// SCHLECHTE ALTERNATIVE

Plötzlich will in Europa fast niemand mehr russische Rohstoffe kaufen. Theoretisch. Denn wo die Auswirkungen auf die eigene Wirtschaft zu groß wären, wie zum Beispiel bei einem Verzicht auf Gasimporte, passiert erst einmal wenig bis nichts. Auch die Einfuhr von Metallen wie Titan, Nickel, oder Eisenerz geht vorerst weiter. Da der deutsche Ressourcenhunger den Angriffskrieg auf die Ukraine aber zumindest indirekt mitfinanziert, befinden sich Politiker*innen und Unternehmen nun fieberhaft auf der Suche nach Alternativen.

Fakten schaffen die EU und Deutschland zunächst vor allem dort, wo Sanktionen der eigenen Wirtschaft nicht weh tun. So enthält das Anfang April von der EU beschlossene fünfte Sanktionspaket ein ab Mitte August geltendes Einfuhrverbot für russische Steinkohle, die bisher mehr als die Hälfte der deutschen Kohle-Importe ausmachte. Doch im Gegensatz zum Gas gibt es hier Alternativen, die innerhalb weniger Monate umgesetzt werden können. Wie problematisch diese in menschenrechtlicher und umweltpolitischer Hinsicht jedoch sind, zeigt sich beispielhaft an einem der Produktionsländer, das nun auf höhere Exportzahlen hoffen kann: Kolumbien.

Bis vor wenigen Jahren gehörte Deutschland zu den Haupt-Importländern kolumbianischer Kohle. Mittlerweile ist die eingeführte Menge jedoch von über zehn auf unter zwei Millionen Tonnen jährlich gefallen. Dazu haben auch fortlaufende Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Umweltverbrechen beigetragen. Ein (Teil-)Erfolg der lokalen und internationalen Aktivist*innen. Denn die Auswirkungen von Kohleprojekten in den Departamentos La Guajira und Cesar sind verheerend: gewaltsame Vertreibungen, Zerstörung von Ackerflächen, massive Wasserverschmutzung und -mangel. Unidas por la Paz Alemania, ein Kollektiv von Kolumbianer*innen in Deutschland, spricht von „kolumbianischer Blutkohle“.

El Cerrejón im nordöstlichen Bundesstaat La Guajira in Kolumbien ist eine der größten Kohleminen Lateinamerikas, seit 2021 gehört sie komplett dem Schweizer Konzern Glencore. Transnationale Konzerne fördern fast ausschließlich im Tagebau: Die regelmäßigen Sprengungen verursachen zahlreiche Gesundheitsprobleme bei der lokalen Bevölkerung, vor allem die indigenen Wayúu sind davon betroffen. Das kolumbianische Verfassungsgericht forderte El Cerrejón 2019 dazu auf, die umliegenden Gemeinschaften besser zu schützen. Aktivist*innen vor Ort berichten jedoch, dass das Unternehmen dies kaum umsetzt und stattdessen Drohungen ausspricht, zuletzt gegen diejenigen, die sich für den Schutz eines wichtigen, von der Mine umgeleiteten Baches einsetzen: „In diesem ganzen Kampf gab es wiederholt Einschüchterungen, Schikanen und Stigmatisierungen. Gleichzeitig hat das Unternehmen mit Geldzahlungen Brüche und Konflikte zwischen den Gemeinschaften verursacht“, beklagen betroffene Gemeinden und unterstützende Organisationen im April in einer Erklärung.

Wenig besser sieht es in anderen Ländern aus, die als Alternativen für ausbleibende Rohstofflieferungen aus Russland in Betracht kommen. Sei es Steinkohle aus Südafrika, Flüssiggas aus Katar, Nickel aus Indonesien und den Philippinen oder Eisenerz aus Brasilien: Menschenrechte, Gesundheit und Umwelt bleiben stets auf der Strecke. Die Debatte um russische Rohstoffe und deren ebenfalls problematische Alternativen zeigt vor allem eines: Unsere gesamte Produktions- und Lebensweise ist offensichtlich nicht aufrecht zu erhalten, ohne woanders auf der Welt massiven Schaden anzurichten. Wo also Menschenrechte verletzt werden und die Umwelt verschmutzt wird, muss Abhilfe geschaffen werden – etwa durch wasserdichte Lieferkettengesetze, die keine Schlupflöcher zulassen. Vor allem aber sollten wir unsere Produktions- und Lebensweise grundlegend hinterfragen, anstatt russische Kriegskohle durch kolumbianische Blutkohle zu ersetzen.

STRAND GEKLAUT

Fotos: Komitee “Los Ríos de Tunca no se venden, se defienden”

Bald würde die Sonne untergehen. Belén hatte Urlaub genommen und war zum ersten Mal seit Monaten in ihren Heimatort Tunca Abajo gefahren. Sie entschied sich, zum Fluss zu gehen, der sie hatte aufwachsen sehen und wo sie so viele Male beim Spielen mit ihren Cousins und den Nachbarskindern die Zeit vergessen hatte. Der Río Cachapoal war nicht nur ein wesentlicher Teil der Landschaft, sondern auch ihrer Kindheitserinnerungen und des Lebens aller Menschen in Tunca Abajo.

