkommt, ist ihnen egal. Das kann Giftmüll, Industriemüll oder Krankenhausabfall sein. Daneben werden auf dem Markt für Exekutionen seit geraumer Zeit Millionen bewegt. Und sie sind auch im Drogenhandel aktiv, arbeiten mit bestimmten Drogenkartellen zusammen. Sie haben die gleiche Beziehung wie die Polizei zum Drogenhandel: Der funktioniert nur dort, wo Bestechungsgelder gezahlt werden.

Die Milizen kontrollieren also auch öffentliche Dienstleistungen wie Müllentsorgung und bemächtigen sich kommunaler Räume, um illegalen Aktivitäten nachzugehen?
Die finanzielle Basis einer Miliz ist die militarisierte Kontrolle geografischer Gebiete. Das ermöglicht es ihr, den städtischen Raum an sich in eine Einkommensquelle zu verwandeln, zum Beispiel durch Immobilienverkauf. Es gibt ein staatliches Programm Minha Casa Minha Vida (Mein Haus Mein Leben), mit dem Sozialwohnungen gebaut werden. Die Miliz übernimmt die militärische Kontrolle des Baugebiets, bestimmt, wer die Wohnungen bekommt, und verlangt Gebühren von den Bewohnern.
Die Region der Baixada und die Stadt Rio de Janeiro sind große Laboratorien der Ungesetzlichen und Illegalen, die sich zusammenschließen, um eine Struktur der politischen, ökonomischen und kulturellen Macht zu stärken, die geografisch verankert ist und auf Gewalt und bewaffneter Kontrolle beruht.

Sind die Milizen in Rio de Janeiro wegen der Abwesenheit des Staates entstanden?
Der Staat war immer da. Die Auftragsmörder und Milizionäre werden ja gewählt. Es ist der Staat, der festlegt, wer die militärische Kontrolle über diese Region ausübt, weil diese ja staatliche Vertreter sind. Es gibt keine Abwesenheit des Staates, das ist die Machtausübung genau dieses Staates. Eines Staates, der illegale Operationen fortsetzt und dadurch mächtiger wird, als er das im legalen Einflussbereich ist. Weil er auf totalitäre Weise über das Leben bestimmt und man sich ihm nicht entgegenstellen kann.


Wer hat den Nachbarn des Präsidenten beauftragt Marielle zu töten? Milizen sind die Hauptverdächtigen (Foto: Mídia Ninja)

Aber auf der anderen Seite ist es doch die Bevölkerung, welche die Politiker aus den Milizen wählt?
Sie meinen doch nicht etwa, die Bürger seien Mitschuldige oder Komplizen des Verbrechens? Ja, diese Menschen haben Flávio Bolsonaro gewählt, der, wie sich jetzt herausstellte, möglicherweise Verbindungen zu diesen Gruppen haben soll. Aber unter welchen Lebensbedingungen haben sie das getan? Es sind Bedingungen des Elends, der Armut und der Gewalt, denen sie sich ausgesetzt sehen. Fünf Jahrzehnte der Todesschwadrone führten zu 70 % Zustimmung für Bolsonaro in den Vorstädten Rios. Drei Amtszeiten der Arbeiterpartei, also 14 Jahre präsidialer Macht, haben nichts an diesen Strukturen verändert. Die PT ging ein Wahlbündnis ein, sie suchte die Unterstützung dieser Gruppen.

Was verbindet den Stab eines Politikers und einen Milizionär, wie dies bei Flavio Bolsonaro und der Mutter und Ehefrau von Adriano Magalhães da Nóbrega der Fall war?
Die Ansichten der Familie Bolsonaro. Sie sind die Erben der Diskurse von Politikern wie dem Abgeordneten Sivuca (José Guilherme Godinho Sivuca Ferreira, 1990 Abgeordneter für die Partei PFL, Anm. d. Red.), der den Slogan „Nur ein toter Bandit ist ein guter Bandit!” prägte. Er war einer von der alten Truppe, dem politischen Arm der Todesschwadronen. Dieser Diskurs hat sich fortgesetzt und verfestigt. Es ist logisch, dass die Milizionäre diese Ansichten unterstützen und dadurch stärker werden. Das ist der Plan für öffentliche Sicherheit, den Bolsonaro in seiner Wahlkampagne verteidigt hat. Er sagt, dass die Militärpolizisten die Helden der Nation sind, dass die Militärpolizisten unterstützt werden müssen, dass sie Auszeichnungen bekommen sollten. Ein mögliches unrechtmäßiges Handeln eines Polizisten im Dienst wird von Bolsonaro völlig ausgeblendet. Es gibt Bereiche, die seit der Militärdiktatur immer illegal operiert haben, als Exekutionskommandos. Und jetzt hören sie diesen Diskurs, der ist natürlich Musik in ihren Ohren.

