Die Nazis in Chile

Die Forschungen zum Nationalsozialismus einerseits, zu Südamerika andererseits, werden in der Bundesrepublik fast völlig getrennt betrieben. Obwohl zahlreiche VertreterInnen zum Beispiel der Chile-Solidaritätsbewegung ihr Verständnis und ihre Motivation aus der eigenen, der deutschen, Geschichte herleiten, wurden Auseinandersetzung und Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus nur oberflächlich und an besonders neuralgischen Punkten in konkrete inhaltliche Verbindung zur Geschichte einzelner südamerikanischer Staaten gesetzt. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen Deutschland und Südamerika sind die deutsche Einwanderung in einzelne Länder Lateinamerikas oder die wichtigen preußischen Einflüsse auf die Streitkräfte, insbesondere in Chile und Argentinien, allgemein bekannt und in zahlreichen Veröffentlichungen festgehalten.
Geht es allerdings darum, die Verbindung zwischen Deutschland und Südamerika in der Zeit des NS-Regimes zu thematisieren, beschränken sich die Veröffentlichungen bis auf wenige Ausnahmen auf das Thema südamerikanische Staaten als Exilländer für Flüchtlinge des NS-Regimes und später als Zuflucht für NS-Verbrecher. Bei der letztgenannten Thematik entwickeln sich allerdings nicht selten Mythen und aufgebauschte Sensationen und Legenden, wie in Zusammenhang mit der „Rattenlinie“ oder der Organisation „Odessa“. Kein Zufall: die in Europa begangenen Verbrechen „passen“ gut zu den Menschenrechtsverletzungen, die von den Diktaturen in Südamerika zu verantworten sind. Wenn ein Klaus Barbie alias Altmann in Bolivien für die Banzer-Diktatur tätig war, stellt sich die Frage, warum sollte ein Nazi-Verbrecher wie Walter Rauff in Chile nicht in engem Kontakt zur Colonia Dignidad gestanden haben, wo im Auftrag des chilenischen Geheimdienstes DINA chilenische Oppositionelle gefoltert wurden?
Das Wissen über die Verbindung des nationalsozialistischen Deutschlands mit Südamerika ist oft mehr ein Vermuten und eigene Schlüsse aus dem Vergleich zu anderen historischen Abschnitten der deutsch-südamerikanischen Beziehungen ziehen. So war zum Beispiel, angesichts der zahlreichen nach Argentinien geflohenen Nazis eine weit verbreitete Meinung, hier seien die Akzeptanz für das NS-Regime und die Anhängerschaft für die Auslandsorganisation der NSDAP innerhalb der deutschen Gemeinden im Vergleich zu anderen südamerikanischen Ländern besonders hoch gewesen. Chile hingegen schien keinen guten Nährboden für das rassistische Gedankengut der Nationalsozialisten geboten zu haben. Schließlich waren es chilenische Institutionen gewesen, die NSDAP-Ortsgruppen zu einem relativ frühen Zeitpunkt untersagten.

Chile als Nährboden für NS-Ideologie

Víctor Farías hat nunmehr eine sehr umfassende historische Studie vorgelegt, die einerseits bestehende Vorurteile korrigiert und andererseits, und das ist ihr großer Verdienst, grundlegend über die Auswirkungen des Nationalsozialismus in Chile informiert. Grundlegend, weil Farías, obwohl er unter anderem wegen der zum Teil mangelhaften Quellenlage nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, einen Querschnitt durch alle wesentlichen gesellschaftlichen Bereiche erstellt. Die Anzahl der genutzten Dokumente ist in Anbetracht des sehr breit angelegten Themas des Buches nicht sehr hoch. Dafür konzentriert sich Farías auf umso aussagekräftigere und vor allem bislang unbekannte Dokumente, die weit reichende Rückschlüsse auf die allgemeine Befindlichkeit der jeweiligen Institution für den besagten Zeitraum zulassen.
Wie brisant die Akzeptanz der nationalsozialistischen Ideologie in verschiedenen chilenischen Institutionen tatsächlich ist, macht Farías deutlich, indem er die Ereignisse in Chile immer in Relation zu dem zeitgleichen Geschehen in Deutschland setzt. Dieser Logik folgend, beginnt das Buch mit einer Betrachtung der in der Verbreitung des NS-Gedankenguts im Ausland aktiven Institutionen und Organisationen, die in eine Beschreibung der Funktion des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin und des Institutsleiters General Wilhelm Faupel mündet.

