„KEINER VON BEIDEN IST POLITISCH LEGITIMIERT”

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EDGARDO LANDER
hat in Harvard Soziologie studiert und ist emeritierter Professor für Soziologie an der Zentralen Universität in Caracas (UCV). Er gilt als einer der profiliertesten linken Intellektuellen in Venezuela und als kritischer Unterstützer des bolivarianischen Prozesses. Seine Themen sind unter anderem Kritik des Eurozentrismus, soziale Bewegungen und Neoextraktivismus in Latein­amerika.

Foto: Tilman Vogler


Seitdem sich Juan Guaidó am 23. Januar dieses Jahres selbst zum Interimspräsidenten ernannt hat, beanspruchen sowohl er, als auch Präsident Nicolás Maduro für sich, rechtmäßig im Amt zu sein. Wer ist Ihrer Meinung nach legitimiert?
Keiner von beiden. Die Regierung hat nach ihrer Niederlage bei den Parlamentswahlen 2015 beschlossen, sich mit allen Mitteln an der Macht zu halten. Dabei missachtet sie die Verfassung, denn bis dahin gab es immer noch freie Wahlen, mit einem überdurchschnittlich transparenten Wahlprozess und einem Wahlsystem, mit nahezu fehlerfreier technischer Infrastruktur. Heute stehen wir vor dem Problem, dass die Regierung die Wahl- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der venezolanischen Bevölkerung einschränkt. Es gibt aber auch Gründe, die Position von Guaidó abzulehnen. Dieser steht für ein Projekt des Regime Change, das von außerhalb kommt. Die rechte Opposition verkennt dabei die venezolanische Realität. Denn noch immer unterstützt ein Großteil des Militärs Maduro. Und auch in der Bevölkerung gibt es noch immer einen großen Rückhalt für den Chavismus, beziehungs­weise dessen Weiterführung unter Maduro, auch wenn die Zustimmung gesunken ist.

Seit dem 7. März gab es eine Reihe landesweiter Stromausfälle. Die Regierung beschuldigt die Opposition und die USA der Sabotage. Diese wiederum bringen schlechte Wartung und Korruption innerhalb der Regierung als Grund für die Stromausfälle vor.  Was halten Sie von den Beschuldigungen und Erklärungen?
Die venezolanische Gesellschaft ist so stark polarisiert, dass die Anhänger beider Lager in unterschiedlichen Wirklichkeiten leben. Das macht es so schwierig, ein Thema zu verhandeln, weil es nicht nur um die Interpretation geht.
Das venezolanische Stromnetz verfällt seit Jahren. Das liegt zum einen an der Korruption und zum anderen daran, dass Militärs an die Spitze von Stromunternehmen gesetzt wurden, die überhaupt keine Kompetenzen auf dem Gebiet haben.
Auf der anderen Seite kann man aber auch davon ausgehen, dass ein Interesse besteht, diese Situation auszunutzen und der Regierung zusätzlich Probleme zu bereiten. Und ein so anfälliges Stromnetz ist eben sehr leicht anzugreifen. Ich schließe also nicht aus, dass es sich in einigen der Fälle um Sabotage gehandelt hat, aber eben begünstigt durch ein sehr anfälliges System.

Sie gehören gemeinsam mit anderen Akademiker*innen, Aktivist*innen und früheren Minister*innen unter Chávez der Bürgervereinigung zur Verteidigung der Verfassung an. Was schlagen Sie als Ausweg aus der Krise vor?
Im Moment haben wir eine Situation, in der sich zwei Kräfte in einer Freund-Feind-Logik gegenüberstehen und sich gegenseitig politisch auslöschen wollen. Um einen Krieg zu verhindern, müssen wir zu einer politischen Einigung kommen. Um das auf demokratischem, friedlichem und verfassungskonformem Weg zu erreichen, ist die beste Option ein Konsultativreferendum, das von beiden Seiten ausgehandelt werden muss. Die Bevölkerung könnte somit darüber abstimmen, ob sie Neuwahlen aller staatlichen Gewalten will.
Aus unserer Sicht würden Verhandlungen es dem Chavismo ermöglichen, sich als politische Bewegung wieder neu zu formieren und weiterhin im Land zu agieren und zu existieren. Bei einem Regime Change, der die Regierung einfach ausradieren würde, wäre das keine Option.

Was denken Sie über die Rolle der EU in Bezug auf die Situation in Venezuela?
Dadurch, dass sie Guaidó anerkannt hat, hat die so genannte internationale Gemeinschaft Verhandlungen eher erschwert als sie zu unterstützen, weil das die Fronten verhärtet. Es ermutigt die Leute, die sich hinter Guaidó versammeln, weil sie ihn durch die internationale Unterstützung als rechtmäßigen Übergangspräsidenten sehen. Maduro wiederum wird zum Beispiel weiterhin von den Regierungen Chinas und Russlands anerkannt, übt die Kontrolle über die staatlichen Institutionen aus und kann sich auf das Militär und die chavistischen Gruppen verlassen, die immer noch aktiv sind und über großes Mobilisierungspotenzial verfügen. Dass die meisten Mitgliedsstaaten der EU also nicht an Verhandlungen interessiert sind, sondern einzig daran, Maduro aus dem Amt zu befördern, ist sehr schädlich und verringert die Möglichkeiten einer Verhandlungslösung.

Sie haben sich gemeinsam mit der Bürgervereinigung im Frühjahr mit Guaidó getroffen. Warum?
Weil er gewählter Parlamentspräsident ist. Die beiden institutionellen Sektoren in dem Machtkampf bestehen aus Regierung und Nationalversammlung. Die Haltung dieser beiden Sektoren bringt Venezuela an den Rand eines Krieges. Also haben wir beiden Seiten ein Referendum vorgeschlagen und sie auf ihre Verantwortung hingewiesen. Dafür haben wir um Treffen mit Guaidó und Maduro gebeten. Das Treffen mit Guaidó wurde von vielen Linken, besonders auch im Ausland, als eine Art Anerkennung für ihn gewertet. Wir haben uns aber mit ihm in seiner Funktion als Parlamentspräsident getroffen und nicht als Staatspräsident und das auch öffentlich gesagt. Genauso haben wir einen Brief mit der Bitte auf ein Treffen mit Maduro eingereicht. Drei Tage in Folge haben wir versucht, diesen Brief im Präsidentenpalast Miraflores abzugeben. Doch sie haben ihn nicht mal entgegengenommen. Das zeigt ihre Haltung zum Dialog.

Im Februar 2016 schuf Maduro per Dekret den Minenbogen des Orinoco (Arco Minero), eine Fläche von fast 112.000 Quadratmetern für den Bergbau. Was steckt dahinter?
Aufgrund des Preisverfalls für Erdöl und dem stetig fallenden Förderniveau hat sich die venezolanische Regierung, anstatt Wege zur Diversifizierung der Wirtschaft zu finden, erneut für den Extraktivismus entschieden. In diesem Fall für den Bergbau, denn im Gebiet des Minenbogens gibt es bedeutende Vorkommen von Eisen, Aluminium, Coltan, seltenen Erden und natürlich ganz besonders Gold. Die Regierung sieht hier also das neue El Dorado mit dem die gesunkenen Erdöleinnahmen aufgewogen werden sollen. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es einen Anstieg des illegalen Kleinbergbaus in dieser Region, der durch die Verwendung von Quecksilber nicht nur der Umwelt schadet, sondern auch negative Auswirkungen auf die dort lebenden Indigenen hat. Und nun hat die Regierung beschlossen, dies im großen Stile und unter Mitwirkung von transnationalen Unternehmen weiterzuführen.
Bisher ist die multinationale Beteiligung gering. Was nicht etwa daran liegt, dass die Regierung ihnen hinsichtlich Zollauflagen, Steuern oder Protestunter­drückung nicht genug Garantien gegeben hätte, sondern weil das ganze juristisch unter sehr unsicheren Umständen stattfindet. Es verstößt gegen die Verfassung, die Rechte der Indigenen sowie Arbeits- und Umweltrecht. Und die politische Instabilität des Landes tut natürlich ihr übriges dazu.

Steht die Gründung spezieller Wirtschaftszonen im Widerspruch zur offiziellen Politik der Regierung?
Die Entstehung des Minenbogens und das neue Gesetz, das von der Verfassunggebenden Versammlung zum Schutz ausländischer Investition verabschiedet wurde, entsprechen offensichtlich neoliberalen Interessen. Und das Beharren der Regierung auf dem extraktivistischen Modell bildet keinen Widerspruch zum globalen Wirtschaftsmodell, es stellt auch keinen Bruch mit der kolonialen Unterordnung in der internationalen Arbeitsteilung und mit der Rolle dar, die Lateinamerika historisch als Rohstofflieferant zukommt. Die Konsequenzen sind Umweltzerstörung, ein hohes Gewaltaufkommen bewaffneter Gruppen, die untereinander um das Gebiet kämpfen. Es ist ein Niemandsland, in dem alle Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen werden. Die indigenen Gemeinden der Region sind stark von der Gewalt betroffen und viele müssen im Bergbau arbeiten, weil ihre Lebensgrundlage zerstört wird. Mädchen werden entführt und in den Bergbaulagern zur Prostitution gezwungen.

Welche Arten des Widerstands haben sich dagegen entwickelt?
Es gibt die Plattform gegen den Minenbogen, ein Kollektiv von jungen Leuten, die aktiv sind im Kampf für Umweltrechte, Demokratie und Indigenen-Rechte und die auch schon Kampagnen zur Analyse der Situation gemacht haben. Aber der Protest ist leider sehr schwierig. Erstens, weil es in Venezuela schon lange eine auf Rohstoffexporten basierte Ökonomie gibt. Der Großteil der Bevölkerung lebt aber in den Städten, also weit weg von den Orten der Förderung, wo all das passiert. Es ist kein kollektives Bewusstsein vorhanden, das so weit reicht, die Größe des Problems zu erkennen. Zweitens sind die alltäglichen Probleme und die politische Polarisierung so groß, dass nicht nur im privaten Alltag sondern auch in den Medien über andere Dinge gesprochen wird.

 


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“NINGUNO DE LOS DOS TIENE LEGITIMIDAD POLÍTICA”

EDGARDO LANDER
estudió sociología en Harvard y es profesor emérito en la Universidad Central de Venezuela (UCV). Es uno de los más famosos intelectuales de izquierda en Venezuela y  crítico defensor del proceso bolivariano. Sus temas son entre otros la crítica del eurocentrismo, los movimientos sociales y el neo-extractivismo en Latinoamérica.

Foto: Tilman Vogler


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Desde que Juan Guaidó se proclamó presidente interino el 23 de enero ha estado intentado llegar a la fuerza al poder. Ahora, los dos, tanto el Presidente Maduro y Juan Guaidó, dicen ser legítimos. En su opinión, ¿goza alguno de los dos de legitimidad?

Yo creo que no, ninguno de los dos. Desde las elecciones parlamentarias del año 2015 cuando el gobierno actual perdió muy fuertemente, claramente, se decidió preservar el poder a como diera lugar. Hay realmente una ruptura del orden constitucional muy clara. Hasta el 2015 habían habido elecciones libres, había un proceso electoral extraordinariamente transparente con un sistema electoral, con todo una infraestructura tecnológica electoral, prácticamente a prueba de trampas. Ya cuando se convoca la Asamblea Nacional Constituyente se lo hace violando las normas constitucionales porque no se le preguntó a la población si quería derogar la Constitución del año 99. Cuando se nombra una Asamblea Nacional Constituyente cien por ciento del gobierno esta Asamblea se autoproclama una Asamblea Plenipotenciaria, es decir, supraconstitucional, o sea, una Asamblea todo poderosa sin contrapeso alguno, lo que implica la derogación de la constitución del 99. No hay nada que esa Asamblea pudiese hacer que fuera anticonstitucional porque se había asumido como supraconstitucional. Entonces, ya a partir de ese momento no hay Constitución.

Efectivamente hay un gobierno que viene violando paso a paso las elecciones de una forma ya muy sistemática desde el 2015 y cerrando todos los canales posibles de consulta de la población en Venezuela. Por otro lado, con respecto a la postura de Guaidó hay razones también para rechazarlo como una salida viable. Este proyecto de cambio de régimen es un proyecto que está diseñado desde afuera. El sector más de derecha, la actual oposición, en este caso dirigido por Voluntad Popular, supone que el gobierno es un gobierno que está a punto de caer y que para eso sólo hace falta un empujoncito final. Esto efectivamente no es lo que está ocurriendo. La derecha tiene un desconocimiento muy grande de la realidad venezolana. No ven que la mayoría de la Fuerzas Armadas Venezolanas continua apoyando a Maduro y el hecho de que a pesar de que el apoyo popular chavista al gobierno hoy es muy inferior a lo que fue en épocas anteriores, éste, sin embargo, sigue existiendo.

 

Desde el 7 de marzo comenzaron una serie de apagones de luz en todo el país. El gobierno acusa a la oposición y a los Estados Unidos de sabotaje. Por otro lado, la oposición los explica por el mal mantenimiento, descuido y corrupción del gobierno. ¿Qué piensa Usted de estas explicaciones y de las acusaciones mutuas?

En Venezuela la sociedad está tan polarizada, que parecen dos mundos divididos que se retroalimentan y, a la vez, se cierran sobre sí mismo. Cada uno de los sectores vive en su propio mundo con una interpretación de una realidad propia. Entonces, eso hace extremadamente difícil el abordar un asunto tan crítico para la sociedad venezolana como es la crisis eléctrica porque no es solo un asunto de interpretación sino un asunto de los datos mismos.

Durante ya varios años el sistema eléctrico venezolano vive un proceso de franco deterioro. Esto tiene que ver en primer lugar con la corrupción y el nombramiento de militares como jefes de la Empresa Eléctrica, quienes no tienen competencias en el ámbito. Pero, por otra parte, uno también puede suponer que hay un interés claro en aprovechar la situación para generarle dificultades al gobierno, y un sistema eléctrico tan precario es muy fácil de sabotear. Yo por eso no descartó que en algunos de los últimos acontecimientos haya habido saboteo, pero en todo caso, el saboteo se ha dado sobre la precariedad del sistema.

 

¿Cómo ve Usted que la polarización política afecta a los venezolanos?

El tejido social de la sociedad venezolana se ha descompuesto de una forma dramática durante estos años. Hay familias que se han roto como familia, que no pueden convivir como tales. En mi experiencia, por ejemplo, en la vida universitaria, equipos de investigación y colectivos de trabajo que durante muchos años venían trabajando juntos, han llegado al punto de perder la capacidad de trabajar conjuntamente por los enfrentamientos políticos, se ha generado una desconfianza mutua.

 

Usted pertenece junto con otros activistxs, académicxs y exministrxs del Presidente Chavez a La Plataforma en Defensa de la Constitución de la República Bolivariana de Venezuela. ¿Cuál es su propuesta como salida a la crisis?

En el contexto actual, nos encontramos, por un lado, con un gobierno que intenta mantenerse en el poder sin importarle a qué precio, usando para ello la represión sistemáticamente y, por otro lado, con la opción de una salida violenta con apoyo militar de parte de los Estados Unidos, sumado a los bloqueos económico. En este momento se está manejando una lógica de amigo-enemigo, dos fuerzas que se oponen e intentan eliminarse entre sí. Por eso, desde la plataforma pensamos que evitar la guerra requiere necesariamente algún acuerdo político. Un acuerdo político que busque una salida que sea democrática, pacífica, electoral y constitucional, lo más cercano que existe es la oportunidad de un referéndum consultivo.

Desde la plataforma pensamos que en lugar de esta lógica de amigo-enemigo y de este intento de eliminar al otro, es necesario partir del reconocimiento del otro. Este reconocimiento implica la aceptación de la existencia del otro, implica reconocer que el otro también tiene intereses, también tiene la necesidad de sobrevivir. Es también reconocer la posibilidad de un referéndum en el que se plantee la pregunta sobre una posible renovación de todos los cargos nacionales. Esto significarían elecciones presidenciales, elecciones para la Asamblea Nacional con el nombramiento, entonces, de un Consejo Nacional Electoral y un nuevo Tribunal Supremo de Justicia que permitan reordenar el juego político y en esas nuevas condiciones, hacer esas nuevas elecciones.

