Editorial | Nummer 429 - März 2010

// U-Turn Richtung Freihandel

Die spanische Regierung macht in Sachen Putsch in Honduras eine Kehrtwende. Wunschgemäß sollen die Verhandlungen des in der Warteschleife stehenden Freihandelsvertrags zwischen der EU und Zentralamerika noch vor dem Ende der spanischen EU-Präsidentschaft abgeschlossen werden. Voraussetzung dafür wäre, dass Honduras‘ neue Regierung mit am Tisch sitzt. Deshalb erkannte der spanische Außenminister Miguel Ángel Moratinos den unter fragwürdigsten Bedingungen gewählten Porfirio Lobo Mitte Februar als Präsident an und lud ihn folgerichtig zum EU-Lateinamerikagipfel Mitte Mai in Madrid ein. Vor dem Hintergrund, dass nach wie vor fast alle lateinamerikanischen Staaten die neue Regierung Honduras‘ nicht anerkennen, ist dies eine höchst fragwürdige Entscheidung.

Anhaltende gravierende Menschenrechtsverletzungen – sogar gezielte Morde – und eine mit Füßen getretene Demokratie sind für den europäischen Sinneswandel anscheinend kein Hindernis. Der freie Güterverkehr, Investitionssicherung, Öffnung von staatlichen Ausschreibungen und auf Großkonzerne zugeschnittene Wettbewerbsregeln haben Vorrang. Doch noch bis vor kurzem waren sich die Regierungen der Welt einig: Die gewaltsame Absetzung des demokratisch gewählten honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya durch das Militär am 28. Juni 2009 war nicht rechtens und muss sanktioniert werden. Selten wurde ein Coup d‘Etat so einstimmig verurteilt. Die USA, sämtliche Staaten Lateinamerikas, aber auch die EU unter Federführung Spaniens reagierten schnell auf den Putsch. Finanzielle Hilfe wurde eingefroren, PutschpolitikerInnen Diplomatenvisa entzogen, BotschafterInnen vorübergehend in ihre Heimatländer zurückgerufen und scharfe Worte an die PutschistInnen gerichtet. Auch die Verhandlungen zu dem Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Zentralamerika wurden wegen der unstabilen politischen Lage in Honduras vorübergehend unterbrochen.

Sehr zum Leid des internationalen Kapitals und transnationaler Unternehmen. Diese erhoffen sich durch das Abkommen einen verbesserten Zugang zu den zentralamerikanischen Märkten. Nicht dass diese, im globalen Vergleich winzigen Märkte, zu einem großen Absatz europäischer Produkte führen könnten. Doch erstens darf die EU im globalen Wettbewerb um Märkte ihrem größten Konkurrenten, den USA, die schon 2005 ein Freihandelsabkommen mit dieser Region geschlossen hatten, in nichts nachstehen. Und zweitens geht es vielen Unternehmen und InvestorInnen vor allem auch um den Zugriff auf natürliche Ressourcen. Der Regenwald Moskitia im Südosten von Honduras, der sich bis nach Nicaragua erstreckt, ist nach dem Amazonas das größte Regenwaldgebiet der amerikanischen Kontinente und steht diesem in puncto Artenvielfalt in nichts nach. Die Pharma-, Kosmetik- und Holzindustrie stehen in den Startlöchern. Und auch Mineralien, Edelmetalle und große vermutete Erdölvorkommen vor der honduranischen Karibikküste sind für europäische Unternehmen von großem Interesse.

Zwar wird im Rahmen des Assoziierungsabkommens auch von der Achtung der Menschenrechte und Demokratie, von der Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, von Frieden und Stabilität geredet. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Brutalität von Polizei und Militär gegen Mitglieder der Widerstandsbewegung ist dies jedoch reine Heuchelei. Als schlechtes Beispiel dafür dient das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko, welches im Jahr 2000 in Kraft trat. Auch dieser Vertrag enthält noble Absichten, die sich etwa in einer Menschenrechtsklausel ausdrücken. Doch weder die schweren Menschenrechtsverstöße in Oaxaca, noch in Atenco führten zu Sanktionen oder auch nur zu deutlicher Kritik seitens der EU. Gegenüber Mexiko, wie auch Zentralamerika, gilt weiterhin: Der Freihandel hat Vorfahrt. Der spanische U-Turn war leider nicht anders zu erwarten.

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