NSDAP/AO Landesgruppe Chile

Bei der Beschäftigung mit der Geschichte, Struktur und den Aktivitäten der NSDAP/AO Landesgruppe Chile, sowie der Rolle der deutschen Schulen und der deutschen Evangelischen Kirche konzentriert sich Farías auf die primären Adressaten, die Mitglieder der deutschen Kolonie in Chile, der zuvor beschriebenen Organisationen und ihrer Politik. Interessant ist in diesem Kapitel insbesondere, wie die Chilenen deutscher Herkunft und die in Chile lebenden Deutschen das rassistische Gedankengut der Nationalsozialisten in ihrem sozialen und gesellschaftlichen Kontext propagandistisch weiter gaben. Fast absurd klingt es, wenn sie, die als Minderheit in Chile leben, betonen, von einer höherwertigen Rasse zu stammen, oder vor einer Vermischung des Blutes warnen. Wie groß die Akzeptanz für die rassistische Anthropologie der Nationalsozialisten allerdings nicht nur innerhalb der deutschen Kolonie ist, belegt Farías unter anderem mit bisher kaum gekannten Dokumenten zu medizinischen Experimenten an chilenischen Kindern im Deutschen Reich. Die Kinder, die aus Waisenhäusern, Armenschulen und Klöstern aus der Gegend von Concepción stammten, wurden auch mit Hilfe chilenischer Mediziner nach Deutschland gebracht.
In dem der Autor im Rahmen zweier Kapitel den Blick auf die Außenpolitik Chiles, die chilenisch-deutschen diplomatischen Beziehungen und die chilenischen Streitkräfte wirft, wendet er sich den Institutionen zu, die in Zusammenhang mit der Fragestellung nach Einflüssen des Nationalsozialismus auf ein Land üblicherweise untersucht werden. Das von ihm mit unterschiedlichen Dokumenten herausgearbeitete Bild, spiegelt die unverhohlene Bewunderung für das NS-Regime und seine „Leistungen“ seitens zahlreicher Vertreter sowohl der chilenischen Diplomatie als auch der Streitkräfte wieder. Wie sich diese Bewunderung in konkreten Aktivitäten zur Verbreitung der NS-Ideologie und zur Unterstützung der NSDAP/ AO Chile niederschlägt, macht Farías anhand zahlreicher Beispiele deutlich. Auch erfährt man hier, dass Pinochet bereits als junger Offizier die von Faupel mit dem eindeutigen Ziel der Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda innerhalb der lateinamerikanischen Streitkräfte herausgegebenen Zeitschrift „Ejército-Marina-Aviación“ abonnierte. Indem Farías allerdings eine 33 Namen umfassende „Schwarze Liste“ mit auf Seite der Alliierten stehenden chilenischen Offizieren veröffentlicht, weist er auch auf das Vorhandensein konträrer Positionen und die damit verbundene Ambivalenz zum Beispiel innerhalb der Streitkräfte hin.
Inhaltlich eng mit diesen Ausführungen verknüpft ist ein Kapitel, das sich mit den Bemühungen Nazi-Deutschlands beschäftigt, in Lateinamerika – hier Chile – einen strategisch wichtigen Stützpunkt gegenüber den USA unter anderem für den U-Boot-Krieg aufzubauen. Militärische, politische, wissenschaftliche und kulturelle Institutionen sollten zu diesem Zweck unterwandert werden, wie Farías in dem Kapitel „Nazi-Spionage in Chile“ anhand zahlreicher Fallbeispiele belegen kann. Darüber hinaus präsentiert Farías an dieser Stelle Berichte von unterschiedlichen US-amerikanischen Institutionen, die im Rahmen der ab 1942 von den USA in Chile durchgeführten Gegenspionage verfasst wurden und die eine Einschätzung der Aktivitäten der Nationalsozialisten wiedergeben.
