Havannas schöne Ecken
Photographien von Hans Engels
Havanna wird das Rom der Karibik genannt. Seine Geschichte ist die Geschichte von Häusern und Palästen, die eines profunden Gespürs für Städtebau: Eine Stadt der Säulen, Boulevard – der wilden Gärten, die bereit sind, sich ihr Terrain zurückzuerobern, wenn der Mensch sie denn läßt. Für Ernest Hemingway sah Havanna „gut aus in der Sonne“ und der Fotograf Hans Engels fängt das Licht in den Straßen gut ein.
Mit mehr als neunhundert Bauwerken ist Havanna Teil des UNESCO Weltkulturerbes und soll als urbane Form erhalten werden. Gesucht sind Kriterien, die der Stadt erlauben, sich auf der Basis ihres kulturhistorischen Erbes weiterzuentwickeln, ohne das zu gefährden, was heute existiert. Havannas Architektur ist ein historisches Phänomen: Sie hat ökonomische Turbulenzen und politische Revolution überstanden, heute dient sie als Metapher für die Unermüdlichkeit städtebaulicher Bemühungen.
Castros Machtübernahme 1959 hat das Land wie die Stadt zwar vom kapitalistischen Teil der Welt abgeschnitten, dadurch aber auch Jahrhunderte alte Bausubstanz erhalten. Die Zeit stand still ohne ausländische Investoren, nur so
haben fünf Epochen Architektur überlebt: Angefangen von majestätischen Kolonial-stadtsalons bis hin zu halbherzigen Hoffnungen heroischer Moderne. Ein Mikrokosmos der Architektur.
In dem Bildband Havana dokumentiert der Fotograf Hans Engels die Art, wie die Zeit diesen Raum beeinflußt, unter physikalischen und sozialen Gesichtspunkten. Durch die Fotos sprechen die Gebäude von
gestern, heute, morgen, von Geschichte und Kultur, von Stagnation, Verzweiflung und Hoffnung. Scheinbar alterslose Bilder. Einige zerbrechlich, leicht – andere erdgebunden, mondän. Aber alle mit Würde und Persönlichkeit.
Auf dem Fahrrad unterwegs, folgt der Fotograf ausschließlich seiner Inspiration. Insgesamt 125 Bilder, 78 davon für dieses Buch. Sein ganz persönlicher Blick auf Havanna, auf Armut und Vergessenheit. Faszination für die Patina des Verfalls: Abblätternde Farbe, mit Dreck überzogener Stuck, was verloren geht wird nicht ersetzt, und was noch da ist, immer noch benutzt oder umfunktioniert. Der Fotograf zeigt Hoffnung, wo andere nur Hoffnungslosigkeit sehen. Sein Havanna spiegelt die zwei Seiten einer Medaille: Wo die Bevölkerung arm ist und der Staat kein Geld hat, geben sich Verfall und der Charme alter Pracht die Hand.
Kein Buch um es unter den Arm zu klemmen, und damit in Havanna auf Entdeckungsreise zu gehen, aber es macht Lust auf Spaziergänge durch die Straßen mit Blick auf die Häuser.
Havana. The Photography of Hans Engels. With an Introduction by Beth Dunlop and a Contribution by María Elena Martín Zequeira. Prestel Verlag, München 1999, 104 S., 68,- DM.