FÜR ODER GEGEN EVO MORALES

Hungerstreik am Avaroa-Platz: Martha Yujra mit ihren Mitstreitern (Foto: Thomas Guthmann)

In einer Ecke am Avaroa-Platz im Zentrum von La Paz steht ein Zelt, davor ein Banner mit der Aufschrift „Forum Meinungsfreiheit, für die Erneuerung der Demokratie!“, daneben sitzen einige Männer und Frauen, Gegner*innen von Evo Morales, in der Mittagssonne. Plötzlich kommt ein Dutzend Männer und Frauen, teilweise in Ponchos, Filzhüten und Polleras (langer Faltenrock), Erkennungszeichen der Aymaras, der größten indigenen Bevölkerungsgruppe in La Paz. Einige tragen Westen, auf denen „Fejuve El Alto“ steht, der Verband der Nachbarschaftsvereinigungen. Sofort steigt die Spannung. Einer aus der Gruppe will ein Plakat mit der Aufschrift „Bolivien hat Nein gesagt!“ von einem Baum reißen, eine Frau von der Zeltgruppe interveniert und schreit „Hände weg!“, die Polizei muss einschreiten. Als sich die Lage etwas beruhigt, bezichtigen beide Gruppen die andere Seite, provoziert zu haben. Eine kleine Szene an diesem sonnigen Morgen, die einen Vorgeschmack darauf geben kann, was dieses Wahljahr für Bolivien an politischen Auseinandersetzungen bringen kann. Befürworter*innen und Gegner*innen der Kandidatur von Evo Morales bringen sich in Stellung.

Im Dezember hatte der oberste Wahlausschuss endgültig die Kandidatur von Evo Morales Ayma und seinem Vize Alvaro García Linera zugelassen. Mit ihnen wurden acht weitere Gespanne, Präsident und Vizepräsident, für die Wahlen im Oktober akkreditiert. Seitdem kochen die Gegner*innen von Evo Morales vor Wut. Direkt nach der Entscheidung traten mehrere Mitglieder der oppositionellen Comites Cívicos in verschiedenen Teilen des Landes in befristete Hungerstreiks.

Ein paar Meter entfernt vom Wortgefecht, gibt es eine kleine Ansammlung von Zelten. Hier verweigert Martha Yujra vom Gewerkschaftsverband COR aus El Alto seit dem 14. Januar die Nahrungsaufnahme, „wenn es sein muss bis zum bitteren Ende“ meint die Gewerkschaftsaktivistin, denn sie möchte, dass die „Vaterlandsverkäufer und Verräter, die unsere Verfassung mit Füßen treten, verschwinden. Wir haben Goni rausgeschmissen und wir werden auch ihn rausschmeißen.“ Martha Yujra ist Gewerkschaftsführerin und hat sich trotzdem gegen Evo Morales gestellt. Während der gewerkschaftliche Dachverband COB sich im Streit um die Kandidatur von Evo Morales auf die Seite des Präsidenten gestellt hat, sprechen sich regionale Untergliederungen, wie die COR aus El Alto, gegen die Kandidatur von Evo Morales aus.

„Wir haben Goni rausgeschmissen und wir werden auch ihn rausschmeißen“

Befürworter*innen und die Gegner*innen des Präsidenten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Dabei steht eigentlich außer Frage, dass die inzwischen vierte Kandidatur von Evo Morales nicht verfassungskonform ist. Die unter Federführung der MAS, der Bewegung zum Sozialismus, ausgearbeitete Verfassung sieht nur die Möglichkeit von zwei aufeinanderfolgenden Amtszeiten vor. Wird Morales, der Kandidat der MAS, im Herbst gewählt, wäre dies die vierte Amtszeit in Folge. Um das möglich zu machen, setzte die Regierung am 21. Februar 2016 eine Volksabstimmung an. Mit einem „Ja“ wäre die Verfassung geändert worden und die Wiederwahl möglich gewesen. Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent der Bolivianer*innen stimmte jedoch gegen die Verfassungsänderung und damit auch gegen die Wiederwahl von Evo Morales. Dieser hatte vor der Abstimmung verlauten lassen, er würde „die Klappe halten und gehen“ und sich Volkes Wille beugen.

