MEHR SKEPSIS ALS AUFBRUCHSTIMMUNG


© Aline Motta

Grund zur Hoffnung bestand durchaus. Nach 18 Jahren ging die Ära des Festival-Leiters Dieter Kosslick mit der letzten Berlinale zu Ende. Dieser hatte sich um das Filmfestival verdient gemacht, konnte in den letzten Jahren aber weder für größere Anziehungskraft noch für Innovation sorgen. Auf der neuen Doppelspitze aus künstlerischem Leiter Carlo Chatrian und Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek, die von einer dreiköpfigen Findungskommission (in der letztere praktischerweise selbst saß) ernannt wurde, ruhten hohe Erwartungen. Schlanker sollte die 70. Ausgabe der Berlinale werden, übersichtlicher die Sektionen, das künstlerische Niveau sollte wieder steigen. Und natürlich sollte der Anspruch an Diversität und politische Relevanz, den die Berlinale sich mehr als alle anderen großen Filmfestivals auf die Fahne schreibt, weiter erfüllt werden.

Endgültige Schlüsse sollte man vor Beginn der Veranstaltung natürlich noch nicht ziehen. Aber ein wenig Enttäuschung macht sich schon breit beim Blick auf das, was personell und programmatisch bisher passiert, oder besser, nicht passiert ist. Da wäre zunächst Jeremy Irons als Jury-Präsident. Es ist bereits 20 Jahre her, dass eine Jury-Leitung zwei Mal hintereinander von einer Frau verantwortet wurde, von mehr geschlechtlicher Diversität gar nicht erst zu sprechen. Nun wurde es mit Jeremy Irons mal wieder ein alter, weißer Mann aus Europa, der in den letzten Jahren auch noch mit sexistischen und homophoben Äußerungen (von denen er sich später allerdings distanzierte) negativ aufgefallen war. Bei den Sektionen tat sich bis auf die Abschaffung der indigenen Native-Reihe und der Einführung des neuen Formats Encounters, bei dem es schwer fällt, darin mehr als ein Panorama mit Preisverleihung zu erkennen, auch nicht besonders viel. Kurzfilme und Perspektive Deutsches Kino wurden im Umfang stark verringert, ansonsten geht es im Grunde weiter wie bisher. Für einen echten Neuanfang ist das zumindest unter Diversitätsgesichtspunkten deutlich zu wenig.

Die aktuellen Proteste in Chile sind unerwähnt

Auch, was das lateinamerikanische Kino auf dem Festival angeht, setzen sich eher die Trends der letzten Jahre fort. Das betrifft vor allem die starke regionale Konzentration der Filme. Von den bislang bekanntgegebenen 33 Beiträgen aus oder über Lateinamerika stammen 26 aus den Mercosur-Staaten. Brasilien ist dabei an nicht weniger als 18 beteiligt – eventuell ein letzter kreativer Höhepunkt, bevor die drastische Kürzung der Filmförderung durch das Bolsonaro-Regime ihre Wirkung zeigt. Chile ist „Country im Fokus“ des diesjährigen European Film Market (EFM), im Festival laufen allerdings nur zwei Beiträge mit chilenischer Beteiligung: eine Montage eines 50 Jahre alten Films und eine multinationale Produktion. Zudem wird für den EFM ein „exciting program“ versprochen, die aktuellen Proteste in Chile aber mit keiner Silbe erwähnt. Offensichtlich hat hier die Partnerschaft mit den chilenischen Regierungsinstitutionen einen höheren Stellenwert als die aktuell brisante politische Situation (siehe S. 30), die sicher auch viele Filmschaffende beschäftigt.

All das soll aber nicht die Vorfreude auf die Filme aus Lateinamerika schmälern, bei denen es sicher wieder einige Perlen zu entdecken gibt. Im Wettbewerb waren die Titel bis Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht, auf mehr als ein oder zwei Filme aus Lateinamerika sollte man sich allerdings keine Hoffnung machen. Dafür nehmen zwei Beiträge aus dem Subkontinent an der neuen Sektion Encounters teil, für die auch Preise vergeben werden. Isabella (Argentinien) handelt von einer jungen Schauspielerin in Buenos Aires, die über mehrere Jahre versucht, die Hauptrolle in einem Shakespeare-Stück zu ergattern. In Los conductos (Kolumbien) versucht der lange von der Polizei gesuchte Protagonist sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern.

