Lateinamerika | Nummer 202 - April 1991

Kurioses: “Bwehn – pro – veh – choh” !

Keine Hemmungen, Wurm wird mitgegessen

Reisende haben’s nicht leicht, auch Geschäftsleute auf Achse mssen sich plagen. Und ganz besonders solche, die dem Wertebereich der US-Minimalkultur ent­stammen. Der gute Ton zu jeder Zeit und das passende Wort am rechten Ort si­chern in fremden Gefilden schon das halbe Geschäft. Im Folgenden findet nun je­deR (Möchtegern-) BusinessWOman und jedeR Mann und Frau von Welt eine Auswahl an Benimmregeln für das unbekannte Terrain “Lateinamerika”. (Die Kostprobe ist eine Übersetzung aus einem amerikanischen Reiseratgeber.)

LN

Argentinien

Konversation: Sprechen Sie mit Geschäftsleuten über die Rolle der Inflation in der Wirtschaft wie auch über die neuesten Regierungsdekrete und wie diese die Preise beeinflussen. – Frauen sollten persönliche Fragen er­warten, wie “Haben Sie Kinder?” und “Wenn nicht, warum?”. – Beglückwünschen Sie ihre Gastgeber we­gen ihres Heimes und ihrer Kinder. – Diskutieren Sie nie­mals ber Politik oder die Regierung, wenn Sie jemanden das erste Mal treffen. (Vermeiden Sie es insbe­sondere die Perón-Jahre zu erwähnen). Die Menschen neigen dazu sehr aggressiv zu werden, wenn ber Politik geredet wird… – Denken Sie daran, daß Argentinier Stolz auf ihr europäisches Erbe sind. Im Allgemeinen gibt es die Tendenz auf In­dianer herabzusehen. Fragen Sie nie jemanden, ob er oder sie indianischer Ab­stammung ist.

Essen im Restaurant: Rufen Sie nicht nach dem Kellner, indem Sie ein “Kuß”-Ge­räusch imitieren, wie Sie es bei einigen Personen höen werden: Das gehört sich nicht. Sagen Sie “mozo” (moh-zoh), um den Kellner zu rufen.

Chile

Konversation: Vermeiden Sie alle politischen Themen, insbesondere solche, die die Menschenrechte betreffen.

Costa Rica

Konversation: Haben Sie keine Hemmungen über Politik zu reden. Costa Rica ist sehr stabil, mit einer langen de­mokratischen Tradition.

Kleidung: Tragen Sie Shorts nur am Strand oder beim Sport.

Bei privaten Besuchen: Denken Sie daran, daß wenige Familien eine Haushalts­hilfe haben. Wenn Sie bei einer Familie ohne Dienstmädchen wohnen, bieten Sie ihre Hilfe beim Tischabräumen und Abwaschen an und machen Sie Ihr Bett.

Geschenke: Wenn Sie zu einem Essen eingeladen sind, bringen Sie Blumen oder einen guten Wein mit. Bringen Sie niemals Kalla-Lilien, da diese bei Beerdigun­gen verwendet werden.

Geschäftspraktiken: Um einen guten Eindruck zu machen, sollten Sie ein Kom­pliment über die Schöheit des Lan­des machen. Sprechen Sie politische Themen Zentral­amerikas nicht bei Ihrem ersten Treffen an, da man dann meist bei diesem Thema verbleibt und es für Sie schwer sein wird, auf das Geschäftliche zurück­zukommen. – Hinweis: Ausländische Investoren dürfen bis zu 100% eines Unter­nehmens oder Grundstckes erwerben.

Guatemala

Kleidung: Jedes Dorf hat seine eigenen handgewebten Kleidungsstcke für Männer und Frauen. Sollten Sie sich entscheiden einheimische Kleidung zu tragen, verge­wissern Sie sich, daß sie die Ihrem Geschlecht entsprechende Tracht tragen. Sie machen sich sonst zum Narren.

Bei privaten Besuchen: Benutzen Sie den Warm­wasserheizer nicht ohne ihn sich von Ihrem Gastgeber erklären zu lassen. Sie könnten einen elektrischen Schlag bekommen. – Wenn Sie bergwandern wollen, wird Ihr Gastgeber wahr­scheinlich sehr dagegen sein, aus Angst vor Guerilla-überfällen. Sie sollten sich seine Bitte zu Herzen nehmen. – Tragen Sie keine Taschen­messer bei sich, es sind illegale Waffen. – Es ist ver­boten Militärkleidung o.ä. zu tragen oder ins Land zu bringen.