Dieses Versprechen warf er allerdings nach der Abstimmung über Bord. Bereits im Sommer 2016 ließen die Kokabäuerinnen und -bauern aus dem Chapare verlauten, dass sie das Ergebnis des Referendums nicht akzeptierten und brachten eine Unterschriftensammlung ins Spiel. Es sollten 20 Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben, um erneut ein Referendum zur Verfassungsänderung anzusetzen. Dazu kam es aber nie. Vielmehr dachte die Regierungspartei MAS laut darüber nach, die Verfassung mit der Zweidrittelmehrheit, die sie momentan noch im Parlament hat, zu ändern. Als weiteres mögliches Szenario galt eine Zeit lang der Rücktritt von Evo Morales kurz vor Ende der Amtszeit, um sich schließlich als ‚neuer Kandidat‘, der kein amtierender Präsident ist, zu präsentieren. Schließlich war alles nicht nötig, weil am 28. November 2017 das Verfassungsgericht in einer weiteren Kandidatur von Morales keinen Verfassungsbruch sah. Das Gericht stellte fest, dass alle Kandidat*innen in Bolivien ein Recht auf unbegrenztes passives Wahlrecht hätten und erklärte den entsprechenden Verfassungsartikel 168 für nicht rechtmäßig. Die Opposition war entsetzt und sprach von einem Putsch.

Rafael Puente, in der ersten Regierung von Evo Morales noch Staatssekretär und 2008 für kurze Zeit Präfekt in Cochabamba, sieht den moralischen Verfall der Regierung in der politischen Kultur verankert. „In der Geschichte Boliviens“, so Puente, „war es immer so, dass sich andere Leute am Staat bereicherten, jetzt, so dachten 2006 viele an der Basis der MAS, sind wir dran. Das war gewissermaßen der genetische Defekt der Bewegung zum Sozialismus, die Funktionäre und die sozialen Bewegungen interpretierten den Staat nicht anders als das alte Establishment“. Zu Beginn seiner Amtszeit stellte sich Morales noch gegen diese Position, „Ich erinnere mich an eine Sitzung 2009, bei der Evo einem Kandidaten klar sagte: ‚Genossen, der Prozess des Cambios gehört allen‘“, meint Puente, „diese Meinung änderte Morales 2010, als die MAS die Wahlen mit 64 Prozent gewonnen hatte“. Seitdem beanspruchte auch er die Macht alleine für sich und seine Partei, alle wären regelrecht berauscht gewesen von der Macht, so der Jesuit.

Die einsetzende Klientelpolitik führte in den darauffolgenden Jahren dazu, dass auch Teile der Basis von Evo Morales auf Distanz gingen. Ein Knackpunkt, vielleicht der Wichtigste, war der Konflikt um den Bau einer Straße durch den Nationalpark TIPNIS. Hier zerbrach 2011 der Pacto de Unidad (Einheitspakt) zwischen den wichtigsten indigenen Dachverbänden, Campesino-Organisationen, Cocaleros und dem Frauenverband Bartolina Sisa. Der Einheitspakt war eine wichtige Säule des Projekts des Cambios. In der Folge erlitt die Regierung Morales ihre erste schwere Niederlage. Die Mobilisierungen der indigenen Bewohner*innen von TIPNIS führten dazu, dass die geplante Überlandstraße nicht gebaut wurde. Die Regierung erließ ein Gesetz zur Unantastbarkeit des TIPNIS. Vor allem relevante Teile der indigenen Verbände CIDOB und CONAMAQ stellten sich auf die Seite der Bewohner*innen des Nationalparks.

„Evo hat sich als Wolf im Schafspelz entpuppt“

Im Herbst 2018 wurde das Gesetz, das die Unantastbarkeit des TIPNIS festschreibt, aufgehoben. Morales ist auch hier ein Getriebener der Interessengruppen, in deren Hände er sich nach 2010 gegeben hat. Eine der wichtigsten sind die Cocaleros aus seiner Heimatregion, dem Chapare, deren Verbandspräsident er bis heute ist. Diese wollen, neben dem brasilianischen Ölriesen Petobras, auf jeden Fall, dass die Straße durch den TIPNIS gebaut wird. Auch in diesem Fall wird wenig Rücksicht auf die Verfassung genommen, die die Autonomie der indigenen Bevölkerungsgruppen festschreibt. Die Regierung hat demnach kein Recht, ohne die Zustimmung der Indigenen, auf ihren Territorien Straßen zu bauen.