Sehen Sie auch eine finanzielle Verbindung von Milizionären und Politikern?
Es gibt Operationen der Milizionäre innerhalb des offiziellen politischen Systems. In Duque de Caxias existiert ein Zentralregister der staatlichen Liegenschaften. Es gibt Milizionäre, die im Grundbuch der Stadtverwaltung die Immobilien ermitteln, für die lange keine Grundsteuer gezahlt wurde. So ein Milizionär beginnt dann, die Grundsteuer zu bezahlen, verhandelt die Altschuld, und bittet dann darum, diese Immobilie auf seinen Namen zu überschreiben. Die Stadtverwaltung trägt ihn als Besitzer ein. Das ist ein ganz einfacher Vorgang. Und der eigentliche Eigentümer wird später niemals den Mut aufbringen, diese Immobilie zurückzuverlangen, weil sie jetzt mit Waffengewalt kontrolliert wird. Ohne diese direkte Verbindung zur staatlichen Struktur gäbe es die Milizen nicht in der Form, wie es sie heute gibt. Deshalb sage ich, das ist keine Parallelmacht – das ist der Staat.
Und es gibt Politiker, die mit dem so verdienten Geld gewählt werden. Das Geld der Milizen finanziert die Macht eines Politikers wie Flávio Bolsonaro und die Macht von Flávio Bolsonaro fördert die Einkünfte der Milizionäre. Es ist entscheidend, dass diese Struktur so funktioniert. Sie kann nur weiter bestehen, weil sie genau so ist.

Sind Fälle wie die der Mutter und Ehefrau von Adriano Magalhães de Nóbrega, die als Beraterinnen im Stab von Flávio Bolsonaro angestellt waren, üblich?
Ja, das ist ganz normal. Zwischen diesen Personen wird eine Macht- und Geldbeziehung aufgebaut. Der Milizionär stellt einen direkten persönlichen und familiären Kontakt mit Flávio Bolsonaro her. Dieser Kontakt gibt ihm in seiner Gemeinde Macht. Er wird dort bekannt als jemand, der Einfluss auf den Abgeordneten hat und den man ansprechen kann, wenn irgendetwas geregelt werden muss. So entsteht eine familiäre Machtstruktur. Und das ist genau das, wofür sich die Bolsonaros einsetzen: familiäre Strukturen. Und religiöse. Evangelikale Kirchen sind mit diesen Strukturen verbunden. Eine perfekte Verbindung: traditionell, konservativ, religiös, ein Diskurs mit hoher Glaubwürdigkeit.
Das zeigt, wie diese Menschen agieren. Adriano Nóbrega, Flávio Bolsonaro, Bolsonaro selbst, die Auftragsmörder dieser Region. In Brasilien agieren diese Gruppen, die mit Gewalt, Hinrichtungen, organisiertem Verbrechen zu tun haben, nicht im Verborgenen, sondern vor aller Augen. Sie sprechen ganz offen darüber, was sie machen, zu wem sie Verbindungen haben, welche Ämter sie besetzen, wen sie kennen. Damit allen klar ist, mit wem es jemand, der sich ihnen vielleicht widersetzen möchte, zu tun bekommt. All das basiert komplett auf Einschüchterung. Und es sind nicht nur leere Drohungen, sie machen sie auch wahr.

Was ihre politischen Möglichkeiten angeht: Haben sie sogar die Macht, bei Wahlen die Stimmen der Bevölkerung zu manipulieren?
Die Milizen verkaufen Stimmen ganzer Gemeinden in der Region im Paket. Sie haben eine genaue Übersicht der Wahlberechtigten, der Wahllokale der einzelnen Wähler und wissen, wie viele Stimmen dort jeweils abgegeben werden. Sie sind in der Lage festzustellen, wer nicht für ihren Kandidaten gestimmt hat.

Gibt es denn keine Maßnahmen, diese Strukturen zu zerschlagen?
Die Operation „Unberührbare” könnte eine Operation historischen Ausmaßes sein. Aber ich bin sehr kritisch, was solche Einsätze betrifft. Weil die Miliz ein sehr großes Netzwerk ist, kommen für jeden Verhafteten 100 Neue nach. Denn wenn man die ökonomische Struktur aufrechterhält, wird sie auch politisch weiter bestehen.
Niemand legt sich mit diesen Gruppen an. Normalerweise geht man nur den Drogenhandel an, was nicht der gefährlichste Teil ist. Die Milizen sind mächtiger als die Drogenhändler. Die Milizen werden gewählt, Drogenhändler lassen sich nicht wählen. Ich bin sicher, dass die Milizionäre zu einer anderen Klasse als die Drogenhändler gehören. Nicht so arm. Nicht so schwarz. Nicht so marginalisiert.

