Wasmosy in Bedrängnis

In den 35 Jahren seiner Herrschaft hatte Stroessner seine Getreuen fest im Griff. Durch Einschüchterungen, öffentliche Exekutionen, drakonische Strafen und ein unüberschaubares Herr von Spitzeln, die Pyragués (was in der Indianersprache Guaraní diejenigen bezeichnet, die sich zum Anschleichen Fell an die Fußsohlen kleben), machte er Paraguay in kürzester Zeit zur Tierra de paz y sol, zu seinem “Land des Friedens und der Sonne”.
Doch auf einmal waren der Karaí Guazú, der große Herrscher und sein Par­teiapparat, deren Liebe offiziell nur dem einfachen Volk galt, verschwunden, ver­trieben von anderen Militärs, über deren Lippen ein neues Zauberwort kam: De­mokratie.
Nach der Interimspräsidentschaft des Generals Rodriguez wurde im Mai 1993 der erste zivile Präsident des Landes ge­wählt, der Ingenieur Juan Carlos Was­mosy, Mitglied der Colorado-Partei, die seit fünfzig Jahren die Regierung stellt. Doch schnell schwand seine Popularität, besonders bei seinen eigenen Parteigenos­sen. Wasmosy habe, so wird heute offen behauptet, bei den internen Wahlen um die Präsidentschaftskandidatur der Partei Wahlfälschung zu seinen Gunsten betrie­ben. Sein Gegner, der ehemalige Chef des Justizapparates Luis Argaña, der mit seinen populistischen Reden und seinem Wunsch nach der Rückkehr Stroessners große Teile der Landbevölkerung hinter sich wußte, führt nun verärgert die Riege der Stronistas an, deren Herzenswunsch die Herstellung alter Verhältnisse ist.
Wasmosy, der durch den Bau des Stau­dammes Itaipú vermögend wurde, ist für die meisten Paraguayos ziemlich un­glaub­würdig, wenn es um die Demokrati­sierung des Staates und die Reform des Jus­tiz­wesens geht. Wasmosy ist sicherlich der fal­sche Mann, um den Schmuggel, von dem ein Großteil der Volkswirtschaft lebt, und die Korruption zu unterbinden. Seine Lip­pen­bekenntnisse verhallen un­be­ach­tet.
Positive Veränderungen gibt es den­noch: Neben der Justiz- und Verfassungs­reform ist die Zensur abgeschafft. Mutige JournalistInnen werden allerdings immer wieder Opfer von Verfolgungen. Plötzlich ist der so lange geheimgehaltene Drogen­handel ein Thema: Dutzende von kokain­beladenen Flugzeugen, die von den An­denländern nach Rio und Sâo Paulo un­terwegs sind, landen angeblich täglich auf entlegenen Militärflugplätzen in Paraguay und werden hier gegen Entgelt gewartet und aufgetankt.
Da unter Stroessner Korruption und Schmuggel als Mittel zur Sicherung des sozialen Friedens gebilligt wurden, haben viele Großgrundbesitzer, Kaufleute und Militärs durch undurchsichtige Transak­tionen unermeßliche Reichtümer ange­häuft und öffentliche Posten besetzt. Die riesigen Villen der Nobelviertel zeugen davon. Ein besonders krasses Beispiel ist da der Ex-Präsident selber. Im Viertel Las Carmelitas hat sich General Rodríguez ein Loire-Schloß nachbauen lassen, das von mehreren Hundertschaften Soldaten be­wacht wird. Im Bad des Ex-Präsidenten sind alle Armaturen angeblich aus purem Gold, wie die Gerüchteküche auf dem Pettirossimarkt zu berichten weiß. Auf die erwirtschafteten Pfründe will verständli­cherweise kein Nutznießer der Diktatur freiwillig verzichten, eine wirksame Trans­formation der ungleichen paraguayi­schen Gesellschaft wird von vielen wis­sentlich verhindert.
Neoliberalismus all überall
Die Wirtschaftspolitik Wasmosys schwimmt voll auf der neoliberalen Woge, die in Südamerika um sich greift. Staats­betriebe sollen privatisiert werden und die Wirtschaft wird nicht zuletzt durch den Mercosur seit dem 1. Januar weiter geöff­net. Die möglichen Auswirkungen des Mercosur sind noch nicht klar abzusehen. Paraguay steuert zum gesamten Brutto­sozialpodukt der vier Länder nur ein Pro­zent bei. Bestenfalls, so hofft man, kommt es durch den Mercosur zu einer Entkrimi­nalisierung des Schmuggels und zur Ver­ringerung des Autodiebstahls in den Mit­gliedstaaten, für den Paraguay in den letzten zwanzig Jahren hauptsächlich ver­antwortlich war, und der generalstabs­mäßig vom Militär organisiert wurde. Im schlimmsten Fall aber wird durch die in­dustrielle Übermacht Argentiniens und Brasiliens auch der letzte Keim industri­eller Eigenproduktion erstickt.
Die politische und ökonomische Reali­tät nach anderthalb Jahren Wasmosy ist ernüchternd: Die Reallöhne fallen kon­stant, die Inflation ist mit über zwanzig Prozent im internationalen Vergleich zu hoch, Arbeit gibt es immer weniger. Laut Economist benehmen sich die Politiker Paraguays, die sich seit fünf Jahren in der Demokratie üben, wie im Kindergarten. Die ganze Situation sei a great mess, ein großes Durcheinander.
In dieses Durcheinander und in die schwierige wirtschaftliche Situation des durchschnittlichen Paraguayos mischt sich eine weitere Sorge. Die starke Zunahme von Raubüberfällen und Einbrüchen ver­unsichert die BewohnerInnen Asuncións zusehends, obwohl die Kriminalitätsrate auch im Vergleich zu europäischen Maß­stäben immer noch gering ist. Es sind Boulevardblätter wie La Crónica, die mit unappetitlichen Farbfotos jedes Ermorde­ten die Angst noch weiter schüren.
Und immer wieder: Putschgerüchte
Rufe nach einem neuen starken Mann im Staat werden immer lauter. Für viele ist dieser Mann General Lino Oviedo. Als Chef des ersten Heereskorps ist er der mächtigste Offizier im Staat, untersteht ihm doch die einzig wirklich kampffähige Einheit der Streitkräfte. Putschgerüchte in Asunción gibt es immer wieder, und die politischen Ambitionen Oviedos sind seit langem bekannt. Öffentlich beteuerte Oviedo beim Amsantritt Wasmosys, es sei seine Pflicht, “als Soldat und Bürger der Demokratie und der Freiheit” loyal zu sei­nem Präsidenten zu stehen. So bleibt für Paraguay zu hoffen, daß Oviedo eine Tra­dition der paraguayischen Militärs bricht und sein Wort hält. Einen Putsch könnte er sich aufgrund der folgenden internatio­nalen Isolation kaum leisten. Er hätte ihn auch gar nicht nötig, seine Wahl zum nächsten Präsidenten gilt als sicher.

