UND RAUS BIST DU

Nicht mein Präsident Manuel Merino überzeugte Peruaner*innen nicht (Foto: Samantha Hare via flickr.com, CC BY 2.0)

Dass Martín Vizcarra das zweite Amtsenthebungsverfahren innerhalb von nur drei Monaten unter der Begründung „moralischer Unfähigkeit“ nicht überstand, war eine Überraschung. Noch überraschender war der massive Protest, der anschließend seinen Nachfolger aus dem Amt fegte. Vizcarra, der seit dem Rücktritt des damaligen Amtsinhabers 2018 die Regierungsgeschäfte führte, hatte erst wenige Wochen zuvor ein erstes Amtsenthebungsverfahren überstanden. Der Politanalyst Giancarlo Castiglione erklärt gegenüber LN, dass beim zweiten Verfahren schwerwiegendere Indizien gewirkt hätten: „Es gibt vier Kronzeugen, darunter ein ehemaliger Minister, die behaupten, dass Vizcarra während seiner Zeit als Regionalpräsident von Moquegua Schmiergelder erhalten hat. Hinzu kommt eine machthungrige politische Klasse, die einen schwachen Moment ausgenutzt hat.“ Die habe sich vorrangig der Haushaltsgelder bemächtigen wollen, so Castiglione. Weiterhin wird gegen 68 Abgeordnete unter anderem wegen Korruption ermittelt.

„Wir haben es in Peru mit einer sich militarisierenden Polizei zu tun“

Der Anthropologe Jorge Rodríguez, der sich im linken Wahlbündnis Zusammen für Peru (JP) engagiert, beklagt zudem die Entfremdung zwischen Politik und Bevölkerung – auch innerhalb der Linken. Das habe sich etwa im Abstimmungsverhalten der Mehrheit der Koalition Breite Front (FA) ausgedrückt, die für die Amtsenthebung gestimmt hatte. Am 9. November 2020 entschieden sich insgesamt 105 der 130 Abgeordneten für die Amtsenthebung Vizcarras. Am Folgetag wurde der bisherige Kongresspräsident Manuel Merino als Übergangspräsident vereidigt. Premierminister wurde der ultrarechte Ántero Flores Aráoz, der bereits unter Alan García als Verteidigungsminister gedient hatte.

Der überraschende Regierungswechsel, der nur fünf Monate vor den Wahlen stattfand und in vielen Medien als Putsch bezeichnet wurde, trieb in den Tagen darauf Zehntausende auf die Straße. „In vielen Nachrichten aus dem Ausland hieß es, dass die Proteste für Vizcarra waren. Es stimmt sicher, dass einige Leute damit einverstanden gewesen wären, dass Vizcarra wieder ins Amt zurückkehrt, aber ich denke, dass die große Mehrheit gegen die Art der Machtübernahme protestierte“, meint die Demonstrantin Cathy Viviana. Sie und viele andere Peruaner*innen seien an diesem Tag aus Empörung auf die Straße gegangen: „Wir wollten unsere Ablehnung gegenüber dem zeigen, was offensichtlich beabsichtigt wurde: Die Kongressmehrheit, allesamt korrupt, wollte die Macht an sich reißen, um sich von den Anschuldigungen gegen sich und ihre korrupte Führung rein zu waschen.“

In der Hauptstadt Lima fiel die Repression gegen die friedlichen Proteste mit einer bisher ungesehenen Härte aus. Schon der erste Protesttag nach Vereidigung der neuen Regierung war von Spannungen zwischen Polizei und Demonstrant*innen gekennzeichnet, wie Viviana berichtet: „Zunächst waren wir eine kleine Gruppe, aber nach und nach kamen Leute mit Plakaten und einer riesigen Flagge dazu. Sie wurde uns von der Polizei abgenommen, um eine Reaktion zu provozieren und uns dann angreifen zu können.“