Der Fall Marielle Franco ist zurück ins Scheinwerferlicht gerückt, weil die verhafteten Milizionäre Mitglieder des „Verbrechensbüros” waren, das des Mordes an der Stadträtin verdächtigt wird. Letztes Jahr hat der Beauftragte für öffentliche Sicherheit in Rio gesagt, der Mord stünde im Zusammenhang mit Grundbuchfälschungen. Glauben Sie, dass sie ermordet wurde, weil sie die Geschäfte der Milizen störte?
Da gibt es zwei Aspekte. Marielle Franco hatte die Macht, den Milizen zu schaden, eine Untersuchung zu beantragen, die die Aufmerksamkeit des Staates und der Medien auf sie gelenkt hätte. Sie hatte eine unabhängige, integre politische Basis, die sie stützte. Sie war also eine Figur, die gefährlich werden konnte.
Der zweite Faktor ist, dass sie eine Frau mit einem ziemlich beeindruckenden Auftreten war, authentisch und nicht einzuschüchtern, die herausforderte und sich nicht unterordnete. Die Milizionäre ertragen solche Frauen nicht und wollen sie eliminieren. Das war der Fall bei Marielle, wie bei Patricia Acioli (Richterin, die für die Gefängnisstrafen von mindestens 60 Milizionären verantwortlich war, ermordet 2011, Anm. d. Red.). Da gibt es einen totalen Frauenhass: Sie akzeptieren nicht, dass eine Frau sie so behandelt.

 


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“NO RIO DE JANEIRO A MILÍCIA NÃO É UM PODER PARALELO. É O ESTADO”

 Für die deutschsprachige Version hier klicken.


(Foto: Privada)

JOSÉ CLÁUDIO SOUZA ALVES

Sociólogo e ex-pró-reitor de Extensão da Universidade Federal Rural do Rio de Janeiro (UFRRJ), José Cláudio estuda as milícias há 26 anos. É o autor do livro “Dos Barões ao extermínio: a história da violência na Baixada Fluminense”. Em entrevista com a agência brasileira de jornalismo investigativo Agência Pública, ele explica a origem desses grupos e suas ligações com a política


 

Como nasceram as milícias do Rio de Janeiro?

Isso estourou na época da ditadura militar com muita força. Em 1967 surge a Polícia Militar nos moldes atuais de força ostensiva e auxiliar aos militares naquela época. E a partir daí há o surgimento dos esquadrões da morte. No final dos anos 1960, as milícias surgiram como grupos de extermínio compostos por Policiais Militares e outros agentes de segurança que atuavam como matadores de aluguel.

Esses esquadrões da morte vão estar funcionando a pleno vapor nos anos 1970. Depois começa a surgir a atuação de civis como lideranças de grupos de extermínio, mas sempre em uma relação com os agentes do Estado. Isso ao longo dos anos 1980. Com a democracia, esses mesmos matadores dos anos 1980 começam a se eleger nos anos 1990. Se elegem prefeitos, vereadores, deputados.

De 1995 até 2000, você tem o protótipo do que seriam as milícias na Baixada, Zona Oeste e no Rio de Janeiro. Elas estão associadas a ocupações urbanas de terras. São lideranças que estão emergindo dessas ocupações e estão ligadas diretamente à questão das terras na Baixada Fluminense. A partir dos anos 2000, esses milicianos já estão se constituindo como são hoje. São Policiais Militares, Policiais Civis, bombeiros, agentes de segurança, e atuam em áreas onde antes tinha a presença do tráfico, em uma relação de confronto com o tráfico. Mas ao mesmo tempo estabelecem uma estrutura de poder calcado na cobrança de taxas, na venda de serviços e bens urbanos como água, aterro, terrenos.

Há apoio da população às milícias?

A milícia surge com o discurso que veio para se contrapor ao tráfico. E esse discurso ainda cola. Só que com o tempo a população vai vendo que quem se contrapõe a eles, eles matam. E eles passam a controlar os vários comércios. Então a população já começa a ficar assustada e já não apoia tanto. É sempre assim a história das milícias.

Qual a história de Rio das Pedras?

Rio das Pedras é uma comunidade em expansão onde vivem nordestinos muito pobres. Existem terrenos lá que você não pode construir porque são inadequados, são muito movediços. Então só tem uma faixa específica de terra onde você pode construir. São terras irregulares, devolutas da União, ou terras de particulares que não conseguiram se manter naquele espaço. Então a milícia passa a controlar, toma e legaliza – às vezes até via Prefeitura mesmo, pagando IPTU desses imóveis. Como o sistema fundiário não é regulado, facilmente os milicianos têm acesso a informações e vão tomar essas áreas. E passam a vendê-las.

