Land und Freiheit | Nummer 310 - April 2000

Für jede Droge das richtige Klima

Mit Anreizen zum Kaffeeanbau soll die Kokaproduktion eingedämmmt werden

Die Profitrate lässt sich nicht erschießen, titelten die Lateinamerika Nachrichten schon vor Jahren zum Thema Drogen. Die Erkenntnis setzt sich nur mühsam beim vermeintlichen Kampf gegen Drogen durch. Unter dem Motto ‘Kaffee statt Koka’ läuft in den Anbauländern des Kokastrauchs ein Substitutionsprogramm, an dem auch die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit beteiligt ist. Neu ist, dass die teilnehmenden Kleinbauern nicht ganz auf den Anbau von Koka verzichten müssen.

Jens Holst

Die ganzen Kokasträucher gehen mir kaputt,“ klagt Israel Lasso mit sorgenvoller Miene. Mit einem Ruck reißt er einen blattlosen Strauch aus der Erde. „Gucken Sie her,“ erklärt er, „die Pflanzen sterben von der Wurzel her ab. Diese Pflanze wirft nichts mehr ab. Na ja, so schlecht ist das gar nicht, dann können wir hier Kaffee pflanzen.“ Der rüstige Mittfünfziger hat offenbar genaue Vorstellungen von dem, was ausländische BesucherInnen hören wollen. Schließlich bekommt er Geld aus einem Entwicklungshilfeprojekt zur Förderung des Anbaus und der Vermarktung von Biokaffee in Drogenanbaugebieten. Das mit dem Kokaanbau ginge sowieso zu Ende, fügt er hinzu. Doch je weiter wir auf seiner Finca vordringen, die sich auf beiden Seiten eines Bächleins mit dem Namen Río Capitanes erstreckt, desto unübersehbarer werden die Kokasträucher. Das intensive gelbliche Grün ihrer Blätter, das sich deutlich vom Dunkelgrün der Kaffeestauden abhebt, verleiht ihnen ein recht gesundes Aussehen.
Doch Israel Lasso lässt sich nicht beirren und weicht Fragen nach der Kokaproduktion zunächst aus. „Außer Kaffee pflanze ich hier vor allem Yucca und Bananen, die ich am Wochenende auf dem Markt verkaufe.“ Doch im Beisein von Jorge Torres, dem Projektverantwortlichen aus der Departementhauptstadt Popayán, taut der Campesino langsam auf. „Koka hat uns hier immer geholfen“, stellt er schließlich inmitten seiner kombinierten Kaffee-Koka-Felder fest, „man kann sie alle drei Monate ernten.“ Verschmitzt blicken seine lebendigen Augen aus dem sonnengegerbten Gesicht, als er erklärt, seinen Hof nun langsam umzustellen. „Für die Sträucher, die eingehen, pflanze ich nicht mehr so viel Koka nach.“
Israel Lassos Fünf-Hektar-Finca Los Naranjitos liegt im abgelegenen Südwesten des südkolumbianischen Departements Cauca. Die asphaltierte Abzweigung von der Panamericana nach Westen endet an der Brücke über den Río Patía, dann gibt es nur noch Schotterpisten. Vom Städtchen Balboa steigt der Weg steil bergauf zur Cordillera Occidental. Die Bergkuppen sind in dichte Wolken gehüllt. Zwischen Schwaden von Bodennebel sind immer wieder frisch gehackte Felder zu erkennen. Saftiggrüne Setzlinge heben sich von der dunkelbraunen Erde ab, fein säuberlich in Reih und Glied angeordnet. Schlafmohn, der Rohstoff für Heroin, gedeiht am besten in höheren Lagen. Fast zwei Stunden Holperstrecke weiter und in erheblich tieferen Lagen liegt der Flecken La Planada. Ein Trampelpfad führt steil von der Schotterstraße bergab. Nach knapp zehnminütigem Fußmarsch endet er auf Lassos Finca. Im Hof trocknen beigebraune Kaffeebohnen in der Sonne, ein Hund und einzelne Hühner laufen herum.
Zeit seines Lebens hat Israel Lasso auf der kleinen Finca gelebt und gearbeitet. Seit mehr als zwanzig Jahren erntet er Kokablätter, den Rohstoff zur Herstellung von Kokain. Er war einer der ersten Campesinos/as in diesem bergigen Teil Kolumbiens, der sich 1994 dem Biokaffeeprojekt der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) anschloss. Gemeinsam mit den nationalen Kaffeepflanzerorganisationen beziehungsweise deren regionalen Ablegern sowie dem größten deutschen Kaffeeröster, der Firma Kraft-Jacobs-Suchard aus Bremen, will die GTZ in den drei wichtigsten Drogenproduktionsländern Lateinamerikas, in Kolumbien, Peru und Bolivien, einen Beitrag zur Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen leisten, die zum Anbau der illegalen Drogen führen. Biologischer Kaffee verspricht den KleinbäuerInnen höhere Gewinne als der bisherige konventionelle Anbau der braunen Bohnen.

