Amazonien | Nummer 420 - Juni 2009

Indigene auf der Palme

Massive Proteste im peruanischen Amazonasgebiet gegen Regierungsdekrete

Angesichts anhaltender Proteste verkündete die peruanische Regierung im Mai den Ausnahmezustand in vier Regionen. Wirtschaftsinteressen von Unternehmen sollen so geschützt werden, indigene Gruppen werden kriminalisiert. Sie fordern die Rücknahme von Regierungsdekreten, welche ohne ihre Zustimmung verabschiedet wurden und ihre Rechte beschneiden.

Mathias Hohmann

Das Amazonasgebiet ist in Lima angekommen. Tausende Menschen wälzten sich Ende Mai durch Perus Hauptstadt zum Sitz des Kongresses, um die seit Anfang April dieses Jahres im peruanischen Amazonasgebiet protestierenden indigenen Gruppen zu unterstützen. Die in Gewerkschaften und Bauern- und Bäuerinnenverbänden organisierten AktivistInnen übergaben Parlamentspräsident Velásquez Quesquén (APRA) eine Petition, die ihn aufforderte, eine Vorlage der Verfassungskommission des Parlamentes in die Debatte einzubringen. Diese Kommission hatte zahlreiche Dekrete zuvor für verfassungswidrig erklärt, die von der Regierung im letzten Jahr ohne parlamentarische Zustimmung verabschiedet worden waren. Die Regierung nutzte damals vom Parlament erhaltene Sondervollmachten, um das Freihandelsabkommen mit den USA beschleunigt umsetzen zu können.
Bei den Dekreten, geht es unter anderem um Gesetze zu Waldnutzung, der vereinfachten Umwidmung der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen und Wasserressourcen. Sie beschneiden massiv die Rechte der – nicht konsultierten – indigenen Gruppen im Amazonasgebiet und verletzen auch die UN-Deklaration zu den Rechten indigener Völker.
Die anmaßende Vorgehensweise der Regierung führte bereits im August letzten Jahres zu teilweise gewalttätigen Protesten. Seit Anfang April brodelt es nun erneut in den vier Regionen Amazonas, Loreto und Ucayali im Norden sowie in Cusco im Süden des Landes. Bisher ist der Widerstand jedoch größtenteils passiv. Doch auch massive Straßenblockaden, Sperrungen von Flüssen oder die Besetzungen von Ölpumpstationen riefen die Regierung auf den Plan. Am 9. Mai unterzeichnete Präsident García ein Gesetz, das für 60 Tage den Ausnahmezustand für zahlreiche Provinzen der vier bestreikten Regionen erklärt. Polizei und Militär erhielten dadurch weitergehende Befugnisse. Auch die Grundrechte der indigenen Bevölkerung wurden so erst einmal außer Kraft gesetzt. Dafür erwähnte das Dekret über den Ausnahmezustand explizit vier (auch transnationale) Erdölunternehmen, deren wirtschaftliche Aktivitäten durch die Proteste gefährdet seien.
Unterdessen redete die Regierung viel von Dialog. Alberto Pizango von AIDESEP, der zentralen indigenen Interessensvertretung des Amazonasgebietes, sagt allerdings, die indigenen Gruppen fühlten sich von der Regierung auch jetzt nicht ernst genommen. Schon vorher seien sie nicht konsultiert worden, wie es die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation fordere. Die hat Peru zwar 1994 ratifiziert, aber noch immer nicht in nationales Recht umgesetzt.
Die Debatte vom 28. Mai über das von der Verfassungskommission als verfassungswidrig eingestufte Dekret zum Waldgesetz wurde übrigens durch den Parlamentspräsidenten abgebrochen, nachdem sich ein Abgeordneter der Natioanalistischen Partei Perus (PNP) in Beschimpfungen gegen Präsident Alan García erging und nicht entschuldigen wollte. Anfang Juni soll nun ein neuer Versuch unternommen werden. Es ist weiterhin zu befürchten, dass die indigenen Interessen im peruanischen Parlament völlig unzureichend vertreten werden. Alltag im so amazonienfernen Lima der mehrheitlich wirtschaftsnahen politischen Elite, die Perus Amazonien nach ihrem Gutdünken „entwickeln“ will.


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