Una salida negociada puede ofrecer al gobierno la posibilidad de una continuidad del proyecto político bolivariano a futuro. Algo, que sería muy difícil si se mantiene esta lógica en la que el cambio de régimen se da a través de la eliminación de una de las partes.

 

¿Qué piensa Usted del rol de la Unión Europea?
A través del reconocimiento de Guaidó por la mayoría de los países de la Unión Europea, lejos de empujar hacia una salida negociada, se están creando obstáculos aún más severos para un posible acuerdo. Están envalentonando a la gente que se organiza en torno a Guaidó, porque con este reconocimiento le otorgan el apoyo internacional para considerar a Guaidó y a los que lo acompañan como gobierno legítimo. Por otra parte, el gobierno de Maduro sigue contando con un apoyo fuerte. No solo el apoyo de China y Rusia, sino que sigue contando con el control de las instituciones del estado y con las Fuerzas Armadas, así como con una militancia chavista que sigue siendo activa, fuerte y con capacidad de movilización. Entonces, estos países que reconocen a Guadió ponen el énfasis en la salida inmediata de Maduro. Con esto hacen mucho daño, porque dificultan cualquier posibilidad de negociación.

 

La Plataforma también se reunió con Juan Guaidó, ¿con qué fin?

Estos dos sectores están representados institucionalmente por un lado el presidente de la República y por otro la Asamblea Nacional. Las políticas de estos dos sectores son las que están generando esta amenaza de guerra. Decidimos plantearle a ambas partes la propuesta del Referéndum llamándoles la atención sobre la responsabilidad que ambos sectores tienen con respecto a la forma en la que están conduciendo estas políticas.

Decidimos pedir una reunión con Guaidó y Maduro por separado. Tuvimos la reunión con Guaidó que fue interpretada por mucha gente de la izquierda, sobre todo de la izquierda fuera de Venezuela, como una especie de reconocimiento de Guaidó. Nosotros nos reunimos con él por su posición como presidente de la Asamblea Nacional pero no en tanto presidente de la República. Esto lo dijimos públicamente.

Igualmente presentamos una carta solicitando la entrevista con Maduro. Durante tres días seguidos llevamos la carta a Miraflores, las tres veces, ¡se negaron incluso a recibir la carta! Ésta es la disposición que tienen para dialogar.

 

En febrero del 2016 fue creado el Arco Minero del Orinoco, una zona de casi ciento doce mil kilómetros cuadrados para la explotación minera. ¿Qué se encuentra detrás de este proyecto?

Como consecuencia de la baja del precio del Petróleo, en primer lugar, y del progresivo colapso del nivel de producción, en segundo lugar, el gobierno venezolano en vez de reconocer el fin de la era del rentismo y buscar otras rutas, otras direcciones de la economía, optó por un nuevo rentismo, el rentismo minero. En esta zona del arco minero hay inmensas reservas de minerales de todo tipo: hierro, aluminio, coltán, tierras raras, minerales radioactivos y sobre todo oro. Entonces el gobierno decidió que esto era como el nuevo “El Dorado” y que era posible sustituir la baja del ingreso petrolero por grandes ingresos a través de esta vía. Ya durante los últimos diez años anteriores, más o menos, ha habido un incremento de la minería ilegal, irregular, en esta zona minera en pequeña escala, la cual había hecho mucho daño ambiental. El uso de mercurio y la devastación ecológica también impactó sobre los pueblos indígenas de la zona. Y ahora el gobierno se decide a convertir esto a gran escala con la participación de empresas transnacionales.

La participación de las transnacionales en este proyecto ha sido bastante limitada. Y esto no por las condiciones que ofrece el gobierno, sino por el hecho de que hay una extrema inseguridad jurídica. En primer lugar, porque todo esto representa una violación de la constitución: de la Ley de Pueblos Indígenas, la Ley Laboral, las Leyes Ambientales, y, en segundo lugar, por la inestabilidad política del país obviamente.

 

¿Considera que la creación de esta zona económica especial está en contradicción con la política oficial del Gobierno?

Hay una contradicción muy fuerte entre el contenido de la constitución y lo que efectivamente es la política que está llevando a cabo en el gobierno. Las condiciones con la que se creó el Arco Minero, así como la nueva ley aprobada por la Asamblea Nacional Constituyente de protección de la inversión extranjera son claramente decisiones neoliberales. Entonces, la orientación general del gobierno en términos del extractivismo, claramente no representa una ruptura con el modelo económico global, no representa una ruptura con la intercesión colonial y no representa tampoco un quiebre con el rol clásico que se le atribuye a América Latina como exportadora de materias primas.

Quiero insistir que hoy hay un proceso de devastación muy, muy severo. Hay unos niveles de violencia increíble en una especie de terreno de nadie donde todos los conflictos se resuelven por la vía de las armas. Hay un atropello muy violento sobre las comunidades indígenas de la zona y hay muchos indígenas que están metidos a la minería porque sus condiciones de vida están siendo devastadas y no les va quedando más remedio. Hay niñas indígenas que son raptadas y llevadas a la prostitución en los campos mineros.

 

¿Cuáles manifestaciones o grupos de resistencia se han formado en contra?

Existe por ejemplo la “Plataforma en contra del Arco Minero” que es un colectivo de gente fundamentalmente joven que viene de luchas ambientales, pero que también luchan por la democracia y por los derechos de los pueblos indígenas. Esta gente ha venido realizando campañas sistemáticamente para analizar esta situación. Sin embargo, el día a día de la situación venezolana y la sobre-determinación de la polarización política hacen muy muy cuesta arriba que exista la posibilidad de una consciencia política más ampliamente compartida en este asunto.


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ERNEUTES FIASKO

„Die Gegenwart heißt kämpfen” Präsident Nicolás Maduro will Chavez’ Erbe in die Zukunft retten ( Foto: John Mark Shorack)

 

Das Video schien es in sich zu haben: Am frühen Morgen des 30. April zeigte sich der venezolanische Oppositionsführer Juan Guaidó gemeinsam mit seinem eigentlich unter Hausarrest stehenden Mentor Leopoldo López und einer Reihe von Soldaten auf Twitter. Er behauptete, maßgebliche Teile des Militärs hinter sich zu haben und erweckte den Eindruck, bereits die Luftwaffenbasis La Carlota im Osten der venezolanischen Hauptstadt Caracas zu kontrollieren. Die Endphase der so genannten „Operación Libertad“ (Operation Freiheit) habe begonnen, um die „Usurpation“ des Präsidentenamtes durch Nicolás Maduro zu beenden. Das übrige Militär wurde von Guaidó dazu aufgerufen, überzulaufen; seine Anhänger*innen bat er, sich zum Luftwaffenstützpunkt zu begeben. López, den die Opposition bis dahin als den prominentesten politischen Gefangenen des Landes betrachtete, war in der Nacht anscheinend mit Hilfe seiner Bewacher*innen entkommen. Bis zu seiner Verhaftung im Februar 2014 koordinierte er die Oppositionspartei Voluntad Popular, der auch Guaidó angehört. Wegen seiner Rolle bei den gewalttätigen Straßenprotesten Anfang 2014 war López in einem umstrittenen Verfahren zu fast 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden, die er seit Mitte 2017 im Hausarrest absaß.

Wahrscheinlicher ist, dass Guaidó ohne Hilfe von außen wohl nicht so schnell an die Macht kommen wird

Für ganz kurze Zeit wirkte es, als stehe der Sturz von Präsident Maduro dieses Mal tatsächlich bevor. Doch es dauerte nicht lange, bis der Bluff aufflog. In Wahrheit waren es nur wenige Dutzend einfache Soldaten, die sich auf der Stadtautobahn nahe der Militärbasis postiert hatten. Einige von ihnen zogen sich von dort später zurück und gaben an, von ihren Vorgesetzten aus der Kaserne beordert worden zu sein, ohne zu wissen, dass es sich um einen Einsatz unter der Leitung Guaidós handelte. Offenbar wollte der venezolanische Oppositionsführer mit den machtvoll inszenierten Bildern eine Kettenreaktion in Gang setzen, um den durch seine Selbstausrufung zum Interimspräsident am 23. Januar eskalierten Machtkampf zu entscheiden. Die Folgen wären unkalkulierbar gewesen: Hätten sich tatsächlich größere Truppenkontingente hinter Guaidó gestellt, andere jedoch weiterhin die Regierung gestützt, wären Tote wohl unvermeidlich gewesen. Die Aufrufe an den Rest des Militärs verhallten jedoch ungehört und auch Guaidós Anhänger*innen strömten nur in geringer Anzahl auf die Straße, wo es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften kam. Verteidigungsminister Vladimir Padrino stellte sich einmal mehr hinter Präsident Maduro und versicherte, im Militär sei landesweit alles ruhig. Maduro bekräftigte, sämtliche Kommandanten hätten ihm ihre „absolute Loyalität“ versichert. Vor dem Präsidentenpalast Miraflores im Westen von Caracas versammelten sich tausende Regierungsanhänger*innen, um Maduro gegen den von der Regierung als Putschversuch gewerteten Vorfall zu schützen.

Vertreter der US-amerikanischen Regierung unterstützten das Vorgehen Guaidós. Auch andere Regierungen, die sich im Machtkampf früh hinter Guaidó gestellt hatten, stärkten diesem den Rücken. Etwa der deutsche Außenminister Heiko Maas, der sich gerade auf einer viertägigen Lateinamerikareise befand, die ihn nach Brasilien, Kolumbien und Mexiko führte. John Bolton, der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, drohte dem venezolanischen Verteidigungsminister und anderen Funktionären auf Twitter, dies sei die „letzte Chance“, die Seiten zu wechseln. US-Außenminister Mike Pompeo behauptete in einem Fernsehinterview, Maduro habe in einem bereits auf dem Rollfeld wartenden Flugzeug das Land in Richtung Kuba verlassen wollen, sei von der russischen Regierung jedoch davon abgehalten worden. Elliot Abrams, der US-Sondergesandte für Venezuela erklärte, Maduros Abgang sei ausgehandelt gewesen, die verantwortlichen venezolanischen Funktionäre hätten aber plötzlich ihre Mobiltelefone ausgeschaltet.

Jenseits der kreativ wirkenden US-Behauptungen und zahlreicher Gerüchte blieb weitgehend unklar, was tatsächlich hinter dem improvisiert und dilettantisch wirkenden Umsturzversuch steckt. Die Aktion fand genau einen Tag vor einer für den 1. Mai geplanten Großdemonstration statt, die Guaidó großspurig als die größte „in der Geschichte Venezuelas“ angekündigt hatte. An Spekulationen über seine Motive mangelt es nicht: Warum wartete Guaidó nicht bis zum 1. Mai? Wollte er einer möglicherweise geplanten Verhaftung zuvorkommen? Dachte er wirklich, dass die Militärführung mitziehen würde? Wollte er gar eine gewalttätige Reaktion der Maduro-Regierung provozieren, um eine US-Militärintervention zu rechtfertigen?  Fest steht, dass Guaidó nach 100 Tagen als selbsternannter Interimspräsident unbedingt die Aussicht auf einen Regierungswechsel aufrecht erhalten muss, damit sich die rechte Opposition nicht wieder intern zerstreitet. Doch der Tag endete damit, dass Guaidó untertauchte und Leopoldo López zunächst in der chilenischen Botschaft und anschließend in der Residenz des spanischen Botschafters Zuflucht suchte und fand.

Später am Abend veröffentlichte Guaidó dann ein weiteres Video, in dem er zur Teilnahme an der Großdemonstration am 1. Mai aufrief und versicherte, dass Maduro „nicht die Unterstützung der Streitkräfte“ habe. Dieser wiederum wendete sich in einer Fernsehansprache nach stundenlangem Schweigen an die Bevölkerung. Er warf den Strippenziehern des Putschversuches vor, ein „Massaker“ provozieren zu wollen und sagte, diese Aktionen könnten „nicht straffrei“ bleiben. Die Behauptung, er habe das Land verlassen wollen, wies Maduro im Beisein des Verteidigungsministers Padrino zurück.

Auch am 1. Mai kam es zu Ausschreitungen. Laut den oppositionellen Menschenrechtsorganisationen Provea und Foro Penal kamen an den beiden Tagen insgesamt 5 Menschen ums Leben, mindestens 130 wurden verletzt und 273 festgenommen. Insgesamt gingen offenbar weitaus weniger Menschen auf die Straße, als Guaidó gehofft hatte. Er kündigte an, den Druck aufrecht zu erhalten und mit einer Reihe „gestaffelter Streiks“ auf einen Generalstreik hinzuarbeiten. Leopoldo López, der mittlerweile per Haftbefehl gesucht wird, versicherte gegenüber der Presse, sich in seinem Hausarrest mit zahlreichen Militärs getroffen zu haben und prognostizierte weitere Erhebungen. Tatsächlich ist nicht ausgeschlossen, dass Teile des Militärs früher oder später doch noch die Seiten wechseln, zumal sich die ohnehin schon schwierige wirtschaftliche Lage durch die US-Sanktionen rasch zu einer humanitären Krise auswachsen könnte. Doch wahrscheinlicher ist, dass Guaidó ohne Hilfe von Außen wohl nicht so schnell an die Macht kommen wird. Da der Machtkampf festgefahren zu sein scheint, bleibt der einzig gangbare Ausweg ein Dialog. Doch auch die Rufe nach einer US-Militärintervention werden seit dem 1. Mai wieder lauter.

 


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ERSTICKEN WIE DARTH VADER

Darth Vader: Methodisches Vorbild für Trumps Sicherheitsberater John Bolton (Foto: Josh Hallet, CC-BY-SA 2.0)

Wer eine unterhaltsame Nachhilfestunde in venezolanischem Verfassungsrecht haben will, kann derzeit auf die offiziellen Pressekonferenzen westlicher Regierungen zurückgreifen. So etwa Mitte März, als der US-Sondergesandte für Venezuela und frühere Unterstützer von Todesschwadronen in Zentralamerika, Elliot Abrams, die oppositionelle Interpretation der Magna Charta zum besten gab. Diese bestimmt in Artikel 233 für den Fall der absoluten Abwesenheit des Präsidenten, dass der Parlamentsvorsitzende vorübergehend einspringt. Auf die Frage, warum Venezuelas selbst ernannter Übergangspräsident Juan Guaidó nicht wie laut Verfassung vorgesehen innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen ausgerufen habe, beteuerte Abrams, die 30 Tage zählten „ab dem Tag, an dem Maduro geht“. Nach mehreren Rückfragen versicherte er, Guaidó sei selbstverständlich dennoch Interimspräsident, nur eben „nicht in der Lage, diese Funktion auszuüben“.

Die Anekdote sorgte bei den anwesenden Journalist*innen nicht nur für den ein oder anderen Lacher. Sie zeigt auch eindrücklich, wie sehr sich die USA und weitere gut 50 Länder mit der Anerkennung Guaidós im Januar verschätzt haben. Denn anders als erwartet, trugen sie damit nicht zum schnellen Sturz Nicolás Maduros bei, der auf internationaler Ebene weiterhin unter anderem von Russland, China und der Türkei unterstützt wird. Auch die deutsche Bundesregierung hat völkerrechtswidrig und vorschnell auf Guaidó gesetzt und sich damit ins diplomatische Abseits manövriert. Nun musste sie einräumen, dass sie Guaidós Wunsch, einen eigenen Botschafter in Berlin zu akkreditieren, aufgrund der realen Machtverhältnisse in Venezuela vorerst nicht nachkommen wird.

