Die gemeinsame Geschichte der Monatszeitschrift Lateinamerika Nachrichten (LN) und des Forschungs– und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika e.V. (FDCL) begann 1973. Das politische Projekt des Regierungsbündnisses der Unidad Popular in Chile wurde damals auch in Deutschland interessiert beobachtet. Die Auseinandersetzung mit der demokratisch gewählten Regierung Salvador Allendes und ihrem blutigen Ende durch den Militärputsch vom 11. September 1973 führte zur Entstehung einer breiten Solidaritätsbewegung.
Die LN entstanden im Sommer 1973, wenige Wochen vor dem Putsch von Augusto Pinochet. Damals noch unter dem Titel Chile-Nachrichten diente die Zeitschrift all denen als Informations– und Kommunikationsmittel, die sich politisch für Chile interessierten und engagierten. Um die Flut von eingehenden Informationsmaterialien zu archivieren, wurde im Herbst 1974 aus dem Umfeld des damaligen Chile-Komitees der Verein FDCL gegründet: Seit ihrer Gründung sind LN und FDCL ideell, personell und räumlich eng miteinander verknüpft.
Die enorme Nachfrage nach Informationen über die politischen Entwicklungen in ganz Lateinamerika und der Karibik führte zu einem immer größeren Themenspektrum in den Chile-Nachrichten und schließlich im Sommer 1977 zur Umbenennung in Lateinamerika Nachrichten. In diesen ersten Jahren erreichte die Zeitschrift eine monatliche Auflage von bis zu 8.000 Exemplaren. Das FDCL mit seinem Archiv wiederum wuchs rasch zu einem der wichtigsten Projekte der bundesdeutschen Lateinamerika-Solidaritätsbewegung an. In den 1970er und 80er Jahren haben LN und FDCL zu brisanten Themen Sonderausgaben und Buchprojekte herausgegeben, so zu „Fußball und Folter – Argentinien WM ‘78“ oder zu den Atomgeschäften der BRD mit Brasilien und Argentinien. Die Veranstaltungsreihen, wie die zwischen 1980 und 1991 organisierten Lateinamerika-Tage oder die Gegenkampagne zu den 500-Jahr-Feiern im „Kolumbus-Jahr“ 1992, waren Publikumsmagneten weit über Berlin hinaus. Zentraler Bezugspunkt der Aktivitäten von LN und FDCL war in den ersten Jahren der Kampf gegen die lateinamerikanischen Militärdiktaturen. Die revolutionären Bewegungen in Mittelamerika oder der Ausbruch der Verschuldungskrise in Lateinamerika wurden dann ebenfalls zu wichtigen Momenten der Auseinandersetzung.
In den neunziger Jahren kamen zahlreiche neue Themensetzungen und Debatten hinzu: von der zapatistischen Diskursguerilla im mexikanischen Chiapas über die Landlosenbewegung in Brasilien bis hin zu neuen Basisprojekten in Venezuela und besetzten Fabriken in Argentinien. Vom Plan Colombia in Kolumbien bis zu sozialen Konflikten um natürliche Ressourcen und dem neoliberalen Vormarsch auf dem gesamten Kontinent. Und noch etwas hat sich geändert: Neben politischen und wirtschaftlichen Themen, nehmen wir auch das kulturelle Lateinamerika verstärkt in den Blick: Literatur, Film, Musik, das sind feste Bestandteile sowohl der LN-Berichterstattung als auch der FDCL-Veranstaltungen geworden.
LN und FDCL haben sich auch in einem Umfeld, das es selbstverwalteten, wenig finanzstarken Projekten nicht gerade leicht macht, bis heute behauptet: Die LN erreichen mit ihrer kritischen Berichterstattung zu Lateinamerika zahlreiche Abonnent*innen in der ganzen Welt. Das FDCL mit seiner Bildungs-, Öffentlichkeits– und Lobbyarbeit und dem umfangreichen Archiv gilt als wichtiger Akteur in der lateinamerikabezogenen, solidaritätsbewegten und entwicklungspolitischen Szene.
Da die Bedingungen von Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen und Repression, die zur Gründung der LN und des FDCL führten, noch immer gelten, sehen wir uns auch weiter gefordert: Auch heute schließt das herrschende Wirtschaftsmodell einen großen Teil der Bevölkerung von Wohlstand sowie gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe aus. Selbst unter demokratisch gewählten Regierungen gehören Menschenrechtsverletzungen zum Alltag.
Aber gestern wie heute engagieren sich viele Menschen für eine Änderung dieser Bedingungen. Die Abwahl vieler neoliberaler Regierungen seit der Jahrtausendwende hat den politischen Spielraum für Regierungen und soziale Bewegungen erweitert. LN und FDCL verfolgen mit ihrer Arbeit das Ziel, hier wie dort die bestehenden Strukturen zu analysieren und zu kritisieren. Wir wollen den Kampf für eine andere Welt mitgestalten und Forum sein für kritische Stimmen aus Lateinamerika und der Karibik, denen sonst nicht genügend Raum in der Öffentlichkeit gegeben ist.