Zurück auf dem Avaroa-Platz: Die Zersplitterung der Basis zeigt sich auch hier. Während auf der einen Seite eine Gruppe von indigenen Aymaras sich mit dem Comite Cívico, das sich mehrheitlich aus der weißen Mittel- und Oberschicht rekrutiert, ein Wortgefecht liefert, unterstützt die hungerstreikende Martha Yujra die Forderungen der Opposition. Sie ist wie die anderen aus El Alto, Gewerkschafterin, und eine Aymara mit der traditionellen Pollera. Eigentlich eine typische Anhängerin des Präsidenten. Jetzt sagt sie, „Evo hat die Frauen in Pollera verraten, er hat sich als Wolf im Schafspelz entpuppt“.

Die rechte Opposition, die bisher uneins war, hat es geschafft, das Misstrauen in die Regierung zu säen und Morales hat mit seinem Klammern an die Macht – um jeden Preis – seinen Anteil an dieser Entwicklung. Bisher gab es innerhalb der indigenen Bewegung, den Bäuerinnen und Bauern und Arbeiter*innen immer eine gewisse Distanz zu den oppositionellen Comites Cívicos. Die Tricksereien der Regierung haben diese Distanz kleiner werden lassen. Das hat dazu geführt, dass der neoliberale Präsidentschaftskandidat Carlos Mesa zu einem ernstzunehmenden Gegner geworden ist. Damit dies auch bleibt, versucht die Opposition nun, ihre Zersplitterung zu überwinden. Bisher gibt es acht Gegenkandidaten zu Evo Morales. Bleibt dies so, ist ein Sieg des Präsidenten wahrscheinlich. Am 17. Januar haben sich die Comites Cívicos und fünf der acht Gegenkandidaten in Santa Cruz getroffen, um über eine gemeinsame Strategie zu beraten. Sollte es gelingen, eine Koalition zu schmieden, wäre der Wahlausgang im Oktober weitaus offener. Julio Prado, Herausgeber der Wochenzeitung El Ciudadano ist skeptisch, ob das gelingt. „Die Opposition verfolgt bisher kein eigenes Projekt, sie interessiert sich nur für ihren eigenen Vorteil“, meint der Journalist, „und die acht Kandidaten haben ganz unterschiedliche Interessen, ich halte es für unwahrscheinlich, dass eine Koalition zustande kommt“.

Darauf hofft Evo Morales. Er hat über Twitter verlauten lassen, dass die Vorwahlen am 27.01.2019 das Referendum vom Februar 2016 vergessen machen lassen und als Datum der „Wahrheit, der Toleranz und der Demokratie“ in die Geschichte eingehen. Bei den Vorwahlen werden die jeweiligen Kandidaten*innen von ihren Parteianhänger*innen bestätigt. Abstimmen können nur Anhänger*innen, die sich offiziell registrieren ließen. Und hier hat die MAS eindeutig die Nase vorn. So wird Morales diese Wahl wohl auf jeden Fall gewinnen und die meisten Stimmen in den Vorwahlen erhalten.

 


Hola!

Wenn Dir gefällt, was du hier liest, dann unterstütze unsere ehrenamtliche Redaktion doch mit einem Abo! Das gibt's schon ab 29,50 Euro im Jahr. Oder lass uns eine Spende da! Egal ob einmalig 5 Euro oder eine monatliche Dauerspende – alles hilft, die LN weiter zu erhalten, Gracias ❤️

KEINE UNANTASTBARKEIT FÜR INDIGENES TERRITORIUM

Am 13. August 2017 verabschiedete das bolivianische Parlament das „Gesetz zum Schutz sowie zur ganzheitlichen und nachhaltigen Entwicklung des Indigenen Territoriums und Nationalparks Isiboro Securé (TIPNIS)“. Das TIPNIS, ein 12.000 Quadratkilometer großes Gebiet in Zentralbolivien, das 1965 zum Nationalpark und 1990 zum indigenen Territorium erklärte wurde, genießt bis jetzt einen besonderen Schutzstatus. Beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes würde dieser aufgehoben. Denn obwohl das erklärte Ziel „Schutz und Entwicklung“ des TIPNIS ist, legalisiert es unter anderem den Bau von Straßen durch das Gebiet.

Genau dies sollte vor sechs Jahren durch ein anderes Gesetz verhindert werden, das dem TIPNIS 2011 den „Status der Unantastbarkeit“ verliehen hatte. Die Erlassung jenes Gesetzes war der Verdienst der tausenden von Indigenen, die im August 2011 zu einem 600 km langen Protestmarsch nach La Paz aufgebrochen waren und sich weder durch Drohungen der Regierung noch durch die massive Polizeigewalt hatten einschüchtern lassen (siehe LN 450).
Das TIPNIS gilt als eines der artenreichsten Gebiete weltweit und beheimatet hunderte von Tier- und Pflanzenarten. Dies ist auch der Tatsache zu verdanken, dass die Industrialisierung bisher keinen Einzug gehalten hat. Die 62 Gemeinden mit ihren rund 12.000 Einwohner*innen – Angehörige von drei verschiedenen indigenen Völkern – sind zur Zeit nur über die Flüsse erreichbar.