Doch noch bevor Belén den Fluss erreichte, musste sie in größter Überraschung vor einem riesigen Tor Halt machen: Verriegelt und von Sicherheitsleuten bewacht, versperrte es ihr den Zugang. Sollte sich das von den Einwohner*innen von Tunca Abajo so geliebte Flussufer in Privatbesitz verwandelt haben?

Inzwischen leitet Belén Jara Pino das Bürgerkomitee „Los Ríos de Tunca no se venden, se defienden“, das sich gegen den Verkauf der Flüsse zur Wehr setzt. So gab es früher in Tunca Abajo drei Zugänge zum Fluss, einen hinter dem Dorf und zwei neben der Eisenbahnbrücke. Genau dort begannen sich vor zwanzig Jahren Baustoffunternehmen anzusiedeln. Sie fördern Gesteinsmaterial, Sand und Schotter.

Belén war zur „Nachbarversammlung“ – dem in Chile üblichen dezentralen Vertretungsorgan auf kommunaler Ebene – gegangen, um herauszufinden, warum der Zugang zum Fluss versperrt war und was die Unternehmen damit zu tun hatten. Sergio Waldo Correa, Vorsitzender der Versammlung und damit höchste Autorität im Dorf, wollte sie nicht empfangen – und ist seine Antwort bis heute schuldig geblieben. Wütend berichtet Belén: „Sergio Waldo Correa, der doch eigentlich dafür da sein sollte, uns zu unterstützen und das Wohl der Gemeinde im Blick zu haben, war nie anwesend. Inzwischen wissen wir, dass er die Verträge mit den Baustoffunternehmen ausgehandelt hat.“

Es ist auch bekannt, dass Sergio Waldo Correa bereits zuvor in Temuco, Hauptstadt der neunten Region La Araucanía, Vertragspartner des Baustoffunternehmens Áridos San Vicente war und anschließend auch in San Fernando, das sich wie Tunca Abajo in Chiles sechster Region befindet. Dem Unternehmenschef Messen hat er also bei mehr als einer Gelegenheit einen Dienst erwiesen.

Belén kontaktierte unterdessen José Ortega, einen Landwirt aus der Nachbarstadt Peumo. Er beobachtet die Tätigkeiten der Baustoffunternehmen seit über fünfzehn Jahren. Die versperrten Zugänge seien nichts im Vergleich zu dem, was die Unternehmen mit dem Fluss selbst anstellten, antwortete Ortega auf Beléns Ansuchen.

Nach eingehender Untersuchung des Beweismaterials, das José Ortega gesammelt hatte und das Belén an der Spitze ihres Komitees zur Verteidigung der Flüsse ergänzen konnte, stellte sich heraus, dass die chilenische Kontrollstelle für Wasserwirtschaft (DOH) bereits im März 2014 mit der Verordnung Nr. 1408 eine Antwort auf die Anfrage aus Peumo zum Projekt der Gesteinsförderung in der sechsten Region erteilt hatte; dieses Projekt sollte am Río Cachapoal im Sektor Aguas auf dem Abschnitt zwischen den Kilometern 900 und 1.400 durch das Unternehmen Áridos San Vicente realisiert werden. Die DOH wies in ihrer Verordnung jedoch nicht nur darauf hin, dass der Projektantrag unvollständig eingereicht worden sei, sondern dass die Genehmigung zu jedweder Rohstoffextraktion aus dem Fluss unmöglich sei, da sich das Flussbett bereits in einem degradierten Zustand befinde: Die Unternehmen Áridos San Vicente und Áridos Carlos Ramiro, dort bereits ansässig, hatten bei exzessiven Rohstoffabtragungen sogar die Grabungstiefe ohne Genehmigung der regionalen DOH-Stelle überschritten. Milo Millán Romero, Leiter der DOH-Stelle, bemerkte in der Verordnung unter anderem auch, dass die Unternehmen gegen die Wasserschutzrichtlinie verstoßen hätten, indem sie den natürlichen Flusslauf veränderten, was bei den von der DOH genehmigten Projekten nie in Betracht gezogen worden sei.

Mit einem Ausdruck von Hilflosigkeit zeigen Belén und ihr Mitstreiter Hernán Martínez das Schreiben der DOH.