Drogenanbau nicht verboten

Das GTZ-Vorhaben unterscheidet sich dabei von früheren Aktivitäten des Drogenbekämpfungsprogramms UNDCP der Vereinten Nationen, das in der Vergangenheit auch im Departement Cauca Anwendung gefunden hatte. Dessen Erfolg fällt im übrigen sehr bescheiden aus. Das rigide, paternalistische und mit erheblichen Finanzmitteln ausgestattete UN-Projekt hat den Drogenanbau nicht merklich zurückgedrängt, aber bei vielen BäuerInnen eine gewisse Anspruchshaltung hinterlassen, mit der auch die GTZ-MitarbeiterInnen anfangs zu kämpfen hatten. UNDCP arbeitet ausschließlich mit BäuerInnen zusammen, die keine Drogen mehr produzieren; teilweise mussten die Koka- oder Mohnpflanzungen eigenhändig unter den Augen der UN-VertreterInnen vernichtet werden. Die GTZ macht dagegen keine konkreten Vorgaben zur Aufteilung des Landes. Jeder kann selbst festlegen, zu welchem Anteil er sein Land mit organischem Kaffee bebaut. Die Fortsetzung des Drogenanbaus ist kein Ausschlusskriterium, die meisten beteiligten KleinbäuerInnen widmen weiterhin ein viertel bis ein drittel Hektar dem Drogenanbau.
Neben Israel Lasso beteiligen sich im Departement Cauca 169 weitere Campesinos/as an dem Biokaffee-Projekt. Nur wenige sind bisher abgesprungen, die meisten bleiben bei der Stange. Nach einer Umstellungszeit von zwei bis drei Jahren bietet organischer Kaffee eine vergleichsweise stabile wirtschaftliche Alternative. Pro Kilo können sie einen Aufpreis von rund einer Mark gegenüber herkömmlich gezogenem Kaffee kassieren. Während früher mit extensivem Anbau nur 700 DM pro Hektar zu verdienen waren, lässt sich der Gewinn mit biologischen Verfahren auf etwa 3.200 DM erhöhen. Das liegt im wesentlichen an der deutlichen Intensivierung der Landwirtschaft, die mit der Umstellung der Produktionsweise verbunden ist. Die Biokaffee-Campesinos/as können den Hektarertrag auf etwa 1.000 Kilogramm Rohkaffee vervierfachen. Trotzdem sind Einkommenseinbußen unvermeidlich, ein abrupter Verzicht auf den Drogenanbau ist von niemandem zu erwarten. Eine einzige Kokaernte auf derselben Fläche bringt schließlich 1.200 DM ein, und der anspruchslose und widerstandsfähige Kokastrauch wirft jedes Jahr bis zu vier Ernten ab. Bei Schlafmohn liegt der Profit noch höher. Bis zu 17.000 DM im Jahr kann ein/e BäuerIn pro Hektar erwirtschaften. Auch dafür sind recht hohe Anfangsinvestitionen erforderlich, die nicht selten von den DrogenhändlerInnen vorfinanziert werden. Viele Campesinos/as begeben sich damit in Abhängigkeit von den lokalen Mafiabossen.

