Die Gefahr bleibt

Kalter Putsch Ausschnit aus dem LN-Cover nach dem Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff in Brasilien

Die Editorials als kollektiv verfasster Meinungsbeitrag der Redaktion werden bei den Lateinamerika Nachrichten normalerweise auf der Sitzung zum Redaktionsschluss und erneut während des monatlichen Produktionswochenendes besprochen. Nach dem erzwungenen Rücktritt von Evo Morales im November 2019 wollten wir darauf jedoch nicht warten. War es ein Putsch, was da passiert war? Die Sachlage war auf den ersten Blick nicht ganz eindeutig. Die Nachrichten aus Bolivien und auch die Diskussionen in den sozialen Medien überschlugen sich, die Redaktion erhielt laufend Anfragen nach ihrer Sicht auf die Dinge. Wir merkten, dass eine Stellungnahme von uns hermusste. Völlig außerhalb des normalen Heftzyklus’ trommelten wir die Redaktionsmitglieder zusammen und diskutierten einen Abend lang über Bolivien, unser Raum war brechend voll. Am Ende stand eine gemeinsame Analyse, die den Putsch klar als solchen bezeichnete und die wir dann online gestellt haben. Kein anderer Text auf unserer Homepage wurde in den letzten Jahren innerhalb kurzer Zeit von so vielen Leuten gelesen wie dieser.

Was die LN in dem Sondereditorial „Die Putsche unserer Zeit“ herausgearbeitet haben: Die Strategien der radikalen Rechten haben sich geändert. Wenn diese heute ihre Interessen gefährdet sieht, greift sie nicht mehr zwangsläufig zu „klassischen“ Militärputschen, um linke Regierungen zu stürzen – heute behauptet sie, „Menschenrechte“, „Demokratie“ und die vermeintliche Freiheit zu verteidigen. Durchgesetzt werden die Interessen der Unternehmerseite durchaus auch mit Gewalt – das zeigte die tödliche Repression gegen Protestierende in Bolivien eindrücklich. Der Machtwechsel an sich verläuft jedoch meist scheinbar unblutig, gut vorbereitet durch Stimmungsmache in den Medien und einen Staats- und Justizapparat, den die Rechte ohnehin nie aus den Händen gegeben hat.

Auch deutsche Unternehmen sahen in einem Bolivien unter Morales ihre Interessen in Gefahr

Die LN waren eine der ersten Stimmen im deutschsprachigen Raum, die sich gegenüber den Ereignissen in Bolivien klar positionierten. Viele andere Medien taten sich da schwerer. Die taz zögerte sichtlich, den Staatsstreich als einen solchen zu benennen und suchte anfangs gar die Schuld bei Morales selbst. Andere Zeitungen wie die Zeit interviewten die Putschistin Jeanine Áñez als vermeintlich legitime „Übergangspräsidentin“. Wie der gesammelte Wertewesten erkannte die Bundesregierung die neuen Machthaber*innen ohnehin sofort an – auch deutsche Unternehmen sahen in einem Bolivien unter Morales ihre Interessen in Gefahr. Die Rolle der von den USA dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die den Putschist*innen mit dem sich später als unhaltbar erweisenden Wahlfälschungsvorwurf den Boden bereitete, zeigt die internationale Dimension der „Putsche unserer Zeit“.

Dass Bolivien den Schlusspunkt der „Putsche unserer Zeit“ darstellt, muss bezweifelt werden

Dass es sich beim Putsch gegen Evo um kein isoliertes Phänomen handelte, wurde schon im Editorial von 2019 betont. Zuvor war die Rechte gegen die Regierungen von Dilma Rousseff in Brasilien, von Manuel Zelaya in Honduras und von Fernando Lugo in Paraguay nach ähnlichen Mustern vorgegangen. Auch dass Bolivien den Schlusspunkt der „Putsche unserer Zeit“ darstellt, muss bezweifelt werden. Bezüglich der Absetzung von Perus Präsidenten Pedro Castillo Ende letzten Jahres lassen sich zumindest Parallelen finden. Oftmals sorgt die Rechte und ihr Justizapparat in Lateinamerika jedoch vor und verhindert linke Regierungen bereits im Voraus. Spätestens seit den 2010er Jahren wird für derlei Machenschaften auch der Begriff Lawfare genutzt: das politisch motivierte Beugen von Recht gegen progressive Politiker*innen. Aktuelle Beispiele dafür sind die Urteile gegen die ehemalige Präsidentin und aktuelle Vize Argentiniens Cristina Fernández de Kirchner, die ihre erneute Kandidatur unmöglich machen, oder die Verhinderung der indigenen Aktivistin Thelma Cabrera als Präsidentschaftskandidatin in Guatemala.