Guaidó bleibt einzig die Androhung einer US-Militärintervention

Der selbst ernannte Interimspräsident scheint mittlerweile nicht mehr viel in der Hinterhand zu haben. Zwar versucht er krampfhaft, die Aussicht auf einen zeitnahen Regierungswechsel aufrecht zu erhalten, wirkt dabei aber immer hilfloser. Der nächste Versuch soll die seit Wochen angekündigte „Operation Freiheit“ mit einem „Marsch auf Caracas“ sein. Konkret terminiert war bisher allerdings nur ein „Testlauf“ am 6. April. Das klingt nicht so, als würde Guaidó selbst noch an den baldigen Umsturz glauben. Ihm bleibt momentan einzig die regelmäßig wiederholte Androhung einer US-Militärintervention. Die Landung zweier russischer Militärflugzeuge Ende März in Venezuela heizten Spekulationen über eine mögliche Konfrontation zwischen Russland und den USA an, waren jedoch laut russischer Regierung der seit Jahren bestehenden Kooperation beider Länder im militärischen Bereich geschuldet.

Konkret deutet tatsächlich nicht viel auf einen unmittelbar bevorstehenden militärischen Konflikt hin. Der US-Sondergesandte Abrams bezeichnete derartige Überlegungen Anfang April als „verfrüht“. Zudem gibt es in der Region offiziell nicht einmal bei den rechten Regierungen Rückhalt für die militärische Option. Die US-Strategie besteht zunächst darin, die Regierung Maduro mittels Sanktionen finanziell auszutrocknen und die Wirtschafts- und Versorgungskrise tatsächlich in eine humanitäre Krise zu verwandeln. Dadurch könnte irgendwann vielleicht doch noch ein Aufstand der Maduro stützenden Unterschichten und des Militärs provoziert werden, so das Kalkül. Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton drückte dies in einem Interview mit dem spanischsprachigem Fernsehsender Univision am 22. März auch für politisch weniger interessierte Leute verständlich aus: „Das ist wie in Star Wars, wenn Darth Vader jemanden erstickt. Das machen wir wirtschaftlich mit dem Regime.“ Die weitere Verschlechterung der Lebensumstände sorgt zwar tatsächlich auch in den chavistischen Hochburgen für Proteste. Doch noch größer ist dort die Ablehnung der rechten Opposition. In gewisser Weise stabilisieren die Drohungen von außen sogar das chavistische Lager. Nicht verstanden zu haben, dass der Chavismus als politische Identität weit über die Regierung hinaus geht, ist einer der großen Fehler, den die rechte Opposition immer wieder begeht. Letztlich bewegen sich die regierenden Chavist*innen und die rechte Opposition in komplett getrennten Welten. Beide erkennen heute unterschiedliche Staatsorgane an, sehen die Schuld für die Wirtschaftskrise jeweils bei der anderen Seite und beurteilen praktisch jedes öffentliche Ereignis gegensätzlich. Ein Beispiel dafür ist die von den meisten internationalen Medien verbreitete Behauptung, die Regierung Maduro habe am 23. Februar auf einer Grenzbrücke zwischen Kolumbien und Venezuela Lastwagen mit Hilfslieferungen in Brand gesetzt.

Guaidó hatte an dem Tag gegen den Willen der Regierung Maduro Hilfsgüter nach Venezuela bringen wollen. Tatsächlich ist mittlerweile unter anderem durch eine Recherche der US-Zeitung New York Times belegt, dass die Lastwagen sich durch einen fehlgeleiteten Molotow-Cocktail entzündet hatten, den ein Oppositionsanhänger in Richtung der venezolanischen Sicherheitskräfte werfen wollte. Guaidó bleibt dennoch bei seiner Sicht der Dinge, wohl weil er jeden Rückschritt im Kampf um Bilder und Narrative verhindern will. Als sich die Regierung mit dem Roten Kreuz Ende März schließlich auf die baldige Verteilung von Hilfsgütern in Venezuela einigte, erklärte Guaidó dies kurzerhand zu seinem eigenen Erfolg. Sowohl das Rote Kreuz als auch die Vereinten Nationen hatten dessen für den 23. Februar geplante Aktion aufgrund der offensichtlichen Politisierung der Hilfe abgelehnt.

Die Opposition hat den Chavismus als kulturelle Identität nie verstanden

Besonders deutlich zeigen sich die unterschiedlichen Wahrnehmungen in der Analyse der massiven Stromausfälle, mit denen Venezuela im März konfrontiert war. Zwar gingen in den vergangenen Jahren immer wieder stundenlang die Lichter aus, doch einen fünftägigen Stromausfall wie ab dem 7. März hatte das Land noch nicht erlebt. Im Laufe des Monats folgten zwei weitere längere Blackouts, die sich mit Unterbrechungen über mehrere Tage hinzogen. Auch die Wasserversorgung funktionierte häufig nicht, da die elektrischen Pumpen ausfielen. Nachdem es Ende März in Caracas und vielen anderen Orten zu nächtlichen Protesten kam, verkündete Maduro eine offizielle Rationierung des Stroms, die zunächst für 30 Tage lang einer Überlastung des Systems vorbeugen soll.

Über die Ursache der Blackouts gibt es zwei völlig unterschiedliche Versionen. Laut Regierung seien die Stromausfälle Folge eines von den USA geführten „elektrischen Krieges“. Ein „Cyberangriff“ auf das Steuerungssystem des wichtigsten Wasserkraftwerks Guri, elektromagnetische Wellen und Brandstiftung in einigen Umspannwerken hätten die Versorgung lahmgelegt. Ein weiterer Blackout Ende März sei durch einen Scharfschützen verursacht worden, der gezielt einen Brand am Wasserkraftwerk Guri hervorgerufen habe. Die Opposition hingegen macht Korruption und Missmanagement der Regierung verantwortlich. Guaidó erklärte, ein Cyberangriff sei unmöglich, da das venezolanische Stromnetz analog betrieben werde.

Wasserkraftwerk am Guri-Stausee Von hier bezieht Venezuela gut 70 Prozent der Energie (Foto: Fadi, CC-BY-SA 2.0)

Dass sich das Stromnetz in schlechtem Zustand befindet, ist kein Geheimnis. Venezuela ist einseitig von Wasserkraft abhängig und bezieht alleine gut 70 Prozent seiner Energie aus dem Guri-Stausee im Süden des Landes. Anhaltende Dürreperioden führten zuletzt in den Jahren 2003, 2010 und 2016 beinahe zum Kollaps. Die Regierung unter Hugo Chávez hatte privatisierte Energieunternehmen zurückgekauft und 2007 unter dem Dach des neu gegründeten staatlichen Elektrizitätsunternehmens Corpoelec gebündelt.

Das Szenario eines anhaltenden Stromausfalls ist in Handbüchern für Regime Change beschrieben

Doch die angekündigte Modernisierung der Infrastruktur fand nicht ausreichend statt. Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahren aufgrund der Krise und drastischen inflationsbedingten Reallohnverlusten viele Arbeiter*innen ihre Jobs gekündigt oder gleich das Land verlassen haben. Ansätze der Selbst- und Mitverwaltung im staatlichen Elektrizitätsunternehmen, die möglicherweise einige der heutigen Probleme hätten verhindern können, hatte die staatliche Bürokratie bereits vor Jahren ausgebremst. Und auch aufgrund der US-Sanktionen ist derzeit nicht ausreichend Treibstoff für den Betrieb von Wärmekraftwerken vorhanden, die zur Stabilisierung des Stromangebots dienen könnten.

Doch anders als Guaidó behauptet, funktioniert das Stromnetz nicht komplett analog. Das computergestützte Steuerungssystem des Guri-Kraftwerks könnte unter Umständen auch ohne Internetanbindung attackiert worden sein. Das 2010 entdeckte Schadprogramm Stuxnet etwa war auch in das nach außen geschlossene iranische Atomprogramm eingeschleust worden. Die Vorstellung, dass die USA eine Cyberattacke durchführen, ohne dabei Spuren zu hinterlassen, bezeichnete der Computerexperte Kalev Leetaru im US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes am 9. März als „durchaus realistisch“.

Für die These der Sabotage spricht vor allem der aus oppositioneller Sicht günstige Zeitpunkt der Blackouts. Der Plan, Präsident Nicolás Maduro zu stürzen, war Anfang März bereits gehörig ins Stocken geraten. Das Szenario eines anhaltenden Stromausfalls ist in Handbüchern für Regime Change beschrieben und fand auch vor dem Putsch gegen Salvador Allende in Chile 1973 Anwendung.

Unmittelbar nach Beginn des Stromausfalls am 7. März versuchten rechte Opposition und US-Regierung denn auch, politisch Kapital aus dem Vorfall zu ziehen. Floridas Senator, Marco Rubio, heizte die Stimmung durch dramatisierende Tweets und Falschmeldungen an und erweckte durch einzelne Äußerungen den Verdacht, bereits vorab von dem Blackout gewusst zu haben.

Belege für ihre jeweiligen Theorien haben bisher aber weder Regierung noch Opposition geliefert. Und es ist kaum vorstellbar, dass irgendein Beweis die jeweils andere Seite überzeugen würde. Maduro entließ mittlerweile den bisherigen Energieminister Luis Motta Domínguez, der zu Beginn des Blackouts am 7. März noch versichert hatte, dieser werde innerhalb von drei Stunden behoben sein. Zum neuen Minister und Chef des staatlichen Energieversorger Corpoelec ernannte der Präsident den Ingenieur Igor Gavidia, der langjährige Erfahrung im Stromsektor mitbringt. Bereits Mitte März hatte Maduro angekündigt, sein Kabinett grundlegend umzugestalten, nannte bisher jedoch keine weiteren Namen.

Nachdem die Opposition an Schwung verloren hat, gehen die Regierung und die von ihr kontrollierten Institutionen nun verstärkt gegen Guaidó und sein Umfeld vor. Bereits am 21. März verhaftete die Geheimdienstpolizei Sebin Guaidós Büroleiter Roberto Marrero. Der Vorwurf lautet, er habe gemeinsam mit anderen Mitgliedern von Guaidós Partei Voluntad Popular terroristische Anschläge geplant. Eine Woche später verhängte der Rechnungshof gegen Guaidó ein 15-jähriges Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden. Begründet wurde dies mit finanziellen Unregelmäßigkeiten.

Am 2. April dann hob die regierungstreue Verfassunggebende Versammlung (ANC), die weitgehend die Funktionen des von der Opposition dominierten Parlamentes (Nationalversammlung) ausübt, Guaidós parlamentarische Immunität auf. Ermittelt wird gegen ihn wegen Missachtung der Verfassung im Zuge seiner Selbstausrufung als Interimspräsident und wegen mutmaßlicher Sabotage des Stromnetzes.

Damit könnte Guaidó früher oder später festgenommen werden. Mit diesem Schritt war bereits Anfang März gerechnet worden, nachdem er sich gegen ein gerichtlich verhängtes Ausreiseverbot widersetzt hatte. Am 22. Februar war er nach Kolumbien gereist, um die Hilfslieferungen nach Venezuela zu bringen. Nach einer zehntägigen Lateinamerika-Reise, auf der er mehrere Präsidenten der Region besuchte, kehrte er unbehelligt nach Venezuela zurück. Die Frage ist, welche Auswirkungen eine Festnahme haben würde. Innerhalb der Opposition rechnen einige damit, dass dies die Proteste erneut anheizen könnte. Andererseits könnte es aber auch das Ende des jüngsten Umsturzversuchs bedeuten. Viel dürfte davon abhängen, ob sich die Drohungen aus den USA als real oder als heiße Luft entpuppen werden.

US-Senator Rubio schrieb auf Twitter, eine mögliche Inhaftierung Guaidós sollte „von jedem Land, das ihn als legitimen Interimspräsidenten Venezuelas anerkannt hat, als Putsch betrachtet werden.“ Damit hätte jede Seite einmal mehr ihre eigene Wirklichkeit. Für die einen wäre Guaidó Putschist, für die anderen Opfer eines Staatsstreichs.

 


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RÜCKSCHLAG FÜR GUAIDÓ

Aussicht vom alten Militärmuseum: Die kontrastreiche Skyline von Caracas (Foto: John M Shorack)

Es waren brachiale Bilder. Bei dem Versuch, die Einfuhr von Hilfsgütern zu erzwingen, kam es an den Grenzen Venezuelas am 23. Februar zu schweren Ausschreitungen. Tausende Freiwillige hatten im kolumbianischen Cúcuta mehrere Lastwagen bis zur Grenze begleitet, wo das venezolanische Militär unter dem Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen jedoch ein Weiterkommen verhinderte. Auf der kolumbianischen Seite ließen die Sicherheitskräfte derweil auch Protestierende gewähren, die mit Steinen und Molotowcocktails ausgestattet waren. Laut schwer zu überprüfenden Medienberichten wurden fast 300 Menschen verletzt, zudem brannten zwei Lastwagen aus. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Hilfsgüter bewusst in Brand gesetzt zu haben. In der venezolanischen Stadt Santa Elena de Uairén an der Grenze zu Brasilien erlitten laut der venezolanischen Nichtregierungsorganisation Foro Penal 34 Protestierende Schussverletzungen, mindestens vier Menschen starben. Demon­stra­tionen von Regierungsanhänger*innen und der rechten Opposition in Caracas blieben hingegen friedlich.

Guaidó und die USA betrachten die humanitäre Hilfe vor allem als Hebel für einen regime change

Seit Wochen hatte der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó den 23. Februar zum Tag der Entscheidung hochstilisiert, an dem die humanitäre Hilfe „unter allen Umständen“ ins Land kommen solle. Er selbst und Vertreter der US-Regierung forderten die venezolanischen Soldat*innen nahezu täglich dazu auf, die Hilfsgüter passieren zu lassen und drohten andernfalls mit Konsequenzen. Laut Informationen der kolumbianischen Migrationsbehörde desertierten seit dem 23. Februar mehr als 400 Militärs – angesichts von bis zu 200.000 aktiven Soldat*innen eine überschaubare Zahl. Das Kalkül der rechten Opposition bestand darin, dass die Regierung am Ende gewesen wäre, wenn venezolanische Militärs sich massenhaft den Befehlen Maduros widersetzt hätten. Dieser hatte die vermeintliche humanitäre Hilfe als „Show“ bezeichnet, die das alleinige Ziel verfolge, einer militärischen Intervention das Feld zu bereiten. Um die schwierige Versorgungslage zu verbessern, fordert Maduro stattdessen die Aufhebung der US-Sanktionen, die das Land ein Vielfaches der von den USA in Aussicht gestellten Hilfsgüter kosten. Tatsächlich machen Guaidó und die US-Regierung kaum einen Hehl daraus, dass sie die humanitäre Hilfe vor allem als Hebel für den von ihnen angestrebten regime change in Caracas betrachten. Sowohl die Vereinten Nationen als auch das Rote Kreuz hatten aufgrund der Politisierung der Hilfe im Vorfeld eine Beteiligung an der Aktion abgelehnt.

Straßenszene in Caracas Einkaufen an einem Samstagmorgen (Foto: John M Shorack)

Auf medialer Ebene tobt nun ein Kampf um die Interpretation der Bilder und Ereignisse, bei dem Guaidó klar im Vorteil ist. Einen Monat nach seiner Selbstausrufung zum Interimspräsidenten steht er dennoch weitgehend mit leeren Händen da. Zwar hat er die Rückendeckung der USA, mehr als 50 weiterer Regierungen – darunter der meisten EU-Staaten – sowie gewichtiger Teile der venezolanischen Bevölkerung. Kompetenzen als Interimspräsident übt er bisher jedoch nur außerhalb Venezuelas aus. Laut dem Verfassungsartikel 233, der die absolute Abwesenheit des Staatspräsidenten behandelt und auf den sich Guaidó maßgeblich beruft, hätten innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen stattfinden müssen. Der Umsturzversuch droht sich somit in die Liste der glücklosen Versuche der letzten Jahre einzureihen, Maduro zu stürzen. Spätestens wenn sich das Gefühl durchsetzt, dass die rechte Opposition wieder einmal unrealistische Erwartungen geweckt hat, dürften die internen Streitereien erneut aufbrechen und Guaidó wäre am Ende. Er muss also um jeden Preis die Spannung hochhalten, damit der oppositionelle Protest nicht wieder einschläft. Bei einem Treffen von Guaidó mit US-Vizeminister Mike Pence und den Außenminister*innen lateinamerikanischer Staaten der so genannten Lima-Gruppe wurde am 25. Februar aber deutlich, dass es anscheinend gar keinen Plan B gibt. Sowohl die US-Regierung als auch Guaidó haben sich offensichtlich verschätzt, indem sie davon ausgingen, das venezolanische Militär würde zeitnah die Seiten wechseln. Zudem vernachlässigen sie, dass Maduro keineswegs nur die Militärführung, sondern noch immer mehrere Millionen Anhänger*innen hinter sich hat. Hinzu kommt ein Teil der Bevölkerung, der sich als chavistisch versteht und die rechte Opposition ablehnt, ohne aber offen die Regierung zu unterstützen.