Mit einem Ausdruck von Hilflosigkeit zeigen Belén und ihr Mitstreiter Hernán Martínez das Schreiben der DOH, in dem diese ausdrücklich die Fortsetzung der Extraktionstätigkeiten verbietet, dazu eine Verordnung zur Wiederherstellung des Flussbetts sowie die an die Gemeinde gerichtete Verordnung, jegliche Anfrage zur Förderung von Gesteinsmaterial nicht zu bearbeiten, solange die Probleme nicht gelöst seien. Trotz alledem wurde die Tätigkeit der Unternehmen am Cachapoal nie eingestellt: „Und nicht nur das. José Ortega hat uns Filmmaterial gezeigt, das mit Drohnen aufgenommen wurde. Darauf ist zu sehen, dass das genehmigte Extraktionslimit von 9.500 cm3 pro Monat um ein Vielfaches mit bis zu 100.000 cm3 überschritten wurde!“

Geradezu mit Abscheu berichtet Belén, wie im Winter riesige Löcher gegraben würden, um Sand aus dem Fluss zu extrahieren, und wie diese anschließend mit Schutt aufgefüllt würden. „Das ist sehr gefährlich. Wo sich vorher Sandbänke befanden, tritt man jetzt im Sommer beim Baden auf scharfe Kanten. Es ist fürchterlich sich auszumalen, dass wegen dieser illegalen Schuttablagerungen jemand sein Leben verlieren oder sich schwere Verletzungen zuziehen könnte“, erklärt Belén.

Am meisten besorgt es sie jedoch, dass die Gemeinde jede Verantwortung von sich weist. Noch erstaunlicher dagegen ist die Reaktion der DOH, die sich trotz der von ihr erlassenen Verordnung von 2014 auf die Aussage beschränkt, das Unternehmen erfülle die auferlegten Bedingungen. „Alles läuft auf ein Versäumnis der Gemeinde hinaus. Sie zieht die Genehmigung nicht zurück. Fünfmal hat der Bürgermeister die Entscheidung über die Extraktionstätigkeit im Fluss vertagt“, so Belén. Sie holt Luft, um ungläubig die Aussage der Gemeindevertreter*innen zu wiederholen, sie könnten die Tätigkeit des Unternehmens nicht kontrollieren, weil es am notwendigen Fachpersonal fehle. „Aber um die Genehmigung zu erteilen, dafür gibt es dann schon das richtige Personal? Das Problem hier heißt Korruption, wirtschaftliche Macht, politischer Einfluss. Wir müssen das Thema mit allen Konsequenzen untersuchen“, so Belén entschlossen.

Die Extraktionstätigkeiten am Río Cachapoal beeinträchtigen also einerseits das soziale und kulturelle Leben der Menschen, die nahe seines Ufers wohnen, andererseits hat auch die Umwelt in den zwei Jahrzehnten bereits irreparable Schäden erlitten. Ökologische Studien hatte zum Beispiel Áridos Sa Vicente selbst keine durchführen lassen, da deren Vorlage laut chilenischem Gesetz erst ab einer monatlichen Extraktionsmenge von 10.000 cm3 gefordert wird. Und es behauptet schließlich, nicht mehr als 9.500 cm3 zu extrahieren. Schon im Mai 2014 hatte hingegen José Ortega, der Landwirt aus Peumo, ein notarielles Gutachten eingeholt, um offiziell bestätigen zu lassen, dass sich auf der Fläche der Agrargesellschaft Los Molinos, die zur Gemeinde Peumo gehört, ein Feuchtgebiet mit großer Artenvielfalt befindet. Sumpfbiber, das Gelbschnabel-Blässhuhn und andere Enten­arten sind dort beheimatet. Gleichzeitig wurde zertifiziert, dass nur 500 Meter von diesem Feuchtgebiet entfernt die Extraktionstätigkeiten der Unternehmen stattfinden.

In Ergänzung gab die chilenische Kriminalpolizei im Januar 2015 ein Sachverständigengutachten heraus, nachdem die hauptstädtische Ermittlungskommission für Verbrechen gegen die Umwelt und Kulturerbe eine Augenzeugeninspektion am Flussabschnitt bei Peumo beantragt hatte, um den durch die Baustoff­unternehmen angerichteten Schaden zu beur­teilen. Dieses Gutachten verwies unter anderem darauf, dass weiterhin der nördliche Arm des Río Cachapoal dessen eigentliches Flussbett darstelle, während Erosionsprozesse wie die Abtragung und Destabilisierung von Uferböschung und Bäumen voranschritten. Dadurch bestehe ein Überschwemmungsrisiko. Außerdem sei der Bestand an Wirbellosen zurückgegangen, die wesentlich an der Bildung von Erdreich beteiligt sind, was auf eine geringere Vielfalt der Flora und Fauna hinweise. Nicht zuletzt führe der Fluss eine erhöhte Zahl gelöster Partikel mit sich, die womöglich in den Rapel-See geschwemmt würden und dort Verschlickung und Eutrophierung auslösten.

Das Feuchtgebiet des Río Cachapoal hat einen regulierenden Einfluss auf die Umwelt. Durch die Störung des Flusslaufs ist schon heute ein bedeutender Teil der Flora und Fauna, die dort einmal anzutreffen war, verschwunden. Carlos Peña Hormazábal, ebenfalls Mitglied des Bürger*innen-Komitees, stellt klar, dass der Fluss sogar so ausgetrocknet ist, dass manche Landwirt*innen, die flussabwärts von Tunca Abajo und Peumo leben, ihre dortigen Felder mehrmals nicht ausreichend bewässern konnten.