Trotz gewalttätiger Repression nach dem Staatsstreich konnte die „Bewegung für den Sozialismus“ (MAS) nur rund ein Jahr nach dem Sturz von Evo Morales wieder an die Macht kommen. Zu verankert war sie in der indigenen Bevölkerung, die sich in Massen mobilisierte und das Land teilweise lahmlegte. Auch in anderen Ländern feierten weggeputschte Bewegungen und Parteien ein Comeback: So in Brasilien, wo seit Anfang des Jahres wieder Lula regiert; ebenso in Honduras, wo es nach dem Sturz Zelayas etwas länger dauerte, bis Xiomara Castro ins Präsidentinnenamt gewählt wurde.

In die Freude hierüber mischt sich Sorge. In allen drei genannten Ländern existiert heute eine starke gesellschaftliche Polarisierung. Mit Ausnahme Boliviens, wo die MAS jedoch durch innerparteiliche Konflikte geschwächt ist, verfügen die linken Regierungen zudem über keine eigene Mehrheit im Parlament. Das birgt die Gefahr, dass Anhänger*innen enttäuscht werden, wenn eigene Projekte am Widerstand der Opposition scheitern. Am Ende könnte das zukünftige Wahlsiege der Rechten begünstigen. Zwar zeigen die Entwicklungen in Brasilien, Honduras und Bolivien, dass die „Putsche unserer Zeit“ keinen nachhaltigen Erfolg haben müssen. Die Gefahr, dass die Rechte zurückschlägt, ist jedoch keineswegs gebannt. Ein Grund dafür ist, dass hohe Militärs und Richter*innen oft weiterhin mit ihr sympathisieren, auch wenn ihnen nun ein*e progressive Präsident*in vorsteht. In Bolivien etwa hat Präsident Arce im November 2022 nach einer großen Protestwelle in Santa Cruz, der Hochburg der Rechten, bereits zum zweiten Mal seit seinem Amtsantritt die oberste Führung der Streitkräfte ausgewechselt. Das tat er, um einem möglichen neuen Putsch zuvorzukommen.

Martin Schäfer ist seit 2018 Mitglied der LN-Redaktion und interessiert sich für die Kämpfe indigener Bewegungen.
Frederic Schnatterer ist Mitglied der LN-Redaktion und interessiert sich für das Spannungsverhältnis von Realpolitik und Revolution.

SELFIE AUS DER HÖLLE

Religiöse Rächerinnen Jagd auf „Unmoralische“ und Herbeiträllern der Apokalypse (Foto: Anita Rocha da Silva,kinema21/Drop out Cinema)

„Hallo meine Schätze! Heute zeige ich euch, wie man ein perfektes christliches Selfie macht! Ganz wichtig: Das Handy dabei immer gerade halten. Denn von unten, das ist der Blick aus der Hölle – das wollen wir nicht! Und von oben erst recht nicht: Wer sind wir denn, dass wir Gottes Blick nachahmen?!?“ Influencerin Michele (Lara Tremouroux) ist in ihrem Element. „10 Arten, ein Selfie zu Gottes Ehren zu machen“ heißt die aktuelle Videoreihe, die die Teenagerin für ihre zahlreichen gläubigen Follower*innen begeistert filmt und online stellt. Doch Michele (die wohl nicht ganz zufällig so heißt, wie die Frau des kürzlich abgewählten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro) belässt es nicht dabei, ihre bigotten Ansichten in Online-Tutorials zu verbreiten. Nachts zieht sie sich eine Maske auf und wird zur Anführerin einer brutalen Mädchengang, die durch die Straßen patrouilliert. Dort verprügeln die Rächerinnen im Namen Gottes vermeintlich „unzüchtige“ oder „unmoralische“ Teenagerinnen und stellen sie mit Videos öffentlich bloß – ähnlich der Priesterin Medusa im griechischen Mythos. Die brach das Zölibat und wurde deswegen von der Göttin Athene entstellt und aus ihrem Tempel verbannt.

Es ist ein unwirkliches, dystopisches Brasilien, das Regisseurin Anita Rocha da Silveira in Medusa zeigen will und das sich dennoch erschreckend nahe an der Wirklichkeit bewegt. Der Staat befindet sich dort in einer Dauerkrise. Stromausfälle und Überschwemmungen sind an der Tagesordnung. Der Einfluss der religiösen Rechten auf das Privatleben der Menschen ist immens und hat sich mit einem extremen Schönheitskult verquickt, der körperliche Makel als Strafe Gottes brandmarkt. Das wird Micheles Freundin Mariana (Mari Oliveira) zum Verhängnis. Die macht zwar zu Beginn des Films so brav wie begeistert in ihrer Kirchengemeinde und natürlich auch in der prügelnden Straßenclique mit. Ein Schnitt im Gesicht sorgt aber bald dafür, dass sie auf dem Beziehungs- und Heiratsmarkt der streng von den Mädchen getrennten aber nach gleichem Muster aufgebauten Jungengang aller Chancen beraubt wird. Und nicht nur das: Sie verliert deswegen auch ihren prestigeträchtigen Job in einer Schönheitsklinik. In einem Krankenhaus für Komapatient*innen nimmt sie als Pflegerin eine neue, allerdings weniger glamouröse Anstellung an, mit der Absicht, nach der geheimnisvollen Ex-Schauspielerin Melissa zu suchen, die wegen ihres „unzüchtigen“ Lebenswandels öffentlich entstellt wurde und seitdem verschwunden ist.