Plazet der Guerilla

In allen drei Andenländern liegen die Projektgebiete in abgelegenen Regionen, in Kolumbien und in Peru mit starker Präsenz von Guerillaorganisationen. Im Cauca sind es in erster Linie die Revolutionären Streitkräfte FARC, die größte und älteste Guerilla des Kontinents, im peruanischen Villa Rica die Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru (MRTA), die Ende 1997 durch die Besetzung der japanischen Botschafterresidenz in Lima für weltweites Aufsehen sorgte. Die Organisatoren des Biokaffeeprojektes mussten daher nicht nur die Zustimmung der jeweiligen Regierungen einholen. Für die konkrete Arbeit vor Ort hatten sie sich auch der Akzeptanz durch die aufständischen Gruppen zu versichern. Schwierigkeiten gab es bisher nirgends, die Entwicklungshilfe für die Landbevölkerung in den besonders marginalisierten Gebieten ist offenbar im Sinne der Guerilla.
Gefahr droht eher von anderer Seite. „Viele Leute hier kaufen sich Gewehre, Flinten und Munition,“ berichtet Arnulfo Quinayas. Er ist Präsident der BäuerInnenkooperative Nuevo Futuro in San Antonio, einem zwischen Balboa und La Planada gelegenen Dorf im Südwesten von Cauca, in dem Opiummohn vortrefflich gedeiht. „Sie verdienen mit Koka das schnelle Geld, und dann arbeiten sie nicht mehr, sondern gucken nur, wo sie wem etwas stehlen können. Manche Fahrer wollen schon keinen Kaffee mehr transportieren, weil man ihnen die gesamte Ladung gestohlen hat,“ erzählt er weiter.

Der Mensch lebt nicht von Koka allein

Immer mehr BäuerInnen spüren noch eine andere Folgeerscheinung des steigenden Drogenanbaus. Die hohen kurzfristigen Gewinne haben etliche Campesinos/as dazu gebracht, einen immer größeren Anteil ihres Bodens dem Drogenanbau zu widmen und die Erzeugung lebensnotwendiger Nahrungsmittel zu vernachlässigen. Nun merken die traditionell von der Selbstversorgung lebenden KleinbäuerInnen, dass die Beschaffung von Lebensmitteln nicht nur aufwendig ist, sondern auch einen wachsenden Teil ihrer Einnahmen aus der Drogenproduktion auffrisst. Mit der erneuten Hinwendung zu einem traditionellen Anbauprodukt, nun mit neuen Methoden, besteht die Chance, dass sich die Campesinos/as in den kolumbianischen, peruanischen und bolivianischen Kaffeegebieten auch wieder verstärkt der landwirtschaftlichen Produktion von Grundnahrungsmitteln zuwenden. Und sie können ihre Kenntnisse im ökologischen Kaffeeanbau auf andere Pflanzen wie Mais, Maniok und Bananen anwenden.
Beim Umstieg auf legale Erzeugnisse stehen die Campesinos/as in den Andenländern ziemlich alleine da. Trotz vollmundiger Erklärungen der jeweiligen Regierungen und insbesondere des ehrgeizigen ‘Plan Colombia’ von Präsident Andrés Pastrana hat bisher keines der drei Projektländer ernsthafte Bemühungen an den Tag gelegt, die sozialen Ursachen für den Anbau „illegaler Produkte“ ernsthaft zu bekämpfen. Der Staat bietet bisher keine legalen Alternativen. In den abgelegenen Regionen fehlt es an landwirtschaftlicher Beratung, technischer Unterstützung und bezahlbaren Krediten. Und am nötigen Kleingeld. Der Vizepräsident der Nationaluniversität in Bogotá und renommierte Soziologe Alejo Vargas schätzt die Kosten eines Substitutionsprogramms für Koka allein im kolumbianischen Amazonien mit seiner Anbaufläche von rund 100.000 Hektar auf nicht weniger als 10 Milliarden US-Dollar. „Das überfordert schlichtweg die Kapazität des kolumbianischen Staates,“ beschreibt er das Dilemma, „und braucht eine Vorbereitungszeit von mindestens zehn Jahren.“
In den allermeisten Hochburgen des Drogenanbaus ist der Staat kaum präsent, bietet kaum Infrastruktur und seinen BürgerInnen nur wenig Entwicklungsmöglichkeiten. Dennoch tauchen Polizei und Militär in den betroffenen Regionen sporadisch auf. Wegen ihres oftmals unberechenbaren und brutalen Vorgehens sind sie bei der Landbevölkerung gefürchtet. „Solange wir Koka anbauen, kann jederzeit die Armee oder die Drogenpolizei kommen und uns Ärger machen,“ meint Arnulfo Quinayas von der Kooperative Nuevo Futuro in San Antonio. Drogenanbauende Campesinos/as müssen jederzeit mit Repressalien rechnen. Besonders gefürchtet sind die Giftsprühaktionen der kolumbianischen Antidrogenpolizei und der US-amerikanischen Drogenbehörde DEA. Der chemische Krieg hat vor allem in Kolumbien schon eine lange Tradition. Er begann in den 70er Jahren gegen die Marihuanapflanzungen in der Nähe der Karibikküste. Auf annähernd 30.000 Hektar wurden damals zwei Drittel des auf 10.000 Tonnen geschätzten jährlichen US-Bedarfs geerntet. Die chemische Keule – anfangs hochgiftiges Paraquat, später Glyfosate – konnte die Ausfuhr dieser Droge jedoch nur kurzfristig senken.