Dank der Bemühungen Beléns und der Bekanntmachung der Problematik in den sozialen Netzwerken sowie in der Gemeinde konnte das Komitee neue Mitglieder gewinnen. Dass die Unternehmen ihre Extraktionstätigkeiten am Fluss einstellen, steht weiter als Priorität auf der Tagesordnung. Von Seiten der Nachbarversammlung ist genauso wenig eine Antwort zu erwarten wie von der Gemeinde. Von den Unternehmen noch weniger. Die Umweltschäden, die Staub- und Sandwolken, die täglich vom Fluss aufsteigen, und die versperrten Zugänge zum Ufer beeinträchtigen derweil nicht nur das Ökosystem, sondern auch die Gesundheit der Menschen in Tunca Abajo, die Tag und Nacht die über die Luft beförderten Partikel einatmen und unter dem Lärm leiden.

„Der Unternehmer [gemeint ist José Messen von Áridos San Vicente; Anm. der Red.] ist nie auf die Einwohner zugegangen. Alles hat er mit den Gemeindevertretern geregelt. Eigentlich wäre das Unternehmen verpflichtet, die Wege mit Wasser zu besprengen, damit kein Staub aufsteigt, denn inzwischen sind viele Menschen erkrankt. Meine Großmutter leidet unter einer Krankheit, die direkt mit den Erdpartikeln zu tun hat, die sie seit zwanzig Jahren einatmet“, erzählt Belén. Carlos Peña erzählt sorgenvoll: „Meine Mutter wischt täglich zwischen drei und vier Uhr nachmittags eine Staubschicht von sämtlichen Möbeln im Haus. Die kommt von den Lastwagen des Unternehmens, die vorbeifahren. Ich will mir nicht vorstellen, wie dick der Staub schon auf ihren Lungen liegt!“

“Ich leide unter Irritationen und Allergien an Haut, Augen und Nase, jedes Mal, wenn ich nach Tunca Abajo zurückkehre.”

Auch die Tiere in Tunca Abajo leiden unter der Situation. Carlos berichtet über seine Katzen: „Sie litten immer unter dem gleichen Problem: entzündete Augen wegen des Staubs. Bestenfalls tränten sie nur, schlimmstenfalls wurden sie blind. Das Gleiche gilt für die Hunde. Ich selber leide unter Irritationen und Allergien an Haut, Augen und Nase, jedes Mal, wenn ich nach Tunca Abajo zurückkehre.” Denn Carlos, der mit einem Stipendium in Geophysik promoviert, unterstützt das Komitee inzwischen von Deutschland aus.

Der Kampf geht weiter. Im kleinen Dorf Tunca Abajo, das sich genauso gottvergessen fühlt wie von der chilenischen Regierung im Stich gelassen, besteht die Überzeugung, dass sich die Situation unter vereinten Kräften verändern lässt. Der Optimismus blitzt in Beléns Augen, wenn sie wieder und wieder bekräftigt, dass nicht alles verloren sei und sie schon einiges erreicht hätten: Ihr Komitee ist in den Sitzungen des Gemeinderats vertreten und das Thema ist auf die politische Tagesordnung der Lokalregierung zurückgekehrt. Die zunehmende, engagierte Beteiligung von Dorfbewohner*innen und deren Nachbar*innen ist der Beweis dafür, dass die gemeinsame Anstrengung Früchte trägt.

Stolz berichtet Belén, dass sich die Lokalregierung verpflichtet habe, eine Lösung wegen des versperrten Zugangs zum Fluss zu finden sowie zu überwachen, dass die Unternehmen bei ihrer Tätigkeit weniger Staub produzieren; außerdem soll die Arbeit zu den Nachtstunden verboten werden, um die Lärmbelastung zu reduzieren. Das Komitee zur Verteidigung der Flüsse weiß jedoch, dass es immer noch viel zu tun gibt. „Wir haben ausreichend belastendes Material. Die Verbrechen gegen die Umwelt, die von den Baustoffunternehmen begangen werden, dürfen nicht ungestraft bleiben“, bestätigt Belén Jara Pino.

Allerdings verfügt das Komitee nicht über den nötigen Rechtsbeistand. Die Anwält*innen, die angefragt wurden, lehnten ab aus Angst, ihre zukünftige Arbeit durch die enorme Macht der Unternehmen, denen sie gegenübertreten würden, zu gefährden. Auf die Frage nach dem nächsten Schritt antwortet Belén, dass zum letzten Treffen der Nachbarversammlung eine für den Distrikt zuständige Abgeordnete des chilenischen Parlaments dazu gestoßen sei, die bereit scheine, sich des Falls anzunehmen und einen Anwalt zur Verfügung zu stellen. Für Anfang Oktober ist zudem ein Treffen mit dem Leiter der DOH angesetzt, der nun endlich Position beziehen und eine klare Linie für die Zukunft von Tunca Abajo vorgeben möchte.