Kasten:

Der Präsident und der Staudamm
Die Fische bereiteten den Ingenieuren von Yasyretá, dem zweitgrößten Staudamm Süd­amerikas am Rio Paraná an der Grenze zwischen Argentinien und Paraguay, be­sonderes Kopfzerbrechen. Um ihnen das Überwinden des neuen Höhen­unterschiedes zu ermögli­chen, ersann mensch etwas sehr Skurilles: einen Fischaufzug. An­scheinend waren tau­sende Surubís, Dorados und andere Tropen­fische aber von der Technik hilflos überfodert. Tot trieben sie kurz vor der feierlichen Ein­weihung des Staudam­mes am 2. September letzten Jahres auf dem Paraná.
Drei­zehn Jahre nach dem geplanten Fertigstellungstermin ging nun die erste von insge­samt zwanzig Turbinen des Wasserkraftwerkes endlich ans Netz, alle 72 Tage soll eine weitere folgen. Yasyretá erreicht jedoch im Durchschnitt mit 3080 Megawatt nur ein Viertel der Kapazität des Itaipú-Staudammes, des größten Wasserkraftwerks der Erde, das ebenfalls am Paraná von Paraguay und Brasilien betrieben wird.
Als 1973 der Vertrag von Itaipú zwischen Brasilia und Asunción unterschrieben war, er­wachte die alte Rivalität zwischen den Giganten Argentinien und Brasilien. Der be­reits schwer erkrankte argentinische Präsident Perón schickte umgehend seine Frau Isabel in die paraguayische Hauptstadt, wo sie mit dem Diktator Stroessner den Ver­trag über die hydroelektrische Nutzung des Paraná nahe der Insel Yasyretá abschloß.
Das paraguayische Volk nimmt die Existenz des neuen Staudamms außerordentlich ge­lassen hin. Mit der ökologischen Katastrophe, die eine künstliche Anhäufung sol­cher ge­waltiger Wassermassen verursacht, hat mensch ja Erfahrung, schließlich hat das Auf­stauen des Paraná durch Itaipú ab 1982 das gesamte Klima Paraguays durcheinander­gebracht. Der Regenkalender des Forschers Moises Bertoni, der Anfang dieses Jahrhun­derts durch intensive Wetterbeobachtung eine Tabelle entwickelte, mit deren Hilfe man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Regentage vor­ausberechnen konnte und die in keinem paraguayischen Haushalt fehlt, ist unbrauch­bar geworden. “El tiempo hace lo que quiere”, das Wetter macht was es will, sagt Carolina Acosta, eine junge Verkäuferin aus dem immerschwülen Asunción und zeigt belustigt auf einen dicken wollenen Strampelanzug: “So etwas trugen die Babies frü­her, als es im Juli noch kalt wurde”, lacht sie.
Daß die Anrainer des angestauten Beckens von Itaipú ein erhöhtes Auftreten von Leis­hmaniose und anderen durch Stechmücken übertragbare Krankheiten beobachten, bringt niemanden aus der Ruhe. Eher schon die Tatsache, daß durch Itaipú die angeb­lich schön­sten Wasserfälle der Erde, die Sete Quedas, für immer verschwunden sind.
Für Yasyretá erwartet man ähnliche Folgen: 800 Quadratkilometer des paraguayi­schen Territoriums werden in den nächsten Monaten für immer überschwemmt, aber “nur” 200 Quadratkilometer auf der argentinischen Seite. 27 paraguayische Inseln werden unter den Wassermassen verschwinden, darunter auch diejenige, die dem Damm den Namen gab und die als eines der letzten Refugien subtropischer Flora und Fauna gilt. Auch die Men­schen sind betroffen: 3.974 Familien müssen allein in Para­guay umge­siedelt werden, und ein ganzer Stadtteil der drittgrößten paraguayischen Stadt Encar­nación wird evakuiert.
12 Milliarden US-Dollar wird Yasyretá bei seiner endgültigen Fertigstellung verschlun­gen haben. Die Finanzierung teilen sich die Weltbank, die Interamerican Development Bank, die argentinische Regierung und einige private Investoren. Bei der Finanzierung von Yasyretá wird analog wie bei dem Kreditmodell Itaipús vorge­gangen: Argentinien gibt das Geld, Paraguay das Wasser seiner Flüsse. Die dadurch entstandene Geldschuld Paraguays wird mit dem Strom des neuen Kraftwerks abbe­zahlt. Im Klartext heißt das, daß Paraguay in den nächsten zwanzig Jahren so gut wie keine einzige Kilowattstunde von Yasyretá beziehen wird. Einen dringenden Bedarf Paraguays an Strom gibt es ohne­hin nicht. Durch Itaipú erhält das kleine Land mit sei­nen fünf Millionen EinwohnerInnen mehr Elektrizität als es jemals verbrauchen könnte, so daß über 80 Prozent des Stroms nach Brasilien exportiert wird.
Kritik an dem Projekt Yasyretá kommt dem Präsidenten sehr ungelegen. Die mutige Zeitung ABC Color wies in einem Editorial unmißverständlich daraufhin, daß Para­guay den neuen Staudamm nicht benötige. Den Strom brauche man sowieso nicht, der sei schließlich für Buenos Aires, aber der ökologische Preis, den Paraguay zahlt, sei, wie die Redakteure befanden, einfach zu hoch.
Offizielle Stellen, allen voran Wasmosy selber, reagieren gereizt auf solche unpatrioti­schen Meinungen. Die Hauptsache sei schließlich, daß das technische Wun­der der hydro­elektischen Energieerzeugung mit paraguayischem Wasser zustande komme. Darauf könne doch jeder Paraguayo und jede Paraguaya stolz sein, heißt es.
Auf den Präsidenten hört das paraguayische Volk jedoch kaum. Wasmosy, so sagt man in Asunción, sei bola, ein Mensch, der meist die Unwahrheit erzählt. Der Staats­mann besitzt die größten Baufirmen des Landes und wurde durch den Bau von Itaipú vermögend. Sein argentinischer Kollege Menem provozierte vor fünf Jahren, als die Fer­tigstellung Yasyretás noch in den Sternen stand, eine diplomatische Krise zwischen bei­den Ländern. Yasyretá, so sagte er damals, sei nichts anderes als ein Betondenkmal der Korruption.
Philipp Lepenies