Rio das Pedras foi a primeira milícia do Rio?

Não é bem assim. Ao meu ver a milícia surgiu em diferentes lugares ao mesmo tempo, simultaneamente. Então tem Rio das Pedras, mas tem Zona Oeste do Rio e tem, por exemplo, Duque de Caxias, na Baixada Fluminense.

Eu percebo dos anos 1995 a 2000, grosso modo, um período de emergência dessas ocupações urbanas de terras, ainda não no protótipo de milícias, mas com lideranças comunitárias próximas ao que seria um controle pela violência, um controle político mais autoritário.

Só que Rio das Pedras ela emerge mais rapidamente. Então ali começa esse vínculo da cobrança de taxa, que nas outras ainda não tinha. E são os comerciantes que pagam a eles.

É uma comunidade miserável, empobrecida, que está se constituindo a partir de uma rede migratória de nordestinos. E ela fica diante de um grupo de milicianos que estão sendo chamados para dar proteção, impedir que o tráfico entre. Mas na verdade é para proteger os interesses comerciais desses lojistas que estão se instalado lá em Rio das Pedras e estão financiando esses caras.

Hoje são quantas as milícias do Rio de Janeiro?

Eu tenho noção que são muitas. Por exemplo, são várias que atuam em São Bento e no Pilar, que é o segundo maior distrito de Duque de Caxias. Tem em Nova Iguaçu, tem em Queimada. Praticamente cada município da Baixada Fluminense você tem a presença de milícias. Seropédica, por exemplo, hoje é uma cidade dominada por milicianos. Eles controlam taxas de segurança que cobram do comércio. Aqui tem os areais, de onde se extrai muita areia – e muitos são clandestinos. Então eles também cobram dali. Moto-táxi tem que pagar 80 reais por semana para funcionar. Pipoqueiro paga 50 reais por semana. É uma loucura.

Dizem que é para a segurança, proteção, eles estão supostamente protegendo esse comércio. Mas depois controlam a distribuição de água, de gás, de cigarro, de bebida. E há histórias de assassinato de gente que não aceitou, por exemplo.

Além disso, eles são pagos para fazer execuções sumárias. Então há um mercado que movimenta milhões já há algum tempo.

Eles também lidam com tráfico de drogas, com algumas facções especificas. O Terceiro Comando Puro funciona aqui em algumas cidades da baixada a partir de acordos com milicianos. Eles fazem acordo com o tráfico e vão ganhar dinheiro também disso. Cobram aluguel de áreas. É a mesma relação que a polícia tem com o tráfico: só funciona ali se você pagar suborno.

Na cobertura feita pelos jornais sobre a operação “Os Intocáveis”, eles citam o Escritório da Morte, um grupo de extermínio que é contratado para matar. Isso é comum?

Sim. Nunca ouvi falar de milícia que não tivesse a prática de execução sumária. Normalmente a milícia tem uma equipe ou um grupo responsável por execuções sumárias. O comerciante que não quiser pagar, o morador que não se sujeitar a pagamento do imóvel que ele comprou, qualquer negócio e discordância com os interesses da milícia, esse braço armado é acionado e vai matar.

A novidade da milícia é o leque de serviços que eles abrem além da execução sumária e da segurança. Aí é tudo: água, bujão de gás, “gatonet”, transporte clandestino de pessoas, terra, terrenos, imóveis. A milícia não fica agora fixa em grandes comerciantes ou grandes empresários. Ela pulveriza isso. Eles vão sofisticando também na administração do gerenciamento.

Em que outros negócios ilegais os milicianos atuam?

Lá em Duque de Caxias eles roubam petróleo dos oleodutos da Petrobras e fazem mini destilarias nas casas das pessoas. Tudo ilegal, com um risco imenso. Aí vendem combustível adulterado. Eles fazem aterros clandestinos no meio daquela região com dragas e tratores e vão enterrando o lixo de quem pagar. É mil reais por caminhão. Não importa a origem. Pode ser lixo contaminante, lixo industrial, lixo hospitalar. Eles fazem aterros clandestinos nesta região.