„Wir hoffen, dass wir nicht zu spät zu einer Lösung kommen. Oder wie viele Leben sollen zugrunde gerichtet werden, damit die Regierung Stellung bezieht und auf unsere Beschwerden eingeht? Denn letztlich geht es hier doch um unsere Rechte als eine Gemeinschaft und als Menschen.“

AKKU AUFLADEN FÜR DIE ZUKUNFT

Akku aufladen: in Zukunft nicht nur für Tourist*innen
Akku aufladen: in Zukunft nicht nur für Tourist*innen (Foto: Evelyn Linde)

Per Elektromobilität smart, autonom und umweltfreundlich unterwegs sein – ein Zukunftstraum, den zurzeit viele träumen. Rund um die Uhr über das Smartphone mit der Welt vernetzt zu sein und flexibel überall mit dem Laptop arbeiten zu können, ist in Deutschland längst keine Zukunftsmelodie mehr. Die Begeisterung für die Zukunftstechnologie Elektroauto ist in Deutschland groß und unter dem Stichwort Industrie 4.0 wird die Revolution der industriellen Produktion durch die Digitalisierung in Politik und Wirtschaft heiß diskutiert. Die von erneuerbarer Energie betriebenen vermeintlich „grünen“ elektronischen Geräte und Fahrzeuge werden zudem als Lösung für die sozial-ökologische Krise gefeiert – dies ist ein großes Narrativ. Aber die digitale Vernetzung, Energiewende und Elektromobilität können nur in Fahrt kommen, wenn Batterien mit hoher Speicherkapazität dafür sorgen, dass auf halber Strecke nicht der Saft ausgeht. Hier kommt das „weiße Gold“ ins Spiel, Lithium.
„Rohstoffsicherung 4.0“ war Anfang Juli dieses Jahres das Thema des fünften Rohstoffkongresses des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI), bei dem mit Johanna Wanka und Sigmar Gabriel gleich zwei Bundesminister*innen die Wichtigkeit des Themas in ihren Reden betonten. Die zentrale Frage, die in dem gläsernen Haus der deutschen Wirtschaft diskutiert wurde: Ist die Rohstoffversorgung für die sogenannten Zukunftstechnologien gesichert? Die Bundesministerin für Forschung und Bildung erläuterte, dass die neuen Technologien zu einem „drastischen“ Anstieg des Rohstoffverbrauchs von „wirtschaftsstrategischen Rohstoffen“ wie Indium, Germanium und Lithium führen werden. Am Tag zuvor hatte die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) ihre Auftragsstudie „Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2016“ vorgestellt, in der unterstrichen wird, dass für das Jahr 2035 ein massiv angestiegener Bedarf an mineralischen Rohstoffen erwartet wird. Immer wieder fällt an diesen beiden Tagen das Stichwort Lithium. Universitäten und Forschungsinstitute in Deutschland forschen zusammen mit privaten Unternehmen zur Gewinnung von Lithium mittels Recycling. Bisher ist die Technologie jedoch nicht so weit. Die Bundesregierung bemüht sich also auch, den Zugang zu diesem Rohstoff zu sichern. Woher kommt dieses heißbegehrte Leichtmetall?