Die vorgesehene Route ist 60 km entfernt vom Großteil der indigenen Gemeinden.

Laut der bolivianischen Regierung soll die neue Schnellstraße das nun ändern. Doch diese Argumentation birgt einige Ungereimtheiten. So ist die vorgesehene Route 60 km entfernt vom Großteil der indigenen Gemeinden, die damit gar nicht in den Genuss der angepriesenen Vorteile kämen. Stattdessen soll die Straße durch den weniger stark besiedelten Südteil des TIPNIS führen, der bereits 2011 durch den Bau eines ersten Teils der Schnellstraße erschlossen wurde. Dort haben sich Binnenmigrant*innen aus dem andinen Hochland angesiedelt, die auf einer Fläche von 1.500 Kilometer Kokablätter anbauen – illegal, wie der bolivianische Anwalt Alcides Vadillo erklärt: „Der Status des TIPNIS als Nationalpark und Indigenes Territorium verbietet, dass Externe sich dort niederlassen oder den Boden bewirtschaften. Dennoch leben in dieser Zone bereits 100.000 Kokaproduzent*innen.“ Vadillo ist Regionaldirektor der bolivianischen NGO „Fundación Tierra“ (zu deutsch „Stiftung Erde“) in Santa Cruz de la Sierra und arbeitet seit Jahrzehnten mit indigenen Gemeinden im Tiefland Boliviens zusammen.

Die indigenen Gemeinden im TIPNIS befürchten, dass sie mit jedem weiteren Meter Straße mehr Land verlieren – Land, dessen legale Grundeigentümer*innen sie auf Grund des Status des TIPNIS als Indigenes Territorium eigentlich sind. „Auf der Basis des neuen Gesetzes wird hier viel abgeholzt und zerstört werden“, sagt Fabián Gil, Präsident des Zentralkomitees der TIPNIS-Gemeinden. „Wir werden mitnichten von dieser Straße profitieren, ganz im Gegenteil: Es werden Unternehmen kommen, um sich an den natürlichen Ressourcen hier zu bereichern.“

Tatsächlich hat die bolivianische Regierung bereits Konzessionen an zwei Konzerne vergeben, um im TIPNIS nach Ölvorkommen zu suchen, betont der Anwalt Vadillo. Er hält die Befürchtungen der Indigenen um ihr Territorium für absolut berechtigt: „Eine Enteignung dieser Art ist eine Verletzung der gesetzlich festgelegten Grundrechte dieser indigenen Gemeinden. Ganz zu schweigen vom Schaden an der Umwelt, den die großflächige Abholzung im TIPNIS zur Folge hätte“.

Die Aufhebung des Status der Unantastbarkeit des TIPNIS durch das im August erlassene Gesetz hat landesweit zu anhaltenden Protesten geführt. Ende August verabschiedeten einige Gemeinden des TIPNIS eine Resolution, in der sie sich klar gegen das Gesetz und den geplanten Straßenbau aussprechen und erklären, dass das Betreten des TIPNIS durch „Fremde“ fortan verboten sei. Sie seien zwar nicht aus Prinzip gegen eine Straße, jedoch gegen die Route mitten durch das Herz des Nationalparks.

Zwar liegt ein Vorschlag für eine alternative Route am Rand des TIPNIS vor, doch laut Vadillo hat dieses Projekt wenig Chance auf Umsetzung: „Sowohl von Norden als auch von Süden her sind Kabereits so große Teile der Straße fertiggestellt, dass im Grunde nur noch 40 Kilometer fehlen, um sie durchgängig zu machen. Außerdem würde die Alternativroute den Kokaproduzent*innen nicht dienen.“

Der bolivianische Präsident Evo Morales scheint im TIPNIS vor allem die Interessen der Kokabäuer*innen zu vertreten.

Den Grund, warum der Kokasektor so viel Macht hat, sehen die TIPNIS-Gegner*innen in der Tatsache, dass der bolivianische Präsident Evo Morales auch Präsident der Vereinigung der Kokabäuerinnen und -bauern ist und im TIPNIS vor allem ihre Interessen zu vertreten scheint. Dazu werden parteipolitische Interessen vermutet: Im Departemento Beni, in dem der nördliche Teil des TIPNIS liegt, ist die Opposition gegen die Regierung von Evo Morales sehr stark. Eine Ansiedlung von regierungstreuen Wähler*innen, wie es die Kokabäuerinnen und -bauern sind, würde sich daher positiv auf seinen politischen Rückhalt in der Region auswirken.

