Literatur | Nummer 451 - Januar 2012

Fabeln im Kleinformat

Ein Blick in die wilde Welt des Augusto Monterroso

David Vogel

Seine Erzählungen sind kurz, manchmal sogar äußerst kurz. Als eines der kürzesten Prosastücke in spanischer Sprache überhaupt gilt Der Dinosaurier aus dem Jahr 1959: „Als er erwachte, war der Dinosaurier noch immer da”. Augusto Monterroso ist ein Meister der Mikroerzählungen (microrelatos).
Mit dem Band Das Schwarze Schaf und andere Fabeln, der nun erstmals in Gänze in deutscher Übersetzung vorliegt, wird Monterrosos zweites Buch auch denen zugänglich gemacht, die der spanischen Sprache nicht mächtig sind. Das Original erschien 1969. Einige von Monterrosos Erzählungen veröffentlichte Reclam in Leipzig bereits 1977 unter dem Titel Der Frosch, der ein richtiger Frosch sein wollte auf Deutsch. Mit seinen Fabeln, auch wenn diese scheinbar einfach im Stil sind, gelingt es dem Autor, den Leser_innen durchaus tiefgehende Themen und Gedanken nahezubringen. Dies ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, bleibt die Botschaft durch die einfache, unernste, satirische, ja sogar heitere Form doch meist im Hintergrund.
Die ersten Erzählungen des Guatemalteken Augusto Monterroso, der 1921 in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa geboren wurde, wurden ab 1941 in der Zeitschrift Acento und der Tageszeitung El imparcial veröffentlicht. In jener Zeit arbeitete er auch im Untergrund publizistisch gegen den guatemaltekischen Diktator Jorge Ubico. Dies führte zu seiner Verhaftung, weshalb er 1944 in der mexikanischen Botschaft um Asyl bat. Mexiko sollte sich für den anfänglichen Exilanten zu einer neuen Heimat entwickeln, in der er schließlich 2003 verstarb. Hier machte Monterroso mit Kurzgeschichten wie Das Konzert oder Die Sonnenfinsternis 1952 auch den Anfang seiner schriftstellerischen Karriere.
In seinen Werken erzählt der Autor über sich, über Politik, den Glauben, Moral und letztlich über Menschen, genauer: Menschen und ihr Verhalten – ohne jedoch seinen satirischen Ansatz aufzugeben. Um dieses Element aufrechtzuerhalten, bedient sich Monterroso verschiedener Charaktere: meist Tiere, bisweilen auch Dinge, gelegentlich selbst Menschen. Durch das Instrument der Vermenschlichung, Symbolik und Metaphern gelingt es dem Autor, sein Anliegen verdeckt zu halten. Zudem ist die Methode gut geeignet, die einzelnen Merkmale zum Ausdruck zu bringen und diese sogar lächerlich zu machen. Alles bleibt jedoch angemessen und präzise, denn es dient Monterroso nur als Werkzeug, um seine Botschaften zu übermitteln, die man als zeitlos bezeichnen könnte.
Fabeln wie Der Frosch, der ein authentischer Frosch sein wollte, in der ein Frosch schließlich ein nicht sehr authentisches Ende findet, oder Pferd, das sich Gott ausmalt , in der ein Pferd sich nicht vorstellen kann, ein Ebenbild Gottes zu sein, sind gute Beispiele für den „Ernst im Unernst“, wie García Márquez einmal Monterrosos Werk charakterisierte.
Nach einem Blick in die wilde Welt Monterrosos und seiner Figuren fällt es nicht schwer, zu glauben, dass all diese Charaktere Teil unseres Alltags sind. Tatsächlich gibt es unter den Menschen nicht wenige tyrannische Löwen, träumende Affen oder ausgesprochen prätentiöse Frösche.
Abgerundet wird der Band durch die Illustrationen von Henning Wagenbreth, meist sympathische anthropomorphe Tierwesen, die die Stimmung des Werks treffend widerspiegeln.

Augusto Monterroso // Das Schwarze Schaf und andere Fabeln // Insel Verlag // Berlin 2011 // 71 Seiten // 14,90 Euro

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