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Itaparica 5 Jahre nach der Flutung

Der Pater hat zu einer Versammlung ein­berufen. Es soll ein Staudamm gebaut werden. Niemand weiß so recht, was das ist. Unser Land wollen sie überfluten? Unmöglich. Oder hat doch der alte Pro­phet recht, der vor langer Zeit weissagte: Der Sertao wird sich in ein Meer verwan­deln?
Die Versammlung fand im Jahr 1973 in Rodelas statt, einer kleinen Stadt im Bun­desstaat Bahia. Es ging um den Fluß Sao Francisco, der den heißen und trockenen “Sertao” im Nordosten Brasili­ens wie eine Lebensader durchfließt. Bis Februar 1988, als der Staudamm Itaparica seine Pforten schloß, um den 840 Qua­dratkilometer gro­ßen Stausee aufzufüllen und Energie zu erzeugen, sind noch tau­sende von Ver­sammlungen, Streiks und Demonstratio­nen durchgeführt worden. Wie ist der Streit weitergegangen, der auch das bun­desdeutsche Parlament be­schäftigt hat? Wie sieht es fünf Jahre nach der Flutung aus?

Eine Fahrkarte nach Sao Paulo

Was ein Staudamm für die Flußbevölke­rung bedeutet, wurde den BäuerInnen klar, als sie in den 70er Jahren sahen, wie zehntau­sende von Menschen vom Sao Francisco vertrieben wurden, um dem größten Stau­see der Welt Platz zu ma­chen, dem 400 Kilometer flußaufwärts gelegenen So­bradinho. Viele hatten der verantwortlichen Energiebe­hörde CHESF keinen Glauben geschenkt und wurden von dem unaufhaltsam an­steigenden Flußwasser zur Flucht ge­drängt. Als Ent­schädigung bot die CHESF vielfach eine Fahrkarte nach Sao Paulo – ohne Rück­fahrt.
Hier in Itaparica sollte alles ganz anders kommen. Die LandarbeiterInnengewerk­schaften in den betroffenen Kommunen wurden von kämpferisch orientierten ArbeiterIn­nen übernommen, schlossen sich zum Pólo Sindical zusammen, stellten Forde­rungen: Recht auf Umsiedlung, Land gegen Land. Entschädigung für je­des Haus, jeden gepflanzten Obstbaum. Be­wässerungsland für alle, die am Fluß leb­ten und arbeiteten, auch für die, die kein eigenes Land besaßen.