Chemischer Luftkrieg mit ökologischen Folgen

Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre lag der Schwerpunkt der kolumbianischen Drogenmafia auf der Verarbeitung von Kokapaste und dem Vertrieb in die Industriestaaten. Kolumbianische Zwischenhändler lieferten vier Fünftel des Kokains für den US-Markt. Der Rohstoff stammte damals aus Peru und Bolivien, die jedes Jahr jeweils 20.000 Tonnen Kokablätter und 50 bis 80 Tonnen „pasta básica“ erzeugten. Mittlerweile hat sich Kolumbien vom wichtigsten Dealer zum größten Produzenten von Koka und Schlafmohn gemausert. Seit 1981 vervierfachte sich die Anbaufläche auf rund 100.000 Hektar. Dabei wurden allein in den letzten fünf Jahren 150.000 Hektar Drogenäcker durch Herbizideinsatz vernichtet. Aber die Rechnung ging nicht auf. Die Giftsprühaktionen trieben die Bauern in unerschlossene Landesteile, wo sie noch weniger Möglichkeiten hatten, Käufer für ihre legalen Erzeugnisse zu finden. Einziger Ausweg: Sie mussten Drogen anbauen, um zu überleben. Viele Experten räumen mittlerweile ein, dass die Strategie der Drogenvernichtung nicht aufgeht. Gouverneur Hernando González Villamizar beklagte jüngst, nach siebenjährigem Gifteinsatz gäbe es in seinem Departement Guaviare mehr Koka denn je.
Derweil nehmen die ökologischen Folgen erschreckende Ausmaße an. Laut kolumbianischen Experten sind bereits 150.000 Hektar Regenwald vergiftet, und wenn es so weitergeht, sind bis 2015 über zwei Drittel des kolumbianischen Urwaldes in Ödland verwandelt. Pro vernichtetem Hektar Mohn sterben zweieinhalb und bei Koka sogar vier Hektar Wald. Diesen Kollateralschäden und der offensichtlichen Erfolglosigkeit zum Trotz halten die Hardliner unbeirrbar an ihrer Strategie fest. Bescheiden machen sich die 40 Millionen für die Förderung alternativer Anbauprodukte gegen das 2,5-Milliarden-Dollar-Budget aus, das die USA in den kommenden Jahren unter anderem in den kolumbianischen Luftkampf gegen DrogenpflanzerInnen pumpen.