A milícia tem controle também sobre bens públicos, como aterros, e eles se apropriam desses espaços para fazer atividades ilegais…

A base de uma milícia é o controle militarizado de áreas geográficas. Então o espaço urbano, em si se transforma em uma fonte de ganho. Se você controla militarmente, com armas por meio da violência esse espaço urbano, você vai então ganhar dinheiro com esse espaço urbano. De que maneira? Você vende imóveis. Por exemplo, você tem um programa do governo federal chamado Minha Casa Minha Vida. Você constrói habitações. Aí a milícia vai e controla militarmente aquela área e vai determinar quem é que vai ocupar a casa. E inclusive vai cobrar taxa desses moradores.

Em outra área eles estão vendendo imóveis e estão ganhando dinheiro com essa terra, que é terra da União ou terra de particulares. Então esse controle militarizado desses espaços, é a base da milícia. Aí como eles sabem dessas informações? Eles sabem dentro da estrutura do Estado.

Você pode ter um respaldo político para fazer isso. Vou dar um exemplo para você. Em Duque de Caxias, um número razoável de escolas públicas não é abastecido pelo sistema de água da CEDAE. A água não chega lá. Como que essas escolas funcionam? Elas compram caminhões pipa de água. Quem é o vendedor? Quem é que ganhou a licitação para distribuição de água em um preço absurdo por meio desses caminhões pipa? Gente ligado aos milicianos. Então aí você tem um vínculo com os serviços públicos – e é uma grana pesada – e que passa pelo interesse político daquele grupo dentro daquela prefeitura que vai se beneficiar de uma informação e vai ganhar dinheiro com isso.

A Baixada e o Rio de Janeiro são grandes laboratórios de ilicitudes e de ilegalidades que se associam para fortalecer uma estrutura de poder político, econômico, cultural, geograficamente estabelecido e calcado na violência, no controle armado.

A milícia surgiu no Rio de Janeiro pela ausência do Estado?

Há uma continuidade do Estado. O matador se elege, o miliciano se elege. Ele tem relações diretas com o Estado. Ele é o agente do Estado. Ele é o Estado. Então não me venha falar que existe uma ausência de Estado. É o Estado que determina quem vai operar o controle militarizado e a segurança daquela área. Porque são os próprios agentes do Estado. É um matador, é um miliciano que é deputado, que é vereador, é um miliciano que é Secretário de Meio Ambiente.

Eu sempre digo: não use isso porque não é poder paralelo. É o poder do próprio Estado.

Eu estou falando de um Estado que avança em operações ilegais e se torna mais poderoso do que ele é na esfera legal. Porque ele vai agora determinar sobre a sua vida de uma forma totalitária. E você não consegue se contrapor a ela.


Quem mandou o vizinho do presidente matar Marielle? As milícias são os principais suspeitos (Foto: Mídia Ninja)

Mas, por outro lado, quem elege os políticos milicianos é a população….

Não venha dizer que o morador é conivente, é cúmplice do crime. Esse pessoal elegeu o Flávio Bolsonaro, que agora se descobriu que ele tem possivelmente vínculos com esses grupos? Elegeu. Mas que condições que essas pessoas vivem para chegar nisso? Essas populações são submetidas a condições de miséria, de pobreza e de violência que se impõem sobre elas.

Cinco décadas de grupo de extermínio resultaram em 70% de votação em Bolsonaro na Baixada.

Três gestões do PT no governo federal, 14 anos no poder, não arranharam essa estrutura. Deram Bolsa Família, vários grupos políticos se vincularam ao PT e se beneficiaram, mas o PT não alterou em nada essa estrutura. O PT fez aliança eleitoral, buscou apoio desses grupos.

Como você mencionou a história do Flávio Bolsonaro: o que liga o gabinete de um político a um miliciano, como foi no caso dele com a mãe e a esposa do Adriano Magalhães da Nóbrega?

O discurso da família Bolsonaro, a começar pelo pai já há algum tempo, e posteriormente o pai projetando nos filhos politicamente. Eles são os herdeiros do discurso de um delegado Sivuca [José Guilherme Godinho Sivuca Ferreira, eleito deputado federal pelo PFL em 1990], que é o cara que que cunhou a expressão “Bandido bom é bandido morto”, de um Emir Larangeira [eleito deputado estadual em 1990], do pessoal da velha guarda, do braço político dos grupos de extermínio.

Esse discurso se perpetuou e se consolidou. É claro que os milicianos vão respaldar esse discurso e vão se fortalecer a partir dele. É o plano de segurança pública defendida na campanha eleitoral do Bolsonaro. Ele diz o seguinte: Policiais Militares são os heróis da nação. Policial Militar tem que ser apoiado, respaldado, vai ganhar placa de herói.

E será respaldado pela lei, através do excludente de ilicitude. Está lá no programa do Bolsonaro. Então você tem setores que desde a ditadura militar sempre operaram na ilegalidade, na execução sumária, vão escutar esse discurso. É música para o ouvido deles.