Mit dem Scheitern der medienwirksam inszenierten Hilfsaktion wächst die Gefahr einer gewaltsamen Eskalation des Konfliktes weiter. Laut US-Regierung liegen nach wie vor „alle Optionen auf dem Tisch“, das heißt auch eine mögliche Militärintervention. Guaidó hat mittlerweile die US-amerikanische Formulierung übernommen. Innerhalb Lateinamerikas stößt ein mögliches militärisches Eingreifen aber selbst bei rechten Regierungen weitgehend auf Ablehnung, die Lima-Gruppe sprach sich vorerst dagegen aus. Die USA wollen nun weitere Sanktionen beschließen und die Maduro-Regierung wirtschaftlich in die Knie zwingen. Bereits Ende Januar hatte Trump erstmals Sanktionen verhängt, die direkt die Öllieferungen aus Venezuela in die USA treffen. Die Einnahmen landen seitdem auf einem Sperrkonto, auf das Guaidó Zugriff bekommen soll. Leidtragende des immer zynischer ausgetragenen Machtkampfes ist somit in erster Linie die venezolanische Bevölkerung, deren Zugang zu Lebensmitteln und Medikamenten sich voraussichtlich weiter verschlechtern wird. Unklar ist, ob die USA auch ohne Rückendeckung in der Region militärisch eingreifen würden. Wenn es nach der Rhetorik der Hardliner um Präsident Trump herum geht, fehlt dazu nur noch ein konkreter Anlass. Vor allem US-Außenminister Mike Pompeo, der Senator für Florida, Marco Rubio und der nationale Sicherheitsberater von Trump, John Bolton, drohen der Regierung Maduro unverhohlen ein gewaltsames Ende an. Bolton stellte dem venezolanischen Präsidenten einen Aufenthalt im US-Gefangenenlager Guantánamo in Aussicht, Rubio twitterte ein Bild des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi, das ihn kurz vor dessen Ermordung im Jahr 2011 zeigt. Als Sondergesandter für Venezuela dient mit Elliott Abrams zudem ein alter antikommunistischer Haudegen, der in den 1980er Jahren in die Unterstützung von Todesschwadronen in Zentralamerika und die illegale Finanzierung der nicaraguanischen Contras verwickelt war.

Auch innerhalb Venezuelas dringen mäßigende Stimmen kaum durch. Und es deutet einiges darauf hin, dass Venezuela nur der Anfang sein soll. Sicherheitsberater Bolton spricht mittlerweile in Anspielung auf die von George W. Bush vor Jahren als „Achse des Bösen“ bezeichneten Länder Irak, Iran und Nordkorea von einer „Troika der Tyrannei“. Gemeint sind Venezuela, Kuba und Nicaragua. Die Lage ist vor allem deshalb so gefährlich, weil es in Venezuela bisher keine Anzeichen für eine mögliche Verhandlungslösung gibt. Dass so viele Staaten Guaidó anerkannt haben, der de facto überhaupt keine Macht über den staatlichen Sicherheitsapparat ausübt, ist nicht nur völkerrechtlich höchst fragwürdig. Es führt auch dazu, dass auf internationaler Ebene nur wenige Akteure wie Mexiko und Uruguay glaubhaft auf einen Dialog hinarbeiten könnten. Damit verstärkt sich die Dynamik des Alles oder Nichts, des unbedingten Willens beider politischer Lager, sich gegen das jeweils andere durchzusetzen. Dies aber kann nicht zu einer tragfähigen Lösung der venezolanischen Krise führen. Weder wird Maduro einfach wie bisher weitermachen und die Krise aussitzen können, noch die rechte Opposition nach einem Umsturz gegen den chavistischen Teil der Bevölkerung regieren können.

Auch innerhalb Venezuelas dringen mäßigende Stimmen bisher kaum durch. Aus den Reihen der linken Maduro-Kritiker*innen der Bürgerplattform zur Verteidigung der Verfassung stammt ein Vorschlag, mittels Wahlen und der Neubesetzung der staatlichen Gewalten eine demokratische Lösung der Krise auszuhandeln. Um die dafür nötigen Schritte demokratisch zu legitimieren, solle zunächst ein laut Verfassung mögliches verbindliches Referendum stattfinden. In der Bürgerplattform haben sich mehrere ehemalige Minister*innen unter Chávez sowie kritische linke Akademiker*innen und Aktivist*innen zusammengeschlossen, darunter der bekannte Soziologe Edgardo Lander. Für Kritik innerhalb des chavistischen Spektrums sorgte allerdings ein Treffen mit Guaidó, bei denen Mitglieder der Plattform ihm ihren Vorschlag präsentierten. Der frühere chavistische Bildungsminister Héctor Navarro betonte anschließend, dass die Bürgerplattform Guaidó lediglich als Parlamentspräsidenten anerkenne und den Vorschlag des Referendums ebenso Maduro unterbreiten wolle. Dieser reagierte allerdings nicht auf den Vorstoß. Innerhalb der venezolanischen Linken kontrovers zu diskutieren ist zurzeit ohnehin kaum möglich, Kritik an der Regierung wird meist in die rechte Ecke gestellt. Die wichtigste linke Nachrichtenseite und Debattenplattform Venezuelas, aporrea.org, bei der sowohl Regierungs­anhänger­*innen als auch linke Kritiker*innen Maduros publizieren, wird in Venezuela seit Wochen vom staatlichen Internetanbieter CANTV blockiert. Eine Begründung dafür gibt es nicht.

„Zusammen mit Maduro gestaltet das Volk Zukunft” Wandbild in Caracas (Foto: John M Shorack)

Eine weitere Eskalation könnte bereits kurz bevorstehen. Denn seit dem 22. Februar, als er in Cúcuta ein unter dem Motto „Venezuela Aid Live“ organisiertes Konzert besuchte, befindet sich Guaidó außer Landes. Da er sich damit einem gerichtlich verhängten Ausreiseverbot widersetzte, könnte er bei der Wiedereinreise festgenommen werden. Maduro betonte bereits, dass sich Guaidó in diesem Fall „der Justiz stellen muss“. Der selbsternannte Interimspräsident zeigte sich zunächst unbeeindruckt. „Ein Gefangener bringt niemandem etwas, aber ein exilierter Präsident auch nicht“, versicherte er und kündigte seine baldige Rückkehr an. Eine Inhaftierung komme einem Staatsstreich gleich und werde seitens der Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft „eine beispiellose Antwort“ nach sich ziehen, drohte Guaidó. Nicht bekannt ist, welche Garantien er für diesen Fall seitens der US-Regierung erhalten hat. Aber bis auf Weiteres liegen alle Optionen auf dem Tisch.

 


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SCHEITERN DER ERDÖLGESELLSCHAFT

Seit sich Juan Guaidó in Venezuela am 23. Januar eigenhändig zum Interimspräsidenten erklärt hat, beherrscht das südamerikanische Land die Schlagzeilen. Die US-Regierung drängt auf einen Sturz des amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro und hält sich erklärtermaßen auch eine militärische Option offen. Doch jenseits dieser aus linker Perspektive strikt abzulehnenden Politik steht die 1999 unter Hugo Chávez begonnene und nach dessen Tod 2013 von Maduro weitergeführte „Bolivarische Revolution“ vor einem Scherbenhaufen. Zwar war der politische Prozess von Beginn an mit gehörigen internen und externen Widerständen konfrontiert. Doch könne das Scheitern „nur dann adäquat verstanden werden, wenn man sich mit den Folgen der Rohstoffabhängigkeit für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft beschäftigt“, schreibt der Politikwissenschaftler Stefan Peters in seinem neuen Buch „Sozialismus des 21. Jahrhunderts in Venezuela“.
Dieses erklärt, wie die venezolanische Wirtschaft seit fast 100 Jahren um die Verteilung der Erdöleinnahmen kreist. Dadurch haben sich wirtschaftliche, soziale und kulturelle Muster verfestigt, die nur schwer zu durchbrechen sind. Die wirtschaftlichen Akteur*innen richten ihre Anstrengungen vornehmlich darauf aus, sich ein Stück des staatlich verwalteten Erdölreichtums einzuverleiben. Dementsprechend basiert ökonomischer Erfolg „nicht primär auf Innovation und Produktivitätssteigerungen, sondern auch und vor allem auf dem privilegierten Zugang zum Staat.“
An dem Ziel, die Wirtschaft zu diversifizieren, sind in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Regierungen unterschiedlicher ideologischer Couleur gescheitert. Unter Chávez bedeutete dies, dass viel Geld in landwirtschaftliche und urbane Kooperativen sowie staatliche Unternehmen geflossen ist, von denen sich die meisten nicht annähernd alleine erhalten konnten. Tatsächlich glich dessen Wirtschaftspolitik in vielen Punkten jener seiner Vorgänger, war also, wie der Autor resümiert „weitaus weniger revolutionär als Anhänger wie Gegner unterstellen.“ Dazu zählen auch die Devisen- und Preiskontrollen, die für Venezuelas nichts grundsätzliches Neues sind und die negativen Effekte einer Rentenökonomie bis ins Unermessliche steigern, indem sie enorme Mitnahmeeffekte ermöglichen.
Mit der rechten Opposition würde sich an den strukturellen Problemen nichts ändern, sondern schlicht eine andere Klientel an die Erdöltöpfe gelangen. Einen zeitnahen Regierungswechsel hält Peters in seinem vor der jüngsten Eskalation geschriebenen Buch für das wahrscheinlichste Szenario. Nach einem dann absehbaren Aufschwung werde aber ebenso sicher „auch die nächste Krise kommen.“
Der Autor widmet sich einem Thema, das in der Debatte über Venezuela auf eine gewisse Art und Weise schon immer präsent gewesen ist, mit dem sich aber die Wenigsten tiefergehend beschäftigt haben. Mit seiner glänzenden Analyse der bolivarischen Revolution zeigt Peters eindrücklich auf, dass deren Niedergang weder die Folge von „Sozialismus“ noch eines „Wirtschaftskrieges“ ist, sondern sich aus den Strukturen der erdölbasierten Rentengesellschaft heraus erklären lässt. Dabei hat er stets die Bedeutung für andere rohstoffreiche Länder des globalen Südens im Blick. Diese sollten sich das venezolanische Beispiel genau ansehen, um aus dessen Fehlern für zukünftige soziale Transformationsprozesse zu lernen.

 


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ZWISCHEN PUTSCH UND DIALOG

Wimmelbild: Wer ist Präsident? Juan Guaidó jedenfalls ist der zweite von links (Foto: OEA-OAS (CC BY-NC-ND 2.0)

Der 23. Januar ist für Venezuela ein geschichtsträchtiges Datum. An diesem Tag im Jahr 1958 stürzte ein Massenaufstand die Militärdiktatur unter Marcos Pérez Jiménez. Die rechte Opposition würde das Datum nun gerne für ihre ganz eigenen Zwecke vereinnahmen: Als den Tag, an dem sie nach 20 Jahren Chavismus wieder die Macht übernommen hat. Bisher gilt dies jedoch nur theoretisch. Praktisch sind die Dinge komplizierter. Noch Ende Dezember schien der venezolanische Präsident Nicolás Maduro angesichts einer intern zerstrittenen Opposition relativ fest im Sattel zu sitzen. Doch am 23. Januar mobilisierten die Regierungsgegner*innen erstmals seit anderthalb Jahren wieder erfolgreich auf die Straße.
Der Mann, der die Opposition binnen weniger Wochen in Hoffnung versetzt hat, ist Parlamentspräsident Juan Guaidó. Bis vor kurzem war der 35-jährige Ingenieur auch in Venezuela kaum jemandem ein Begriff. Mittlerweile halten ihn viele jedoch für den neuen Staatspräsidenten, weil er sich in Caracas selbst vereidigt hat. „Am heutigen 23. Januar schwöre ich, als ausführender Präsident formell die Kompetenzen der Nationalen Exekutive zu übernehmen, um die Usurpation zu beenden“, rief Guaidó auf der oppositionellen Großdemonstration tausenden jubelnden Anhängern im wohlhabenden Osten der Hauptstadt zu.

Guaidó hat auch im Ausland Unterstützer. Kurz nach seiner Proklamation teilte US-Präsident Donald Trump per Twitter mit, Guaidó offiziell als Interimspräsidenten anzuerkennen. US-Vizepräsident Mike Pence hatte den Anhänger*innen der Opposition im Vorfeld der Demonstration bereits die Unterstützung der USA gegen den als „Diktator“ bezeichneten Maduro zugesichert. Rasch erhielt Guaidó die Anerkennung weiterer lateinamerikanischer Länder, darunter Venezuelas rechts regierte Nachbarstaaten Brasilien und Kolumbien sowie unter anderem Argentinien, Chile, Ecuador, Peru und Paraguay. Auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erkannte in Person ihres Generalsekretärs Luís Almagro Guaidó umgehend an. Die Europäische Union vollzog diesen formellen Schritt zwar bisher nicht, stärkt dem selbst ernannten Interimspräsidenten aber den Rücken und fordert Neuwahlen. Bundesaußenminister Heiko Maas etwa positionierte sich gegenüber der Deutschen Welle eindeutig: „Wir sind nicht neutral in dieser Frage, wir stehen auf der Seite von Guaidó“. Für die Regierungen Kubas, Nicaraguas, El Salvadors, Mexikos, der Türkei, Irans, Russlands und Chinas heißt der legitime venezolanische Präsident hingegen weiterhin Nicolás Maduro.

Heiko Maas ist auf der Seite von Guaidó

Bei seiner Selbstvereidigung bezog sich Guaidó neben den Artikeln 333 und 350, die das Recht auf Widerstand gegen verfassungswidrige Handlungen und undemokratische Regime festschreiben, auf Artikel 233 der Verfassung. Dieser behandelt die dauerhafte Abwesenheit des Staatspräsidenten in Fällen wie Tod, Krankheit oder Abberufung durch ein Referendum. Auf den vorliegenden Fall lässt sich der Artikel somit nur mit viel Fantasie anwenden.

(Foto: David Hernández (CC BY-SA 2.0))

Auf der zeitgleich stattfindenden Demonstration von Regierungsanhänger*innen im Westen von Caracas, gab sich Diosdado Cabello, Vorsitzender der regierungstreuen Verfassunggebenden Versammlung (ANC) kämpferisch: „Wer Präsident sein will, soll uns in (dem Präsidentenpalast, Anm. d. Red.) Miraflores suchen, denn dort wird die Bevölkerung Nicolás Maduro verteidigen.“ Daraufhin zogen die Chavisten vor den Präsidentenpalast. „Hier ergibt sich niemand“, rief Präsident Maduro seinen Anhänger*innen vom „Balkon des Volkes“ aus zu. Der US-Regierung warf er vor, eine „Marionettenregierung“ installieren zu wollen und brach die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab. Den in Caracas ansässigen US-Diplomaten gab er 72 Stunden Zeit, das Land zu verlassen.

Guaidó reagierte umgehend und bat darum, sich den Anweisungen zu widersetzen. Die US-Regierung zog in den folgenden Tagen zwar einen Teil des Botschaftspersonals ab, kündigte jedoch an, sich dem Ultimatum, nicht beugen zu wollen. Die Maduro-Regierung rückte daraufhin von ihrem 72-Stunden-Ultimatum ab. Stattdessen solle nun über – wie es hieß – Interessenvertretungen in den jeweiligen Hauptstädten verhandelt werden, teilte das Außenministerium in Caracas mit. Sollte es darüber jedoch binnen 30 Tagen keine Einigung geben, müssten die verbliebenen US-amerikanischen Diplomaten das Land verlassen.