Guerilla = Drogen

Der Anti-Narco-Feldzug der USA ist untrennbar mit der Aufstandsbekämpfung verbunden. Mit dem Feindbild, der sogenannten Narcoguerilla, das die enge Verbindung der rechten Paramilitärs zur Drogenmafia bewusst verschweigt, werden zwei Probleme zu einem Gegner zusammengefasst, ganz im Sinne der US-Doktrin der Nationalen Sicherheit. Die Fuerzas Revolucionarias de Colombia (FARC), die größte und älteste Guerilla des Landes, kontrollieren mit ihren 15.000 KämpferInnen weite Teile des kolumbianischen Amazonasbeckens mit ausgedehnten Kokaanbauflächen. Ein besonderer Dorn im Auge der Drogenwächter aus dem Norden ist die Entspannungszone am Rande des Amazonasbeckens, die Präsident Pastrana Anfang 1999 für die FARC räumen ließ, um den Weg zu Friedensverhandlungen frei zu machen. Die USA malen seither den Teufel einer unkontrollierbaren Expansion des Drogenexports an die Wand.
Der Vertreter des UNO-Drogenprogramms in Kolumbien, Klaus Nyholm, widerspricht indes solchen Behauptungen. Die Kokaproduktion habe dort seit dem Abzug der Armee keineswegs zugenommen, konstatierte er im Juli 1999. Der UNO-Experte schrieb den Vertretern des harten Kurses noch etwas anderes ins Stammbuch: In Kolumbien brauche es mehr Zuckerbrot und weniger Peitsche, um das Drogenproblem in den Griff zu bekommen. In den nächsten drei Jahren werden die Vereinten Nationen 5.000 KleinbäuerInnn in der Entspannungszone mit sechs Millionen Dollar bei der Umstellung von Koka auf Kakao, Kautschuk und Viehzucht unter die Arme greifen.
Das Geld für die UNO-Drogenprogramme stammt überwiegend aus den europäischen Industrieländern. Nachdem vor allem der Heroinmissbrauch dort zunehmende gesundheitspolitische Bedeutung bekam, haben sich die Westeuropäer im letzten Jahrzehnt der Suchtmittelbekämpfung in den Erzeugerländern angenommen. Im Unterschied zu den USA, die auf eine repressive Strategie setzen, verfolgt die europäische Drogenbekämpfung die Förderung der alternativen und vor allem der integralen Entwicklung der Andenländer. Die Drogenproduktion ist nur durch die Überwindung ihrer sozioökonomischen Ursachen effektiv zurückzudrängen. Hauptgrund für den Drogenanbau sind die Unterentwicklung und fehlende Absatzmöglichkeiten für andere Produkte auf dem Weltmarkt. Solange ein Bauer nicht vom Verkauf seiner legalen Erzeugnisse leben kann, wird er weiter Drogen anbauen.

Bescheidene Alternative

Das Engagement sowohl der Europäischen Union als auch der einzelnen europäischen Länder zielt daher auf die integrale Entwicklungsförderung in den Erzeugerländern ab. Dazu gehörte die Begünstigungsklausel für Importe aus Kolumbien, Bolivien, Ecuador und Peru aus dem Jahr 1990. Gleichzeitig begannen die Mitgliedsstaaten der EU, die legalen Wirtschaftszweige in den Andenländern zu unterstützen. Das ist jedoch kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die konkrete Wirkung der maximal 12 Millionen Dollar, die Kolumbien jährlich von der EU bekommt, sind zu vernachlässigen. Sie zeigen allerdings, dass Europa gewillt ist, sozioökonomische Unterstützung an Stelle der Repression zu setzen.
Damit das Konzept der „Alternativen Entwicklung“ aufgeht, muss allerdings in großem Umfang und bei stabilen Preisen der Absatz der Drogenersatzprodukte auf dem Weltmarkt gewährleistet sein. Das ist in der Vergangenheit nur in Einzelfällen und kurzfristig gelungen. Auch beim Biokaffeeprojekt der GTZ blieben die Erfolge bislang hinter den Erwartungen zurück. Bisher ist es denn auch eher als Versuch zu werten, ob sich mit einem derartigen Ansatz das Drogenproblem auf der Produzentenseite überhaupt beeinflussen lässt. Die Projektkosten von 5,4 Millionen Mark werden überwiegend aus der „Drogenreserve“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit aufgebracht, Kraft-Jacobs-Suchard steuert 250.000 Mark bei. Ziel ist es, die beteiligten Campesinos/as so weit zu beraten und zu unterstützen, dass ihr Landbau die Richtlinien der Europäischen Union (EU) erfüllt. Nur dann können sie ihre braunen Bohnen hierzulande als Ökokaffee verkaufen.

Private Projektpartnerschaft oder Geschäft?