Der große Sieg – vorläufig

Itaparica wurde mit Mitteln der Weltbank finanziert. Deren bundesdeutscher Ver­treter befürwortete Mitte der 80er Jahre die Freigabe weiterer Mittel, obwohl be­kannt war, daß die CHESF offensichtlich nichts tat, um einen akzeptablen und durchführbaren Umsiedlungsplan für die über 5000 betroffenen Familien vorzule­gen. Im Dezember 1986 schließlich be­setzten die BäuerInnen die Baustelle des Stau­damms für mehrere Tage. Die CHESF rief die Polizei, das Militär rückte an. Doch die Diktatur war schon zu Ende. Die Hartnäckigkeit der Bauern hatte einen bis heute unerhörten Sieg davongetragen, nationale und internationale Solidaritäts­bekundun­gen taten ihr übriges, um nach zähen Ver­handlungen zu einer Verein­ba­rung zu kommen, an die die CHESF bis heute ge­bunden ist.
Rodelas ist heute genauso wie die Städte Petrolandía, Iticuraba und Barra do Tarra­chil sowie tausende von Hektar fruchtba­res Land vom Itaparica-Stausee begra­ben. Die Städte wurden anderswo wieder auf­gebaut, doch fruchtbares Land war nicht hinreichend vorhanden, so daß etwa die Hälfte der betroffenen Bauern 250 km flußaufwärts ziehen mußten. Im Juli 1988 sollten die Bewässerungsprojekte funkti­onsfähig sein, aber erst 1993 begann mensch auf 200 ha zu beregnen – nicht einmal 2 Prozent der geplanten Fläche. Und wieder einmal rüsteten die Bauern und Bäuerinnen sich für die schwere Aus­einandersetzung mit der CHESF. Die großen Bauunternehmen, deren Machen­schaften in verschiedenen Korrupti­onsskandalen der letzten Monate aufge­deckt wurden, haben am Itaparica-Stau­damm im Auftrag der CHESF gigantische und absurde Strukturen geschaffen – die nicht funktionieren:
– Es gibt kein Drainage-System, obwohl es so wichtig wäre wie das Wasser selbst, um die Gefahr der Versalzung der Böden und damit ihre Unbenutzbarkeit zu ver­hindern. Insbesondere im semi-ariden Klima des Sertao rechnet man mit schwe­ren Versalzungserscheinungen in weniger als fünf Jahren ohne Entwässerungsanla­gen.
– Bei einem großen Teil der Anlagen be­steht der Abstand zwischen den Sprenk­lern 15 Meter, statt der gebotenen 12 Me­ter, mit der Folge, daß bis zu 50 Prozent der Fläche nicht ausreichend bewässert werden.
– Die Mehrheit der UmsiedlerInnen besit­zen Felder von 3 ha. Unter den gegebenen Bedingungen (Bodenstruktur, Anzahl der Sprenkler, tägliche Bewässerungsdauer, Klima) ist es nicht möglich, mehr als 1,5 Hektar zu bewässern; die Hälfte ihrer Fel­der kann nicht bearbeitet werden.
– Allgemein bekannt ist, daß es sich nicht rentiert, eine Beregnungsanlage zu instal­lieren, in der mehr als 80 Meter Höhen­unterschied zu überwinden sind. Die Hälfte der Umsiedlungsprojekte liegt zwi­schen 130 und 152 Meter über dem Sao Francisco.
– Der Wirkungsgrad der Bewässerung sollte bei Sprenkleranlagen zwischen 70 und 75 Prozent liegen. In den bisher funk­tionierenden Flächen liegt er weit unter 50 Prozent, was die Kosten in die Höhe treibt, die Produktivität senkt und die Ver­salzungsgefahr erhöht.

Allianz gegen die Gewerkschaftsbe­wegung

Bedauerliche Berechnungsfehler der Un­ternehmerInnen? Lässigkeit im Umgang mit technischen Daten?
Sicherlich nicht. Die Antwort ist eine zy­nische Allianz zwischen CHESF, den Bauunternehmen und der regionalen Ent­wicklungsbehörde CODEVASF. Die letz­tere wird von einigen Familien aus dem rechten Parteienspektrum dominiert. Sie ist für tausende von Hektar nicht oder schlecht funktionierender Bewässerungs­flächen verantwortlich. 80 Prozent Zah­lungsunfähigkeit bei den NutzerInnen die­ser Anlagen sind keine Seltenheit. Und wenn jetzt einfache Bauern und Bäuerin­nen zeigten, daß sie ökologischer und gut organisiert bessere wirtschaftliche Ergeb­nisse erzielen, wäre das nicht schlecht für das Ansehen der CODEVASF?
Und die Bauunternehmen? Gigantische Anlagen sind für sie allemal interessanter als kostengünstige, aber dafür angepaßte Systeme.
Die CHESF hat ein Interesse an einem schnellen Niedergang der selbstorgani­sierten Bauernprojekte, um aller Welt zu zeigen, daß eben dieses Beispiel nicht funktioniert. Sie hätte dann in der Zukunft weniger Ärger, wenn wieder einmal Land überschwemmt werden soll und zum “Nutzen der Allgemeinheit” Menschen umgesiedelt werden müssen.