Die weltweit größten Lithiumreserven befinden sich in dem auf über 3.600 Meter Höhe über dem Meeresspiegel liegenden Salzsee Salar de Uyuni im Süden Boliviens. Die Salzkruste des Salar de Uyuni erstreckt sich über eine Fläche von rund 10.000 Quadratkilometer und darunter liegt die Natursole mit den begehrten Mineralsalzen Lithium und Kalium, die bisher nicht gefördert werden. Diese Mineralsalze, die durch Verdampfung kristallisiert werden, werden als Evaporitvorkommen bezeichnet. Die bolivianische Regierung strebt an, eine staatliche Mineralsalzindustrie aufzubauen. Die Reserven sollen nicht nur gefördert, sondern auch industriell weiterverarbeitet und im letzten Schritt sogar Lithium-Ionen-Akkumulatoren hergestellt werden, um so die ganze Wertschöpfungskette abzudecken und nicht nur bloßer Rohstofflieferant zu bleiben. Das 2008 angestoßene Programm zur Industrialisierung der Evaporitvorkommen hat zwei wesentliche Ziele: Die historische Rolle des Rohstofflieferanten soll dank der Kontrolle der Wertschöpfungskette überwunden werden. Aber nicht nur das, auch in der Wissens- und Technologieproduktion will man sich mit sogenannter bolivianischer Technologie neu positionieren. Keine leichte Aufgabe, die die Gerencia Nacional de Recursos Evaporíticos (GNRE) als verantwortliche Einheit der staatlichen Bergbaugesellschaft COMIBOL hat. Die öffentliche Aufmerksamkeit widmet sich vor allem der Batterieherstellung, aber schon bei der Produktion von Lithiumkarbonat für die Elektroindustrie und Kaliumchlorid für die Düngemittelindustrie handelt es sich um technologieintensive Prozesse.
„Die Regierung entschied, dass der Salar de Uyuni von den Bolivianern und für die Bolivianer abgebaut werden muss und nicht die Türen für die vielen interessierten transnationalen Konzerne geöffnet werden“, sagt der ehemalige GNRE-Mitarbeiter Juan Carlos Montenegro im Gespräch mit den LN. Montenegro forscht, nachdem er seine Leitungsposition innerhalb der GNRE abgetreten hat, an der Universidad Mayor de San Andrés in La Paz weiter zum Lithium. Angesichts der Tatsache, dass ihnen die Technologie fehlte, beschreibt er den Druck, nicht einfach eines der Angebote anzunehmen: „Die Erfahrung, die wir mit dem Silber, Zinn und anderen Rohstoffen in unserem Land hatten, ist, dass abgebaut und dann weggegangen wird und das Elend geht weiter. Also haben wir gesagt: Diese Geschichte soll sich nicht wiederholen. Versuchen wir, selbst eine angepasste Technologie entwickeln“. Der Anspruch, globale soziale Ungleichheiten wie die internationale Arbeitsteilung und (post-)koloniale Strukturen zu überwinden, erzeugt zweifelsfrei viel Widerhall. Die spannende Frage ist jedoch, wie wirkmächtig soziale Ungleichheiten auf dem Weg dahin sind, nämlich bei der Aneignung und Produktion von Technologien. Technologieentwicklung ist ein Prozess, der in Wechselwirkung mit rassistischen, sexistischen und kapitalistischen Praktiken, Vorstellungen und Strukturen stattfindet.
Beim Staatsbesuch des Präsidenten Evo Morales Anfang November 2015 in Deutschland spielte der Technologietransfer eine zentrale Rolle (siehe LN 498). Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Morales und Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde das Lithium-Projekt als Beispiel für die Kooperation zum Ausbau der Wertschöpfungskette im Bergbau angeführt. Die Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft und in der Ausbildung von Fachkräften soll intensiviert werden. Mit ERCOSPLAN und der K-UTEC AG Salt Technologies haben zwei deutsche Unternehmen bereits wichtige Aufträge innerhalb des bolivianischen Projektes zur Produktion von Kaliumchlorid und Lithiumkarbonat.

Verdampfungskegel: Alternative Technologie zu den Becken der GNRE (Foto: Jaime Claros)
Verdampfungskegel: Alternative Technologie zu den Becken der GNRE (Foto: Jaime Claros)