Die Geschichte von Medusa basiert auf realen Vorkommnissen, die sich in den letzten Jahren in Brasilien ereignet haben. 2015 machte der Fall einer 16-Jährigen Schlagzeilen, die mehrere Gleichaltrige für promiskuitiv hielten. In der Folge schnitten sie ihr die Haare ab und entstellten ihr das Gesicht. Wie Regisseurin Rocha da Silveira bei Recherchen herausfand, blieb dies kein Einzelfall. Vor allem im Umfeld von ultrarechten YouTuberinnen und ihren Followerinnen kam es immer wieder dazu, dass junge Frauen sich zusammenschlossen und Jagd auf „unmoralische“ Geschlechtsgenossinnen machten. In Medusa hat Rocha da Silveira die zwar absurd erscheinende, für ihre Gegner*innen aber brandgefährliche Hyperreligiosität durch knallige Farbgebung verfremdet. Der unterlegte 80er-Jahre-Synthie-Sound, in Mode gekommen durch die Serie Stranger Things, tut ein Übriges dazu. Vieles mag deshalb zu absurd und überzeichnet wirken, um wahr zu sein. So zum Beispiel eine Tanzperformance der Mädchen zu einem schnulzigen Song, in dem die Apokalypse herbeigeträllert wird. Doch wer sich tatsächlich mit Denk- und Verhaltensweisen der ultrareligiösen Rechten in Brasilien und anderswo auseinandersetzt, wird feststellen: Die Gruppe der Mädchen in Medusa ist keinesfalls weit entfernt von den realen Diskursen.

Rocha da Silveira sorgt mit Traumsequenzen, Schockeffekten und Fremdscham-Komik zwar dafür, dass Parallelen zu filmischen Vorbildern wie David Lynch oder dem Horroraltmeister Dario Argento offensichtlich werden. Das wirkt aber oft etwas gewollt und kann außerdem nicht über Schwächen beim Drehbuch hinwegtrösten. Nach starkem Start trägt die recht vorhersehbare und ohne große Konflikte verlaufende Geschichte den Film leider nicht über die vollen zwei Stunden. Das lässt ihn zwischendurch langatmig werden, was nicht hätte sein müssen. Denn einige vielversprechende Handlungsstränge werden nicht konsequent zu Ende geführt oder irgendwann einfach fallen gelassen. Auch hätte den meisten Figuren etwas mehr Kontur und weniger Klischeehaftigkeit gut zu Gesicht gestanden. Zudem mischt Medusa etwas zu viele Genres ineinander. Da sich der Film nicht zwischen Gesellschaftssatire, Horrorfilm und Coming-of-Age-Drama entscheidet und irgendwie ein bisschen von allem sein will, geht irgendwann die Richtung verloren. Punkten kann Medusa dafür beim gelungenen audiovisuellen Konzept: Farbgebung und Atmosphäre sind unkonventionell und sehr stimmig.

Das Hauptproblem von Medusa ist aber tatsächlich, dass die vorgebliche Dystopie in bestimmten sozialen Milieus Brasiliens bereits zur Realität geworden ist. Die Überzeichnung, die an vielen Stellen von der Wirklichkeit eingeholt oder manchmal gar überholt wird, verliert so ihren Biss, läuft sogar Gefahr, in Richtung Trash zu rutschen. Das will der Film bei aller Persiflage aber nicht sein – die zugrunde liegende, sehr reale Problemlage ist dafür zu ernst. Hinter einem berühmten Vorbild wie Margaret Atwoods bereits 1985 veröffentlichten Roman A Handmaid’s Tale (Der Report der Magd, bekannt auch durch die gleichnamige Fernsehserie), der die Vision einer religiös dominierten, frauenverachtenden Gesellschaft bis zum erschreckenden Ende denkt, bleibt Medusa deshalb weit zurück.

All das soll aber nicht bedeuten, dass die unter der Oberfläche gar nicht so christlich-fromme Gemeinschaft im Film geschont wird: Wer auf kräftige Breitseiten gegen religiös-rechte Fanatiker*innen steht, wird in Medusa sicherlich voll auf seine*ihre Kosten kommen. Mit etwas weniger Plakativität hätte der Film aber wohl noch mehr erreichen können. Vielleicht hätte es Medusa deshalb tatsächlich gutgetan, in der Gegenwart zu bleiben. Denn die war in Brasilien in den letzten Jahren schon mehr als ausreichend schockierend und absurd.