Ein Beispiel für Agrarreform

Auf der anderen Seite sind sich die entste­henden Produktions- und Vermarktungs­genossenschaften, die Gewerkschaften und der Polo Sindical eben dieser Verant­wortung bewußt. “Wenn das Ding hier schiefgeht, können wir kaum noch von Agrarreform reden. Dann ist genau das Vorurteil bestätigt, daß unsere GegnerIn­nen so pflegen. Die ArbeiterInnen machen viel Krach, aber wenn es um die Verwal­tung eines Bewässerungsprojektes geht, sind sie unfähig”, meinen viele Gewerk­schaftlerInnen grimmig.
Die CHESF will die Projekte so, wie sie sind, den UmsiedlerInnen übergeben. Al­lein die laufenden Kosten würden auf­grund der Konstruktionsmängel das drei- bis vierfache des regionalen Niveaus be­tragen, bei erhöhter Versalzungsgefahr, Degradation der Böden und schneller Verarmung und Abwanderung der Bevöl­kerung, die schon sechs Jahre darauf wartet, endlich wieder von der Landwirt­schaft zu leben. “Die CHESF täuscht sich ganz folgenschwer, wenn sie wieder mal meint, uns aufs Kreuz legen zu müssen”, lacht die Präsidentin der Gewerkschaft von Rodelas, die zu jener denkwürdigen ersten Gewerkschaftsversammlung gerade mal sieben Jahre zählte.
P.S. Die deutsche Bundesregierung hat just in dieser Zeit der CHESF knapp 30 Millionen DM zugesagt, von denen ein Teil bereits abgeflossen ist. Ist sie mögli­cherweise dabei, einen peinlichen Fehler von 1986 zu wiederholen? Der Polo Sin­dical hat bereits protestiert und fordert eine Konditionalisierung: Keine Freigabe von Geldern, solange die Frage der Be­wässerungsprojekte in den Umsiedlungen nicht befriedigend gelöst ist.

Kleines Glossar des Sao Francisco

CHESF

Companhia Hidrelétrica do Sao Francisco. Bundesorgan zur Energieerzeugung durch die Wasserkraft. Zimperlich ist sie nicht gewesen. Paulo Afonso war das erste Wasserkraftwerk, das am Sao Francisco Anfang der 50er Jahre ans Netz ging. Die Stadt Paulo Afonso und das Kraftwerk waren jahrzehntelang als “nationales Si­cherheitsgebiet” deklariert. Der Bürger­meister wurde direkt vom Präsidenten eingesetzt. Nach Paulo Afonso folgten am Mittel- und Unterlauf des Sao Francisco, also im Nordosten Brasiliens, Moxotó, Sobradinho und Itaparica. Fast fertigge­stellt ist am Unterlauf Xingó, und weitere sind in Planung. Nirgendwo wurden Um­weltverträglichkeitsstudien angefertigt und beachtet. Für das Kraftwerk So­bradinho wurden mehr als 50.000 Menschen vertrieben, die vielfach in den Slums der großen Städte landeten; in Ita­parica waren etwa 25.000 betroffen. Poli­tisch und rechtlich ist sie verantwortlich für eklatante Fehler und Mängel der Be­wässerungsstrukturen der Itaparica-Bäue­rInnen. Ihre Behebung bzw. ihr finanziel­ler Ausgleich muß erst noch erkämpft wer­den.

CODEVASF

Companhía de Desenvolvimento do Vale do Sao Francisco. Gesellschaft zur Ent­wicklung des Sao-Francisco-Tals. Bun­desorgan. Gegründet 1974, Nachfolgerin zweier Vorläuferorganisationen, die eben­falls das Ziel hatten, das Flußtal durch Bewässerungsprojekte zu “entwickeln”. Von den derzeit etwa 200.000 ha bewäs­sertem Land werden 60.000 ha von der CODEVASF betreut. Ursprüngliche Pla­nung von Ende der 40er Jahre war, Klein­bäuerInnen in Bewässerunsprojekten anzusie­deln, um ihre Lebensbedingungen zu ver­bessern und die Marktproduktion zu ver­größern. Hauptkritikpunkte an der CODEVASF sind, daß sie ihre Koloniali­sierungpolitik nach den Interessen einiger weniger dominierender Familien richtet, daß AgrarunternehmerInnen bevorzugt werden und daß kaum ein Projekt es schafft, selbst nach 20 Jahren unabhängig zu sein. Es werden autoritär (Schein)Organisationen gegründet, denen Betrieb und Wartung der Bewässerungs­anlagen übertragen wird. Die fortdauernde Abhängigkeit der Bauern ermöglicht die Fortsetzung der paternalistischen (und er­presserischen) Tradition im Nordosten: Gehorsam und Stimmabgabe für die Mächtigen. Im vergangenen Kommunal­wahlkampf ist die CODEVASF offen für die rechte PFL eingetreten. In der Liste der wegen Unfä­higkeit aufzulösenden Or­ganisationen steht die CODEVASF ziem­lich weit oben.

