Kolumbien | Nummer 585 - März 2023

25 MORDE UND KEIN ENDE IN SICHT

Empörung über den Feminizid an Valentina Trespalacios

Mit dem Tod von Valentina Trespalacios sorgt ein weiterer Feminizid in Kolumbien für Aufsehen. Die Morde sind Ausdruck eines patriarchalen Alltags.

Von Anna-Lena Hartung

Trespalacios Ermordung summiert sich zu den auf über 600 geschätzten Feminiziden, die allein im vergangenen Jahr in Kolumbien geschehen sind. Trespalacios war 23 Jahre alt, DJ und Influencerin. In der Nacht vom 20. auf den 21. Januar brachte ihr Partner, John Poulus, sie um. Bereits 10 Tage nach seiner Festnahme begann unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit das Gerichtsverfahren.

Seit 2015 wird Feminizid in Kolumbien als gesondertes Verbrechen behandelt, das mit nicht weniger als 40 Jahren Gefängnis bestraft wird. Dies hat zur Folge, dass Gewaltverbrechen gegen Frauen als solche registriert werden und in der Statistik erscheinen und untersucht werden können.

Trotzdem gibt es weiterhin große Dunkelziffern, wenn es um Daten zur Gewalt gegen FLINTA* (Frauen/Lesben/Intersex/Nichtbinär/Trans/Agender) geht. Nur wenige Morde werden überhaupt als Feminizide anerkannt, zu einer erfolgreichen Ermittlung der Täter kommt es noch deutlich seltener. Laut dem UN-Women Gender Alert gibt es in nicht mehr als zehn Prozent aller Fälle schließlich eine Verurteilung. Während der kolumbianische Staat von etwa 180 Feminiziden im Jahr 2022 spricht, gehen feministische Organisationen von mindestens 600 getöteten Frauen aus.

Im Vergleich zu Mexiko, wo feministische Bewegungen als Reaktion auf systematische Feminizide in den Städten Strukturen gegen Gewalt an FLINTA* aufgebaut haben, gibt es in Kolumbien bisher noch wenig geschultes Personal, welches dazu ermitteln könnte.

Richtlinien, wie etwa die, dass bei einem Mord an einer Frau an erster Stelle wegen des Verdachtes auf Feminizid ermittelt werden soll, werden selten eingehalten. Gleichzeitig schränkt der patriarchale Alltag, der diese Feminizide hervorbringt, fast alle FLINTA* in Kolumbien ihr Leben lang ein.

Laut einer Umfrage des Bürgermeisteramtes von Bogotá fühlen sich drei von vier Frauen auf den Straßen der Stadt nachts nicht sicher, 70 Prozent berichten, Zeug*innen von sexuellen Übergriffen in Bogotás Verkehrsmitteln gewesen zu sein. Seit Monaten verlangen verschiedene feministische Organisationen, unter ihnen das Bündnis Buscarlas hasta encontrarlas (Wir suchen sie, bis wir sie finden) von Präsident Petro, den nationalen Notstand gegen geschlechtsspezifische Gewalt auszurufen. Dadurch könnten weitere Maßnahmen umgesetzt werden, die die Strafverfolgung von geschlechtsspezifischer Gewalt beschleunigen. Die Organisationen fordern außerdem präventive Maßnahmen gegen sexistische Übergriffe und eine bessere psychologische Versorgung der Betroffenen. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, blockierten im vergangenen November zahlreiche dieser Organisationen zum Tag der Gewalt gegen Frauen die Straßen im Norden von Bogotá.

Immer häufiger berichten FLINTA* auch in sozialen Netzwerken von sexuellen Übergriffen. So musste etwa die 17-jährige Hilary Castro öffentlichen Druck auf die Behörden ausüben, damit diese überhaupt gegen die Person ermittelten, die sie zuvor in einem Bus belästigt hatte. Die Behörden hatten ihren Fall zuvor nicht ernst genommen, als sie in einem Bus belästigt worden war.

Inzwischen ist Poulos zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Valentina Trespalacios ist eines von bisher 25 Todesopfern patriarchaler Gewalt im Jahr 2023 in Kolumbien. Bis zum 8. März, wenn dieser Artikel gedruckt ist, könnten es schon mehr als 40 sein.

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