DIE RECHTE ÜBERNIMMT

Für Uruguay ist es bitter, für Lateinamerikas progressives Lager ein weiterer herber Schlag: Das Linksbündnis Frente Amplio („Breite Front“) muss am 1. März 2020 nach 15 Jahren den Präsidentensessel räumen. Auf Tabaré Vázquez folgt dann mit dem 46-Jährigen Luis Lacalle Pou ein rechter Präsident.

Er kam in der Stichwahl am 24. November auf 48,8 Prozent, nur 1,5 Prozent mehr als Daniel Martínez. In der ersten Wahlrunde am 27. Oktober hatten nur knapp 40 Prozent die Frente Amplio und ihren Kandidaten gewählt. Dass es vier Wochen später noch einmal spannend werden sollte, ist wohl kaum dem wenig mitreißenden Spitzenkandidaten Martínez zu verdanken. Vielmehr war es gelungen, die vernachlässigte Basis und lange vergessene soziale Bewegungen zu mobilisieren.

Erinnerungen an die blutige Militärdiktatur

Wähler*innen, die mit Martínez und der Frente unzufrieden sind, votierten auch wegen eines Aufrufs von Guido Manini Rios, Ex-Oberbefehlshaber des Militärs und Gründer der rechtsextremen Partei Cabildo Abierto, anders als in der ersten Runde: Soldat*innen sollten auf keinen Fall Frente Amplio wählen. Hinzu kamen Drohungen ehemaliger Offiziere gegenüber linken Politiker*innen. Sie riefen Erinnerungen an die blutige Militärdiktatur wach. Der Aufruf erwies sich als durchaus kontraproduktiv: In der zweiten Runde stimmte danach selbst jede*r vierte Wähler*in von Cabildo Abierto für die Frente Amplio.

Am Ergebnis der Kongresswahlen, die zeitgleich zur ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 27. Oktober stattfanden, verbesserte dies allerdings auch nichts mehr.

Rechtsruck im Kongress, Rechtsruck im Präsidialamt

In beiden Kammern verlor die Frente Amplio ihre absolute Mehrheit. Sieben Parteien sind künftig im Kongress vertreten: Die Frente kommt auf 45 Abgeordnete und 13 Senator*innen, die Blancos des künftigen Präsidenten Lacalle Pou auf 31 Abgeordnete und zehn Senator*innen, die neoliberalen Colorados auf 13 Abgeordnete und vier Senator*innen und die rechtsextreme Cabildo Abierto auf sieben Abgeordnete und drei Senator*innen. Sowohl die Colorados als auch die Cabildo Abierto des rechtsradikalen Ex-Generals Manini Ríos unterstützen Lacalle Pou. Das gilt auch für die beiden Kleinparteien Partido Independiente (Unabhängigkeitspartei) und Partido de la Gente (Partei der Leute), die jeweils einen Sitz im Abgeordnetenhaus ergatterten, so wie die konservative Umweltpartei PERI. Die kleine linke Partei Unidad Popular verlor hingegen ihren einzigen Abgeordneten. Der Rechtsruck im Kongress hat nun durch den Rechtsruck im Präsidialamt seine Ergänzung erhalten.Die Frente Amplio hat in den vergangenen 14 Jahren bei aller berechtigten Kritik Vieles richtig gemacht. Dank einer großzügigen Sozialpolitik sank die Armut. Die Rechte von Arbeiter*innen wurden erweitert und damit die Gewerkschaften gestärkt. Soziale Einschnitte werden sie wohl nicht kampflos hinnehmen. Unter den Frente-Präsidenten wurden zudem zivile Rechte gestärkt und ausgeweitet, dazu zählen die legale Abtreibung, die gleichgeschlechtliche Ehe, LGBTI-Rechte und die Cannabisfreigabe und -regulierung. Der ursprüngliche Plan, mit der Freigabe und Regulierung von Cannabis anzufangen und dann mit anderen Suchtmitteln weiterzumachen, um dem illegalen Drogenhandel mit seiner Gewaltkriminalität die lukrative Geschäftsgrundlage zu entziehen, verlief im Sande – auch, weil das ohne Kooperation mit den Nachbarstaaten kaum möglich ist. Die meisten Regierungen sind jedoch mit der „War on Drugs“-Politik Washingtons einverstanden. Die US-hörige Phalanx in Lateinamerika wird nun außenpolitisch durch Lacalle Pou gestärkt.
Der Frente fehlte der Mut, sich den Kampagnen der Rechten offensiv entgegenzustellen. Das gilt insgesamt für das aus Sicht vieler Wähler*innen wichtige Thema der Inneren Sicherheit, das die Frente lange vernachlässigt hat und bei dem sie sich von den rechten Parteien vor sich hertreiben lässt. Im relativen Verhältnis liegen nur noch Venezuela, Brasilien und Kolumbien in der Mordrate pro 100.000 Einwohner*innen in der Region vor Uruguay, einst als Schweiz Südamerikas apostrophiert. 414 Menschen wurden 2018 ermordet, mehr denn je, seit solche Statistiken dort geführt werden. 2019 ist die Mordrate zwar leicht rückläufig, wird aber vermutlich mit dem historisch zweithöchsten Stand enden.