Das letzte Kapitel „Musikalisches Intermezzo“, das näher auf die Einstellungen und Handlungen der Sängerin und Schauspielerin Rosita Serrano und des Pianisten Claudio Arrau im Deutschen Reich eingeht, ist erneut ein gelungener Versuch Farías, die große Bandbreite der gesellschaftlichen Bereiche, in denen es Beziehungen zwischen Chile und Nazi-Deutschland gegeben hat, darzustellen. Beide machten in Deutschland Karriere und konnten selbst in Zeiten, in denen jüdische Komponisten, Sänger und Schauspieler bereits lange verboten waren, vielumjubelte Auftritte feiern, die oft zu Propagandazwecken dienten. Damit räumt Farías insbesondere im Hinblick auf Claudio Arrau mit der in Chile verbreiteten Erzählversion auf, nach der Arrau sich deutlich vom NS-Regime und seinen Verbrechen distanziert haben soll.
Dass das Buch „Los nazis en Chile“ in seiner ersten Auflage binnen weniger Tage in Chile vergriffen war, lag aber im Wesentlichen am Epilog und an dem etwa dreißig Seiten langen Dokumentenanhang. Der Epilog „Der SS-Standartenführer Walter Rauff in Chile: Salvador Allende, Simon Wiesenthal und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ enthält nach einer Einführung zur Person Rauffs zwei Briefe. Einer ist die Bitte von Simon Wiesenthal um Revision der 1963 in Chile getroffenen Entscheidung Walter Rauff nicht auszuliefern, der andere ist die Antwort von Salvador Allende, der sich aus formal-juristischen Gründen entschließt, die Ablehnung der Auslieferung nicht aufzuheben und damit der Bitte von Wiesenthal nicht entspricht.
Bei den im Anhang abgedruckten Dokumenten handelt es sich zu einem großen Teil um Mitgliederlisten der NSDAP Chile. Aus interessierten Kreisen in Chile hört man, die Linken würden das Buch wegen des Briefes von Salvador Allende, die Rechten wegen der Mitgliederlisten kaufen. Wenn auch nicht in dieser Plattheit, so ist doch auffällig, dass das Schreiben Salvador Allendes Enttäuschung bei der einen, eine gewisse Häme bei der anderen Seite hervorruft. Die Mitgliederlisten scheinen für alle eine Möglichkeit zu sein, Verdachtsmomente oder Zweifel zu überprüfen.
Reduzierte man es auf Epilog und Anhang, würde man dem Buch von Farías allerdings nicht einmal annähernd gerecht. Minuziös recherchiert, liefert sein Werk einen wichtigen Beitrag über ein Thema, das bislang weit gehend unerforscht geblieben ist.
Ohne das Vorangegangene einzuschränken, sei allerdings auch darauf hingewiesen, dass dieses 586 Seiten umfassende Werk, zumal noch nicht in deutscher Sprache erschienen, auch etwas an „Lesearbeit“ erfordert. Zwar versteht auch der im Hinblick auf das NS-Regime und seine Strukturen eher unkundige Leser durch die von Farías immer wieder vorgenommene Rückkoppelung zur Entwicklung in Deutschland und die teilweise sofort durchgeführte Übersetzung einzelner Begriffe die beschriebenen Sachverhalte. Dennoch bedarf es gerade im Hinblick auf die genutzten Dokumente selbst für die des Spanischen im Allgemeinen mächtigen LeserInnen einer Gewöhnung an das fachspezifische Vokabular.