Polo Sindical do Submédio Sao Francisco

Zusammenschluß von derzeit zehn Land­arbeiterInnengewerkschaften am unteren Mittellauf des Flusses. Wichtigste Organi­sation des “movimento popular” der Re­gion und Wiege für eine Reihe von loka­len (und nationalen) PT-Karrieren. Ge­gründet 1979 aus der Notwendigkeit einer besseren Koordination, Mobilisierung, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit ge­genüber den Vorstellungen der CHESF, die vom Staudamm Itaparica betroffenen BäuerInnen willkürlich und entschädi­gungslos zu vertreiben. Bisher größter Er­folg: Ver­einbarung mit der CHESF, die Umsied­lung, Bewässerungsprojekte, Häu­serbau, Gesundheits- und Bildungsein­richtungen in den Projekten zu garantie­ren. Nach der erfolgten Umsiedlung An­fang 1988 ermü­dender Kleinkrieg um die Erfüllung der Vereinbarung und Ver­nachlässigung an­derer Probleme in der Region: Rechte der LohnarbeiterInnen, Nachwuchsförderung, Beteiligung der Frauen, Bekämpfung der paternalistischen Ausnutzung der langan­haltenden Dürre (“Wirtschaftszweig-Dürre”). Auf dem I. Kongreß des Polo Sindical im Oktober 1993 diskutierten die Delegierten diese Mängel und beschlossen weitgehende in­haltliche und organisatori­sche Verände­rungen, um die politische Verantwortung des Polo Sindical für die Entwicklung der Region besser wahrneh­men zu können.

Der Fluß Sao Francisco

Der “Alte Chico”, wie ihn die Flußanwoh­nerInnen zärtlich und ehrfurchtsvoll nen­nen, hat seine Quelle im Canastra-Gebirge im Bundesstaat Minas Gerais, fließt in nördliche Richtung durch Bahia, be­schreibt einen großen Bogen nach Osten, markiert zunächst die Grenze zwischen den Bundesstaaten Sergipe und Alagoas, bevor er nach 2.700 km in den Atlantik mündet. Durchschnittlich passiert sein Flußbett jede Sekunde ein Wasservolumen von über 3.000 Kubikmeter. Hauptnut­zung ist die Erzeugung von Energie und Bewässerung sowie die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser. Die ersten bei­den Nutzungsrichtungen stehen im Kon­flikt. Zusammen mit dem fast fertigen Kraftwerk “Xingó” am Unterlauf, den ge­nannten Werken am Mittellauf und “Trés Marias” am Oberlauf wird eine Kapazität von 13.400 Megawatt erreicht sein. Die CHESF träumt jedoch von weiteren Kraftwerken um auf 17.500 Megawatt zu kommen, weil Energieverbrauch immer noch als ein zentraler Indikator für Ent­wicklung gesehen wird. Und die CODE­VASF möchte insgesamt 1,5 Mil­lionen ha bewässertes Land sehen. Allein das Pro­jekt Jaiba jedoch, das auf 100.000 ha an­gelegt ist, (von denen 8.000 instal­liert sind), würde schon 2 bis 5 Prozent der Wassermenge des Flusses konsumie­ren. Absurde Gigantomanie. Verschärfend kommen zwei Faktoren hinzu:
1. Das kurzsichtige Modell der Bodennut­zung, das die CODEVASF und das Agrarkapital anwenden, gefährdet den Fluß und alle Menschen, die an ihm und von ihm leben. Unkontrollierte Bewässe­rung, rasche Versalzung der Böden und Anreicherung des Flußwassers mit Nitra­ten und Giften durch Mineraldünger und Pestizide sind voraussehbare Folgen die­ses Modells.
2. In Minas Gerais werden im weiteren Einzugbereich des Flusses jährlich zehn­tausende Hektar Wald zur Holzkohlever­arbeitung für die Eisenverhüttung abge­holzt. Dies hat Klimaveränderungen grö­ßeren Ausmaßes zur Folge, u.a. die lang­same Vertrocknung des Sao Francisco und seiner Zuflüsse. Darüber hinaus erodieren die Böden, und der Fluß trägt die Erdmas­sen zum Sobradinho, der in kurzer Zeit verlanden wird.
Die Bauern und Bäuerinnen von den Ge­werkschaften und Genossenschaften des Polo Sindical sind sich dieser Zusammen­hänge bewußt und beauftragten den Polo Sindical, Elemente einer alternativen, ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Bodennutzung insbesondere in den Um­siedlungsprojekten zusammenzutragen und zu verbreiten. Weiterhin wird der Polo an einer überregionalen politischen Vernetzung teilnehmen, um dazu beizu­tragen, die Gefahr für den “Alten Chico” abzuwenden.