Kurswandel beim Thema Sicherheit bei der Frente

Da auch Raubüberfälle und Diebstähle zunehmen und sich die privaten Nachrichtensender größtenteils mit der Ausschmückung der Gewalttaten beschäftigen statt sich der Ursachenforschung zu widmen, ist das Thema Unsicherheit in der Gesellschaft breit präsent. Mit der Angst macht die Rechte Druck, und die Frente hat dies zu einem Kurswandel bewegt. Zu Beginn ihrer Regierungszeit lag die Betonung noch auf Rehabilitation, nun wird sanktioniert. Das Jugendstrafrecht wurde verschärft. Martialisch ausgerüstete Polizist*innen der Guardia Republicana machen mit Razzien die Armenviertel noch unsicherer. Kameras im öffentlichen Raum sind in uruguayischen Städten an vielen Ecken und Enden zu finden.Durchaus überraschend scheiterte das zeitgleich mit den Wahlen am 27. Oktober abgehaltene Referendum über die Initiative „Leben ohne Angst“ (Vida sin miedo) des Blanco-Politikers Jorge Larrañaga, das unter anderem vorsah, dass Militärs wie einst in der zivil-militärischen Diktatur auf den Straßen für Ordnung sorgen sollten. 46 Prozent hielt das zwar nicht von ihrer Zustimmung ab, doch für die Mehrheit reichte es nicht. Kein einziger Präsidentschaftskandidat mochte die Initiative öffentlich unterstützen. Doch Jorge Larrañaga wird nun Innenminister. „Leben ohne Angst“ durch die Hintertür?

Die Sozialausgaben blieben unangetastet

Die knappe Niederlage von Martínez zeigt, wie polarisiert Uruguay ist. Lacalle Pou hatte im Wahlkampf erkannt, dass viele Menschen bei aller generellen Kritik an der Frente Amplio doch an deren Sozialpolitik festhalten wollten. Deswegen erteilte er einer neoliberalen „Schocktherapie“ à la Macri in Argentinien eine Absage und versprach, die Axt nicht an den Sozialausgaben anzusetzen. Zweifel sind angebracht, da er das von der Frente geerbte Haushaltsdefizit beseitigen, aber keineswegs Steuern erhöhen will.

Während im Nachbarland Argentinien nach vier Jahren mit Mauricio Macri der Neoliberalismus gerade abgewählt wurde, ist in Uruguay nun eine Vertiefung des neoliberalen Modells zu erwarten. An dieser wirtschaftspolitischen Ausrichtung hielt selbst die Frente Amplio fest. Der milliardenschwere Vertrag mit dem finnischen Konzern UPM über eine dritte Zellulosefabrik, die 2022 ihren Betrieb aufnehmen soll, ist dafür das prominenteste Beispiel. Die Zelluloseproduktion geht mit Eukalyptus-Monokulturplantagen einher, die verheerende Umweltschäden nach sich ziehen. Umweltschutz schrieb die Frente so klein, dass sie auf ein Umweltministerium gleich gänzlich verzichtete. Luis Lacalle Pou hat angekündigt, erstmals eines einzurichten. Aber sicher nicht, um Uruguay auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad zu bringen.

SCHWERE ZEITEN FÜR QUEERE KUNST

Fotos: Lanchonete.org

Die christliche Rechte in Brasilien befindet sich im Aufwind. Unlängst wurde eine Ausstellung in Porto Alegre nach Protesten abgesagt. Was ist genau passiert?
Es sollte eine Ausstellung mit den Werken von zahlreichen jungen und anerkannten queeren Künstler*innen stattfinden. Dagegen organisierten konservative Gruppen Proteste. Im Gegensatz zur Linken ist die Rechte in Brasilien sehr gut organisiert. Es ist ihnen gelungen, einige Werke mit Pädophilie und Zoophilie in Verbindung zu bringen. Das ist riesiger Schwachsinn! Die Werke, die vermeintlich Pädophilie rechtfertigen, stammen von Künstler*innen, die selbst darunter gelitten haben. Mit den Werken sollte thematisiert werden, dass auch viele junge LGBT Opfer von Pädophilie werden. Das große Problem für diese Menschen ist, dass Kindern eine sexuelle Orientierung zugeschrieben wird. Die Solidarisierung mit den Protesten war leider sehr groß. Es war zu hören: „Diese Schwuchteln machen degenerierte Kunst“. Das erinnert mich an die Rhetorik der Nazis.

Und daraufhin wurde die Ausstellung abgesagt?
Ja, sie hatten damit Erfolg. Am Ende hat die Santander-Bank, die Sponsor war, die Ausstellung abgesagt. Es war aber nicht einfach nur die Entscheidung einer privaten Bank – es geht viel weiter. Das war eine Rechtfertigung, um Menschen zu diskriminieren. Den Künstler*innen wurde ein Stempel aufgedrückt: Wenn man jetzt ihre Namen bei Google sucht, wird ihre Kunst mit Pädophilie in Verbindung gebracht. Das ist ungerecht und absurd!