Die beim Publikum beliebte Panorama-Sektion ist mit sechs Filmen aus Lateinamerika gut besetzt, vier von ihnen stammen aus Brasilien. In Cidade Pássaro macht sich der nigerianische Musiker Amadi auf die Suche nach seinem in São Paulo verschwundenen Bruder. Der trockene Wind, Vento Seco, bringt mit dem Neuankömmling Maicon Abwechslung in das eintönige (Liebes-)Leben von Sandro in einer ländlichen Kleinstadt. O reflexo do lago ist eine Dokumentation über eines der größten Wasserkraftwerke der Welt im Amazonasgebiet. Den Einwohner*innen der Region wurde durch die Schaffung des Stausees Entwicklung versprochen, stattdessen haben sie bis heute paradoxerweise nicht einmal Zugang zu elektrischen Strom. Auch Nardjes A. ist eine politische Dokumentation, in der der brasilianische Regisseur Karim Aïnouz eine junge algerische Aktivistin bei den Protesten in ihrem Heimatland begleitet. Aus Argentinien kommen die Beiträge Un crimen común, in dem der Sohn einer Hausangestellten tot aufgefunden wird, nachdem er in der Nacht zuvor nicht ins Haus gelassen wurde und Las mil y una, ein Coming-of-Age-Film, in dem Renata und Iris in einem feindseligen Umfeld ihre Zuneigung zueinander entdecken. Die meisten lateinamerikanischen Langfilme, acht an der Zahl, hat in diesem Jahr das Forum zu bieten. Vom uruguayischen Regisseur Alex Piperno kommt der Film Chico ventana también quisiera tener un submarino, in dem ein junger Matrose auf einem Kreuzfahrtschiff einen Gang entdeckt, der zu einem Apartment in Montevideo führt. El tango del viudo ist der erste und erst jetzt posthum vollendete Film des chilenischen Exil-Regisseurs Raúl Ruiz, ein Fiebertraum, der mit den Zeitebenen spielt. In Hombre entre perro y lobo (Kuba) verkörpern vier zurückgekehrte Veteranen aus dem Angola-Krieg die letzten Samurai der Revolution in den kubanischen Bergen. Luz nos trópicos handelt vom französischen Erfinder Hercule Florence, der seine Wahrnehmung der Welt während einer Amazonas-Expedition im 19. Jahrhundert völlig verändert.

Interessante Filme bietet traditionell die Jugendfilm-Sektion Generation

Dazu gibt es vier Dokumentarfilme: Responsabilidad empresarial vom argentinischen Doku-Spezialisten Jonathan Perel, über politische Spannungslinien in der jüngeren Geschichte; Medium (ebenfalls Argentinien), ein Porträt der 91-jährigen Pianistin Margarita Fernández; Ouvertures (Haiti), eine dokumentarische Recherche über den Anführer der Sklav*innenaufstände, die zur haitianischen Revolution führten und Vil Má (Brasilien), der sich mit der Sado-Maso-Künstlerin Vilma Azevedo aus São Paulo befasst.

Interessante Filme aus Lateinamerika bietet traditionell die Berlinale-Jugendfilm-Sektion Generation. Auch hier kommen drei Beiträge aus Brasilien. In Alice Júnior wird eine Trans*person in einer Schule in der brasilianischen Provinz zunächst gemobbt, verschafft sich mit Hilfe der YouTube-Community aber schließlich Respekt und Akzeptanz. Irmã ist ein experimentelles Roadmovie über zwei Schwestern, deren Vater sich nicht um sie kümmert und deren Mutter im Sterben liegt. Meu nome é Bagdá spielt im Skater*innenmilieu in São Paulo, wo Frauen auf der Straße und in Clubs gegen den dominanten Machismo kämpfen müssen. In Mamá, Mamá, Mamá (Argentinien) versucht Cléo in einem heißen Sommer gemeinsam mit ihren Cousinen den Tod ihrer Schwester zu verarbeiten. Der einzige mexikanische Beitrag der diesjährigen Berlinale ist Los Lobos: Zwei mexikanische Brüder sind mit ihrer Familie in die USA gezogen, ihr Traum von Disneyland kollidiert dabei mit der Realität. Schließlich gibt es noch den deutschen Dokumentarfilm Perro, der in Nicaragua spielt und einen jungen Mann begleitet, der bedingt durch den Bau des „Gran Canal“ seine Heimatregion verlassen und ein neues Leben in der Stadt beginnen muss. Im Programm sind außerdem noch die Kurzfilme El nombre del hijo (Argentinien), El silencio del río (Peru), Rã (Brasilien; alle in der Sektion Generation) und Playback. Ensayo de una despedida (Argentinien; Sektion Berlinale Shorts) und folgende Filme/Performances in der Sektion Forum Expanded: Apiyemiyekî?, Jogos Dirigidos, (Outros) Fundamentos, Vaga Carne, Letter from a Guarani Woman in Search of the Land Without Evil (alle Brasilien), Jiíbie (Kolumbien) und Imaginary Explosions, episode 2, Chaitén (Chile).