Não é à toa que o Flávio Bolsonaro fez menções na Assembleia legislativa, deu honrarias para dois desses milicianos presos.

Para além desse discurso simbólico, você vê também uma ligação financeira dos milicianos com os políticos?

Você tem uma operação por dentro da estrutura oficial política. Por exemplo, em Duque de Caxias você tem registro geral de imóveis de terras que são da União. Tem milicianos que vão levantar no cadastro geral de imóveis da prefeitura, os imóveis que estão irregulares, sem pagamento há muito tempo de IPTU. Esse miliciano começa a pagar o IPTU, parcela a dívida, quita e pede para transferir para o nome dele aquele imóvel. A prefeitura transfere. É um processo simples isso. Aí depois aquele proprietário não vai ter nunca coragem de exigir aquele imóvel de volta, porque está controlado militarmente.

Sem esses elementos, sem esses indivíduos, sem essa conexão direta com a estrutura do Estado, não haveria milícia na atuação que ela tem hoje. É determinante. Por isso que eu digo, que não é paralelo, é o Estado.

E tem políticos que estão sendo eleitos com essa grana. A grana da milícia vai financiar o poder de um político como Flávio Bolsonaro e o poder político de um Flávio Bolsonaro vai favorecer o ganho de dinheiro do miliciano. Isso roda em duas mãos. É determinante então que essa estrutura seja assim. Ela só se perpetua porque é assim.

É comum casos como a mãe e a esposa de Adriano Magalhães de Nóbrega, que foram contratadas como assessoras no gabinete de Flávio Bolsonaro?

Sim. Isso é muito comum. Você cria um vínculo de poder e de grana com essas pessoas. Esse cara, a partir de sua esposa e de sua mãe, cria um vínculo imediato com o Flávio Bolsonaro e isso lhe dá força. Essas duas pessoas estão fazendo um elo imediato, pessoal, familiar do Adriano com Flávio Bolsonaro. Esse vínculo lhe dá poder naquela comunidade. Ele vai ser chamado agora na comunidade “Olha é o cara que tem um poder junto lá ao Deputado, qualquer coisa a gente resolve, fala com ele, que ele fala com a mãe e com a esposa e eles falam diretamente com o Flávio e isso é resolvido”.

Assim você está criando uma estrutura de poder que é familiar. Veja bem: é o que eles defendem. Eles [os Bolsonaro] defendem a estrutura familiar. E se você investigar um pouco mais vai ser religioso também. São igrejas evangélicas, eles têm vínculo com essa estrutura. Então é uma estrutura perfeita, ela é tradicional, conservadora, ela tem a linguagem religiosa, que é linguagem de grande credibilidade.

Isso também demonstra uma forma de atuar dessas pessoas. Eles não atuam pelo ocultamento. O Adriano, Flávio Bolsonaro, o próprio Bolsonaro, os matadores da Baixada. Todos esses grupos que lidam com a violência, com a execução sumária, com o crime organizado, eles não atuam com baixo perfil.

No Brasil o que você tem é a superexposição. Eu chego e já digo. “Eu sou o cara, eu sou o matador, eu tenho vínculos com fulano, beltrano e sicrano. Eu ocupo este cargo”. Que é pra deixar bem claro se você for tentar alguma coisa é isso que você vai enfrentar.

É a base total do medo. E não é só do medo: é real.

Sobre esse capital político, eles têm o poder inclusive de manipular o voto da população durante o período das eleições? Existe uma rede organizada para isso?

Na verdade, as milícias vendem votações inteiras de comunidade. Aqui na Baixada como um todo, Zona Oeste. Fecham pacote. Eles têm controle. Eles têm controle preciso de título de eleitor, local de votação de cada título de eleitor, quantos votos vai ter ali. Eles são capazes de identificar quem não votou neles.

Mas não está havendo ações de desmontagem dessa estrutura, como se viu em Rio das Pedras?

Assim, a Operação Intocáveis pode estar dentro de um perfil mais de uma operação mais histórica. Mas eu tenho sido muito crítico a esse tipo de operação. Como a milícia é uma rede, uma rede muito grande, para cada um preso você tem 100 para entrar no lugar. Porque se você mantém a estrutura funcionando, economicamente, politicamente ela vai se perpetuar.

Ninguém toca nesses caras. Em geral, só estão tocando no tráfico. E tráfico não é o mais poderoso. Milícia é mais poderosa do que o tráfico. Milícia se elege, tráfico não se elege. A base econômica da milícia está em expansão, não é tocada, não é arranhada. Traficante não, vive morrendo e sendo morto e matando. Milícia é o Estado.