Gibt es noch weitere Beispiele?
Ein Theaterstück, bei dem eine transsexuelle Schauspielerin Jesus spielt, wurde in verschiedenen SESCs (Kulturzentren, Anm. d. Red.) aufgeführt. Als es in der Stadt Jundiaí im Bundesstaat São Paulo gezeigt werden sollte, entschied ein Richter, dass das Stück eine Beleidigung des Christentums darstelle. Konsequenz: Es durfte nicht aufgeführt werden. Das war Zensur! In anderen Städten wurde das Stück zwar weiter gespielt und am Ende wurde das Urteil von einem anderen Richter aufgehoben. Trotzdem bleibt: Ein Theaterstück in Brasilien wurde zensiert. Das ist unglaublich. So etwas sollte eigentlich keinen Platz in einer Demokratie haben. In einem anderen Fall wurde ein Künstler aus Brasília während einer Performance brutal von Polizisten verhaftet, weil er nackt war.

Wie erklären Sie diesen massiven Rechtsruck?
Es gibt verschiedene Gründe. Die Bildung in Brasilien ist sehr schlecht. Keine Regierung nach dem Ende der Diktatur konnte daran etwas ändern – auch weil man kaum Fortschritte in ein oder zwei Amtszeiten erreichen kann. Auch mit dem Rohstoffboom gab es keine Verbesserungen. Zum anderen befindet sich der Katholizismus seit den neunziger Jahren im Rückgang und die evangelikalen Kirchen gewinnen immer mehr Einfluss. Die Kirche Igreja Universal do Reino de Deus besitzt den am drittmeist gesehenen Fernsehsender des Landes. Auch die anderen evangelikalen Kirchen haben großen Raum in den Medien. Die Sendezeit erkaufen sie sich mit dem Geld ihrer Anhänger*innen. Bei vielen Gottesdiensten können die Gläubigen ihren „Zehnten“ (Kirchensteuer, Anm. d. Red.) direkt mit der Kreditkarte bezahlen.

Warum sind die evangelikalen Kirchen so erfolgreich in Brasilien?
Weil diese Kirchen eine der wenigen Orte sind, wo die Armen und Allerärmsten ein Gemeinschaftsgefühl bekommen. Mehr noch: Sie erhalten dort psychologische Unterstützung. Für viele Brasilianer*innen wäre dies sonst undenkbar. In der öffentlichen Gesundheitsversorgung sind Therapien nicht eingeschlossen. Die evangelikalen Kirchen haben ein strenges moralisches Wertesystem. Das führt dazu, dass die Gläubigen anfangen zu denken, dass sie immer recht haben und die anderen auf jeden Fall falsch liegen. Auch hat sich bei diesen Menschen die Idee durchgesetzt, dass Künstler*innen nichts mit ihrer Realität zu tun haben und ihre Anliegen Wohlstandsprobleme seien. Das mag für die Künstler*innen von Globo (größter Fernsehsender und Medienmonopol, Anm. d. Red.) stimmen – aber für den Rest ist eher das Gegenteil der Fall.

Im vergangenen Jahr übernahm Michel Temer nach einem juristisch fragwürdigen Amtsenthebungsverfahren den Präsidentschaftsposten. Welche Rolle spielt seine Regierung in den aktuellen Debatten?
Auf den ersten Blick scheint die Regierung nichts damit zu tun zu haben. Temer hat sich zu keinem der Fälle öffentlich geäußert, die ich anfänglich erwähnt habe. Der Präsident arbeitet aber gerade mit Hochdruck daran, die Rechte abzubauen, die sich die Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten hart erkämpft hat. Viele Künstler*innen haben das scharf kritisiert. Die Menschen kümmern sich aber leider mehr um vermeintliche Pädophilie in Kunstwerken, als um eine Arbeitsrechtsreform oder einen erneuten Freispruch von Temer, der wegen mehrerer Verbrechen angeklagt ist. Die aktuellen Debatten schaffen also für die Regierung eine perfekte Nebelwand, um die verheerende Austeritätspolitik zu verschleiern.

Sie stammen aus São Paulo. Wie ist die Situation für LGBT in ihrer Heimatstadt?
Auf der einen Seite ist São Paulo als größtes Finanzzentrum Lateinamerikas sehr konservativ. Auf der anderen Seite hat es aber auch eine lange queere Geschichte. Der wirklich bewegende Film São Paulo em Hi-Fi zeigt die LGBT-Szene während der Militärdiktatur in den sechziger und siebziger Jahren. In dieser Zeit gab es herausragende Persönlichkeiten wie Celso Curi, der die erste Kolumne für LGBT in Brasilien geschrieben hat. Er gründete auch ein wichtiges Kulturzentrum. Das war der erste Ort für homosexuelle Paare und ist bis heute eine wichtige Referenz.