K-UTEC hat den Auftrag, bis März 2017 eine Anlage zur Produktion von batterietauglichem Lithiumkarbonat und weiteren Wertstoffen zu planen. Der Bau der Anlage wird dann international ausgeschrieben und K-UTEC soll an der Inbetriebnahme mitwirken. „K-UTEC muss den Produktionsprozess überarbeiten, weil der ursprüngliche von der GNRE nicht effektiv genug war“, erläutert der Vorstandsvorsitzende Heiner Marx von K-UTEC gegenüber den LN. Bei einer geringen Effektivität sei der Prozess nicht nachhaltig, da viele Wertstoffe nicht ökonomisch genutzt, sondern weggeschmissen werden. Für Marx ist es selbstverständlich, dass jeder Salzsee eine „individuelle Behandlung“ erhält und die Prozesse nicht einfach übertragbar sind. K-UTEC konzipiert einen Prozess, der bei der Abstoßlösung aus der von Ercosplan konzipierten Kaliumchlorid-Anlage ansetzt: „Wir verändern es so, wie es fachlich richtiggemacht wird. Wir sind seit 60 Jahren in diesem industriellen Umfeld aktiv, die seit drei, vier Jahren. Wir haben eine viel breitere Basis an Erfahrung als die GNRE“, sagt Marx.
Der Salar de Uyuni gehört zu dem sogenannten Lithium-Dreieck, mit dem die Vorkommen in den Salzseen Chiles, Argentiniens und Boliviens bezeichnet werden. Der Großteil des in der Europäischen Union nachgefragten Lithiums muss importiert werden. Davon stammten 2007 64 Prozent der Importe aus Chile, wo für lange Zeit die weltweit größte Produktion stattfand (inzwischen ist Australien größter Produzent). Lithium, das in Natursolen von Salzseen vorkommt, ist die am häufigsten vorkommende Art von Reserven. Aufgrund der natürlichen Bedingungen des Salar de Uyuni, also in welcher Konzentration und Kombination mit anderen Elementen das Lithium vorhanden ist, wird die Produktion von Lithiumkarbonat in Bolivien teurer als in Chile eingeschätzt. Deswegen lohnt sich die Produktion erst, wenn durch den prognostizierten Nachfrageboom eine Preissteigerung eintritt. Bis dahin ist vor allem die Produktion vom Kaliumchlorid gewinnbringend. Diese Besonderheiten, denen der Aufbereitungsprozess gerecht werden muss, sind jedoch nicht die einzigen Tücken des den meisten Tourist*innen durch seine bestechende Schönheit bekannten Salars. Anders als in Chile ist der Salar de Uyuni in der Regenzeit überschwemmt. Nichtsdestotrotz wird zur Förderung des Rohstoffes die gleiche Technologie wie in Chile genutzt. Diese Becken-Technologie ist eine der gängigen Methoden bei dieser Art von Bergbau, bei der durch die Sonnenenergie feste Salzgemische kristallisiert werden. In der Regenzeit kann im Salar de Uyuni nicht produziert werden, da die Becken überschwemmt sind. Ein Team der Universidad Autónoma Tomás Frías (UATF) in der Stadt Potosí und der sächsischen Bergakademie Freiberg forschte von etwa 2008 bis 2011 deshalb an einer alternativen, an den Salar de Uyuni angepassten Technologie. Das Ergebnis waren leicht herzustellende mobile Verdampfungskegel. Der Projektleiter an der UATF, Jaime Claros erklärt gegenüber den LN, die Produktion im industriellen Maßstab sei mit den Kegeln ebenfalls möglich, wenn weitergeforscht würde. Die Universitätskooperation hatte die Idee, dass die Bevölkerung aus den umliegenden Gemeinden die Kegel bewirtschaftet. Diese Personalintensivität wird an der Technologie von Seiten der GNRE aufgrund der Kosten jedoch kritisiert. In der dem Salar naheliegenden Universität forschte das Projekt parallel zum damals gestarteten staatlichen Projekt. Die GNRE arbeitet bis heute aufgrund verschiedenster politischer und personeller Konflikte, die nichts mit den direkt am Projekt beteiligten Personen zu tun haben, nicht mit der UATF zusammen.
Dabei wurde das staatliche Projekt durch eine Initiative aus dem Departamento Potosí ins Rollen gebracht. Am Stadtrand von Uyuni liegt im Hinterhof eines kleinen Hauses das Büro der regionalen Gewerkschaft Federación Regional Única de Trabajadores Campesinos del Sudoeste Potosi (FRUCTAS). Nach der Wahl von Morales erarbeitete die Gewerkschaft den Vorschlag, die Ressourcen des Salar de Uyuni durch den Staat zu industrialisieren. Schon Anfang der 1990er beteiligten sie sich zusammen mit dem Comité Cívico de Potosí (Comcipo) und der UATF an dem Widerstand gegen die nordamerikanische Firma Lithco, die daraufhin 1993 von ihrer Konzession abließ. Heute ist es in dem Gewerkschaftshaus ruhig geworden. Nachdem die FRUCTAS den Rücktritt des Leiters der GNRE, Luis Alberto Echazús gefordert hatte, verlor sie ihren Einfluss. Immer wieder sind in Uyuni positive Äußerung über die Industrialisierung zu hören, schließlich sei es ein staatliches Projekt. Viele erhoffen sich einen Ausbau der bisher in weiten Teilen nicht vorhandenen Infrastruktur in der Region. Aber auch unter den das Projekt grundsätzlich befürwortenden Personen regen sich Fragen und Kritik. In Gesprächen mit Vertreter*innen der FRUCTAS und des Comcipo kritisierten diese gegenüber den LN, dass sie keine soziale Kontrolle über das Projekt ausüben können.
Darüber hinaus stellen sich die üblichen Fragen bei einem industriellen Bergbauprojekt: Welche Umweltbelastungen können einzelne Technologien aber insgesamt ein Industrieprojekt dieses Ausmaßes mit sich bringen? In der ariden Region, in der es weitere Bergbaumegaprojekte gibt, hat ein massiver Wasserverbrauch erhebliche Folgen für die außergewöhnliche Flora und Fauna. Außerdem müssen die industriellen Abfälle gelagert und entsorgt werden. Auch für die Quinoa-Produktion und den Tourismus, die wichtige Wirtschaftszweige in der Region sind, sind diese Fragen wichtig.