Nach den landesweiten Großdemonstrationen am 12. und 14. November mussten nach Angaben des Gesundheitsministeriums 210 Menschen in Krankenhäusern in Lima und Cusco wegen Verletzungen durch Schusswaffen und Tränengas behandelt werden, Angehörige beklagten zudem mehrere Verschwundene. Erst am 19. November gab die peruanische Ombudsstelle für Menschenrechte bekannt, dass alle Verschwundenen wieder aufgetaucht seien: Einige hatten mehrere Tage in Krankenhäusern verbracht, andere waren Opfer von illegalen Verhaftungen geworden. Die neue Regierung zeigte sich währenddessen ignorant gegenüber den Protestierenden: „Ich möchte gerne verstehen, dass es etwas gibt, das sie beunruhigt, aber ich weiß nicht was“, ließ Ministerpräsident Flores Aráoz nach den ersten Protesten verlauten.

Politik für Peruaner*innen, nicht für das Großkapital

Videos von massivem Tränengaseinsatz, brutaler Polizeigewalt und Verhaftungen durch Personen in Zivil erreichten soziale Medien wie TikTok und Instagram noch vor den traditionellen. Erstmals wurde bei Protesten in Peru auch der Einsatz von Glasmurmeln und Bleischrot nachgewiesen. An letzterem kamen die beiden Demonstranten Inti Sotelo Camargo (24) und Bryan Pintado Sánchez (22) ums Leben. Ihre Angehörigen fordern seither Aufklärung: „Wir wissen, dass alle Polizisten auf Befehl von oben arbeiten. Es schmerzt mich, dass mein Bruder sein Leben opfern musste. Aber nehmen wir dies zum Anlass, dass es nicht noch einmal passiert“, sagte Pacha Sotelo auf einer Pressekonferenz am 18. November.

Betroffene und Menschenrechtsorganisationen fordern auch die Aufklärung der illegalen Verhaftungen. Im Mittelpunkt steht der Vorwurf der Infiltration der Proteste durch Mitglieder der Gruppe Terna, die eigentlich für die Aufspürung (klein-)krimineller Netzwerke zuständig ist. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, den Demonstranten Luis Fernando Araujo am 14. November verschleppt, bedroht und für drei Tage in ein fensterloses Zimmer gesperrt zu haben. Anwält*innen und Menschenrechtsorganisationen fordern nun die Abschaffung der Gruppe und haben wegen vorsätzlichen Mordes, Amtsmissbrauchs und schwerer Körperverletzung Strafanzeige gegen Merino und hohe Funktionsträger in Kabinett, Polizei und Militär eingereicht.

Doch eine juristische Aufarbeitung könnte durch das neue Polizeischutzgesetz, genannt ley gatillo, erschwert werden, das im März 2020 Jahres auf Drängen des damaligen Parlamentspräsidenten Merino auf den Weg gebracht wurde. Weil die Verhältnismäßigkeit des Waffengebrauchs dort nicht näher definiert ist, fürchten Menschenrechtsorganisationen dessen Anwendung auf die bei den Protesten begangenen Menschenrechtsverletzungen. Der Vorsitzende der Landeskoordination für Menschenrechte in Peru, Jorge Bracamonte, fordert deshalb neben staatlicher Entschädigung für Opfer und Angehörige auch die Aufhebung des Polizeischutzgesetzes.

Empörung in den sozialen Netzwerken treibt die Proteste an

„Wir haben es in Peru mit einer sich militarisierenden Polizei zu tun. Das kann man am ley gatillo sehen, aber auch am Verhalten der Polizei außerhalb der Städte. Dort laufen teilweise Deals mit transnationalen Unternehmen und die Bevölkerung wird unterdrückt. Dass jetzt in Lima Leute drei oder vier Tage verschwunden bleiben, hat bei älteren Leuten einen Déjà-vu-Effekt ausgelöst: Sie haben sich an die 80er-Jahre (bewaffneter interner Konflikt, Anm. der Red.) erinnert gefühlt“, erläutert der Anthropologe Rodríguez.