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Energiepolitik im Modelland Chile

Monopol im Energiesektor

Bereits seit Jahrzehnten erforscht EN­DESA, das nationale Stromerzeugungs-unternehmen, die Mög­lichkeiten, den Bio-Bio zur Energieversorgung Chiles nutzbar zu ma­chen. Nachdem ENDESA 1988 von staat­lichem Besitz in eine private Aktienge­sellschaft überführt worden war, wurden diese Bemühungen forciert. Hauptaktionär ENDESAs ist das private Konsortium En­ersis, das nicht nur 70 Pro-zent der ge­samten Stromerzeugung, son-dern über das Stromverteilerunternehmen Chilectra den gesamten Energiesektor des Landes mo­nopolartig kontrolliert. Enersis profitiert maßgeblich von der lückenhaf­ten chileni­schen Gesetzgebung, die staat-lichen Stel­len nur wenig Eingriffs-mög­lichkeiten bei der Steuerung privater Investitionsvorhaben gewährt. Dabei soll die 1987 gegründete Nationale Energie­kommission (CNE), die direkt dem Staats-präsidenten untersteht, eigentlich die Ener­giepolitik Chiles planen, sowie Pro­jekte zur Stromerzeugung genehmigen. Ihre einzige Möglichkeit, um steuernd ein-zugreifen, besteht darin, daß Banken und andere Finanzinstitutionen in der Re­gel nur dann Kreditzusagen machen, wenn In-vestitionsvorhaben von der CNE befür-wortet werden.
Aber auch dieser Mechanismus trägt nur wenig zur umweltpolitischen Kontrolle bei, denn die CNE zeichnet sich ins-be­sondere durch ihre Nähe zu privatwirt-schaftlichen Interessen aus. Ihr Di­rektor, Jaime Tohe, wurde nicht müde, Erhöhun­gen der Stromtarife anzukündi­gen, sollte es durch den Verzicht auf das Staudamm­projekt am Bio-Bio nicht gelin­gen, ab 1997 den auf 5,5 bis 6 Prozent geschätzten jährlichen Mehrbedarf an Strom zu decken. Außerdem hatte die CNE EN­DESA bereits 1990 die Genehmigung zur Konstruktion des Staudamms Pangue er­teilt, ohne zuvor die Ergebnisse der Um­weltverträglichkeitsstudien abzuwarten, die das Unternehmen in Auftrag gegeben hatte. Die Bauarbeiten dauerten zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre an.

Die drohenden Gefahren des Staudamms

Gerade aber auf die Studien der ENDESA berufen sich die KritikerInnen von Pangue unter anderem, die sich im März 1991 in der GABB organisiert haben. Die GABB bündelt die Aktivitäten von Umwelt­schutzbewegungen und VertreterInnen der Pehuenche-Mapuche, den hauptsächlich Betroffenen des Staudammprojekts. Sogar die mangelhaft ausgearbeiteten Untersu­chungen, die ENDESA aus gutem Grund der Öffentlichkeit vorenthält, verdeutli­chen die großen ökologischen Risiken, die mit Pangue einhergehen.
Die Überflutung von 500 Hektar Land am oberen Bio-Bio würde unausweichlich, in­folge des Zersetzungsprozesses der Pflan­zen, die Wasserqualität mindern. Durch die Abnahme der im Wasser gelösten Nährstoffe würde der Fischbestand im Golf von Arauco, in den der Bio-Bio mündet, gefährdet werden und mit ihm die Existenz der dort ansässigen Fischerdör­fer.
Zudem würden durch die Regulierung des Bio-Bio die Interessen der am Oberlauf lebenden kleinbäuerlichen Familien ver­letzt, denn zum einen wäre die Bewässe­rung nicht länger gewährleistet und zum anderen hätte die gelegentliche Öffnung des Damms zur Konsequenz, daß die her­einbrechenden Wassermassen die frucht­baren oberen Erdschichten wegwaschen würden. Völlig unberücksichtigt bleibt in den von ENDESA in Auftrag gegebenen Studien das Gefährdungspotential, das von den umliegenden aktiven Vulkanen ausgeht. Sollte es tatsächlich zu einem Vulkanausbruch kommen, würden Erdrut­sche den Staudamm zerstören und unkon­trollierbare Überflutungen wären die Folge. Außerdem gehen die zitierten Stu­dien nur vom Bau des Pangue aus, obwohl bekannt ist, daß noch fünf weitere Tal­sperren geplant sind. Ende Oktober mußte dies auch die chilenische Regierung öf­fentlich eingestehen.

Folgen für die Pehuenche-Mapuche

Diese drohenden Konsequenzen hätten vor allem die 10000 Pehuenche zu tragen, die am Oberlauf des Bio-Bio leben. Be­dingt durch die schwer zugängliche Lage dieser Region ist es den Pehuenche gelun­gen, ihre traditionellen Lebensformen weitestgehend zu bewahren. Der mit dem Staudamm verbundene Straßenbau wird dieser Abgeschiedenheit ein Ende bereiten und die indigenen Gemeinschaften mit schädlichen Einflüssen der sogenannten Zivilisation konfrontieren. ENDESA hält diesen Argumenten entgegen, daß die Pe­huenche in großer Armut lebten, so daß das Angebot von 2000 Arbeitsplätzen einen wichtigen Beitrag zur Existenzsi­cherung leisten könnte. Diese 2000 Ar­beitsplätze würden jedoch allenfalls wäh­rend der Bauarbeiten existieren. Nach de­ren Abschluß werden wenige Dutzend Ar-beitskräfte ausreichen, um den Stau­damm zu betreiben.
ENDESA führt im Augenblick Verhand­lungen mit den Pehuenche, in denen sie ihnen Landbesitz in einer anderen Region anbietet. Den Pehuenche scheint keine an­dere Möglichkeit zu bleiben, als schließlich in das vorgeschlagene Tausch­geschäft einzuwilligen. Die 1979 unter der Militärdiktatur verabschiedete Indígena-Gesetzgebung erklärte gemeinschaftlichen Landbesitz für unzulässig, so daß die Pe­huenche bis vor kurzem über keinerlei juristisch abgesicherte Landrechte ver­fügten. Auch die jüngst verabschiedete neue Indígena-Gesetzgebung ändert an dieser Situation insofern sehr wenig, als daß die Pehuenche ihre vor 1993 verlore­nen Ländereien nicht zurückerhalten. Ihre VertreterInnen fordern heute neben der Einstellung der Bauarbeiten des Pangue-Staudamms die Gewährung staatlicher Finanzhilfen sowie die Anerkennung ihrer Gebietsansprüche.