Victor Farías: Los Nazis en Chile. Seix Barral, Barcelona 2000. 586 S.

Faschismus und Nationalsozialismus in Lateinamerika

Zunächst zu der Dissertation Jürgen Müllers. Um die AO in Lateinamerika ranken sich wohlgepflegte Legenden von einer „fünften Kolonne“ des nach Weltmacht strebenden Hitlerdeutschland. Müller zeigt, daß die AO eine untergeordnete Abteilung der NSDAP war und sich in endlosen Querelen mit dem Auswärtigen Amt und parallelen Parteistrukturen zerrieb. Die Überschätzung der AO durch die Kriegsalliierten und ihre Mythologisierung nach 1945 ist durch Müllers faktenreiche Analyse widerlegt.
Die NSDAP verstand sich nicht als nationalstaatliche Institution. Sie wollte die Partei der deutschen „Volksgemeinschaft“ sein und beanspruchte überall dort ein Organisationsrecht, wo deutschstämmige Minderheiten lebten. Deshalb wurde die in regionale Gaue untergliederte NSDAP um einen weiteren, überregionalen Gau – eben die AO – erweitert. Für die Nationalsozialisten galt das Gleichschaltungsgesetz des Deutschen Reiches auf der ganzen Welt. Deshalb machten sich die lateinamerikanischen Landesgruppen der AO daran, alle deutschen Gesangs- und Turnvereine, Jugendgruppen, deutschen Schulen usw. der Partei zu unterstellen. Einige Vereine wehrten sich, und sei es aus purer Dickköpfigkeit. Eine katholische, deutschsprachige Zeitung in Chile brachte das im Rückblick grausig-verwirrende Argument: „Wir wollen nicht die Rolle der Juden in Deutschland spielen“, also nicht durch den Druck einer deutschen Zentrale in die Rolle einer sich absondernden Minderheit geraten. Die deutschen evangelischen Gemeinden in Lateinamerika bekannten sich in ihrer Mehrheit zum Nationalsozialismus (dieses Thema wäre eine eigene Untersuchung wert). Die deutschen Katholiken, die sich am Vatikan orientierten, waren viel zurückhaltender.
Die AO-Landesgruppen beteuerten ihre politische Neutralität und spannten gleichzeitig die „Reichsdeutschen“ (deutsche Staatsbürger) für die Zwecke Hitlerdeutschlands ein, notfalls auch durch Pressionen. Die „Volksdeutschen“ (Deutschstämmige ohne deutsche Staatsbürgerschaft) wurden in den scheinbar unpolitischen und unter der Hand gleichgeschalteten Vereinen organisiert. In der Logik der „Volksgemeinschaft“ war das Nebeneinander von Neutralitätsbeteuerungen und politischer Mobilisierung der im Ausland lebenden Deutschen kein Widerspruch. Für die lateinamerikanischen Länder war es Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Sie witterten deutsche Annexionsabsichten. Das von deutschen Diplomaten blauäugig vorgetragene Argument, die NSDAP sei Staatspartei und habe deshalb auf alles Deutsche hoheitsrechtlichen Anspruch, konnte diesen Verdacht nur bestärken.
Der Nationalsozialismus kam bei den in Lateinamerika lebenden Deutschen meist gut an. Deutschland, so schien es, war aus der Niederlage im Ersten Weltkrieg herausgerissen. Auch der Antisemitismus fand Resonanz, wurde aber, weitab vom Vernichtungsapparat, zu einer rhetorischen Übung ohne politische Zugkraft. Hier wünscht man sich in Müllers Buch eine klarere Analyse. Gab es im lateinamerikanischen Teil der AO einen alltäglich-unverbindlichen Antisemitismus, während die Partei- und Staatsspitze in Deutschland die Judenvernichtung plante?
In den lateinamerikanischen Ländern war die Auseinandersetzung um die AO oft symbolisch. Welche Lieder durften gesungen, welche Fahnen und Embleme gezeigt werden? Nur in Chile, wo die AO-Landesgruppe am besten organisiert war, gingen die Behörden effektiv gegen sie vor. Mit Beginn des zweiten Weltkriegs waren die lateinamerikanischen Landesgruppen der AO von der Parteizentrale abgeschnitten, und einige waren verboten. Sie blieben ohne Wirkung auf die Außenpolitik der betreffenden Staaten und führten, so Müller, wegen ihren Heimlichtuereien und Einmischungen insgesamt eher zur Ablehnung des nationalsozialistischen Deutschland.