VIELFALT AUF DEN ZWEITEN BLICK

Monos: Eine Gruppe von acht jungen Rebellen bewacht eine Geisel in den kolumbianischen Bergen (Foto: Alejandro Landes)

Auf der letztjährigen Berlinale waren lateinamerikanische Filme in so hoher Zahl und in nahezu allen Sektionen so erfreulich präsent, dass vielleicht die eine oder andere Erwartung an ihre 69. Ausgabe zu hoch ausfallen musste. Womit aber wohl doch niemand gerechnet hatte: Keine einzige zwischen Tijuana und Ushuaia erzählte Geschichte schaffte es dieses Mal in den Wettbewerb. Nur ein Film des Brasilianers Wagner Moura läuft dort – dieser allerdings außer Konkurrenz. Auch Afrika geht leer aus. Insgesamt sind 16 der 23 ausgewählten Filme Produktionen oder Koproduktionen aus Europa (davon allein 11 aus Deutschland oder Frankreich), drei weitere Filme kommen aus Kanada und den USA. So hat das mediale Aushängeschild der Berlinale dieses Mal leider einen eurozentristischen Beigeschmack, der aus Perspek- tive des globalen Südens enttäuschend ist (übrigens im gleichen Jahr, in dem im Herzen Berlins das wegen mangelnder Sensibilität für die koloniale Geschichte seiner ethnologischen Sammlungen kritisierte Humboldtforum eröffnet werden soll). Spielten hier nach den zahlreichen Auszeichnungen für die cineastischen Beiträge des Subkontinents im letzten Jahr politische Gründe eine Rolle? Wie auch immer, für den Abschied Dieter Kosslicks – der langjährige Direktor verantwortet das Festival nun zum letzten Mal – hätten sich lateinamerikaaffine Kinofans sicher etwas anderes gewünscht.

Breve historia del planeta verde: Eine Trans*frau macht eine außerirdische Begegnung (Foto: Santiago Loza)

Die gute Nachricht: Trotz des Ungleichgewichts im Wettbewerb gibt es mit bis Redaktionsschluss 21 neuen Lang- und elf Kurzfilmen insgesamt viele lateinamerikanische Filme zu sehen. Sie konzentrieren sich mit wenigen Ausnahmen auf die Sektionen Panorama, Forum und Generation. Dabei ist Brasilien das mit Abstand am meisten gezeigte Land. Während aus Südamerika sonst nur Argentinien, Kolumbien, Peru und Chile als Schauplätze präsent sind, ist mit Costa Rica und Guatemala erfreulicherweise Mittelamerika wieder besser als zuletzt vertreten. Auch die Karibik ist mit Beiträgen aus der Dominikanischen Republik sowie Kuba (nur in ausländischen Produktionen) dabei. Mexiko komplettiert (wenn auch nur in Kurzfilmen) den Länderreigen.

Je sechs Lang- und Kurzfilme aus Lateinamerika wurden von Frauen gedreht. An diesem Punkt kann man zumindest gewisse Bemühungen um ein Gleichgewicht feststellen, auch wenn immer noch Luft nach oben ist. Thematisch gibt es wieder ein breites Spektrum von sehr politischen Themen bis zu Familiengeschichten, von LGBT*-Protagonist*innen zu Evangelikalen, von Stadt zu Land, von filmischen Biografien bis hin zu Geschichten über Aliens. Nur auf den Glamour-Faktor in Form von großen Stars muss dieses Mal verzichtet werden. Eher ist das Gegenteil Programm: Mehrere interessante Debütfilme bekamen eine Chance, dokumentarische Formen bilden einen Schwerpunkt, dazu kommt die erwähnte große Zahl von Kurzfilmen. Hinsehen lohnt sich – spätestens auf den zweiten Blick dürfte für viele etwas dabei sein.

