Film | Nummer 452 - Februar 2012

Im Rhythmus der flinken Finger

Der Debütfilm der chilenischen Regisseurin Marialy Rivas erzählt vom sexuellen Erwachen einer Jugendlichen in evangelikalem Umfeld

Olga Burkert

Daniela liebt Tomás. Daniela liebt aber auch Antonia. Die 17-Jährige ist hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen. Vor allem aber liebt Daniela Sex: Sex mit Männern, Sex mit Frauen, Sex mit sich selbst; zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehören erotische Gedankenspiele und der Austausch mit Gleichgesinnten auf ihrem Blog „Jóven y alocada“ (Jung und wild), der sich ausschließlich um ihre sexuellen Abenteuer dreht.
Danielas Lust am Ausprobieren diametral gegenüber steht das streng evangelikale Umfeld ihrer Familie, die der chilenischen Oberschicht angehört. Dort hat nur die Liebe zu Jesus Platz, jegliche „irdische“ Sexualität, vor allem vor der Ehe, werden aus diesem Umfeld verdrängt. Einzig Danielas todkranke Tante ist hier eine Verbündete für sie.
Als Daniela wegen Geschlechtsverkehr mit einem Mitschüler kurz vor dem Abi von der Schule fliegt, zwingt ihre autoritäre Mutter sie, in einem evangelikalen Fernsehsender zu jobben. Hinzu kommen ein Jahr Hausarrest und striktes Ausgehverbot. Bei der Arbeit trifft sie auf Antonia und Tomás und beginnt mit beiden ein Verhältnis. Da sie in beiden Beziehungen unterschiedliche Erfüllung findet, muss sie sich vielleicht gar nicht entscheiden, so Danielas vorläufiges Fazit. Doch da hat sie nicht mit den Gefühlen der anderen gerechnet, die irgendwann zwangsläufig ihren Tribut fordern.
Der poppig-rasante Debütfilm der chilenischen Filmemacherin Marialy Rivas bewegt sich in diesem Spannungsfeld von religiöser Strenge und dem sexuellem Erwachen einer Jugendlichen. Dabei spielt Rivas mit allen Mitteln der neuen Medien. In seiner Darstellungsform ist Jóven y alocada mehr als drastisch, neben eindeutigen Sexszenen gibt es zahlreiche animierte Zeichnungen der menschlichen Genitalien. Diese nehmen auch einen Großteil des Films ein. Die Dialoge fliegen den Zuschauer_innen im schnell gesprochenen, an Bezügen auf die Geschlechtsteile reichen umgangssprachlichen Spanisch Chiles regelrecht um die Ohren. Der Film läuft auf der diesjährigen Berlinale zwar im Programm der Sektion Generation, wird hier aber erst ab 16 Jahren empfohlen.
Die Offenheit des Films gegenüber dem Thema Sexualität ist zwar einerseits erfrischend und die Gegenüberstellung mit den engen, mitunter absurden Regeln und Praktiken des evangelikalen Alltags spannend. Dennoch wirkt die alleinige Auseinandersetzung mit dem Thema Sex auf die Dauer etwas langweilig. Vor allem gegen Schluss schwächelt zudem der Spannungsbogen und die Geschichte des Film wird nicht zu einem überzeugenden Ende gebracht.

Jóven y alocada („Jung und wild“) // Marialy Rivas // 90 Minuten // Chile 2011 // Sektion Generation 14plus


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