Was macht die Szene so besonders?
Ich bin viel gereist und was São Paulo wirklich besonders macht, ist die hohe Anzahl von homosexuellen Paaren in der Öffentlichkeit. Anfang der Nullerjahre haben wir angefangen, uns in Einkaufszentren und auf Plätzen zu treffen. Zum ersten Mal konnten wir uns öffentlich so zeigen, wie wir waren, und mit derjenigen Person zusammen sein, mit der wir wollten. Die unheimliche Dynamik der Stadt hat auch dazu geführt, dass LGBT mit viel Geld aus ganz Brasilien nach São Paulo kamen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Orte wie den Arouche-Platz, wo man einen halben Liter Schnaps für zwei oder drei Reais kaufen kann. Die Stadt spricht verschiedene sozioökonomische Bevölkerungsgruppen an.

Sie haben als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ausstellung Queer City – Geschichten aus São Paulo mitgearbeitet, die derzeit im Schwulen Museum in Berlin zu sehen ist. Glauben Sie, dass Kunst ein Mittel für politische Veränderungen sein kann?
Das will ich hoffen! Ich wünsche mir, dass das, was wir machen, Auswirkungen haben wird und unsere Kunst die Menschen in Brasilien und außerhalb zum Denken anregt. Auch für Deutschland und den Rest der Welt beginnt gerade eine schwierige Phase – deshalb will ich daran glauben.

GESUNDHEIT VOR GERECHTIGKEIT?

Es wirkte fast schon verzweifelt. Ein weiterer Versuch in der Reihe der unermüdlichen Anstrengungen, endlich das lang gewünschte Ziel zu erreichen: Alberto Fujimori, der wegen Mord, schwerer Körperverletzung und Entführung zu 25 Jahren Haft verurteilt worden war, aus dem Gefängnis zu holen. Im April wurde zuletzt ein Gesetzesvorhaben vor dem peruanischen Kongress vorgestellt. Der 78-Jährige ehemalige Politiker sei schwerkrank, was einen Arrest im eigenen Haus nötig mache, hieß es. Fujimori zählt zu den kontroversesten Politikern der peruanischen Geschichte. Die Auseinandersetzung zwischen den Anhänger*innen des „Fujimorismo“ und seinen Gegner*innen zeigte sich auch beim Präsidentschaftswahlkampf im vergangenen Jahr. Keiko Fujimori, die älteste Tochter des Inhaftierten, kam mit ihrer rechtskonservativen Partei Fuerza Popular als stärkste Kraft in die Stichwahl. In der zweiten Runde musste sie sich nur knapp Pedro Pablo Kuczynski von der neoliberalen Partei Peruanos por el Kambio (PPK) geschlagen geben. Dass es am Ende für Keiko an einem Prozentpunkt scheiterte, war größtenteils der Anti-Fujimori-Bewegung zu verdanken. Mit Slogans wie „Fujimori nunca más“ (Nie wieder Fujimori), demonstrierte die Bewegung in den großen Städten gegen eine erneute Machtübernahme eines Fujimoris (siehe LN 503). Auch eine mögliche Haftentlassung von Alberto Fujimori trieb viele Demonstrant*innen auf die Straße.

Trotz der Wahlschlappe sind die Bestrebungen zur Entlassung Fujimoris nicht abgeklungen, sondern haben lediglich ein neues Gesicht erhalten. So stellte der fraktionslose Kongressabgeordnete Roberto Vieira am 24. April den Gesetzentwurf Nr. 1295 zur „Regelung der Strafe für Senioren ab 75 Jahren“ vor. Mit dem Entwurf sollte eine besondere Bedingung in das Strafgesetzbuch integriert werden. Schwerkranke, alte Gefangene sollten demnach den Rest ihrer Strafe zu Hause absitzen können. Obwohl das Gesetzesvorhaben keinen konkreten Namen nannte, bestätigte Vieira, dass er das Projekt unter Berücksichtigung des ehemaligen Präsidenten entworfen habe. Vieira bestand allerdings darauf, dass der Entwurf nicht mit einer Entlassung gleichzusetzen sei: „Es ist keine Begnadigung. Es wird nichts verziehen. Stattdessen können 820 Menschen, die die Anforderungen erfüllen, die Vorteile nutzen.“