Marighella: Die Geschichte eines Revolutionärs (Foto: © O2 Filmes)

Fast alle lateinamerikanischen Filme feiern dieses Mal auf der Berlinale ihre Weltpremiere, daher können Besprechungen erst ab dem Zeitpunkt der ersten öffentlichen Aufführung veröffentlicht werden. In dieser Ausgabe gibt es deswegen nur einen Überblick.

Im Wettbewerb hält Marighella (BRA) die Fahne des Subkontinents hoch, eine unter dem Eindruck rechter Drohungen gedrehte Filmbiografie über den gleichnamigen brasilianischen Kommunisten und Revolutionär. Walter Moura erzählt die Geschichte jenes Mannes, der als Verfasser des Minihandbuchs des Stadtguerilleros international Einfluss etwa auf die Black Panther oder die RAF hatte und 1969 zur Zeit der Militärdiktatur von der politischen Polizei ermordet wurde.

Mit zehn Beiträgen finden sich die meisten Langfilme in der an gesellschaftlichen Themen orientierten Sektion Panorama, die sich dieses Jahr nach eigenem Bekunden mit „Zeiten des Ausbruchs“ beschäftigt.

Die kapitalismuskritische Dokumentation Estou me guardando para quando o carnaval chegar (BRA) erzählt vom Leben der von der Jeansindustrie abhängigen Menschen in der Stadt Toritama, für die der Karneval die einzige Entspannung ist.

Greta (BRA) zeigt ein queeres, generationenübergreifendes Brasilien. Ein älterer schwuler Krankenpfleger nimmt einen Patienten bei sich auf, während seine Nachbarin, eine erkrankte Trans*frau, Teil der Parallelgesellschaft ist. Um eine andere Trans*frau geht es in Breve historia del planeta verde (ARG/D/BRA/E): Als Tania erfährt, dass ihre Großmutter die letzten Lebensjahre in der liebevollen Gesellschaft eines Aliens verbracht hat, reist sie mit zwei Freund*innen durch das ländliche Argentinien, um die Kreatur an ihren Ursprungsort zurückzubringen. Mit Temblores (GUA/F/LUX) stellt Jayro Bustamante, der 2015 für Ixcanul einen silbernen Bären gewonnen hatte, seinen zweiten Film vor, der vom Coming-Out eines evangelikalen Familienvaters und den Folgen erzählt. Ebenfalls um das evangelikale Milieu geht es in Divino Amor (BRA/URU/CHI/DK/NOR/SWE): Joana, Mitglied in der Sekte dieses Namens, therapiert trennungswillige Paare durch ritualisierte Sexualakte mit ihr und ihrem Mann, ihre Beziehung und ihr Glaube leiden jedoch unter dem unerfüllten Kinderwunsch.

Monos: Eine Gruppe von acht jungen Rebellen bewacht eine Geisel in den kolumbianischen Bergen (Foto: Alejandro Landes)

La Arrancada (F) ist ein Porträt der Familie der kubanischen Leistungssportlerin Jenniffer und gleichzeitig das ihres Landes im Wandel. In Los miembros de la familia (ARG) kommen Geheimnisse eines Geschwisterpaares ans Licht, die aufgrund äußerer Umstände in einem verlassenen Haus festsitzen.

Monos (KOL/ARG/NL/D/DK/SWE/URU) befasst sich mit dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien: Eine Gruppe von acht jungen Rebellen bewacht eine Geisel in den kolumbianischen Bergen, als ein Zwischenfall mit ihrer Kuh eine Überlebensschlacht auslöst.

La fiera y la bestia (DOM/ARG/MEX) erinnert in Form eines traumwandlerischen Spielfilms an den ermordeten dominikanischen Filmemacher Jean-Louis Jorge. Und Joanna Reposi montiert in Lemebel (CHI/KOL) einen hypnotischen Bilderfluss zu ihrem Porträt des 2015 verstorbenen chilenischen Autors, Aktivisten und Performancekünstlers Pedro Lemebel.