Mit der Installierung eines Parallelpräsidenten eskaliert der Konflikt zwischen der Regierung Maduro und der rechten Opposition auf gefährliche Weise. Es ist der vorläufige Höhepunkt eines Machtkampfes, der seit dem oppositionellen Wahlsieg bei den Parlamentswahlen Ende 2015 mit harten Bandagen geführt wird. Die Opposition setzte von da an alles auf einen Sturz Maduros und schürte bei ihren Anhänger*innen unrealistische Erwartungen auf einen zeitnahen Machtwechsel.

Die Regierung hingegen griff bei der Ernennung von Verfassungsrichter*innen und der Festlegung von Wahlterminen tief in die juristische Trickkiste, um sich an der Macht zu halten. Maduros Wahl im Mai vergangenen Jahres betrachten Opposition und zahlreiche Staaten als illegitim, unter anderem weil potenzielle Kandidat*innen nicht antreten durften. Die meisten Parteien hatte damals zum Boykott aufgerufen. Bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 46 Prozent blieben die drei Gegenkandidaten dann auch chancenlos. Glaubhafte Hinweise auf Wahlbetrug gab es zwar nicht, die Umstände spielten jedoch eindeutig Maduro in die Hände. Die umstrittene Verfassunggebende Versammlung, die seit Mitte 2017 praktisch die Funktionen des Parlamentes übernahm, hatte den Wahltermin in einer Schwächephase der Opposition von Dezember auf Mai vorgezogen.

Nach Maduros erneuter Amtseinführung am 10. Januar kochte der Konflikt erneut hoch und die zuvor notorisch zerstrittene Opposition versammelte sich hinter Guaidó. Der frühere Studierendenaktivist sitzt seit 2011 als Hinterbänkler in der Nationalversammlung und wurde am 5. Januar allein aus Mangel an Alternativen zum Präsidenten der juristisch kalt gestellten Nationalversammlung gewählt. Laut Absprache der vier größten Oppositionsparteien steht das Amt dieses Jahr der rechten Partei Voluntad Popular zu. Weil deren erste Garde um Leopoldo López, Freddy Guevara und Carlos Vecchio entweder unter Hausarrest steht oder sich im Exil befindet, kam Guaidó zum Zug. Bereits auf einer öffentlichen Versammlung in Caracas am 11. Januar deutete er an, als Interimspräsident bereit zu stehen, sofern er die Unterstützung der Bevölkerung, des Militärs und der internationalen Gemeinschaft hätte. Eine kurzzeitige Festnahme Guaidós durch die Geheimdienstpolizei Sebin am 13. Januar verschaffte diesem zusätzlichen Rückenwind. Die Regierung Maduro gab anschließend kein gutes Bild ab, als sie erklärte, die Agenten seien angeblich auf eigene Faust tätig geworden. Dass Guaidó bisher kaum jemand kannte, scheint dabei eine seiner größten Stärken zu sein. Denn er wirkt jung und frisch, obwohl er politisch überhaupt nichts Neues zu bieten hat. Jenseits der radikalen Ablehnung des Chavismus und einer Rückkehr der alten Eliten an die Erdöltöpfe, verfügen weder Guaidó noch der Rest der rechten Opposition über ein überzeugendes Programm.

Schulterschluss zwischen Opposition und USA könnte Maduro helfen

Der Schulterschluss zwischen Opposition und US-Regierung könnte Maduro helfen, die eigenen Reihen zu schließen. Viele Chavisten sind von der Regierung zwar enttäuscht, würden jedoch keinesfalls tatenlos einen rechten Putsch mit US-Unterstützung akzeptieren. Bei dem kurzzeitigen Staatsstreich gegen Hugo Chávez im April 2002 hatte der Druck der Bevölkerung dazu geführt, dass der überwiegende Teil der Soldaten den Putschisten die Gefolgschaft verweigerte.

Sicher ist, dass Guaidó für eine tatsächliche Machtübernahme auf die Unterstützung des Militärs angewiesen ist. In den vergangenen Wochen hatte er die Streitkräfte wiederholt dazu aufgerufen, „die verfassungsmäßige Ordnung“ wiederherzustellen und ihnen für diesen Fall eine Amnestie zugesichert, die er mittlerweile auch Maduro selbst im Falle eines Rücktritts in Aussicht stellte. Außer einer kurzzeitigen Erhebung einiger Nationalgardisten am frühen Morgen des 21. Januars verhallten die Aufrufe bisher jedoch ungehört. Verteidigungsminister Vladimir Padrino López stellte sich seit dem 23. Januar mehrmals demonstrativ hinter die Regierung Maduro.

Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass sich die Militärführung auf Guaidós Seite schlägt. Denn sie profitiert von einer engen politischen und wirtschaftlichen Verflechtung mit der Regierung. Doch es ist unklar, wie es in den unteren Rängen aussieht und welche Auswirkungen weitere Proteste oder eine Eskalation der Gewalt haben könnten. Seit der kurzzeitigen Erhebung der Nationalgardisten kam es täglich zu lokalen Anti-Maduro-Protesten in verschiedenen Städten. Davon betroffen waren in Caracas auch Stadtteile, die bisher als sichere Bank für die Chavisten galten. Dabei sollen nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen landesweit bereits 29 Menschen ums Leben gekommen und hunderte festgenommen worden sein. Dennoch blieb der befürchtete große Gewaltausbruch bisher aus und Guaidó befindet sich nach wie vor auf freiem Fuß.

Unabhängig vom Ausgang des Machtkampfes verfügt keines der beiden großen politischen Lager über wirkliche Lösungen, um die politische und wirtschaftliche Krise zu überwinden. Insbesondere der Bevölkerung in den Armenvierteln, die sich kulturell überwiegend dem Chavismus zugehörig fühlt, hat die Opposition wenig anzubieten. Die Regierung Maduro hingegen zeigt in den barrios durch Lebensmittelkisten und unregelmäßige Bonuszahlungen nach wie vor Präsenz. Doch ihre seit Mitte vergangenen Jahres umgesetzten Wirtschaftsreformen hatten kaum einen Effekt, jede Erhöhung des Mindestlohnes wird umgehend von der Hyperinflation aufgefressen.

Klar ist, dass eine Überwindung der tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Krise nicht durch ein Beharren auf einzelne Verfassungsartikel beigelegt werden kann, die beide Seiten für ihre Zwecke instrumentalisieren. Eine Lösung kann nur im Dialog erreicht werden. Dafür müssten beide Seiten jedoch zu ernsthaften Kompromissen bereit sein. Als Vermittler boten sich bereits die Regierungen Mexikos und Uruguays an. Während sich Maduro offen für Gespräche zeigte, erteilte Guaidó dem „falschen Dialog“ eine Absage. Stattdessen kündigte er weitere Proteste an.

 


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MADUROS RISIKOSPIEL

Absurd hohe Preise Der IWF schätzt die Inflation für 2018 auf eine Million Prozent (Foto: flickr.com / Ruperto Miller CC0 1.0)

Es waren ungewohnte Bilder. Ende August trafen am Flughafen Simón Bolívar nahe Caracas etwa 90 Venezolaner*innen ein, die ihr Glück zuvor in Peru versucht hatten. „Wir erhalten tausende Anfragen aus aller Welt“, erklärte Kommunikationsminister Jorge Rodríguez. Präsident Nicolás Maduro betonte, dass viele Menschen „falschen Versprechen“ gefolgt seien und heute „Klos putzen“ würden. In den Nachbarländern entwickele sich zudem „eine Kampagne aus Hass, Verfolgung und Fremdenfeindlichkeit gegen die venezolanische Bevölkerung“.

Tatsächlich regt sich angesichts der anhaltend hohen Zahl emigrierender Venezolaner*innen zunehmend Unmut in der Region. Sinnbildlich dafür ist die Meldung aus dem brasilianischen Grenzort Pacaraima, wo Mitte August ein wütender Mob mehr als 1.000 Geflüchtete zurück über die Grenze gejagt hatte. Auslöser war ein Überfall mit mutmaßlich venezolanischer Beteiligung. Doch auch aus Ländern wie Kolumbien, Ecuador oder Peru häufen sich die Beschwerden über venezolanische Einwanderer*innen, die angeblich die Löhne drückten und die Kriminalität ansteigen ließen. Ecuador und Peru verschärften vorübergehend die Einreisebestimmungen, Brasilien schickte Soldaten an die Grenze. Laut den Vereinten Nationen haben mittlerweile 2,3 Millionen Menschen das Land verlassen, darunter viele Fachkräfte und junge Menschen.

Auf einem Sondergipfel Anfang September erklärten elf lateinamerikanische Länder, die Grenzen für Venezolaner*innen vorerst offen zu lassen. Gleichzeitig fordern sie finanzielle Unterstützung und dass Venezuela humanitäre Hilfe akzeptiert. Davon allerdings will die venezolanische Regierung nichts wissen. Dabei sind es längst nicht mehr nur Oppositionelle, die das Land verlassen – die Fluchtursachen liegen überwiegend in der desolaten wirtschaftlichen Situation begründet. Der Internationale Währungs­fonds (IWF) schätzt die Inflationsrate für das laufende Jahr mittlerweile auf eine Million Prozent. Ohne staatliche Lebensmittelzuwendungen kämen viele Menschen nicht annähernd über die Runden.

Die Regierung hat eine Mitschuld an der Krise jahrelang abgestritten, nun gib es auch selbstkritische Töne

Hatte sie eine Mitschuld an der Krise jahrelang abgestritten und einen „Wirtschaftskrieg“ seitens der rechten Opposition und der USA beklagt, gibt es seit kurzem auch selbstkritische Töne. Im Vorfeld des IV. Kongresses der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) etwa äußerte Freddy Bernal aus der Parteiführung, dass nach 19 Jahren Revolution „nur wir für das Gute und Schlechte verantwortlich“ seien. Am 20. August startete die Regierung das sogenannte Programm für wirtschaftliche Erholung, Wachstum und Wohlstand. „Dieser Plan wird funktionieren“, versicherte Regierungschef Maduro. Indirekt räumte er ein, die hohen Haushaltsdefizite der vergangenen Jahre mithilfe der Notenpresse finanziert zu haben. Künftig solle es einen ausgeglichenen Haushalt geben.

Kernstück des Plans, der sowohl liberale als auch staatsinterventionistische Elemente enthält, ist eine Währungsreform. Der neue „Souveräne Bolívar“ hat fünf Nullen weniger als der bisherige „Starke Bolívar“ und ist an die staatliche Kryptowährung Petro gekoppelt, die als Wertanker wiederum an die venezolanischen Erdölvorräte gebunden ist. Je nach Entwicklung des Erdölpreises verändert sich auch der Wert des Petro, zurzeit liegt er bei 60 US-Dollar. Der Basismindestlohn pro Monat, der zuletzt laut Schwarz­­marktkurs nur noch einen halben US-Dollar betrug, wird auf etwa 30 Dollar erhöht und soll einem halben Petro entsprechen. Hinzu kommen Lebensmittelgutscheine, deren Wert allerdings in deutlich geringerem Maße angehoben wurde und die nun umgerechnet gerade einmal drei US-Dollar pro Monat betragen. Um unmittelbaren Preissteigerungen entgegen zu wirken, übernimmt der Staat für kleinere und mittlere Unternehmen 90 Tage lang die Differenz zum alten Mindestlohn. Steuern und Zölle für staatliche und private Erdölunternehmen werden gesenkt, die Mehrwertsteuer wird unter Ausnahme wichtiger Güter wie Lebensmittel hingegen angehoben.

Ab Ende September soll der Preis für das bisher praktisch gratis erhältliche Benzin schrittweise auf internationales Niveau steigen, auch die Tickets des öffentlichen Nahverkehrs werden künftig deutlich teurer. Die Subventionierung des Benzins kostet Venezuela bisher jährlich zweistellige Milliardenbeträge in US-Dollar, große Mengen werden illegal nach Kolumbien geschmuggelt. Besitzer der carnet de la patria (Ausweis des Heimatlandes) – eines von der Regierung ausgestellten Ausweises, der für den Bezug bestimmter Sozialleistungen erforderlich ist – sollen zukünftig direkt subventioniert werden, um billiges Benzin beziehen zu können.

Wenn die Regierung erneut die Notenpresse anwirft, könnte auch die neue Währung rasant an Wert verlieren
Zudem werden die seit 2003 bestehenden Devisenkontrollen gelockert. Der Handel mit Fremdwährungen ist demnach nicht mehr strafbar, das bisherige Monopol der Zentralbank entfällt. Laut offiziellem Kurs kostete ein US-Dollar nach der Währungsreform etwa 60 Bolívares. Auf dem Schwarzmarkt, den die Regierung eigentlich austrocknen will, waren es gut zwei Wochen später bereits 90 Bolívares. Die meisten Ökonomen sind denn auch skeptisch und fürchten, dass die Regierung erneut die Notenpresse anwerfen und so auch die neue Währung rasant an Wert verlieren werde (siehe auch das Interview mit Manuel Sutherland in dieser Ausgabe).

Für Maduro steht viel auf dem Spiel. Zwar ist die rechte Opposition derzeit gespalten und liegt politisch am Boden, jedoch konnte die Regierung ihre Macht in den vergangenen Jahren auf Kosten zentraler demokratischer und sozialer Errungenschaften des Chavismus konsolidieren.
Doch eine weitere Verschlechterung der Lage könnte zu weiteren Protesten führen. Einzelne Sektoren gehen schon jetzt immer wieder auf die Straße. Im Juli etwa war die Regierung durch einen Marsch von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie Proteste im Gesundheitssektor unter Druck geraten. Weder den Kleinbauern, die mehr als 400 Kilometer zurücklegten und letztlich von Maduro im Präsidentenpalast empfangen wurden, noch den Protestierenden im Gesundheitsbereich geht es dabei um den Sturz der Regierung. Vielmehr wenden sie sich gegen die prekäre Sicherheitslage und Korruption sowie für bessere Arbeitsbedingungen, existenzsichernde Löhne und eine adäquate Ausstattung mit medizinischen Geräten und Medikamenten. Insbesondere die Situation der staatlichen Unternehmen und Dienstleistungen ist verheerend. Die Erdölproduktion ist in den vergangenen Jahren von etwa drei Millionen auf heute nur noch gut 1,3 Millionen Barrel täglich gefallen. Und auch um die marode Wasser- und Stromversorgung zu verbessern, wären immense Investitionen nötig.

Maduro beschuldigte Juan Manuel Santos, hinter dem versuchten Drohnenangriff zu stecken

Dass auch eine erneute Eskalation politischer Gewalt keineswegs ausgeschlossen ist, zeigt der Drohnenangriff auf Maduro am 4. August. Anlässlich des 81. Jahrestages der Gründung der Nationalgarde hatte der venezolanische Präsident im Zentrum von Caracas eine Rede vor Soldaten gehalten, die live im Fernsehen übertragen wurde. Als er gerade über die ökonomische Lage sprach, war plötzlich ein dumpfer Knall zu hören. Sicherheitsbeamte schirmten den Präsidenten mit kugelsicheren Schutzmatten ab, zahlreiche Soldaten auf der Straße verließen die Formation und rannten davon. Aus Sicht der Regierung zeugten diese Bilder nicht gerade von Stärke. Und dennoch waren die ersten Reaktionen seitens der rechten Opposition in Venezuela und vieler internationaler Medien von Zweifeln darüber geprägt, ob überhaupt ein Attentat stattgefunden habe. Maduro beschuldigte den scheidenden kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos und vom US-Bundesstaat Florida aus operierende Gruppen, hinter dem versuchten Drohnenangriff zu stecken. Im Internet bekannte sich eine zuvor unbekannte Gruppe namens soldados de franela (in etwa T-Shirt-Soldaten) zu dem Anschlag.

