Gegen Gewaltsames Verschwindenlassen Protest auf der Straße zwischen Tela y La Ceiba (Foto: Deiby Yánes)
Es war an einem Samstagmorgen um fünf Uhr und es herrschte wegen der Corona-Pandemie Ausgangsperre, als drei Fahrzeuge ohne Nummernschilder mit Schwerbewaffneten in die Garífuna-Gemeinde Triunfo de la Cruz im Norden von Honduras einfuhren. Die Bewaffneten waren maskiert und trugen Westen der Ermittlungspolizei (DPI). Sie steuerten gezielt die Häuser von Snider Centeno, Suami Mejía, Milton Martínez, Gerardo Róchez und Junior Juarez an, holten sie zum Teil aus ihren Betten und nahmen sie ohne weitere Erklärung mit. Das geschah am 18. Juli 2020. Seither fehlt von den fünf Entführten jede Spur. Drei der jungen Männer setzten sich aktiv für die Landrechte der Garífuna ein, Snider Centeno ist zudem der Gemeinderatsvorsitzende von Triunfo de la Cruz. Die Organisation Fraternal Negra de Honduras (OFRANEH), die sich seit mehr als 40 Jahren für die Rechte der Garífuna einsetzt, spricht von einem Fall gewaltsamen Verschwindenlassens, ebenso wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte.
Seit dem 18. Juli fehlt von den Entführten jede Spur
Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat den honduranischen Staat am 6. August aufgefordert, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um den Aufenthaltsort der Entführten zu ermitteln. Am 25. August hat der Staat, wie vom Gerichtshof gefordert, einen Bericht über die bisher ergriffenen Maßnahmen vorgelegt. Allerdings ist der Bericht nach Einschätzung von Miriam Miranda absolut unzureichend: „Der Bericht sagt fast nichts. Er enthält nur Sitzungsprotokolle, aber nichts Substanzielles, was Fortschritte in den Ermittlungen zeigen würde. Wir als OFRANEH weisen diesen Bericht zurück, weil er nicht dem entspricht, was der Gerichtshof vom honduranischen Staat verlangt hat.“ OFRANEH schätzt es außerdem als problematisch ein, dass mit der DPI dieselbe Polizeibehörde in die Ermittlungen einbezogen ist, die auch am Verschwinden der fünf Männer beteiligt sein könnte. Hier würde ein Interessenskonflikt bestehen.
Über das Verschwindenlassen wird kaum berichtet
Im Fall von Snider Centeno könnte es eher so sein, dass er den Aktivitäten von kriminellen Drogenbanden in die Quere kam. Denn die geschäftlichen Aktivitäten der sogenannten narcos in Honduras sind vielfältig und beschränken sich nicht allein auf den Drogenhandel. Wie OFRANEH berichtet, hatte Centeno gemeinsam mit einer Gruppe junger Leute aus Triunfo de la Cruz versucht zu verhindern, dass Mangroven für die Anpflanzung von Ölpalmen abgebrannt werden. Illegale Ölpalmenplantagen in Naturschutzgebieten gehören zum Geschäftsportfolio von narcos. Nachdem sich die Bewohner*innen Triunfos im Sommer vergangenen Jahres der Umweltzerstörung in den Weg stellten, erhielt Centeno mehrfach Drohungen, weshalb er sich im November an den Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidiger*innen gewandt hatte.
Doch die Aktivitäten von Centeno und anderen Landrechtsaktivist*innen aus Triunfo de la Cruz mögen nicht nur kriminellen Drogenbanden ein Dorn im Auge gewesen sein. Es geht auch um ihren andauernden Einsatz für die kollektiven Landrechte der Garífuna und die Umsetzung eines Urteils des Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte aus dem Jahr 2015. Dieses besagt, dass der honduranische Staat dafür zu sorgen hat, dass die Gemeinde ihren kollektiven Landbesitz an angestammten Territorien zurückerhält. Innerhalb der Gemeinde gibt es nach wie vor Grundstücke, die sich – widerrechtlich – im Besitz mächtiger Oligarch*innen befinden. Ähnlich ist die Situation in der kleineren Garífuna-Gemeinde Punta Piedra, für die der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls die Rückgabe von Grundstücken an die Gemeinde angeordnet hat. Doch in beiden Fällen tut der honduranische Staat nichts, um den Garífuna-Gemeinden ihre Territorien zurückzugeben. Denn dazu müsste er besagte Oligarch*innen enteignen und möglicherweise entschädigen. Dass sich der Staat über das Urteil eines internationalen Gerichtshofs hinwegsetzt, kann als Freibrief verstanden werden, die Garífuna weiter von ihren angestammten Territorien zu vertreiben.
„Der Staat leugnet, dass er mit seiner Weigerung, die Verantwortung zu übernehmen und seinem fehlenden politischen Willen, die Urteile umzusetzen, die Voraussetzungen für die jetzigen Taten geschaffen hat. In diesem Moment, inmitten der Pandemie, haben Verfolgung, Repression und Gewalt gegen die Garífuna-Gemeinden zugenommen. Es ist eine Auseinandersetzung darüber, wer die Territorien der Garífuna kontrolliert“, meint Miranda. Viele der 46 Gemeinden an der Nordküste des Landes haben in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Gewalt erlebt; allein im Jahr 2019 wurden 17 Garífuna ermordet. Erst im Juni dieses Jahres war in Punta Piedra der 71-jährige Antonio Bernardez verschwunden und nach einigen Tagen ermordet aufgefunden worden.