Der neue liberal-konservative Präsident Fernando Sagasti, der das Amt seit dem 17. November 2020 kommissarisch führt, hat angekündigt, die Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Proteste nicht ungestraft zu lassen. Seine Partei hatte geschlossen gegen die Amtsenthebung gestimmt. Sagasti betonte, die Wiederherstellung der Ordnung habe jedoch oberste Priorität: „Wir werden wegen des Verhaltens einzelner Beamte nicht die gesamte Polizei beflecken.” Ob er mit diesen Worten die immer weitreichenderen Forderungen der Zivilgesellschaft einfangen kann, ist fraglich. „Wir wollen, dass bei den Neuwahlen im April 2021 ein Präsident gewählt wird, der die Interessen der Peruaner über die Interessen des Großkapitals stellt. Ich persönlich hoffe, dass es eine Verfassungsreform geben wird, die den Korrupten keine rechtlichen Schlupflöcher hinterlässt“, so Cathy Viviana, die auch nach der Absetzung Merinos weiter auf die Straße ging.

„Die Korruptionsskandale der vergangenen Jahre haben auch das Thema der Verfassung wieder auf die Agenda gebracht, denn es wurde argumentiert, dass das Ausmaß institutionalisierter Korruption durch den Verfassungsrahmen von 1993 ermöglicht wird“, erläutert Giancarlo Castiglione. „Dort werden sogenannte contratos ley (Verträge mit Gesetzesrang, Anm. d. Red.) ermöglicht, um ausländische Investitionen mit Sicherheitsgarantien und günstigen Steuern anzulocken.“

Auch Jorge Rodríguez sieht in der neoliberalen Verfassung einen Angelpunkt dafür, dass die Proteste in Teilen weiterhin anhalten: „Das vermeintliche peruanische Wirtschaftswunder ist durch die Covid-19-Krise zusammengebrochen: Die Menschen haben selbst erlebt, was es bedeutet, wenn das Recht auf Gesundheit nicht garantiert wird und das Gesundheitssystem privatisiert ist“, sagt er gegenüber LN. Peru hat in der Pandemie eine der weltweit höchsten Mortalitätsraten und über sechs Millionen Arbeitslose. Die Gesundheitskrise und die politische Krise hätten „die Leute zum Nachdenken gebracht und neue Diskussionen eröffnet“, so Rodríguez. Die Linke müsse diese nun mit Inhalt füllen. „Die Proteste gegen Merino waren sehr heterogen, dementsprechend sind auch die Vorstellungen darüber, was mit einer neuen Verfassung überhaupt erreicht werden soll, sehr unterschiedlich.“ Man solle nicht gebetsmühlenartig nach der neuen Verfassung rufen, es sei wichtiger, die Leute von Programmen zu überzeugen, meint er. „Sonst können sie genauso gut die Liberalen wählen, die fordern auch eine neue Verfassung.“

„Mehrere Fraktionen im Parlament sind durchaus empfänglich für die Diskussion über notwendige Verfassungsreformen,“ meint auch Giancarlo Castiglione. Ob es zu einer Verfassunggebenden Versammlung kommt, hänge aber auch vom Druck der Straße ab. Für viele der Anfang- bis Mitte-Zwanzigjährigen war es das erste Mal, dass sie an Protesten teilnahmen. „Die Jugend in Peru war über lange Zeit eher unpolitisch. Die, die jetzt protestieren, wollen nichts mit Parteipolitik zu tun haben, gehen aber dennoch auf die Straße”, erklärt der Politanalyst. Politisierung verlaufe heutzutage anders: „Die Empörung in den sozialen Netzwerken, beispielsweise über Korruption, ist dabei ein wichtiger Treiber.“ Wie weit die derzeitige Aufbruchstimmung reicht, wird sich auch bei den kommenden Wahlen im April 2021 zeigen.