Inclusive tem isso. Você olha para a cara dos milicianos presos, há uma tendência a serem brancos. Não há uma tendência a serem negros. Vai aparecer um ou outro no meio, um moreno, pardo. E não são magros, são bem alimentados. Eu tenho certeza que a classe à qual pertencem os milicianos é uma classe diferenciada da classe do tráfico. Não são tão pobres assim. Não são tão negros assim. Não são tão periféricos assim.

Para além desse vínculo político de poder existe também algum elo financeiro? Como que os milicianos movimentam dinheiro através dessas conexões com políticos? Qual era, por exemplo, o papel do Queiroz ali no Gabinete do Flávio Bolsonaro?

Ah sim, você viu que ele tem uma movimentação suspeita alta. Tem 7 milhões. Aí você vai por dedução. Pode ser que esse cara fazia uma ponte. Ele era um assessor, mas ao mesmo tempo ele cumpria duas funções. Ele ganha um respaldo político do Flávio Bolsonaro. Ele faz o elo direito da milícia com esse gabinete. Dos interesses dessa milícia e dos que são servidos por essa milícia direito com esse gabinete. Ao mesmo tempo ele cresce na estrutura da milícia.

Não sei qual é o histórico dele. Mas de repente ele já estava na estrutura da milícia e já movimentando dinheiro. Então, por exemplo, se ele for uma frente, um cara que está na organização, por exemplo, de cobrança de taxa de segurança, ele está movimentando dinheiro. Muito dinheiro. Aí de repente ele vai movimentar parte desse dinheiro dentro da sua conta pessoal. É uma estrutura de organização que ele criou. Então esses 7 milhões pode ser isso.

Isso também pode ser apenas uma transação entre várias?

Isso é uma ponta. Isso é uma ponta de um iceberg. O que eu gostaria muito é que se investigasse isso. Você chegaria em algo muito maior.

Sobre o caso da Marielle. O caso voltou aos holofotes essa semana porque os milicianos, que foram presos na operação “Os Intocáveis” integravam o Escritório do Crime, grupo suspeito de envolvimento na morte da Marielle. No final do ano passado, o secretário de Segurança Pública do Rio, Richard Nunes, afirmou que o assassinato teria relação com grilagem de terras. Você acha que a morte dela se deu porque ela atrapalhava os negócios dos milicianos?

Tem dois vínculos. Há esse vínculo de incomodar e prejudicar o interesse deles. Ela tinha poder para prejudicar, puxar uma CPI, exigir uma investigação para obrigar o Estado e a mídia como um todo a se voltar para isso. Se ela reproduzisse o que o Marcelo Freixo fez em 2008, dentro da Câmara dos Vereadores do Rio de Janeiro, ela daria essa expressão. Ela tinha o respaldo do Marcelo, então há uma base política que sustenta Marielle, uma base não comprometida, não vendida. Então ela é uma figura que ameaça.

E o outro elemento é ela ser mulher. E ela ser uma mulher de uma atuação bastante intensa, verdadeira e não amedrontável. Ela encarava, enfrentava. Ela nunca se subordinou. E eles não suportam mulheres com esse perfil, essa é a verdade.

Marielle Franco, Patrícia Acioli, que foi assassinada também, e Tânia Maria Sales Moreira que foi promotora aqui em Duque de Caxias que era jurada de morte, mas morreu de câncer. Essas três, elas têm esse perfil. São mulheres com muita coragem, muita determinação, muita verdade do lado delas, elas não se subordinam, não se submetem. Esse tipo de mulher esses caras não suportam. Eles vão eliminar. Há uma misoginia total aí que eles não aceitam que qualquer mulher os trate assim.

Desde o início eu cantei a pedra: quem matou são grupos de extermínio e estão muito associados a milicianos. É a prática desses grupos.

 


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IM SUMPF VON KORRUPTION UND MAFIA

Clan im Blick Flavio Bolsonaro (links im Bild) und sein Vater Jair Bolsonaro (ganz weit rechts), (Foto: Jeso Carneiro/Flickr (CC BY-NC 2.0)

