Nummer 598 - April 2024 | Peru

Strategien gegen el Niño und Klimakrise

Interview mit der Wirtschaftswissenschaftlerin und Produzentin Maria López über die Strategien ihrer Kooperative im Norden Perus

Die 26-jährige Maira López arbeitet für Norandino, eine landwirtschaftliche Kooperative in Peru. Im Interview gewährt sie Eindrücke in den täglichen Kampf der Kleinbäuer*innen gegen Starkregen, Dürren und Plagen – alles Folgen der Klimakrise und der fehlenden Anpassungspolitik. López schildert auch, welche Lösungsansätze die Kooperative gefunden hat.

Interview von Ute Stefanie Beier
Arbeiten in der Kooperative Kleinbäuer*innen im Kampf gegen die Folgen der Klimakrise (Foto: privat)

Maira, Sie repräsentieren eine Generation, die von der Klimakrise stark betroffen ist und sein wird. Wieso sind Sie in diesem Kontext aktiv geworden?

In Peru sehen und spüren wir Produzent*innen jeden Tag direkt, wie sehr die Klimakrise uns schadet. Die Farmen haben mit mehr Pflanzenkrankheiten und geringeren Ernten zu kämpfen. Das Wetter ist unberechenbar und oft schädlich für Pflanzen und Ernte. Darunter leiden nicht nur die kleinbäuerlichen Betriebe und Familien. Es ist wie eine Kettenreaktion: Die ganze Genossenschaft leidet, die ganze Branche – und im großen Maßstab ist die Ernährung der Welt gefährdet. Das jeden Tag zu sehen, hat mir und vielen Menschen in meiner Region klar gemacht, dass wir aktiv werden müssen, um die Klimakrise aktiv zu bekämpfen.

Wie wirkt sich die Klimakrise auf die Mitgliedsbetriebe aus?

Der gesamte landwirtschaftliche Betrieb ist davon betroffen. Das Wetter in der Region Piura, in der die Genossenschaft sitzt, hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Einerseits haben wir viel längere Regenperioden mit sehr starken Niederschlägen. Andererseits sind wir mit extremen Dürren konfrontiert. Das verursacht Probleme wie häufigere und auch neue Pflanzenkrankheiten. Infolgedessen sind die Erträge bei unseren Hauptprodukten Kaffee, Kakao und Zuckerrohr geringer. So fehlen uns Einnahmen, die wir aus dem Verkauf der Produkte erzielt hätten.
2023 hatten wir besonders schwere Probleme mit den sintflutartigen Regenfällen, die El Niño (siehe Infokasten) verursacht hat. Die Böden in den Bergen wurden vom Regen regelrecht weggespült. Viele Straßen und Transportwege waren unterbrochen. Einen großen Teil der Ernte konnten die Familien nicht zu uns transportieren, da sie von der Außenwelt abgeschnitten waren.

Um solchen Krisen entgegenzuwirken, hat die Genossenschaft Norandino Klimaprojekte ins Leben gerufen. Mit einem Darlehen werden Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel finanziert, darunter ein Wiederaufforstungs­projekt. Wie funktioniert das?

Das Aufforstungsprojekt gibt es seit 2010. Seitdem pflanzen wir in den oberen Bergen der Region Bäume. Diese schützen die Bauernhöfe, die sich in den mittleren oder niedrigeren Bergregionen befinden und verhindern das Wegspülen der Böden. Wir arbeiten mit Dörfern und Gemeinschaften im Hochgebirge zusammen, die in 3.500 Metern Höhe liegen. Gemeinsam mit den meist einkommensschwachen Familien pflanzen wir die Bäume und kümmern uns um die Aufzucht und Pflege

Es ist also ein übergreifender Plan für alle Dörfer und Gemeinschaften in der Region Piura?

Ganz genau. Wenn es um die Anpassung an den Klimawandel geht, haben wir ein weiteres wichtiges Projekt: Wir legen in den Gemeinden Familiengärten an, in denen Gemüse- und Getrei- desorten auf biologische Weise auf dem Grundstück einer Familie angebaut werden. Mitarbeitende unserer Kooperative besuchen die Familien und schulen sie. Sie besprechen gemeinsam: Welche Sorten gedeihen gut? Wie baut man sie an? Und welche Gerichte kann man daraus kochen? Die biologische Lebensmittelproduktion ist gut für das Klima. Und sie erhöht das verfügbare Einkommen der Familien, weil sie ihr Gemüse nicht woanders kaufen müssen

Welche weiteren Projekte setzen Sie in der Genossenschaft um?

Wir als Kooperative schließen Verträge mit den Kaffeebäuer*innen, in denen wir bestimmte Abnahmemengen garantieren. Mit dem Geld der Darlehen finanzieren wir den Aufkauf des Kaffees, bis die Kund*innen ihre Zahlung leisten. So müssen die Kaffeeproduzent*innen nicht auf das Geld warten. Das verschafft ihnen einen sicheren Markt mit fairen Preisen. Außerdem haben wir die Möglichkeit, weiterhin gute landwirtschaftliche und klimaresistente Techniken in der Kooperative einzusetzen, sodass die Erzeuger*innen nachhaltig wirtschaften können.

Sie sind als junge Berufstätige auf dem Land geblieben. Aber generell gibt es das Problem der Landflucht: Junge Leute ziehen in die Städte, auf dem Land fehlt der Nachwuchs. Versuchen Sie, dem entgegenzuwirken?

Es ist wirklich wichtig, dass die jungen Menschen auf dem Land bleiben. Wir versuchen, sie zu gewinnen, indem wir junge Frauen und Männer in allen Bereichen der Genossenschaft mitarbeiten lassen und ihnen Verantwortung übertragen. Unser Präsident ist das beste Beispiel: Er ist erst 35 Jahre alt. Es ist allerdings schwierig, junge Leute in der Landwirtschaft zu halten, vor allem wegen der schweren körperlichen Arbeit, die damit verbunden ist. Wir arbeiten an Möglichkeiten, diese Arbeit mit Hilfe von Technologie zu erleichtern.

MAIRA LÓPEZ

arbeitet als Wirtschaftswissenschaftlerin und Produzentin in der Kooperative Norandino im Norden Perus. Norandino vereinigt 6.650 Klein­bäuer*innen, die Kakao, Zuckerrohr und Kaffee biologisch anbauen. Ihre Produkte verkaufen sie unter anderem an Fairhandels-Importeure in Deutschland. Norandino ist seit 2006 Partnerorganisation der niederländischen Genossenschaft Oikocredit.

Foto: privat

Hintergrundinfo: El Niño und fehlende Anpassungsmaßnahmen in Peru

Das Wetterphänomen El Niño führt in Peru regelmäßig zu Starkregen und Dürren. Besonders der Norden des Landes erlebt Überschwemmungen und Erdrutsche mit verheerenden Auswirkungen. Nachdem diese bereits im Jahr 2017 besonders stark waren, wiederholte sich die Katastrophe 2023. Dabei war nicht nur das Zusammentreffen mit dem Zyklon Yaku folgenschwer, sondern auch fehlende Resilienz: Nach den Schäden von 2017 wurde die wichtigste Infrastruktur nicht oder nur mit erheblichen Mängeln wiederaufgebaut. Eindämmungsmaßnahmen gegen die mit der Klimakrise zunehmenden Extremwetterereignisse fehlen durch knappe Mittelbereitstellung. Die Vulnerabilität Perus gegenüber dem Klimawandel wird durch eine hohe Abhängigkeit von Agrar- und Fischexporten sowie durch den hohen Anteil informell Beschäftigter noch verstärkt. // Theresa Utzig

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