Obwohl Regierungsvertreter*innen Anti-TIPNIS-Aktivist*innen offen drohen und sowohl Bewohner*innen als auch Mitarbeiter*innen von NGOs vor Ort von bolivianischen Sicherheitskräften tätlich angegriffen und teilweise festgenommen worden sind, reißen die Proteste nicht ab. „Die indigenen Gemeinden organisieren sich, um ihren Widerstand zu artikulieren und um Protestaktionen durchzuführen“, erklärt Fabián Gil. „Doch wir brauchen Allianzen. Deshalb rufen wir nationale und internationale Organisationen, unsere Brüder und Schwestern aller indigener Völker im Hoch- und Tiefland sowie die ganze Bevölkerung Boliviens dazu auf, uns in unserem Kampf um unser Land sowie um die Verteidigung der Natur unterstützen. Ein weiterer großer Protestmarsch ist nicht ausgeschlossen.“

Dank Sozialer Netzwerke verbreiten sich Nachrichten aus dem sonst unzugänglichen Gebiet und vermitteln einen Eindruck der Besorgnis in den indigenen Gemeinden. „Ich bin zutiefst besorgt über das Straßenbauprojekt“, erklärt eine Yuracaré-Indigene in einem Videointerview und kämpft mit den Tränen. „Dabei denke ich nicht nur an uns, sondern auch an unsere Söhne und Enkel. Jetzt leben wir frei und in Frieden auf unserem Land. Doch mit der Straße wird es hier keine Tiere mehr geben – und wovon sollen unsere Enkel dann noch leben?“. Fabián Gil gibt zu bedenken, dass die Zerstörung des TIPNIS nicht nur für seine Bewohner*innen, sondern für das ganze Land Konsequenzen hätte: „Das TIPNIS ist die grüne Lunge Boliviens“, sagt er. „Es geht uns alle etwas an.“

Tatsächlich ist das Thema auch weit abseits des TIPNIS-Gebiets täglich präsent – nicht nur in den Medien, sondern auch auf den Straßen und Plätzen der drei Großstädte La Paz, Cochabamba und Santa Cruz de la Sierra. Hier sind es vor allem junge Aktivist*innen, Künstler*innen und Student*innen, die seit Wochen Protestmärsche und öffentlichkeitswirksame Aktionen aller Art organisieren. Auf dem Hauptplatz von Santa Cruz ist seit Anfang August eine Mahnwache präsent, es werden Unterschriften gesammelt und mehrmals pro Woche finden Konzerte, Film- und Theatervorführungen sowie Diskussionsforen statt, um so viele Menschen wie möglich zu mobilisieren. „Uns geht es vor allem darum, die Leute zu informieren und zu sensibilisieren“, sagt Alejandra Crespo, eine Ökonomin, die bereits an den Protesten 2011 federführend beteiligt war und heute zum harten Kern der „Bewegung für die Verteidigung des TIPNIS“ gehört.

„Wenn wir es schaffen, das Bewusstsein für den Umweltschutz und die Rechte von Indigenen zu stärken, können wir die Zukunft unseres Landes verändern“, ist sie überzeugt. „Wir müssen uns zusammenschließen, um weiter für eine bessere und gerechtere Gesellschaft zu kämpfen – weit über den Fall des TIPNIS hinaus!“ Das laute, medienwirksame Engagement dieser jungen Bewegung ist neu und reißt viele mit. „Man spricht bereits von der Generation TIPNIS“, sagt Alcides Vadillo. „Während der Kampf meiner Generation, die während einer Diktatur aufgewachsen ist, der Kampf für Demokratie war, setzen sie sich für Umweltschutz ein – und ich nehme diese Bewegung als sehr stark wahr. Dies vermittelt Hoffnung.“


Hola!

Wenn Dir gefällt, was du hier liest, dann unterstütze unsere ehrenamtliche Redaktion doch mit einem Abo! Das gibt's schon ab 29,50 Euro im Jahr. Oder lass uns eine Spende da! Egal ob einmalig 5 Euro oder eine monatliche Dauerspende – alles hilft, die LN weiter zu erhalten, Gracias ❤️

Newsletter abonnieren