Jair Bolsonaro kam vor allem mit dem – für viele heuchlerischen – Versprechen an die Macht, dass er die Korruption bekämpfen werde. Weniger als einen Monat an der Regierung wird gegen seinen Sohn wegen verdächtiger Bankgeschäfte ermittelt. Außerdem wird eine Verbindung zu dem Tod der linken Stadträtin Marielle Franco vermutet, die im März 2018 erschossen wurde. Der Skandal begann mit Veröffentlichungen in den brasilianischen Medien, dass auf dem Konto von Flávio Bolsonaro, Abgeordneter des Bundesstaates Rio de Janeiro und designierter Senator, ungewöhnliche Geldeinzahlungen verzeichnet wurden. Dieser erhielt in nur einem Monat – zwischen Juni und Juli 2017 – innerhalb von fünf Tagen 48 Bareinzahlungen, immer über denselben Betrag von 2.000 Reais (umgerechnet 460 Euro). Laut eines Berichts der Staatlichen Behörde für die Kontrolle von Finanzaktivitäten (COAF), die dem brasilianischen Wirtschaftsministerium untersteht, konnten die Urheber der Einzahlungen nicht identifiziert werden. Allerdings vermutet die COAF aufgrund der Merkmale der Einzahlungen, dass Bolsonaros Sohn versucht haben könnte, den Ursprung von 96.000 Reais (umgerechnet 22.240 Euro) zu verschleiern.

Die Informationen wurden am 18. Januar in der landesweiten Hauptnachrichtensendung Jornal Nacional veröffentlicht und führten zu einer Krise, die die kürzlich gewählte Regierung erschütterte. Es besteht der Verdacht, dass Beamte aus den Abgeordnetenbüros der Gesetzgebenden Versammlung von Rio de Janeiro einen Teil ihrer Gehälter zurückgezahlt haben, eine Praxis, die als illegal angesehen wird. Eine weitere Vermutung ist, dass Fabrício Queiroz, Militärpolizist und ehemaliger Berater von Flávio Bolsonaro, für das Eintreiben eines Teils der Gehälter anderer Berater aus dem Abgeordnetenbüro von Flávio Bolsonaro verantwortlich war.  Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit etwa sechs Monaten gegen Queiroz wegen Geldwäsche. Im Oktober 2018 wurde er aus dem Büro von Flávio Bolsonaro entlassen. Im Rahmen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Rio de Janeiro wurde Queiroz für eine ungewöhnliche Finanztransaktion von 1,2 Millionen Reais zwischen 2016 und 2017 verantwortlich gemacht. Eine der Transaktionen betrifft Schecks in Höhe von 24.000 Reais (5.560 Euro), die an die neue First Lady, Michelle Bolsonaro, gingen. Flávio Bolsonaro muss sich als neu gewählter Senator jedoch keinem Gerichtsverfahren unterziehen. Seine Rolle wird in einer internen Untersuchung der Staatsanwaltschaft Rios – dem so genannten Kriminalermittlungsverfahren (PIC) zur Untersuchung möglicher Rechtsverstöße – geklärt.

Laut Untersuchungen der Staatsanwaltschaft von Rio de Janeiro war der ehemalige Polizeibeamte Adriano Magalhães da Nóbrega das mögliche Bindeglied zwischen der Ermordung der Stadträtin Marielle Franco und Flávio Bolsonaro. Das Büro des Abgeordneten Bolsonaro beschäftigte bis November 2018 die Mutter und die Frau von Nóbrega, den die Staatsanwaltschaft Rio als Kopf der Miliz „Escritório do Crime“ betrachtet, die des Mordes an Marielle Franco verdächtigt wird. Laut der Tageszeitung Jornal o Globo ist Nóbrega ein Freund des ehemaligen Beraters von Flávio Bolsonaro, Fabrício Queiroz. Die Mutter von Nóbrega, Raimunda Veras Magalhães, sei eine der Mitarbeiterinnen, die das Geld an Queiroz weitergegeben habe. An dem Skandal, der die brasilianischen Presse im ersten Monat der Regierung von Bolsonaro dominiert, ist auch das Oberste Bundesgericht Brasiliens (STF) beteiligt. Am 16. Januar setzte der Minister des STF, Luiz Fux, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Queiroz aus, nachdem Flávio Bolsonaro eine gerichtlichen Anfrage dazu gestellt hatte. Der Sohn des Präsidenten argumentierte, dass die Untersuchungen vom STF und nicht von der Staatsanwaltschaft Rio de Janeiros durchgeführt werden sollten. Ein Anliegen, das für viele den Versuch darstellt, allgemeines Recht zu umgehen, denn am 1. Februar tritt Flávio Bolsonaro sein Mandat im Senat an, so dass er politische Immunität erhält und zudem berechtigt ist, ausschließlich Verfahren vor höheren Gerichten zu erhalten. In den sozialen Netzwerken mangelt es angesichts der Ermittlungen nicht an Kritik am gewählten Präsidenten Jair Bolsonaro. Während seines Wahlkampfes erschien er in einem Video neben seinem Sohn und erklärte, er wolle „diesen Mist der politischen Immunität“ nicht. Sein Sohn Flavio beantragt nun die Aussetzung der Ermittlungen gegen Queiroz am STF, um seine politische Immunität zu nutzen.

 


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