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„ALLE SOLLEN GEHEN!“

„Dieses Vorhaben wird die Pfeiler der Republik zementieren, auch wenn dies bedeutet, dass wir alle gehen müssen!“ So kündigte Präsident Martín Vizcarra überraschend das Projekt der vorgezogenen Neuwahlen am 28. Juli, dem peruanischen Nationalfeiertag, in seiner Rede vor dem Parlament an. Sein Vorschlag: Die erst 2021 wieder anstehenden Wahlen schon im nächsten Jahr abzuhalten, sie durch ein Referendum zu legitimieren und durch den Kongress, das peruanische Einkammerparlament mit 130 Abgeordneten, absegnen zu lassen. „Auf die Stimme des Volkes muss gehört werden!“ Doch Ende September legte das durch die Opposition kontrollierte Parlament den Vorschlag kurzerhand ad acta und befasste sich stattdessen mit der Neubesetzung des Verfassungsgerichts – ohne Debatte, im Eilverfahren und vor allem gegen den Willen Vizcarras, der eine Vertrauensfrage an diesen Prozess geknüpft hatte. Daraufhin erklärte Vizcarra in einer Fernsehansprache am 30. September die nunmehr zweite Vertrauensfrage der Regierung für gescheitert und verkündete die sofortige Auflösung des Parlaments. Mit der Opposition sei „keinerlei Einigung“ möglich, behauptete er und berief sich wiederholt auf die peruanische Verfassung. Diese ermächtigt ihn laut Artikel 134 nach zweimalig gescheiterter Vertrauensfrage den Kongress aufzulösen.

Die Auflösung des Kongresses wurde auf den Straßen gefeiert

Die Reaktion der Opposition ließ nicht lange auf sich warten: Noch am gleichen Abend stimmten die im Parlamentsgebäude verbliebenen oppositionellen Abgeordneten dafür, Vizcarra für zwölf Monate von seinem Amt zu suspendieren. Sie kritisierten Vizcarras Verhalten als nicht verfassungsgemäß und ernannten die Vizepräsidentin Mercedes Aráoz zur Interimspräsidentin. Doch zu diesem Zeitpunkt war das Parlament bereits offiziell aufgelöst. Nach nur einem Tag erklärte Aráoz dementsprechend auf Twitter ihren Rücktritt, um den Weg für schnellstmögliche Neuwahlen frei zu machen, und rief auch Vizcarra zum Rücktritt auf. Sie bezeichnete die verfassungsmäßige Ordnung Perus als „zerbrochen“. Die Peruaner*innen manifestierten indes ihren Zuspruch für die Entscheidung Vizcarras auf den Straßen des Landes. Militär und Polizei verkündeten ihre Loyalität zum Präsidenten und entschieden damit das Machtverhältnis vorerst zugunsten Vizcarras.

Militär und Polizei verkündeten ihre Loyalität zum Präsidenten

Dem Ganzen war ein monatelanger Machtkampf zwischen Exekutive und Legislative vorausgegangen. Vizcarra hatte dem Parlament wiederholt vorgeworfen, durch Verzögerungstaktiken und Boykottpolitik seine Antikorruptionsbemühungen auszubremsen. Dahinter vermutete er das relativ offensichtliche Ziel, dass die Opposition Politiker*innen in den eigenen Reihen vor einer Strafverfolgung zu schützen versuchte. Als Vizcarra im März 2018 die Präsidentschaft übernahm, war er mit dem Versprechen angetreten, die Korruption im Land entschieden zu bekämpfen. Seinen Vorgänger Pedro Pablo Kuczynski hatten Verstrickungen in die Korruptionsaffäre um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht zu Fall gebracht (siehe LN 526). Der Odebrecht-Skandal hat sich bisher auf die vier letzten Präsidenten des Landes vor Vizcarra ausgeweitet, darunter auf den zweimaligen Präsidenten Alan García, der sich im Zuge der Korruptionsanschuldigungen aus Angst vor einer Haftstrafe im April dieses Jahres das Leben nahm (siehe LN 539). Vizcarras Kampf gegen die Korruption wurde allerdings durch die Zusammensetzung des Parlaments so gut wie unmöglich gemacht: Über die absolute Mehrheit verfügte dort nämlich die konservative Partei Fuerza Popular, deren Vorsitzende Keiko Fujimori, Tochter des peruanischen Ex-Diktators Alberto Fujimori, seit Oktober 2018 wegen der Annahme illegaler Wahlkampfspenden des Odebrecht-Konzerns in Untersuchungshaft sitzt (siehe LN 534). Zusammen mit der Mitte-Links-Partei APRA stellte sich die Fuerza Popular als fujiaprismo konsequent gegen jegliche Reformvorhaben Vizcarras. Die sechs zentralen Gesetzesinitiativen der Regierung, die Anfang Juni dieses Jahres nach einem Volksreferendum ins Parlament getragen wurden, beinhalteten unter anderem eine Neuregelung des Aufhebungsprozesses der parlamentarischen Immunität, über die künftig eine unabhängige Instanz entscheiden sollte, statt wie bisher der Kongress selbst. Dieser Kernvorschlag der Reformen wurde abgeschmettert und ad acta gelegt. Das erscheint besonders zynisch vor dem Hintergrund, dass viele der oppositionellen Politiker*innen bereits juristisch verfolgt wurden oder werden. Einige Tage später folgte der nächste Affront: Die fujiaprismo-Abgeordneten schützten den Obersten Staatsanwalt Chávarry trotz dringender Korruptionsbeschuldigungen endgültig vor einer Amtsenthebung.