Das Forum bleibt gemäß der Maxime „Risiko statt Perfektion“ seiner bekannten Experimentierfreudigkeit treu. In Antonella Sudasassis erstem Spielfilm El despertar de las hormigas (COR/E) geht es um weibliche Sexualität und Selbstbestimmung in einer lateinamerikanischen Gesellschaft. Das Leben der 30-jährigen Isabel orientiert sich an den Erwartungen ihrer Familie, sie beginnt jedoch langsam mehr an sich selbst zu denken. In Camila Freitas Debüt, dem Dokumentarfilm Chão (BRA), kämpfen Landarbeiter*innen mittels politischem Aktivismus für Land und die ökologische Bewirtschaftung der Erde. Lapü (KOL) dreht sich um das Ritual der zweiten Beerdigung bei den Wayuu, das für diese indigene Gruppe aus dem Norden Kolumbiens eine große Bedeutung hat. In Fern von uns (ARG) sehen wir die Geschichte der Wiederannäherung von Ramira an ihre Mutter, ihren dreijährigen Sohn und die Gemeinschaft deutschstämmiger Bauern im argentinischen Regenwald. Auf der anderen Seite der Grenze gibt Marcelo in Querência (BRA/D) in der brasilianischen Pampa nach einem Überfall seinen Job als Cowboy auf und findet als Ansager bei Rodeo-Shows ein neues Leben.

Vom 40-jährigen, HIV-positiven Marcelo aus São Paulo erfahren wir in A rosa azul de Novalis (BRA), dass er ein besonderes Verhältnis zu Büchern hat, insbesondere Novalis’ Romanfragment Heinrich von Ofterdingen, aus dem er nackt und in ungewöhnlicher Leseposition vorträgt.

Als Bonus wird retrospektiv Nuestra voz de tierra, memoria y futuro aus dem Forums-Jahr 1982 gezeigt. Die Dokumentation des Kampfes eines indigenen Dorfes in Kolumbien um sein Land ist ein eindrückliches Werk des politischen Kinos.

Das Forum expanded steuert noch vier Kurzfilme bei: Fordlandia malaise berichtet von einer Fabrikstadt, die Henry Ford in den 1920ern in den Amazonasurwald bauen ließ, Parsi aus Argentinien schafft ein repetitives, virtuelles Gedicht, Vivir en junio con la lengua afuera ist eine Hommage an den kubanischen Autor und Dissidenten Reinaldo Arenas. Der Inhalt des brasilianischen O ensaio war bis Redaktionsschluss noch unbekannt.

By the Name of Tania: Schicksal einer jungen Frau aus dem Amazonasgebiet Perus (Foto: © Clin d’oeil Films)

In der Jugendfilm-Sektion Generation gibt es drei Dokumentationen zu sehen. Bei der hochaktuellen Arbeit Espero tua (re)volta (BRA) von Eliza Capai ist der Name Programm. Ausgehend von der sich zuspitzenden Sozialkrise in Brasilien, während der Schüler*innen im Kampf gegen Schulschließungen mehr als tausend öffentliche Gebäude besetzten, zeichnet sie Protestereignisse zwischen 2013 und der Wahl des rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro 2018 nach. By the name of Tania (BE/NL) konfrontiert uns mit dem Schicksal einer jungen Frau aus dem Amazonasgebiet Perus, die bei dem Versuch, der Enge ihres Heimatdorfs zu entkommen, in die Fänge der Zwangsprostitution gerät und dabei ihrer moralischen und physischen Integrität beraubt wird. Baracoa (CH/KOL/USA) gibt vor dem Hintergrund einer Gesellschaft im Wandel Einblicke in den privaten Kosmos einer kindlichen Freundschaft im ländlichen Kuba.

Los Ausentes: Musik für die Toten (Foto: José Lomas Hervert)

Vier Kurzfilme komplettieren das Generation-Programm: In der kolumbianischen Fabel El tamaño de las cosas steht die Größe von Dingen zu Wünschen in Beziehung, das Musiktrio eines mexikanischen Jungen muss in Los ausentes mit nur drei Songs Repertoire eine Totenwache bestreiten, und Mientras las olas handelt von der Bewältigung einer Identitätskrise. Der Inhalt von Los rugidos que alejan la tormenta war bei Redaktionsschluss noch unbekannt (beide Argentinien).

In der Rubrik Kulinarisches Kino sind im Dokumentarfilm Sembradoras de vida (PER) Bäuerinnen im Hochland von Peru zu sehen, die trotz Bedrohungen durch den Klimawandel an alten Traditionen festhalten. Der Kurzfilm La herencia del viento widmet sich der Verbundenheit eines mexikanischen Bauers mit der Natur.

Die Berlinale Shorts warten schließlich noch mit zwei Beiträgen auf: In Héctor erscheint ein geheimnisvolles androgynes Wesen bei Arbeitern in einer chilenischen Fischerbucht, und in Shakti will sich ein argentinischer Mann von seiner Freundin trennen, die ihm zuvorkommt.

 

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