Für den Projekterfolg und vor allem für das Überleben der beteiligten Campesinos/as ist entscheidend, ob und in welchem Ausmaß sich die Vermarktung von Biokaffee konsolidieren lässt. Die von den InitiatorInnen erhoffte Vermarktung über die beteiligte Kaffeerösterei Jacobs ist praktisch nicht erfolgt. Nachdem das private Partnerunternehmen lange Zeit nicht eine einzige Bohne aus dem Projekt abnahm, kaufte es nun über die Kaffeebörse ganze zwei Container des sogenannten Umstellungskaffees aus Villa Rica.
Für Kraft-Jacobs-Suchard ist eine andere Entwicklung von wesentlich größeren Interesse, die aus dem Biokaffee-Projekt hervorgegangen ist. In Lima baute die Cámara Peruana del Café mit deutscher Hilfe eine Qualitätsprüfstelle für Rohkaffee auf. Dr. Rainer Becker, Jacobs-Mitarbeiter in Diensten der GTZ, sieht darin die nachhaltigste Wirkung des Biokaffeeprojektes überhaupt. Mit Hilfe des deutschen Kaffee-Experten, der die Projekte in Kolumbien und Peru seit zwei Jahren berät, bemüht sich die dortige Kaffeewirtschaft um die Ausdehnung ihrer Marktanteile und ihrer Einnahmen. „Peruanischer Kaffee erfüllt die Voraussetzungen für eine gute Qualität,“ beschreibt Becker das Dilemma des Andenstaates, „aber er hat mit einem schlechten Image zu kämpfen, das ihm regelmäßig an der Kaffeebörse einen Preisabschlag von 50 bis 65 Pfennig pro Kilo gegenüber dem Weltmarktpreis beschert.“ Allein im vergangenen Jahr sind Peru dadurch rund 20 Millionen US-Dollar an Exporteinnahmen durch die Lappen gegangen. Durch anhaltende Qualitätsverbesserung wollen die Peruaner die internationalen KaffeerösterInnen und -importeurInnen davon überzeugen, dass ihr Produkt besser ist als sein Ruf. Jahr für Jahr beantragen sie die Höherbewertung ihrer braunen Bohnen.

Biokaffee mit geringen Marktchancen

Bei dieser Form der Projektfortsetzung geht es nicht mehr um Biokaffee, sondern um die Qualität peruanischen Kaffees schlechthin. Organisch angebautem Kaffee räumt man bei Jacobs und vor allem bei den US-amerikanischen KonzernherrInnen ohnehin nur minimale Marktchancen ein. Dr. Beckers Fazit der Kooperation von Jacobs mit der GTZ und den nationalen Verbänden der KaffeepflanzerInnen fällt denn auch eher ernüchternd aus: „Der Biokaffee-Ansatz ist wenig erfolgversprechend.“ Der oftmals qualitativ schlechtere Kaffee aus ökologischer Produktion hat nach seiner Auffassung wenig Chancen auf dem internationalen Markt, wo eine wachsende Zahl von Abnehmern hohe und vor allem stabile Qualität erwartet. Die Mängel des weltweit angebotenen organischen Kaffees, so argumentiert man hingegen bei der GTZ, ergäben sich allerdings aus der häufigen Vermischung von sozial-karitativen Ansätzen mit der Förderung ökologischer Produktionsweisen. Das führe meistens dazu, dass Ökokaffee aus besonders rückständigen Regionen bezogen wird, wo die Bedingungen zur Erzeugung hochwertiger Produkte nicht gegeben sind. Für das GTZ-geförderte Biokaffeeprojekt träfe dies aber nicht zu, da in allen drei Ländern klassische Kaffeeanbaugebiete mit hoher Qualität ausgewählt worden seien.
Die Vermarktung beschränkt sich dabei bis heute überwiegend auf alternative Handelsorganisationen wie die GEPA, die hierzulande Café Aymara aus Villa Rica vertreibt, oder die schwedische Firma Gevalia. Den Biokaffee aus Kolumbien kauft im wesentlichen El Puente in Deutschland, wo er unter dem Markennamen der beteiligten Kooperative Nuevo Futuro oder Colombia Grande von der Firma Ökotopia erhältlich ist. Insgesamt ist es bisher aber kaum gelungen, stabile Marktverbindungen für ökologischen Kaffee aufzubauen. Für Privatunternehmen, die streng im Profitinteresse arbeiten, gibt es offenbar nicht genügend Anreize, in größerem Stil einzusteigen. Die beteiligten BäuerInnen bleiben dennoch zuversichtlich: „Wir haben gelernt, dass die chemischen Substanzen schädlich sind für die Gesundheit und auch für unsere Umwelt,“ meint Arnulfo Quinayas von der Genossenschaft Nuevo Futuro im Cauca. „Außerdem konnten wir mit Hilfe der GTZ einen Weg aufbauen, um unseren Kaffee in andere Länder zu exportieren.“

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