Diese Anforderungen waren, dass der Gefangene ein Drittel der auferlegten Haftstrafe abgesessen hat, älter als 75 Jahre ist und an einer schweren Krankheit leidet und sich so in einer heiklen Gesundheitslage befindet. Im Falle Fujimoris, der 78 Jahre alt ist, wären die ersten beiden Bedingungen erfüllt gewesen. Der ehemalige Diktator hatte im vergangenen Jahr das erste Drittel seiner Haftzeit beendet. Bezüglich seines Gesundheitszustandes wurden verschiedene Beschwerden festgestellt. Im Februar musste Fujimori ins Krankenhaus eingeliefert werden, da ein Bandscheibenvorfall an seiner Wirbelsäule ihm am Laufen gehindert hatte. Der Neurochirurg Carlos Álvarez erklärte, dass dies ein typisches Anzeichen des Alterungsprozesses sei, was den Patienten in seiner Beweglichkeit einschränken würde. Zusätzlich wurden beim ehemaligen Diktator weitere Leiden wie Bluthochdruck, Herzrasen, Mundkrebs und eine Magenschleimhautentzündung diagnostiziert. Fujimoris Arzt, Alejandro Aguinaga, erklärte, dass sein Patient jedoch keinen Herzinfarkt gehabt hätte: „Ein Fehler der Mitralkappe verursacht sein Herzrasen, aber kein Infarkt.“ Inwieweit diese Beschwerden ausreichend sind, den Ex-Diktator aus humanitären Gründen zu begnadigen, ist unklar. Jedoch hätte die Verabschiedung des Gesetzentwurfes Fujimori eine Möglichkeit eröffnet, seine Haft legal zu umgehen.

Trotz der Beteuerungen Vieiras, dass dieses Vorhaben rein aus humanitären Gründen ins Leben gerufen wurde, blieb die politische Motivation unverkennbar und sorgte für viel Aufsehen.

Trotz der Beteuerungen Vieiras, dass dieses Vorhaben rein aus humanitären Gründen ins Leben gerufen wurde, blieb die politische Motivation unverkennbar und sorgte für viel Aufsehen. Das Gesetz wäre nämlich nicht nur dem Ex-Diktator zu Gute gekommen. Eine Reihe weiterer Gefangener, unter denen sich auch Vladimiro Montesinos, der brutale und korrupte Geheimdienstbeauftragte der Regierung Fujimori, befindet, hätten auf diese Weise die Chance gehabt, ihre Haftstrafe in Hausarrest umzuwandeln. Laut dem Anwalt Alonso Gurmendi hätte dieses Gesetz sogar Abimael Guzmán, Anführer der maoistischen Terrororganisation „Leuchtender Pfad“, zu partieller Freiheit verhelfen können. Ein Schreckensszenario für viele Peruaner*innen, die die Grauen des bewaffneten Konfliktes zwischen der Terrororganisation und der peruanischen Armee in den 1980er und 1990er Jahren miterlebt haben.

Kritik an dem Gesetzesvorhaben äußerte auch die Fuerza Popular, die Partei des „Fujimorismo“. Die Kongresspräsidentin und Abgeordnete, Luz Salgado, erklärte im Interview mit dem Sender RPP Noticias, dass sie mit dem Hausarrest nicht einverstanden sei: „Ich möchte Alberto Fujimori frei sehen, nicht in einem Haus eingesperrt. Ich denke, dass es eine Begnadigung geben muss, und das liegt in der Macht von Präsident Kuczynski“.

Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos Perú befürwortet mehr als die Hälfte der peruanischen Bevölkerung eine Begnadigung Fujimoris aus humanitären Gründen. Diese kann allerdings nur vom Präsidenten Pedro Pablo Kuczynski erteilt werden. Außerdem wird von 54 Prozent der Befragten die auferlegte Strafe von 25 Jahren Haft als zu streng empfunden. Diese Daten sind sinnbildhaft für die weiterhin starke Unterstützung, die Fujimori in der peruanischen Bevölkerung genießt. Dass er nach seiner Wahl den peruanischen Kongress im Jahr 1992 auflöste, alle oppositionellen Kräfte im Land durch den sogenannten autogolpe (Selbstputsch) zum Schweigen brachte, die Medien zensierte und mit Hilfe von Todesschwadronen unschuldige Menschen des Terrorismus beschuldigte und ermorden ließ, scheint aus der Erinnerung vieler Menschen verschwunden zu sein.

Am 10. Mai wurde das Gesetzesvorhaben Vieiras zur Haftentlassung Fujimoris vom peruanischen Kongress abgelehnt und archiviert. Der Versuch, Fujimori aus dem Gefängnis zu holen, scheiterte damit erneut. Ausschlaggebend war ausgerechnet der Widerstand der Fuerza Popular, die sich gegen den Hausarrest und für eine komplette Begnadigung aussprach. Ob die gesundheitlichen Beschwerden des Gefangenen ausreichend sind, um eine Entlassung aus der Haft zu erreichen, bleibt also weiterhin ein strittiges Thema. Das Land ist in zwei gegensätzliche Lager gespalten. Fraglich ist auch, ob bei den vielen Verbrechen Alberto Fujimoris überhaupt eine frühzeitige Entlassung gerechtfertigt werden kann. Sind seine körperlichen Beschwerden wirklich schwerwiegender zu gewichten als die Erpressungen, Ermordungen und Entführungen, die während seiner 10-jährigen Regierungszeit stattgefunden haben? Eine Frage, die eine gründliche Reflexion benötigt – besonders von Seiten der peruanischen Regierung.

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