Nachdem Videoaufnahmen der Drohnen auftauchten, verlagerte sich die öffentliche Debatte zu der Frage, ob die Regierung das Attentat möglicherweise selbst inszeniert habe, um von Problemen abzulenken und einen weiteren Vorwand zu haben, gegen die Opposition vorzugehen. Tatsächlich stellte sie kurz darauf direkte Verbindungen zu oppositionellen Politikern her. So habe Juan Requesens, Abgeordneter des gewählten, aber juristisch kalt gestellten Parlaments, auf Geheiß des in Kolumbien exilierten Parlamentspräsidenten Julio Borges dabei geholfen, den ehemaligen Nationalgardisten Juan Carlos Monasterios über die Grenze nach Kolumbien zu bringen. Der wegen eines Überfalls auf einen Militärkomplex ein Jahr zuvor bereits gesuchte Monasterios sei dort für das Attentat trainiert worden. Die umstrittene regierungstreue Verfassunggebende Versammlung (ANC), die das Parlament zurzeit weitgehend abgelöst hat, hob daraufhin im Schnellverfahren die Immunität der beiden Parlamentarier auf. Die Regierung präsentierte im Fernsehen Vernehmungsvideos von Monasterios und Requenses, in denen diese ihre Beteiligung gestanden. Oppositionelle Jurist*innen und Politiker*innen warfen der Regierung jedoch vor, die Aussagen unter Folter und der Verabreichung von Drogen erwirkt zu haben. Zudem sei Requesens gesetzeswidrig isoliert. Ein weiteres in den sozialen Netzwerken veröffentlichtes Video zeigt den Abgeordneten offenbar in Gefangenschaft des Geheimdienstes Sebin mit geweiteten Augen und mit von Exkrementen beschmierten Boxershorts. Bisher wurden im Rahmen der Ermittlungen 25 Menschen fest­ge­nom­men, weitere 15 stehen auf der Fahndungsliste. Auf den Zustand des Rechtsstaates in Venezuela wirft der Fall einmal mehr ein schlechtes Licht.


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SPÄTE MAßNAHMEN

Seit dem 20. August gibt es in Venezuela mit dem „Souveränen Bolívar“ eine neue Währung, gleichzeitig wird der Mindestlohn deutlich erhöht. Kann das funktionieren?

Nein. Zwar hat die Regierung gesagt, dass sie für kleinere Unternehmen drei Monate lang die Lohnerhöhung zahlen will, damit die Preise nicht steigen. Aber das wird nicht klappen und zudem ein enormes Korruptionspotenzial schaffen. Natürlich ist der bisherige monatliche Mindestlohn ein Skandal, denn er betrug laut Schwarzmarkt-Kurs zuletzt gerade einmal etwas mehr als einen US-Dollar. Aber woher sollen kleine Unternehmen nach drei Monaten das Geld nehmen, um das 60-fache an Lohn zu zahlen? Sie werden Arbeiter entlassen und die Preise erhöhen.

Der neue Bolívar soll an die Kryptowährung Petro gekoppelt sein, die wiederum an den Erdölpreis gebunden ist. Wird Venezuela dadurch eine stabilere Währung haben?

Davon ist nicht auszugehen. Erdölreserven, die noch nicht gefördert, also noch nicht in Wert gesetzt sind, können nicht eine Währung decken wie Gold oder Währungsreserven einer Zentralbank. Das schafft kein Vertrauen. Als simple Rechnungseinheit hat der Petro wenig Relevanz.

Im Rahmen des sogenannten Plans zur wirtschaftlichen Erholung sind noch eine Reihe weiterer Maßnahmen vorgesehen.

Die monetären Reformen sind tatsächlich unumgänglich. Dazu zählt die Liberalisierung der Devisenpolitik, der früher oder später eine kontrol­lierte Freigabe des Wechselkurses folgen muss. Auch die Anhebung des Benzinpreises von praktisch Nulltarif auf internationales Niveau ist prinzipiell richtig, auch wenn der Zeitpunkt schlecht ist. Gleichzeitig handelt die Regierung sehr widersprüchlich. Einerseits spricht sie davon, das Haushaltsdefizit auf Null zu reduzieren, andererseits erzeugt sie eine Reihe neuer Ausgaben. Zudem kommen all diese Maßnahmen sehr spät und werden auf eine seltsame Art umgesetzt.

Inwiefern seltsam?

Niemand weiß, worin genau der Plan zur wirtschaftlichen Erholung besteht, es gibt kein schriftliches Konzept. Das Gleiche gilt für die wirtschaftlichen Indikatoren, die schon seit Jahren nicht mehr veröffentlicht werden. Ich sehe bei der Regierung zwar den Willen, etwas zu tun, was an sich eine positive Veränderung ist. Sie versucht, einige der Fehler zu korrigieren, die in der Wirtschaftspolitik der vergangenen 15 Jahre gemacht wurden. Aber dies führt nicht dazu, dass eine breite Diskussion über die Krise und mögliche Auswege geführt würde. Alle Entscheidungen trifft ein kleiner Kreis innerhalb der Regierungspartei auf völlig intransparente Art und Weise.

Seit 2006 führt die venezolanische Regierung offiziell einen sozialistischen Diskurs, auch Maduro hält am Ziel des Sozialismus fest. Wie lässt sich die Wirtschaftspolitik der Regierung charakterisieren?

Es gab keine tief greifenden sozialistischen Maßnahmen. Die Regierung hat Unternehmen verstaatlicht, aber – so wie viele Regierungspolitiken – dienten diese dazu, große Geschäfte zu machen. Auch die gesamte Wechselkurspolitik ist mitnichten sozialistisch. Statt eine produktive Industrie und Landwirtschaft aufzubauen, hat man auf Importe gesetzt, die Kapitalflucht beschleunigt und der Bourgeoisie enorme Möglichkeiten geboten, sich schnell zu bereichern. Die Umverteilung der Erdölrente zugunsten der ärmeren Bevölkerungsschichten war anfangs positiv, doch seit der Wirtschaftskrise ist diese immer geringer geworden und heute nur noch marginal. US-Investitionen gegen Investitionen aus Russland und China auszutauschen, ist an sich weder revolutionär noch sozialistisch.

Aber gleichzeitig gab es unter Chávez doch die Förderung alternativer Unternehmensformen wie Kooperativen oder Prozesse von Mit- und Selbstverwaltung in verstaatlichten Betrieben. Was ist daraus geworden?

Das ökonomische Problem mit den Verstaatlichungen war, dass die Unternehmen die Preise nicht erhöhen durften, was bei steigender Inflation logischerweise zu Verlusten führte. Zudem hat die Regierung die Leitung der meisten verstaatlichten Unternehmen nach und nach dem Militär übertragen, das die Unternehmen völlig offen, unkontrolliert und straflos ausplündern konnte. Kooperativen und selbstverwaltete Betriebe haben gesamtwirtschaftlich nie eine große Rolle gespielt, auch wenn in absoluten Beträgen hohe Summen in diese Projekte gepumpt wurden. Aufgrund des von der Regierung selbst niedrig gehaltenen Wechselkurses war es stets billiger zu importieren, als etwas im Land zu produzieren.

Einige Ökonom*innen schlagen vor, die Landeswährung an den US-Dollar zu binden oder ihn gleich als alleiniges Zahlungsmittel einzuführen. Was halten Sie davon?

Die venezolanische Wirtschaft offiziell zu dollarisieren, wäre ein großer Fehler, selbst wenn es besser wäre als das bisherige System mehrerer Wechselkurse und einem ausufernden Schwarz­markt. Zwar könnte die Hyperinflation so innerhalb kurzer Zeit gestoppt werden, aber Venezuela wäre nicht mehr in der Lage, eine souveräne Wirtschaftspolitik zu gestalten, da sie in monetären Fragen von der US-Notenbank abhinge.

Was wäre nötig, um die Hyperinflation in den Griff zu bekommen?

Die Zentralbank muss umgehend aufhören, ständig neues Geld zu drucken, ohne dass die Produktivität gesteigert wird. Wir müssen eigene Industrien und den Agrarsektor aufbauen, in Verbindung mit einem breiten Plan für mehr Arbeit, vor allem im Inneren des Landes. Der Wechselkurs müsste freigegeben und die Preiskontrollen abgeschafft werden, weil sie nicht funktionieren und viele der regulierten Produkte auf dem Schwarzmarkt landen oder außer Landes geschmuggelt werden. Zusätzlich sollte die Regierung den Einfluss des Militärs auf die Wirtschaft einschränken und die exorbitant hohen Militärausgaben kürzen. Das Gleiche gilt für die Bürokratisierung, es gibt mehr als drei Millionen Staatsangestellte, von denen viele überhaupt keine sinnvolle Funktion ausüben.

Was erwarten Sie von den Maßnahmen?

Die Öffnung der venezolanischen Wirtschaft könnte zu einer leichten Verbesserung der Lage führen und Maduros politische Herrschaft stabilisieren. Ein großes Problem sind die öffentlichen Dienstleistungen, die sich in sehr schlechtem Zustand befinden. Es gibt Gebiete, in denen tagelang der Strom oder wochenlang das Wasser ausfällt. Diese Situation kann zu größeren Protesten führen, die der Regierung durchaus gefährlich werden können. Es fehlt nicht nur das nötige Geld für Investitionen, sondern auch Fachpersonal, denn mehrere Millionen Venezolaner haben das Land vermutlich verlassen. Zurück bleiben vor allem Kinder und Alte, was eine mögliche wirtschaftliche Erholung zusätzlich erschwert.


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EINMISCHUNG VERHINDERT DIALOG

Juan Guaidó hat sich am 23. Januar als Interimspräsident selbst vereidigt. Was bedeutet das für den Machtkampf in Venezuela?
Zunächst einmal hat die Selbstvereidigung Juan Guaidós keine verfassungsrechtliche Basis. Der Artikel 233, auf den er sich bezieht, gilt für ganz andere Fälle, wie den Tod oder eine schwere Erkrankung des Präsidenten. Mit diesem Schritt vertieft die Opposition die politische und institutionelle Krise und setzt allein auf eine Logik der Konfrontation, die einen gewalttätigen Ausweg wahrscheinlicher macht. Es ist paradox: Die Opposition hat vielleicht noch nie eine so große und wichtige Demonstration wie an diesem 23. Januar organisiert. Doch statt daraus politisches Kapital zu schlagen, wählt sie den gefährlichen Weg, allein auf die USA zu setzen.

US-Präsident Trump hat Guaidó innerhalb von Minuten als Interimspräsidenten anerkannt. Stärkt ihm das nicht den Rücken?
Genau dies ist doch das Beunruhigende an der Situation. Die Opposition hat einen sehr starken Moment, ist aber trotzdem nicht in der Lage, ohne Hilfe von außen die Macht zu übernehmen. Wir haben machtpolitisch eine Pattsituation. Die Rolle der USA eskaliert nun nicht nur den Konflikt in Venezuela. Das Vorgehen ist eine Bedrohung für die gesamte Region und kann uns in finstere Zeiten zurückwerfen, in eine Logik des Kalten Krieges.

Maduro hat Widerstand angekündigt. Wie ist die Stimmung unter den chavistischen Regierungsanhängern auf der Straße?
Maduros Politik im wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitspolitischen Bereich hat ihn viel Rückhalt beim ärmeren Teil der Bevölkerung gekostet. Aber berechtigte Kritik an der Regierung ist das eine. Trotz aller wirtschaftlichen Probleme ist der Chavismus gesellschaftlich noch immer tief verankert. Selbst oppositionelle Meinungsforscher bestätigen, dass gut 30 Prozent der Venezolaner zu dessen hartem Kern zählen. Und in Momenten wie diesen wird die Mobilisierung reaktiviert, auch wenn sie zwischenzeitlich nicht mehr so stark war. Am 23. Januar gab es auch eine immense chavistische Demonstration, das darf man nicht unterschlagen.

Die Lage scheint explosiv, wie kann der Konflikt in Venezuela friedlich gelöst werden?
Es kann nur einen Ausweg geben: Der Konflikt und die gesamte Krise müssen durch einen Dialog gelöst werden. Daran sollten aber nicht nur Regierung und Opposition teilnehmen, sondern alle Sektoren der Gesellschaft. Und es darf nicht nur um rein pragmatische Details wie Neuwahlen gehen. Vielmehr brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Vertrag über das Zusammenleben, der die Anerkennung sozialer und politischer Rechte und eines demokratischen Rahmens beinhaltet.

Wie soll solch ein Dialog unter den gegenwärtigen Bedingungen zustande kommen?
Dafür muss zuallererst die Einmischung von außen gestoppt werden. Alle Länder, die nicht hinter der US-Linie stehen, sollten darauf drängen. Ohne die Parteinahme der USA und anderer Länder bliebe beiden Seiten gar keine andere Möglichkeit, als sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Denn wir haben real eine Pattsituation und die Opposition könnte ihren zurzeit starken Rückhalt in die Waagschale werfen. Ein Dialog sollte dann von internationalen Akteuren begleitet werden, aber ohne aktive Einmischung. Das wichtigste ist, die Krise friedlich, in demokratischem Rahmen, aber vor allem unter uns Venezolanern zu lösen.


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GESCHEITERTE ANALYSE

Lies den kompletten Artikel in der Juli / August-Ausgabe

 


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DOCH NOCH EIN ECHTER GEGNER

Amtsinhaber Maduro geht als Favorit in’s Rennen um die Präsidentschaft (Foto: Joka Madruga CC BY 2.0)

Nun wird es also doch noch einen richtigen Wahlkampf geben. Nach einigem Hin und Her sollen in Venezuela am 20. Mai vorgezogene Präsidentschaftswahlen stattfinden – die der Großteil der Opposition boykottiert. Bis zuletzt war daher unklar, ob Amtsinhaber Nicolás Maduro überhaupt einen ernsthaften Gegenkandidaten bekommen würde. Ende Februar ließ sich mit Henri Falcón von der kleinen Partei Avanzada Progresista nun ein namhafter Kandidat beim Nationalen Wahlrat (CNE) registrieren. „Wir sind uns sicher, dass wir gewinnen werden“, ließ der ehemalige Gouverneur des westlichen Bundesstaates Lara verlauten, der dem Oppositionsbündnis Tisch der demokratischen Einheit (MUD) mit seiner Kandidatur endgültig den Rücken kehrt. Der Ex-Militär Falcón stammt selbst aus den Reihen des Chavismus. Zwischen 1999 und 2010 führte er mehrere Ämter für die Regierungspartei aus, bevor er mit dem damaligen Präsidenten Hugo Chávez brach. Schon zuvor bezeichnete er sich selbst als „light-Chavisten“.

Henri Falcón bezeichnete sich selbst als “light-Chavisten”

Unterstützt von insgesamt zehn Parteien schrieb sich auch Maduro offiziell als Kandidat ein. Der amtierende Präsident forderte Falcón zu einer „großen Debatte“ auf und kündigte an, der Opposition „mit zehn Millionen Stimmen eine Klatsche zu verpassen“. Neben der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) stehen hinter Maduro auch traditionelle chavistische Verbündete wie die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) und die aus der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangene Partei Patria Para Todos (PPT). Beide hatten zuletzt allerdings Kritik an der Regierung geübt und waren bei den Kommunalwahlen sogar teilweise mit eigenen Kandidaten gegen die PSUV angetreten. Zudem verkündete Maduro Ende Januar die Gründung einer neuen Partei namens Somos Venezuela (Wir sind Venezuela), die ihn bei den Präsidentschaftswahlen als eigenständige politische Kraft unterstützt. Somos Venezuela war Mitte 2017 zunächst als Bewegung entstanden, die bei der Umsetzung staatlicher Sozialprogramme mitwirkt. Als Parteichefin fungiert die Präsidentin der umstrittenen Verfassunggebenden Versammlung (ANC), Delcy Rodríguez. Mit der Neugründung will die Regierung nach eigenen Angaben vor allem Wähler*innen erreichen, die sich von den bisherigen Parteien nicht repräsentiert fühlen.