Mexiko

Konversation: Um einen guten Eindruck zu machen, sollten Sie etwas über mexi­kanische Kunst und Literatur wissen. – Männer sollten den Gesten von Wärme und Freundlichkeit mexikanischer Männer – wie z.B. das Be­rühren der Schulter, die Hand auf dem Arm oder das An­fassen des Jackenrevers – nicht ausweichen. -Kritisie­ren Sie nicht die mexikanische Regierung oder machen Sie keine Verbes­serungsvorschläge. Vermeiden Sie die illegalen Einwanderer oder den Krieg U.S.A.-Mexiko zu erwähnen. Bedenken Sie, daß die gegenwärtigen Staaten Te­xas, Californien, Nevada, Utah, Colorado, New Mexico und Arizona bis Ende 1840 Teil Mexikos waren.

Getränke: Bereiten Sie sich darauf vor einen Mezcal (mehs – cahl), einen Schnaps, der aus der Maguey-Pflanze hergestellt wird, nach dem Essen angeboten zu be­kommen. Er ähnelt Aquavit, Grappa oder Brandy. Lassen Sie sich nicht vom Wurm in der Flasche überraschen. Wenn die Flasche geleert wird, essen Mexika­ner den Wurm meist mit!

Geschäftspraktiken: Seien Sie bei geschäftlichen Verab­redungen pünkt­lich, er­warten Sie Ihre mexikanischen Ge­schäftspartner aber erst nach einer halben Stunde. Beschweren Sie sich niemals über dieses Zuspätkommen. Bringen Sie sich für die Wartezeit etwas zum Arbeiten oder ein Buch mit. – Reden Sie die Se­kretärin immer mit “señorita” an, unabhängig von Alter und Familienstand. – Be­nutzen Sie stets die Titel der Personen bei der An­rede: Das ist für die geschäft­lichen Umgangsformen sehr wichtig. Einige häufig gebrauchte Titel sind: Doctor (doc – tohr), Profesor (pro – feh -sohr), Quémico/Chemiker (kee – mee – coh), In­geniero/ Ingenieur (een – heeh – nyeh – roh), Arquitecto/Architekt (ahr – kee – tek – toh). – Sollten Sie versuchen eine persönliche Beziehung aufzubauen, bevor Sie zum Geschäftlichen kommen, wirken Sie dem Stereotyp eines zu direkt und ag­gressiv auftretenden Nordamerikaners entgegen. – Frauen in der Geschäftswelt wird nicht der gleiche Respekt entgegengebracht wie Männern. Eine Geschäfts­frau sollte sich besonders professionell geben. – Wenn Sie Ihre Präsentation vor­bereiten bedenken Sie, daß Mexikaner von einem wissen­schaftlichen Auftreten beeindruckt sind. Sie sollten also Computer-Ausdrucke, Tabellen und Grafiken dabei haben. – Haben Sie Geduld, für Mexikaner sind Menschen wichtiger als Zeitpläne. – Versuchen Sie stark und zu­versichtlich aufzutreten, um den Respekt der mexikanischen Arbeiter zu gewinnen; Mexikaner aller Schichten halten Grin­gos für naiv.

Uruguay

Private Besuche: Wenn Sie von einer Familie der Mittel­schicht eingeladen wor­den sind, bei ihnen zu wohnen, denken Sie daran, daß sie wahrscheinlich gerade schwierige wirtschaftliche Zeiten durchgemacht haben. Erwarten Sie keinen Lu­xus.

Geschenke: Fr junge Leute können Sie amerikanische Pop-Musik mitbringen. Sie freuen sich auch ber T-Shirts und Sweatshirts mit Aufdrucken von U.S.-Univer­sitäten.

Geschäftspraktiken: Erwarten Sie sehr gebildete Geschäftsleute. Uruguayer ver­stehen Geschäftsmethoden besser als andere in lateinamerikani­schen Ländern. Sie wissen genau, daß Nordamerikaner praktisch und direkt sind und im Ge­schäft rasch vorankommen wollen.

Feiertage und besondere Ereignisse: Seien Sie während des Kar­nevals vorsichtig und tragen Sie wasserdichte Kleidung. Junge Leute bewerfen alle mit Wasser.

Entnommen dem “Traveller’s Guide to Latin American Customs and Manners”; E.Devine/N.L.Braganti; New York 1988

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