Von Kritiker*innen des Projekts werden vor allem die Verzögerungen bemängelt. Im Wesentlichen wird das Projekt durch Kredite der bolivianischen Zentralbank finanziert. Die bisher getätigten Investitionen mit eingerechnet sollen bis 2019 insgesamt 925,2 Millionen US-Dollar in das gesamte Projekt investiert werden. Die Auszahlung des Kredits hat sich erheblich verzögert, wodurch der Zeitplan in Verzug geraten ist. Ein Kritiker, der Ökonom Juan Carlos Zuleta Calderón, glaubt nicht, dass es geschafft wird, Akkus zu produzieren und auch sonst werden die Technologien der GNRE in Frage gestellt.
Nichtsdestotrotz schreitet das Projekt voran. Ende 2014 wurden die ersten Lithium-Ionen-Akkus in der der Stadt Potosí nahegelegenen Pilotanlage in La Palca hergestellt. Diese wurde schlüsselfertig von dem chinesischen Unternehmen Lin Yi Gelón Materials Co. Ltda. errichtet und von der COMIBOL gekauft. Zur Herstellung der technologisch komplexen Batterien müssen jedoch noch Teile importiert werden. Im Mai 2015 wurde ein chinesisches Unternehmen mit dem Bau der von Ercosplan konzipierten Kaliumchlorid-Industrieanlage beauftragt.
Die, die eine erfolgreiche Industrialisierung bezweifeln, sehen sich durch die Beauftragung ausländischer Unternehmen bestätigt. Andere betonen wiederum die ungleiche Ausgangslage und die Bedeutung eines solchen Vorhabens für Bolivien. „Es bricht ein bolivianisches Vorurteil“, sagt Montenegro. Trotz aller Beschränkungen trage das Projekt dazu bei, so Montenegro, daran zu glauben, nicht immer von anderen Ländern und Unternehmen abhängig zu sein. Vorherrschende Stereotype des Rassismus und der Kolonialität, dass Bolivianer*innen keine komplexe Technologie entwickeln können, werden somit zum Teil aufgebrochen. Der Ingenieur meint des Weiteren: „Es stärkt den Nationalstolz, die Identität und Selbstsicherheit, dass es möglich ist, Technologie zu entwickeln“.
Aber die Industrialisierung der Evaporitvorkommen bleibt der vorherrschenden Logik von Entwicklung und des Neo-Extraktivismus verhaftet. Die staatliche Kontrolle über die Wertschöpfungskette wird dazu genutzt, innerhalb kapitalistischer Verhältnisse einen besseren Zugang zu Kapital, Märkten, Arbeit, Wissen und Technologien zu erkämpfen. Dabei stellen sich angesichts Boliviens Position in der internationalen Arbeitsteilung und den ungleichen Strukturen auf dem Lithiummarkt jedoch enorme Herausforderungen. Obwohl ausländische Unternehmen beauftragt wurden, trägt das Projekt dazu bei, den Zugang zu Wissen zu verändern. Ein Technologietransfer wird eingefordert und bolivianische Wissenschaftler*innen werden gefördert. Allerdings können hierbei verschiedene Ungleichheitsverhältnisse (re)produziert werden. Bei den Arbeitsverhältnissen in dem staatlichen Projekt zeigt sich beispielsweise, wie durch vergeschlechtlichte Arbeitsteilung und Sexismus Gender eine Rolle für ungleiche Kontrolle über die Technologieentwicklung spielt. Bei der GNRE wird betont, dass es ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis gebe. Allerdings werden Aufgabenbereiche zu Umwelt und Chemie, also Labortätigkeiten überwiegend von Frauen ausgeführt; für Mechanik, Elektrotechnik und Konstruktion sind mehr Männer zuständig und in der Metallurgie ist das Verhältnis ausgeglichen. Eine Mitarbeiterin erklärt den Frauenanteil im Labor damit, dass Frauen sorgfältiger seien. Ein annähernd ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in der gesamten Organisation sagt noch nichts über die Arbeitsteilung bei der Technologieentwicklung aus, die durch Zuschreibungen von weiblichen oder männlichen Eigenschaften geprägt ist. Bei der Durchsicht der Jahresberichte wird offensichtlich, dass bei den wichtigsten Leitungspositionen ausschließlich Fotos und Namen von Männern auftauchen. Sexistische Strukturen befördern, dass Positionen mit Macht von Männern besetzt sind. Es gibt also viele situativ spezifische Ungleichheitsverhältnisse, die gleichzeitig und nicht voneinander losgelöst wirken.
Die kritischen Punkte, die sich bereits abzeichnen oder befürchtet werden, zeigen auf, dass eine emanzipatorische Vergesellschaftung über die Verstaatlichung hinausgehen muss. Dass Interventionen sozialer Bewegungen wichtig sind, um die vielen Facetten eines solchen Projektes zu kontrollieren und mitzugestalten. Und das nicht nur am Ort des Ressourcenabbaus und den Anfängen der Wertschöpfungskette, sondern bei allen involvierten Akteur*innen, also auch bei der Technologieentwicklung. Denn auch an den gesellschaftlichen Technologieverhältnissen im Globalen Norden muss geschraubt werden. Was für Zukunftstechnologien werden bei Debatten um Nachhaltigkeit, Energiewende und Klimagerechtigkeit innerhalb der Klimabewegung und unter Degrowth-Verfechter*innen erträumt? Diese Zukunftsträume sollten der Traumverbindung, die im Haus der deutschen Wirtschaft bezüglich des Rohstoffverbrauchs der Industrie 4.0 erträumt wurde, jedenfalls Störsignale zwischenfunken.

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