Am 23. Januar hatte die ANC beschlossen, die eigentlich für Dezember vorgesehene Präsidentschaftswahl auf einen Termin vor dem 30. April vorzuverlegen. Wie erwartet folgte der Nationale Wahlrat (CNE) dem Ansinnen und legte die Wahl zunächst auf den 22. April. Zuvor waren in der Dominikanischen Republik mehrmonatige Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition gescheitert. Weil die Opposition derzeit schwach und zerstritten ist, kommt ein früherer Wahltermin der Regierung entgegen. Diosdado Cabello, Vizepräsident der PSUV und Delegierter der ANC, hatte sogar vorgeschlagen, zeitgleich das Parlament neu wählen zu lassen, das oppositionell dominiert, jedoch derzeit juristisch kalt gestellt ist. Maduro unterstützte den Vorstoß und regte an, zusätzlich auch noch die ausstehenden Wahlen der regionalen und kommunalen Legislativen auf den selben Tag zu legen. Doch der CNE lehnte die Vorschläge mit der Begründung ab, das die Zeit dafür nicht ausreiche. Am 1. März dann folgte die nächste Überraschung: Als neuen Wahltermin verkündete der CNE den 20. Mai, an dem nicht nur der Präsident, sondern auch die regionalen und kommunalen Legislativen gewählt werden sollen. Die ANC erteilte unmittelbar danach ihre Zustimmung. Die Terminfindung zeigt eindrücklich, wie informell in Venezuela mittlerweile derart weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Auf den neuen Termin hatte sich die Regierung mit Falcóns Partei Avanzada Progresista sowie den kleineren Oppositionsparteien Movimiento al Socialismo (MAS) und der christdemokratischen Copei geeinigt, die Falcóns Kandidatur ebenfalls unterstützen.

Maduro will der Opposition “mit zehn Millionen Stimmen eine Klatsche verpassen””

Sie vereinbarten, die Wahlergebnisse anzuerkennen, einen ausgewogenen Zugang zu den Medien sicherzustellen und eine Wahlbeobachtermission unter Leitung der Vereinten Nationen einzuladen, die alle Phasen des Urnengangs überwachen soll. Auch sollten die Wahlbedingungen wieder hergestellt werden, die bis 2015 galten. So hatte der CNE bei den vergangenen Regional- und Kommunalwahlen im Oktober und Dezember vergangenen Jahres wegen der vorherigen gewalttätigen Proteste einige Wahllokale von oppositionellen Hochburgen in chavistisch dominierte Gebiete verlegt.

Die nun vereinbarten Punkte ähneln jenen, über die Regierung und Opposition bis Ende Januar in der Dominikanischen Republik verhandelt hatten, die dem MUD aber nicht weit genug gingen. Der Generalsekretär von Avanzada Progresista, Luis Romero, bekräftige, die ausgehandelten Bedingungen seien „zwar nicht optimal, garantierten den Venezolanern aber vollkommen, ihr Wahlrecht auszuüben“.
Da die Regierung für die Legitimität der Wahl auf mindestens einen ernsthaften Konkurrenten angewiesen ist, kam sie um Zugeständnisse nicht herum. Denn der MUD erklärte am 21. Februar, die Wahl zu boykottieren. Zuvor hatten schon dessen größte Parteien Acción Democrática, Primero Justicia, Un Nuevo Tiempo und Voluntad Popular getrennt voneinander ihre Ablehnung der Wahl bekundet. Stattdessen wolle man eine „breite Front“ unterschiedlicher Akteure wie Parteien, Kirchen und Universitäten aufbauen, um einen politischen Wandel und faire Wahlbedingungen zu erreichen. Dass sowohl der MUD als Ganzes, als auch dessen Einzelparteien Primero Justicia und Voluntad Popular im Zuge einer umstrittenen Neuregistrierung kürzlich ihren Parteienstatus verloren haben, erschwerte die Einigung auf eine gemeinsame Kandidatur möglicherweise zusätzlich. Auch nach der erneuten Verlegung blieb das Bündnis bei seiner Position und forderte Falcón dazu auf, seine Kandidatur zurück zu ziehen. „Leider hat er der Versuchung einer Wahlteilnahme nachgegeben und spielt damit der Regierung von Nicolás Maduro in die Hände“, sagte Juan Pablo Guanipa von Primero Justicia. Auf internationaler Ebene stützen unter anderem die USA, die Europäische Union sowie mehrere lateinamerikanische Länder die Haltung des MUD.

Das Oppositionsbündnis fordert unter anderem eine Neubesetzung des fünfköpfigen Nationalen Wahlrats, die Freilassung aller als politische Gefangene angesehenen Personen und die Rücknahme der Antrittsverbote, mit denen populäre Oppositionspolitiker wie Leopoldo López und Henrique Capriles Radonski belegt sind. Laut inoffiziellen Informationen trafen sich auch Vertreter*innen von MUD Ende Februar nochmals mit der Regierung, um über die Wahlbedingungen zu verhandeln. Doch während die rechte Opposition im vergangenen Jahr, als sie politisch Oberwasser hatte, noch sofortige Neuwahlen forderte, benötigt sie nun vor allem mehr Zeit. Seit dem Scheitern der Straßenproteste befindet sich der MUD in einer schweren internen Krise und wäre kurzfristig gar nicht in der Lage, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten oder eine Kandidatin zu einigen.

Aufgrund des oppositionellen Wahlboykotts gilt Falcón bisher als klarer Außenseiter im Rennen um die Präsidentschaft. Auch haftet ihm der Makel an, im vergangenen Oktober bei den Regionalwahlen in Lara seinen Gouverneursposten an die PSUV verloren zu haben. Seine wichtigste Aufgabe wird in den kommenden zweieinhalb Monaten sein, all jene Wähler*innen zu mobilisieren, die einen Regierungswechsel wollen.

Maduro rief den MUD nach seiner Einschreibung derweil abermals dazu auf, einen eigenen Kandidaten einzuschreiben, da alle Garantien gegeben seien. „Nur eines kann ich euch nicht garantieren“, sagte er ironisch, „und zwar, dass ihr die Wahl gewinnt“.


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DANKE FÜR DIE IMPFUNG, PRESIDENTE

Er scheint sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. „Am Sonntag, den 20. Mai, werden wir zehn Millionen Stimmen holen“, rief der venezolanische Präsident Nicolás Maduro seinen Anhänger*innen auf einer Kundgebung am 1.Mai zu. Nach dem Wahlsieg wolle er sich „um die Wirtschaftsmafia kümmern und unserer gesamten Bevölkerung den ökonomischen Frieden bringen“. Zehn Millionen Voten hatte schon Maduros politischer Ziehvater und Amtsvorgänger Hugo Chávez stets als Ziel vorgegeben. Erreicht hat er es trotz immenser Mobilisierungsfähigkeit nie. Wie die regierenden Chavist*innen diese magische Zahl knacken wollen, rechnet Jorge Sierra Machado vor. Der 31-Jährige steht in der Backstube des selbst verwalteten, sozialistischen Wohnkomplexes Campamento de Pioneros Kaika Shi in La Vega, im Westen der venezolanischen Hauptstadt Caracas. „Die Regierungspartei PSUV hat über fünf Millionen Mitglieder und von denen bringt jeder mindestens eine weitere Person mit“, sagt er, während er den Teig für das Brot knetet, das hier zum staatlich festgelegten Preis von 10.000 Bolívares verkauft wird. Laut dem Schwarzmarktkurs, an dem sich die meisten Preise in Venezuela orientieren, sind das nicht einmal zwei Cents. Doch in Caracas ein Brot zu diesem Preis zu finden, gleicht einer Schatzsuche. Die überwiegend privat betriebenen Bäckereien argumentieren, so nicht kostendeckend produzieren zu können. Stattdessen bieten sie Sorten mit alternativer Rezeptur, die nicht der Preisbindung unterliegen, für mindestens das zwanzigfache an.

Venezuela wählt Trotz Hyperinflation gilt Nicholás Maduro als Favorit (Fotos: Tobias Lambert)

Ähnlich ist es mit anderen Lebensmitteln. Außer vereinzelten Produkten wie Frischmilch ist dieser Tage fast alles erhältlich – aber schier unbezahlbar. Die Hyperinflation bestimmt den Alltag der meisten Menschen, die viel Zeit dafür aufbringen müssen, zielgenau dort einzukaufen, wo einzelne Produkte günstiger zu haben sind als anderswo. Gezahlt wird wegen Bargeld­mangels mittlerweile fast alles elektronisch. Offizielle Wirtschaftsdaten gibt es schon seit Jahren nicht mehr, der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für 2018 eine Teuerungsrate von 14.000 Prozent. Nach der jüngsten Erhöhung am ersten Mai liegt der Mindestlohn inklusive Lebensmittelgutscheinen bei gut 2,5 Millionen Bolívares, auf dem Schwarz­markt bekommt man dafür gerade einmal noch knapp vier US-Dollar. Ein Kilo Reis kostet regulär über 300.000 Bolívares, für ein paar neue Turnschuhe werden schnell drei bis vier Millionen fällig. Hinzu kommt der Verfall der öffentlichen Dienstleistungen. Viele Medikamente sind nicht mehr erhältlich. Die staatlichen Transport-, Elektrizitäts- und Wasserunternehmen haben spürbar Probleme, die Versorgung aufrecht zu erhalten.

Jorge Sierra Machado vertraut trotzdem darauf, dass die Regierung die Krise beenden kann. „Zuerst gewinnen wir die Wahl und dann den Wirtschaftskrieg“, ist er sich sicher. „Die Inflation betrifft uns schon, aber sie wird von außen gesteuert.“ Internetseiten wie das von Miami aus betriebene Portal Dolar Today legten den Schwarzmarktkurs für US-Dollar nach politischen Erwägungen fest. „Noch nie wurde Venezuela derart attackiert wie heute“, sagt Sierra Machado. „Die Medien verfälschen und die US-Regierung verhindert mit ihrer Blockade, dass wir Kredite bekommen.“ Aber Maduro habe Maßnahmen getroffen, um dem etwas entgegen zu setzen. Schließlich würden Anfang Juni im Zuge einer Währungsreform drei Nullen gestrichen und sorge die Ausgabe der staatlichen Kryptowährung Petro für frisches Geld in den Kassen.

Jorges Mutter Mariela Machado sieht das ähnlich. „Maduro gibt sich Mühe“, sagt sie, „aber er hat nur wenige gute Leute um sich herum“. Mit glänzenden Augen führt die 58-Jährige durch die Wohnsiedlung Kaika Shi, die es ohne die Revolution nicht gäbe. Die Mauern im Eingangsbereich sind von großflächigen, sozialistischen Wandbildern geziert, direkt dahinter wachsen auf einem kleinen Hügel Tomaten, Zucchini und andere Gemüsesorten. Im Hof zwischen den mehrstöckigen Gebäuden spielen Kinder. Im hinteren Bereich steht ein Versamm­lungs­haus, das einen öffentlichen Speisesaal (comedor popular), die Bäckerei und eine kleine Nähwerkstatt beherbergt. Vor dem flachen Gebäude verweist eine Statue des 2013 verstorbenen Chávez darauf, wem die politische Loyalität in der Siedlung gehört. „Ohne ihn hätten wir das alles nicht erreicht und deshalb führen wir seinen Kampf weiter“, zeigt sich Machado entschlossen. Anfang 2011 hatte Chávez den zukünftigen Bewohner*innen das von diesen zuvor besetzte städtische Grundstück übertragen, öffentliche Kredite sorgten für das nötige Baumaterial. Die 94 Familien, die hier heute leben, haben alles gemeinsam beschlossen und sämtliche Gebäude eigenhändig hochgezogen.

In Caracas günstiges Brot zu finden, gleicht einer Schatzsuche

Durch die Krise seien sie heute gezwungen, mehr anzubauen und sich ihre Kleidung auch mal selbst zu nähen, sagt Machado. Und pünktlich einmal im Monat komme die Lebensmittelkiste: „Davon esse ich immerhin zwei Wochen lang.“

So wie Millionen anderer Venezolaner*innen erhalten die Bewohner*innen des Kaika Shi direkte Zuwendungen der Regierung, ohne die ein Überleben in Zeiten der Hyperinflation kaum möglich wäre. Am wichtigsten sind die im April 2016 als Antwort auf die Versorgungskrise und die Korruption in den staatlichen Supermärkten gegründeten „Lokalen Versorgungs- und Produktionskomitees“ (CLAP). Diese verteilen überwiegend importierte Grundnahrungsmittel wie Pasta, Reis, Maismehl, Zucker und Milchpulver zu einem symbolischen Preis. Während die Versorgung in Caracas vergleichsweise gut funktioniert, kommen die Lebensmittel in anderen Regionen mitunter unregelmäßig. Auch sind die Kisten nicht immer vollständig. „Es gibt Leute, die klauen und verkaufen CLAP-Produkte dann auf der Straße teuer weiter“, weiß Machado. „Wir haben hier in Venezuela eine jahrzehntelange Kultur des Raubes, nicht nur ganz oben, sondern auch bei den Ärmeren“.


Chávez blickt auf Kaika Shi Die Bewohner*innen haben die Siedlung eigenhändig erbaut

Nicht nur weil die Regierung wie im Fall von Kaika Shi noch über einen gewissen Rückhalt verfügt, könnte Maduro die Präsidentschaftswahl am 20. Mai trotz Wirtschaftskrise und Hyperinflation tatsächlich gewinnen. Denn die rechte Opposition ist gespalten. Von den insgesamt fünf Kandidaten werden nur Maduro und Henri Falcón, dem ehemaligen Gouverneur des Bundesstaates Lara, reelle Siegchancen zugerechnet. Obwohl Falcón durch das Land tourt und dabei auch chavistische Hochburgen nicht auslässt, verläuft der Wahlkampf insgesamt nur schleppend. Als früherer Chavist wäre er einerseits zwar ein geeigneter Übergangspräsident. Tatsächlich aber stößt Falcón in beiden politischen Lagern auf Skepsis. Der Großteil der Opposition setzt auf Boykott, wenngleich völlig unklar ist, ob die Basis diesen am Wahltag mittragen wird. Das rechte Oppositionsbündnis „Tisch der demokratischen Einheit“ (MUD) ist praktisch zerfallen, dessen beide prominentesten Politiker Leopoldo López und Henrique Capriles sind von der Wahl ausgeschlossen. Die USA, die EU und eine Reihe lateinamerikanischer Länder haben angekündigt, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Dabei unterscheiden sich Falcóns Forderungen kaum von jenen anderer Oppositionsführer. Er will den US-Dollar als Zahlungsmittel einführen, um die Inflation zu stoppen, die Verstaatlichungen der vergangenen Jahre auf den Prüfstand stellen und den staatlichen Erdölkonzern PDVSA für privates Kapital öffnen.

Aufgrund der Schwäche der Opposition, die in den vergangenen zwei Jahren mehrfach erfolglos ihre Strategie änderte, hatte die Regierung die Wahl von Dezember auf Mai vorgezogen. Ein harter Kern von etwa 20 bis 30 Prozent chavistischer Wähler*innen könnte für Maduro also ausreichen, um zu gewinnen, zumal die Regierung über eine eingespielte Maschinerie zur Mobilisierung zurückgreifen kann.

Dass der Präsident im Amt bleiben wird, glaubt auch Andrés Antillano. Seit 30 Jahren ist der Kriminologe als Aktivist in stadtpolitischen Bewegungen aktiv, derzeit unter anderem in der Siedlerbewegung, aus der auch das Campamento Kaika Shi hervorgegangen ist. So weiter gehen wie bisher könne es aber nicht. „Zentrale wirtschaftliche und politische Ansätze, die es unter Chávez gab, sind einfach verschwunden“, bemängelt er. „Dazu zählen die Förderung der Industrialisierung, von Kooperativen und produktiven Kommunen sowie die Übertragung von Macht auf die Bevölkerung.“ Das sich erschöpfende Modell der Erdölrente versuche die Regierung nun verzweifelt durch eine Ausweitung des Bergbaus zu ersetzen. „Das Wichtigste ist: Die Lösung der Krise muss friedlich und demokratisch ausgehandelt werden und zwar von den Venezolanern ohne Einmischung von außen“, betont Antillano. Die meisten linken Bewegungen seien zurzeit nicht unabhängig genug, um einen eigenen, revolutionären Ausweg aus der Krise durchzusetzen. Deswegen eine rechte Regierung in Kauf zu nehmen, sei jedoch nicht die Lösung. „Es reicht, nach Brasilien oder Argentinien zu blicken, um zu sehen, dass die Räume dann keineswegs größer werden“.