Müller beschreibt in seiner Arbeit, wie schwer sich die Landesgruppen in der Organisationsarbeit taten. Sie konnten nur kleine Teile der deutschen Minderheiten organisieren. Die AO hatte in ganz Lateinamerika etwa 6.000 Mitglieder, von denen viele nicht aktiv waren. Um zu solcher Präzision zu gelangen, hat der Autor viele kaum oder gar nicht erschlossene Archive gründlich und genau durchgearbeitet.
Simone Schwarz vergleicht die chilenische faschistische Bewegung MNS Movimiento Nacional Socialista der dreißiger Jahre, die Landesgruppe Chile der AO und die 1970 gegründete Bewegung “Vaterland und Freiheit”. Die Autorin hat Interviews mit Zeitzeugen geführt und bisher unbekannte Akten und Archive eingesehen, darunter Privatarchive, von deren Existenz Müller nichts wissen konnte. Schwarz beschreibt die Konflikte zwischen den von der Parteizentrale eingesetzten, auf die Neutralität der entsprechenden Länder im Zweiten Weltkrieg bedachten AO-Funktionären und der stets eigenwilligen Basis, die Waffenlager anlegte, spionierte und aus Deutschland geflohene Juden belästigte. Die chilenische AO trug zu einer restriktiven Asylpolitik des Landes gegenüber jüdischen und politischen Flüchtlingen und dem erzwungenen Rücktritt eines Außenministers bei.
Das Verdienst Schwarz‘ besteht vor allem darin, die bürokratische AO im Kontext der jüngeren chilenischen Geschichte mit dem dynamischen MNS zu vergleichen. Die Autorin zeigt die unterschiedlichen ideologischen Wurzeln des MNS auf (italienischer Faschismus, spanischer Falangismus, nationalsozialistische Fragmente und einige Konzepte dessen, was als „Konservative Revolution“ bezeichnet wird). Der MNS mobilisierte einen weit größeren Teil der Chilenen, als es der AO je möglich war. Nachdem er seine politischen Ziele nicht erreicht hatte, unternahm er einen Putsch als „eine Art letzten Revitalisierungsversuch“ und scheiterte.
Schwarz liefert im dritten Teil ihres Buches die einzige umfassende deutschsprachige Untersuchung zur Frente Nacionalista Patria y Libertad : “Vaterland und Freiheit”. Diese Organisation entstand 1970, unmittelbar nach dem Wahlsieg des Sozialisten Allende. Anfangs formulierte “Vaterland und Freiheit” einige gesellschaftspolitische Ziele, die aber bald gegenüber einem militanten Antisozialismus in den Hintergrund traten. Ihr Zweck war der Sturz Allendes. Sie wurde zum Ferment einer gesellschaftlichen Polarisierung, die den Putsch ermöglichte. So klein “Vaterland und Freiheit” war, so nachhaltig beeinflußte die Gruppe die Politik mit einer Mischung aus „zugespitzter Rhetorik und skrupelloser Gewaltbereitschaft“.
Die Organisation verübte hunderte von Sabotageakten und zahlreiche Attentate. Sie verbündete sich mit einem Teil des Offizierskorps und war an dem mißglückten Putschversuch im Juni 1973 beteiligt. AO und MNS waren ihrer politischen Programmatik treu geblieben und gescheitert; “Vaterland und Freiheit” verstand sich als Mittel zum Zweck, als Partei des Putsches, und erreichte ihr Ziel. Als Pinochet sich an die Macht geputscht hatte, ließ er die Rhetorik von “Vaterland und Freiheit” zu und übernahm – vom Folterer bis zum Regierungssprecher – einige ihrer Mitglieder, setzte aber politisch nicht auf die Ständestaatideen seiner Wegbereiter, sondern auf die Modernisierer vom Schlage der Monetaristen.

Jürgen Müller: Nationalsozialismus in Lateinamerika – Die Auslandsorganisation der NSDAP in Argentinien, Brasilien, Chile und Mexiko, 1931-1945, Reihe Histoamericana Bd. 3, Akademischer Verlag, Stuttgart 1997. 564 Seiten.

Simone Schwarz: Chile im Schatten faschistischer Bewegungen – Der Einfluß europäischer und chilenischer Strömungen in den 30er und 70er Jahren, Verlag für akademische Schriften, Frankfurt am Main 1997. 135 Seiten.

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