Die Opposition bezeichnet Kongress-Auflösung als nicht verfassungsgemäß


Die Regierung stellte daraufhin die Vertrauensfrage, geknüpft an eben jene sechs Reformvorhaben, denen die Parlamentarier*innen noch bis zum Ende der Legislaturperiode zustimmen sollten – sonst werde es Neuwahlen geben. Trotz absurder, hitziger Debatten sprach das Parlament der Regierung letztlich das Vertrauen aus. Eine Auflösung des Kongresses wollte man auf Seiten des fujiaprismo zu diesem Zeitpunkt anscheinend nicht riskieren. Doch die Rufe nach Neuwahlen, die seit dem Frühjahr in der Bevölkerung laut geworden waren, konnten damit nicht erstickt werden. Im August befürworteten fast drei Viertel aller Peruaner*innen laut dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos Neuwahlen. Anfang September demonstrierten tausende Bürger*innen in vielen peruanischen Städten unter dem Motto „¡Que se vayan todos!“ (Alle sollen gehen!). Als es Ende September wirklich zur Auflösung des Kongresses kam, wurde das massenhaft auf den Straßen gefeiert, aber auch in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #cierredelcongreso.

Vizcarra wirft dem Parlament vor, seine Antikorruptionsbemühungen auszubremsen


Müssen nun alle gehen? Die Arbeit des Parlaments wird vorübergehend von einer dezimierten Versammlung aus 27 Abgeordneten (comisión permanente) weitergeführt, die nur über eingeschränkte Kompetenzen verfügt. Bereits am 3. Oktober ernannte Vizcarra eine neue Regierung und bemühte sich damit, eine gewisse Normalität wiederherzustellen. Viele Abgeordnete fürchten indessen eine Strafverfolgung, der sie bisher durch ihre parlamentarische Immunität entgangen sind. Durch die Auflösung des Kongresses haben sie diese jedoch (zumindest vorübergehend) verloren. Es ist nicht verwunderlich, dass die Opposition also mit allen Mitteln versucht, die Kongress-Auflösung als nicht verfassungsgemäß darzustellen. Dabei sind sie sich auch nicht zu schade, Vergleiche zum gewaltsamen „Selbstputsch“ des Diktators Alberto Fujimori im Jahr 1992 zu bemühen. Über die Rechtmäßigkeit der Parlamentsauflösung müsste eigentlich das Verfassungsgericht entscheiden. Dieses aber war Anstoß des aktuellen Konflikts und hat sich bis dato nicht mit der Regierungskrise beschäftigt.
Es erinnert an ein bizarres Theaterstück, was sich derzeit in der peruanischen Politik abspielt. Bis jetzt scheint Vizcarra im Machtkampf mit der Legislative die Oberhand zu behalten. Die internationalen Medien stehen mehrheitlich auf seiner Seite. Die vorherrschende parlamentsfeindliche Stimmung in der Bevölkerung dürfte dazu beitragen, Vizcarras Popularität zu steigern. Ob das allerdings bedeutet, dass er im Machtkampf mit der Legislative von den Neuwahlen des Kongresses am 26. Januar 2020 profitiert, ist vollkommen unklar.

 


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