“Wenn nicht 350 Milliarden US-Dollar veruntreut worden wären, wären wir nicht in dieser Lage.”

Santiago Arconada sieht das anders. „Für eine echte Erneuerung muss der Chavismus als Ganzes in die Opposition gehen“, ist sich der Basisaktivist sicher. Er wohnt in einem barrio in Antímano, südlich von La Vega, sitzt jedoch am Rande der Plaza Bolívar in Chacao, einer Hochburg der rechten Opposition im Osten der Hauptstadt. Dies sei kein politisches Statement, stellt er klar, er habe hier lediglich ein paar Dinge zu erledigen und der Platz sei angenehm ruhig. Jemanden wie ihn in die rechte Ecke zu stellen, so wie es die Regierung mit vielen ihrer Kritiker*innen macht, ist ohnehin kaum möglich. Seit fast 40 Jahren ist der längst ergraute Basisaktivist in der venezolanischen Linken als Gewerkschafter, Dozent und Sozialforscher aktiv. In den barrios baute Arconada eine partizipative Wasserverwaltung mit auf, unter Chávez und Maduro war er Berater des Umweltministeriums und der Wasserwerke. Wenn er von den ersten Regierungsjahren des Chavismus und der schöpferischen Kraft in den Armenvierteln erzählt, gerät er genau so schnell ins Schwärmen, wie er den Kopf über das schüttelt, was daraus geworden ist. „Laut den vorsichtigsten Schätzungen sind während der Regierungszeit des Chavismus 350 Milliarden-US-Dollar verschwunden. Davon alleine hätte man zehn Jahre lang alle Venezolaner ernähren können“, schimpft er. „Stattdessen haben wir nun unterernährte Kinder, und Krebspatienten bekommen keine Therapie, weil jede Hilfe als imperialistisch gebrandmarkt wird. Aber es ist ganz einfach: Wenn nicht 350 Milliarden US-Dollar veruntreut worden wären, wären wir jetzt nicht in dieser Lage.“

Die Regierung habe eine riesige klientelistische Struktur geschaffen, die nicht einmal verhehle, dass sie klientelistisch sei, kritisiert Arconada. „Es beschämt mich, wenn ich im Staatsfernsehen ein junges Mädchen sehe, das in die Kamera sagt: ‘Danke für die Impfung, Präsident Maduro.’ Eine Impfung ist doch keine milde Gabe, das Mädchen hat ein Recht darauf!“ Dieser Klientelismus entferne die Menschen immer weiter davon, selbst über ihr Leben entscheiden zu können, mit ihrer eigenen Arbeit das zu verdienen, was sie brauchen. „Niemand aus der chavistischen Bevölkerung sagt: Das ist das, was wir wollten, davon haben wir geträumt, dafür haben wir damals Chávez auf der Straße verteidigt.“

Seine Stimme bei der anstehenden Wahl will Arconada dem politischen Außenseiter Reinaldo Quijano geben, der für eine linke Kleinstpartei antritt. „Natürlich hat Quijano keine Chance, aber die Kandidatur eröffnet die Möglichkeit zu sagen: Ich lehne die Korruption der Regierung strikt ab, aber warte auch nicht mit verschränkten Armen auf den IWF und die Dollarisierung, die Falcón angekündigt hat.“ Einen Sieg des rechten Herausforderers hält er durchaus für möglich. „Ich bin mir absolut sicher, dass Maduro verliert, wenn die Wahlbeteiligung bei über 60 Prozent liegt“, sagt Arconada. Je niedriger sie ausfalle, desto größer sei die Gefahr eines Betruges wie er bei der Wahl der Verfassunggebenden Versammlung Ende Juli vergangenes Jahres stattgefunden habe. Damals hatte die komplette Opposition die Wahl boykottiert.

Präsident Maduro stellte Anfang Mai indes klar, was er tun würde, sollte eine rechte Regierung die Reichtümer Venezuelas verscherbeln. „Ich wäre der erste, der ein Gewehr in die Hand nimmt, um eine bewaffnete Revolution zu machen.“


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MIT DER KRISE INS WAHLJAHR

Foto: HausOf_Diegoo via Flickr (CC BY 2.0)

In der ersten Jahreshälfte 2017 war es eine Hauptforderung der venezolanischen Opposition: vorgezogene Präsidentschaftswahlen. Dass ihr Wunsch nun aller Voraussicht nach in Erfüllung gehen wird, löst jedoch keine Freude aus. Am 23. Januar hat Venezuelas Verfassunggebende Versammlung (ANC) beschlossen, die eigentlich für Dezember vorgesehene Präsi­dent­schafts­wahl auf einen Termin vor dem 30. April vorzuverlegen. Es gilt als sicher, dass der Nationale Wahlrat (CNE) dem Ansinnen folgen wird. Politische Beobachter*innen rechneten seit geraumer Zeit mit diesem Schritt. Damit wolle die Regierung die derzeitige Schwäche und Zerstrittenheit der Opposition ausnutzen, so der Tenor. Denn seit der umstrittenen Wahl zur ANC Ende Juli hat die Regierung von Nicolás Maduro politisch Oberwasser. Die monatelangen Proteste kamen zum Erliegen, bei den Regional- und Bürgermeisterwahlen im Oktober und Dezember konnte die regierende Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) auf ganzer Linie triumphieren.

Venezuelas Oberster Gerichtshof hat das wichtigste Oppositionsbündnis Tisch der demokratischen Einheit (MUD) von der Präsi­dent­schaftswahl ausgeschlossen. Der MUD hätte sich für die Wahl neu anmelden müssen, nachdem das Bündnis die Kommunalwahlen am 10. Dezember boykottiert hatte. Der Ausschluss des MUD, weil einige daran beteiligte Parteien sich neu angemeldet hatten, andere nicht, verhindert, dass ein gemeinsamer Kandidat für die Opposition antreten kann. Leopoldo López von der radikalen Partei Voluntad Popular und Ex-Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles Radonski sind ohnehin aßen vor. López steht wegen seiner Rolle bei den gewaltsamen Protesten 2014 unter Hausarrest. Capriles darf wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten während seiner Zeit als Gouverneur des Bundesstaates Miranda 15 Jahre lang für kein politisches Amt kandidieren. Als vermeintlichen Retter bringen daher immer mehr Oppositionsanhänger*innen den Milliardär Lorenzo Mendoza ins Spiel. Der Chef des größten venezolanischen Lebensmittelkonzerns Polar stünde als politischer Quereinsteiger jenseits der politischen Grabenkämpfe. Zu einer möglichen Kandidatur schweigt er bisher jedoch beharrlich. Daran hat auch der Beschluss der ANC bisher noch nichts geändert.

Das Parlament schätzt die Teuerungsrate für 2017 auf 2.600 Prozent.

Politisch hat die Regierung Maduro Land gewonnen, doch das Land steckt weiter in einer schweren wirtschaftlichen Krise. In den ersten Wochen des neuen Jahres wurden über 100 Plünderungen in verschiedenen Landesteilem gezählt. Diese verlaufen dezentral und unkoordi­niert, doch für die Regierung unter Präsident Nicolás Maduro könnten die spontan wirkenden Ereignisse bedrohlicher werden als die Straßenproteste der rechten Opposition zwischen April und Juli 2017. Denn die Versorgungskrise erzürnt auch viele Venezolaner*innen, die zur traditionellen Basis des Chavismus zählen.

Die Hoffnung vieler Regierungsanhänger*innen, dass sich die Versorgungslage nach der Wahl der omnipotenten ANC bessern werde, ist jedoch nicht aufgegangen. Auch wenn der Erdölpreis langsam wieder steigt und inzwischen wenigstens die 70-Dollar-Schwelle pro Barrel (159 Liter) überschritten hat, fehlt es den meisten Menschen am Nötigsten. Die Supermärkte sind weitgehend leergefegt, Anfang des Jahres hat sich die Lage nochmals verschlechtert. Während auf dem Schwarzmarkt mittlerweile mehr als 200.000 Bolívares für einen US-Dollar gezahlt werden, liegt der monatliche Mindestlohn nach der jüngsten Erhöhung bei gerade einmal 800.000 Bolívares. Die Regierung macht weiterhin vor allem den „Wirtschaftskrieg“ seitens der ökonomischen Eliten und die Sanktionen der USA für die Lage verantwortlich.

Zwar spielen diese Faktoren eine Rolle, die Vorwürfe wirken ein halbes Jahr nach der Wahl der ANC jedoch zunehmend hilflos. Als der von der Regierung versprochene Schinken für den Festtagsbraten zu Weihnachten nicht eintraf, beschuldigte Maduro Portugal der Sabotage, obwohl Venezuela zuvor offenbar Rechnungen portugiesischer Lebensmittelexporteure nicht beglichen hatte. Auf die jüngsten Plünderungen reagierte die Regierung mit der Entsendung von Soldaten, die vereinzelt Supermärkte bewachen sollen. Die Verbraucherschutzbehörde Sundde wies 26 Lebensmittelketten an, die Preise bestimmter Produkte auf das Niveau von Mitte Dezember zu senken. Offizielle Daten zur Höhe der Inflation gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Das oppositionell besetzte, aber machtlose Parlament schätzt die Teuerungsrate für 2017 auf 2.600 Prozent. Um sich finanziell unabhängiger zu machen und Sanktionen zu umgehen, pocht Maduro nun darauf, eine eigene Kryptowährung auszugeben. Anders als der Bitcoin soll das digitale Geld staatlich reguliert und mit den Erdölreserven physisch abgesichert sein. Die Krise beenden wird dies wohl kaum.
Vertreter von Regierung und Opposition kamen indes im Januar in der Dominikanischen Republik zu mehreren Dialogtreffen zusammen. Der Opposition ging es in den Gesprächen vor allem um faire Regularien zur Präsidentschaftswahl, die Freilassung der als politische Gefangene angesehenen Personen und humanitäre Hilfe. Der Sinn des Dialogs ist intern aber umstritten, radikale Oppositionelle liebäugeln mit neuen Straßenprotesten. Eine Annäherung zwischen Regierung und Opposition schien dennoch bereits in greifbare Nähe gerückt. Beide Seiten hatten erklärt, es habe substanzielle Fortschritte in mehreren Punkten gegeben.

Seit der umstrittenen Wahl zur ANC hat die Regierung von Maduro politisch Oberwasser.

Doch dann sagte der MUD seine Teilnahme an den für den 25. Januar geplanten Gesprächen ab. Zur Begründung hieß es, die Regierung unterstelle fälschlicherweise Oppositionspolitikern, sie hätten Verbindungen zu einer Gruppe von Aufständischen gehabt, die Mitte Januar gewaltsam aufgelöst wurde. Deren Aufenthaltsort sei durch Hinweise aus den Reihen des MUD ermittelt worden. Durch die einseitig vorgezogene Präsidentschaftswahl dürfte der Dialog nun ohnehin vor dem kompletten Aus stehen.

Am 18. Januar hatten venezolanische Sicherheitskräfte eine Operation gegen die seit Monaten gesuchten Aufständischen um den früheren Krimi­nal­polizisten Óscar Pérez, geführt. Dieser hatte im vergangenen Juni in einem gekaperten Hubschrauber mehrere Regierungsgebäude beschossen. Sieben Mitstreiter, darunter auch Pérez selbst, und zwei Polizisten wurden bei dem Einsatz getötet. Der Ablauf der Aktion ist umstritten. Pérez stellte noch kurz vor seinem Tod ein Video online, in dem er behauptete, sich ergeben zu wollen. Während die Opposition von extralegalen Hinrichtungen spricht, feiert die Regierung das Ausschalten einer Terrorzelle. In der Kritik stehen venezolanische Sicherheitskräfte immer wieder. Vorwürfe extralegaler Hinrichtungen werden etwa im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung regelmäßig erhoben. Auch im bevorstehenden Wahlkampf werden Gewalt und Kriminalitätsbekämpfung sicher ein Thema sein.

 


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KRYPTISCHER SCHULDENPOKER

Die Aussagen sind kryptisch: In seiner fünfstündigen Fernsehsendung sagte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro am 3. Dezember, das digitale Geld mit dem Namen Petro werde das Land ins 21. Jahrhundert führen: “Damit werden wir unsere Währungshoheit zurückerlangen. Der Petro wird uns gegen die US-Finanzsanktionen helfen. Wir können neue Formen der internationalen Finanzierung schaffen, die der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unseres Landes dienen. Gestützt wird der Petro durch unsere Reserven an Gold, Erdöl, Gas und Diamanten.” Dabei ließ Maduro offen, wie mit dem Petro Finanzsanktionen umgangen werden sollen. Die USA haben im Sommer Sanktionen gegen Venezuela verhängt. Unter anderem ist der Handel mit venezolanischen Staatsanleihen untersagt.

Was aus dem Petro wird, bleibt vorerst ein Rätsel, die Schuldenproblematik Venezuelas ist indes akut. Die Bedienung der drückenden Schuldenlast verschlingt durch Zins- und Tilgungszahlungen zig Milliarden Dollar, die dann nicht für Importe zur Verbesserung der teils desaströsen Versorgungslage zur Verfügung stehen. Venezuela ist mit geschätzten 155 Milliarden Dollar (133 Milliarden Euro) bei ausländischen Gläubiger*innen verschuldet und derzeit müssen mindestens zehn Milliarden Dollar pro Jahr für den Schuldendienst aufgebracht werden.

Anfang November kündigte Maduro an, zu den laufenden Konditionen keine Schuldenzahlungen mehr leisten zu wollen, und forderte die Anleihegläubiger*innen auf, über eine Refinan­zierung oder eine Restrukturierung der Schulden zu verhandeln. Dabei geht es nicht um die gesamten Schulden, sondern ausschließlich um die Auslandsschulden Venezuelas und die internationalen Schulden der staatlichen Erdölfirma PDVSA: rund 66 Milliarden Dollar.

Einen ersten Erfolg kann Maduro vorweisen: Mit Russland gab es Mitte November eine Einigung. Caracas bekommt demnach mehr Zeit, um einen Kredit aus dem Jahr 2011 zurückzuzahlen. Gemäß der neuen Vereinbarung können die 3,15 Milliarden Dollar in den kommenden zehn Jahren getilgt werden. Zwar ist China mit 21 Milliarden Dollar Forderungen ein größerer Gläubiger als Moskau, doch Russland ist stärker direkt verflochten: Russlands Ölkonzern Rosneft gewährte seinem Pendant PDVSA von 2015 bis 2017 Vorauszahlungen für Rohöllieferungen über fast 6 Milliarden Dollar. Die sollen bis Ende 2019 durch Öllieferungen beglichen werden. Zudem hat Rosneft sich in Venezuela in fünf Förder- und Explorationsprojekte von PDVSA eingekauft.

Die Sicherheitsleistungen von PDVSA entbehren nicht einer gewissen Pikanterie: PDVSA hinterlegte bei Rosneft unter anderem einen Anteil von 49,9 Prozent an Citgo, einem großen Raffinerie- und Tankstellenbetreiber in den USA, den PDVSA seit 1990 mehrheitlich kontrolliert. Die USA haben deswegen ein Eigeninteresse, dass PDVSA nicht zahlungsunfähig wird: Denn dann könnte sich Rosneft bevorzugt aus der Konkursmasse bedienen und durch die Hintertür in den US-Markt einsteigen.

Die USA sind der wichtigste Abnehmer venezolanischer Ölexporte. Von den täglich zwei Millionen Barrel, die in Venezuela noch gefördert werden, gehen rund 700 000 in die USA. Dafür fließen derzeit täglich rund 30 Millionen US-Dollar nach Caracas, was die schwindsüchtige Staatskasse gut gebrauchen kann. 96 Prozent der Exporterlöse und 60 Prozent der Staatseinnahmen Venezuelas kommen aus der Ölindustrie. Der Ölpreisverfall seit 2014 belastet die Zahlungsfähigkeit schwer und der Poker ist noch nicht zu Ende.

 


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