Erster juristischer Erfolg für die Pangue-GegnerInnen

Im Juni 1993 erzielten die GegnerInnen des Pangue-Projekts einen ersten juristi­schen Erfolg. Das Berufungsgericht von Concepción, die zuständige richterliche Instanz für die Region um den Bio-Bio, verlangte von ENDESA die Modifizie­rung der Baupläne, um sicherzustellen, daß die Interessen Dritter nicht gefährdet würden. Die vorliegende Genehmigung erlaube nur die nichtverbrauchende Was­sernutzung und werde durch die vorgese­hene Projektkonzeption überschritten, da die Regulierung des Flusses die Bewässe­rung umliegender Felder behindere. De facto lief dieses Urteil auf die Verhängung eines Baustopps hinaus. ENDESA legte daraufhin postwendend bei dem Corte Su­prema Berufung ein.
Die Argumentation der ENDESA-Anwäl­tInnen bezog sich in erster Linie auf den drohenden Umbau aller vergleichbaren Staudämme, so daß es unweigerlich zu ei­ner etwa 25-prozentigen Anhebung der Strompreise kommen würde. Die Natio­nale Energiekommission (CNE) gab EN­DESA bei diesem Streit nach Kräften Rückendeckung und warnte immer wieder vor den negativen Folgen eines Verzichts auf Pangue.
Gestützt auf offizielle Daten der CNE wi­dersprach das staatliche Planungs-ministe­rium MIDEPLAN diesem Sze-nario. Da keinerlei Studien über Alter­nativprojekte vorlägen, sei die Entwick­lung der Strom­preise nicht abzusehen. Das größte Poten­tial liege außerdem in Ener­giespar­pro­grammen, denn immerhin geht augenblicklich rund die Hälfte des er­zeugten und transportierten Stroms verlo­ren. Durch Öffentlichkeitskampagnen ist es während der letzten Dürreperiode ge­lungen, den Energieverbrauch kurzzeitig um 15 Prozent zu senken.

Oberster Gerichtshof gibt Privatinteressen den Vorrang

Als der Oberste Gerichtshof am 5. August das Urteil von Concepción mit dem Hin­weis kassierte, Pangue verfüge über alle notwendigen Genehmigungen, wurde den privaten Gewinninteressen des Monopol­unternehmens auf dem Energiesektor Vorrang vor ökologischen Notwendigkei-ten gegeben. Die weiter gesteckten For-derungen der KritikerInnen Pangues zie-len auf die Formulierung einer natio­nalen Energiepolitik, die durch eine Ener­giegesetzgebung begleitet wird, welche Stromerzeugung und -transport nicht län­ger in den Händen eines einzigen Unter­nehmens beläßt. Darüberhinaus wurden von den der Regierungskoalition angehö­rigen Deputierten der Achten Region, in der Pangue gebaut werden soll, Anträge in das Abgeordnetenhaus eingebracht, um die Gesetzesvorhaben im Umweltbereich sowie das neue Ley Indígena zu beschleu­nigen. Außerdem setzen sich die Depu­tierten dafür ein, Pangue durch unabhän­gige ExpertInnen und den Umweltaus­schuß des Parlaments untersuchen zu las­sen. Abgesehen von dem Hinweis, über keinerlei rechtlichen Möglichkeiten zu verfügen, private Investitionsprojekte zu stoppen, hat sich die chilenische Regierung bisher bedeckt gehalten.

Dreht die Weltbank den Kredithahn zu?

Die vermutlich einzige realistische Chance, Pangue samt den geplanten Nach­folgeprojekten zu verhindern, besteht darin, auf internationaler Ebene Druck auszuüben. Pangue soll insgesamt 470 Millionen US-Dollar kosten, von denen 120 Millionen über die Weltbanktochter CFI finanziert werden, die in drei Raten ausgezahlt werden sollen. Da Weltbank-Kredite an Umweltauflagen, etwa Ver­träglichkeitsstudien, gebunden sind, hofft GABB weiterhin, das Pangue-Projekt zum Scheitern bringen zu können. ENDESA hat der Weltbank bislang noch keine Stu­die vorgelegt. Obwohl die Unternehmens­führung noch im Dezember des vergange­nen Jahres gejubelt hatte, die erste Teil­zahlung des CFI-Kredites sei erfolgt, mußte sie nach einer Stellungnahme der GABB vor kurzem eingestehen, noch kei­nen Cent erhalten zu haben.


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